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Länderberichte

Griechenland vs. Deutschland – Das Klima ist vergiftet

Seit die neue griechische Regierung im Amt ist, wird der Ton der deutschen Medien wieder schriller. Man drischt lustvoll, hämisch und oft unter der Gürtellinie nicht nur auf „die Griechen“, sondern seit kurzem auch und vor allem auf bestimmte Regierungsmitglieder ein. Eine besondere Rolle scheinen bei diesem neu entflammten Medienkrieg die griechischen Reparationsforderungen gegenüber Deutschland zu spielen. Unser Griechenland-Korrespondent Niels Kadritzke geht dieser und anderen Frage in einer dreiteiligen Serie auf den NachDenkSeiten ein.

Renzi macht den Schröder: Zu den aktuellen Arbeitsmarktreformen in Italien

Griechenland hat sich eine Regierung gewählt, die nach Jahren der Austeritäts- und Kürzungspolitik um einen wirtschafts- und sozialpolitischen Kurswechsel streitet. Neben den geradezu dramatischen Ereignissen in Athen und Brüssel vor und nach der Wahl scheint Italien etwas aus dem Blickfeld geraten zu sein. Dabei setzt das größte Land Südeuropas, seit Jahren in der Krise, gerade umfassende neoliberale Reformen am Arbeitsmarkt um. Es bleibt damit bei jener Strategie, die darauf setzt, mit Deregulierung und Deflationsstrategien aus der Krise zu kommen. Aus dem Versagen solcher Rezepte in Griechenland, aber auch in Spanien und Portugal scheint die Regierung unter Ministerpräsident Matteo Renzi ebenso wenig gelernt zu haben wie aus den fatalen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, die diese regelmäßig zeitigen. Von Patrick Schreiner[*].

Peer und die Oligarchen – die moralische Bankrotterklärung des ehemaligen Vizekanzlerkandidaten

Die Eckpunkte der künftigen Politik der Ukraine werden nicht in Kiew, sondern in Wien gesetzt. Dort soll die neu gegründete „Agentur zur Modernisierung der Ukraine“ ihre Arbeit aufnehmen. Gleich einer Schattenregierung wurden in dieser Agentur die Ressorts mit äußerst namhaften ehemaligen Politikern besetzt. Das Finanzressort untersteht niemand anderem als dem ehemaligen Finanzminister und Vizekanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Finanziert wird das Vorhaben von den drei wohl reichsten und mächtigsten Oligarchen der Ukraine – ein erstaunliches Triumvirat aus Korruption, Mafia-Kontakten und politischer Wandlungsfähigkeit. Offenbar hat Steinbrück endgültig jede Scham verloren und verkauft seine Haut wie eine Bordsteinschwalbe an jeden, der bereit ist den – sicher nicht geringen – Preis zu bezahlen. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Venezuela – it’s the economy stupid

Letzte Woche verhafteten die venezolanischen Behörden Antonio Ledezma, den Bürgermeister von Caracas. Von 76 oppositionellen Bürgermeistern sind nun 33 in Haft oder stehen vor Gericht. Offizielle venezolanische Nachrichtenkanäle sprechen im Fall Ledezma von einem verhinderten Staatsstreich – unterstützt durch die USA. Es ist von außen sehr schwer, diese Vorwürfe zu bewerten. Zweifel sind jedoch angebracht. Venezuelas Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Die Menschen leiden an einem rasanten Verlust ihrer Kaufkraft und Versorgungsengpässen. Noch nie war die Zustimmung für die regierenden „Chavistas“ so gering wie heute und im Herbst stehen eigentlich Wahlen vor der Tür. Gut möglich, dass die „Bolivarische Revolution“ nach siebzehn Jahren an ihren eigenen Fehlern zu Grunde geht. Eine besondere Bedeutung sollte man dabei der fehlgeleiteten Wirtschaftspolitik zuweisen. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Kennst Du das Land, wo der Kautschuk wächst?

Beinahe drei Viertel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche Kambodschas wurden von der Regierung an Konzerne „verpachtet“. Das entspricht fast einem Drittel des Landes. Auf 80% der verpachteten Fläche wird nun Kautschuk angebaut. In fast allen Fällen führen diese Verpachtungen zu Vertreibungen, die meist mit Gewalt durch Polizei und Militär gegen die Zivilbevölkerung einhergehen. Mehr als eine halbe Millionen Kambodschaner sind bereits Opfer von Landkonflikten. Die Profiteure sind sowohl die einheimischen Eliten wie auch internationale Konzerne. Was für ein Land wie Kambodscha eine echte Katastrophe ist, wird in der deutschen Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen. Von Jens Berger

Landgrabbing in Kambodscha – NachDenkSeiten Spezial

Dieser Film ist das erste Produkt einer Recherchereise der NachDenkSeiten-Mitarbeiter Lars Bauer und Jens Berger nach Kambodscha in Kooperation mit der Welthungerhilfe. Ausführliche Hintergrundinformationen erhalten Sie auch auf den Seiten der kambodschanischen NGO LICADHO und bei global witness. Vor einiger Zeit sind auf den NachDenkSeiten zum Themenkomplex bereits die Artikel „Land Grabbing – die marktkonforme Wiedergeburt des Kolonialismus“ und „Land Grabbing in Sierra Leone – Widerstand gegen den Neokolonialismus“ erschienen. Die Bilder zur Reise finden Sie bei flickr. Für Leser, die technische Probleme mit vimeo haben, findet sich auch eine Kopie unseres Films auf YouTube. Morgen folgt auf den NachDenkSeiten ein ausführlicher Bericht zum Thema.

Nachwahl zur französischen Nationalversammlung: Deutlich höhere Wahlbeteiligung stoppt „Front National“ knapp

Eine gegenüber dem ersten Wahlgang um fast 10 Prozentpunkte höhere Wahlbeteiligung hat verhindert, dass der rechtsextreme „Front National“ bei der Nachwahl zur französischen Nationalversammlung im Département Doubs, im Nordosten Frankreichs, sein drittes Mandat erreicht.
Bei einer Wahlbeteiligung von 49 Prozent (1. Wahlgang: 39,5 Prozent) hat der Kandidat der Sozialistischen Partei, Frédéric Barbier, am gestrigen Sonntag 51,43 Prozent der Stimmen bekommen, die Kandidatin des „Front National“, Sophie Montel, erhielt 48,57 Prozent.
Das ist ein Ergebnis, das noch vor wenigen Wochen niemand erwartet hatte; fast alle Beobachter waren davon ausgegangen, dass der sozialistische Kandidat im ersten Wahlgang ausscheidet und der zweite Wahlgang zu einem Duell zwischen „Front National“ und der bürgerlichen Rechten der „UMP“ wird. Es ist anders gekommen. Von Christoph Habermann.

Spannende Nachwahl zur französischen Nationalversammlung

Am vergangenen Sonntag fand im vierten Wahlkreis des Départements Doubs im Osten Frankreich eine Nachwahl für die Nationalversammlung statt.

Der bisherige Abgeordnete Pierre Moscovici musste sein Mandat am 1. November 2014 niederlegen, nachdem er zum Mitglied der Europäischen Kommission berufen worden war.

Der erste Wahlgang brachte eine handfeste Überraschung: Die landesweiten Medien und auch die „politischen Kreise“ in Paris hatten erwartet, dass der sozialistische Kandidat auf Platz drei landen und damit am kommenden Sonntag im zweiten Wahlgang nicht mehr vertreten sein werde. Es ist anders gekommen. Von Christoph Habermann.

Die linke Syriza und die rechten „Unabhängigen Hellenen“, ein taktisches Bündnis

Das Wahlergebnis vom 25. Januar ist klarer ausgefallen, als es die meisten Beobachter erwartet haben. Dieses Votum hat selbst die meisten Syriza-Wähler überrascht, und wahrscheinlich auch die Parteiführung. Was es bedeutet – auch für Europa – wird sich erst erweisen müssen, wenn die neue Regierung mit den EU-Partnern, der EZB und dem IWF über die Bedingungen – samt dem Kleingedruckten – eines neuen Vertrags mit dem Schuldnerland Griechenland verhandelt. Zu den Aussichten einer substantiellen Reduzierung der griechischen Schuldenlast, die die Tsipras-Regierung anstrebt, lässt sich derzeit noch wenig sagen – außer, dass zu einer Einigung stets zwei Parteien gehören. Die griechische Seite hat gerade in den letzten Wahlkampftagen außerordentlich zurückhaltende, maßvolle und realistische Töne angeschlagen. Das gilt auch für die letzte Pressekonferenz von Alexis Tsipras, auf der er einen bemerkenswerten Akzent setzte. Er sprach von der historischen Aufgabe der Syriza, die Zukunft des Landes zu gestalten. Der 25. Januar biete der griechischen Linken diese Chance „zum ersten Mal“ – um fast beiläufig hinzuzufügen: „oder zum letzten Mal“. Tsipras und seine Mannschaft sind sich offensichtlich sehr wohl bewusst, dass die eigentliche Bewährungsprobe für die erste linke Regierung noch bevorsteht. Und dass es auch schief gehen kann, mit weitreichenden Folgen nicht nur für die Syriza, sondern für die gesamte Gesellschaft. Von Niels Kadritzke

Syrizas Sieg bietet die Chance, endlich wieder offen über gesellschaftspolitische Alternativen nachzudenken und diese umzusetzen

Immer wieder taucht im Zusammenhang mit Griechenland und Staaten in ähnliche kritischer Lage die Vorstellung auf, sie müssten halt Reformen machen und „sparen“. So hieß es penetrant vor der griechischen Wahl und so wird es vermutlich weitergehen. Jene, die diesen Kurs vorgegeben haben, leben in der intellektuell dürftigen Vorstellung, Gesellschaft und Wirtschaft könnten nur nach einem Schema, dem neoliberalen, gestaltet werden, und Sparversuche seien ohne Rücksicht auf die ökonomische Ausgangslage angesagt. Diese Ideologie ist so dumpf und unreflektiert, dass ihre Vertreter sich nicht einmal von Erfolglosigkeit ihrer Empfehlungen in ihrem angelernten Glauben erschüttern lassen. TINA, There Is No Alternativ, haben sie irgendwann gelernt. Mehr nicht. Es gibt aber mehr. Albrecht Müller.

Der Wahlsieg ist der Syriza nicht mehr zu nehmen

Mit Sicherheit sind die Wahlumfragen der letzten Tage mit heißer Nadel gestrickt, aber sie zeigen ein einheitliches Bild. Die Syriza wird klar stärkste Partei, ihr Vorprung vor der Nea Dimokratia von Regierungschef Samaras ist in der letzten Vorwahlwoche eher noch angewachsen. Damit ist die Chance auf eine Alleinregierung der Linkspartei größer geworden, von der Tsipras und die Parteiführung inzwischen überzeugt zu sein scheinen. Dennoch sehen die meisten Demoskopen keine absolute Syriza-Mehrheit im Parlament voraus, sondern schätzen die Zahl der Sitze auf 140 bis 148 (von 300). Das liegt vor allem daran, dass sich die rechtspopulistische Anel-Partei bei über 3 Prozent stabilisiert hat, so dass auch sie ins Parlament einziehen würde (die komplizierte Sitze-Arithmetik habe ich in meinem letzten Beitrag vom 20. Januar dargestellt). Von Niels Kadritzke

Wohin steuert Griechenland, wenn am Wochenende die Linken die Wahl gewinnen?

Unser Mitarbeiter Roger Strassburg hatte letzte Woche die Gelegenheit, den amerikanischen Ökonomen James Galbraith in Paris zu interviewen. Im Interview, das seit heute auch (Danke an Carsten Weikamp) in deutscher Übersetzung vorliegt, geht es vor allem um das ökonomische Programm der griechischen Syriza. Galbraith ist Wirtschaftsberater des Syriza-Chefs Alexis Tsipras. In den meisten deutschen Medien wird das Wirtschaftsprogramm von Tspiras als „eurofeindlich“ bezeichnet und in den düstersten Farben gemalt. Die NachDenkSeiten wollen kurz vor den griechischen Wahlen ein wenig Licht ins Dunkel bringen und Ihnen dabei helfen, sich ein eigenes Bild zu machen.

Exit aus Grexit: Griechenland im Eurosystem aufbauen

Die Entwicklung Griechenlands gleicht einer Tragödie. Im Zentrum dieser Insze­nierung stehen Schuld und Sühne. In der modernen Sprache der Fiskalisten heißt das Konditionalität. Griechenland, so die Retter aus dem Euroland und von der Eu­ropäischen Zentralbank sowie vom Internationalen Währungsfonds, habe immer schon durch eine verschwenderische Schuldenpolitik „über seine Verhältnisse ge­lebt“. Die Konklusion erhält, wie es der kritische Nobelpreisökonom Paul Krugman zusammengefasst hat, geradezu moralisierende Qualität: Sünden müssen gesühnt werden. Von Rudolf Hickel

Syriza: Das Problem der Vielstimmigkeit

Die “Polyphonie” der Syriza macht der Parteiführung in der letzten Wahlkampfphase verstärkt zu schaffen. Im Namen der „Koalition der radikalen Linken“ melden sich Stimmen zu Wort, die für eine der innerparteilichen Gruppen sprechen oder zu sprechen behaupten, ohne die Folgen zu bedenken. Die sympathische Meinungsvielfalt, die an die Gründungsphase der deutschen „Grünen“ erinnert, ist allerdings ein Problem für eine Partei, die möglicht vielen Wähler plausibel machen will, mit welchem konkreten Programm sie die nächste Athener Regierung stellen wird. Von Niels Kadritzke

Washington in Winter – Notizen aus Amerika von Norman Birnbaum

Prof. Norman Birnbaum aus Washington gibt in seinem ersten Bericht 2015 einen Ausblick auf die Themen, die aus seiner Sicht die politische Tagesordnung in den verbleibenden zwei Jahren der Präsidentschaft Obamas in den Vereinigten Staaten bestimmen werden, und dies insbesondere vor dem Hintergrund der neuen Machtverhältnisse im Kongress, wo die Republikaner nach den Zwischenwahlen vom vergangenen November jetzt über Mehrheiten sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus verfügen.
Danke vielmals an Carsten Weikamp für die Übersetzung. Hier also der Text des Berichtes von Normen Birnbaum [PDF].