Kategorie:
Europäische Union

Schulz Märchenstunde – ein neues Angebot an Griechenland, das weder neu noch ein Angebot ist

Martin Schulz und sein Parteichef Sigmar Gabriel haben gestern und heute über die Medien ihr Erstaunen zum Ausdruck gebracht, dass die griechische Delegation am Samstag ein angeblich „neues Angebot“ mit weitreichenden „neuen“ Zugeständnissen überhaupt nicht verhandeln wollte. Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen, hat sich dieses „neue Angebot“ einmal anschaut und mit den „alten Angeboten“ verglichen – „neu“ ist an diesem Angebot so gut wie nichts und „weitreichende Zugeständnisse“ sind auch nicht zu entdecken. Schulz und Gabriel erzählen Märchen und stricken an einer Legende, die mittlerweile die Lesart der deutschen Öffentlichkeit bestimmt. Das ist Manipulation hoch zehn. Von Jens Berger.

Operation geglückt, Europa tot

Wenn dieses Wochenende uns eins gelehrt hat, dann ist es folgendes: Wer es wagt, das neoliberale Dogma auch nur zu hinterfragen, wird gnadenlos von seinen europäischen „Partnern“ an die Wand gestellt. Europa spielt bereits den „Grexit“ durch und es besteht kaum ein Zweifel daran, dass die „Institutionen“ ein Exempel statuieren wollen, um die linke griechische Regierung zu entfernen. Schon wird ein „Plan B“ ins Spiel gebracht – der Staatsbankrott und anschließende Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone. Doch um was geht es bei diesem Plan B konkret? Ist er noch abzuwenden oder dient er vor allem als ultimatives Druckmitteln, um das Referendum im Sinne des neoliberalen Europas zu verschieben. Wie dem auch sei, der Schaden, den die Finanzminister der Eurozone angerichtet haben, ist gigantisch. Der europäische Gedanke ist tot, Europa ist tot. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das arme Griechenland und die Armseligkeit unserer Medien. Eine Dokumentation und einiges mehr zur totalen Meinungsmache.

„Schon seit ihrer Wahl Ende Januar wurden die Exponenten der griechischen Regierung mit Polemiken und sachfremden Anfeindungen überzogen. Seit Alexis Tsipras in der Nacht zum Samstag nun angekündigt hat, ein Referendum abhalten zu wollen, gibt es kein Halten mehr. Offen feindselige und nicht selten persönlich beleidigende Tiraden scheinen jetzt unabdingbar zum guten Ton zu gehören“, so beschreibt Carsten Weikamp die Reaktion der wichtigsten Medien. Er hat für die NachDenkSeiten diese armselige Reaktion dokumentiert (Teil I). Wir verlinken außerdem in Teil II auf die Rede von Tsipras mit der Ankündigung des Referendums und das Dokument mit den Vorschlägen der „Institutionen“, die die Entscheidung für das Referendum ausgelöst haben. Außerdem haben einige Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten auf den Beitrag zu den Methoden der Meinungsmache vom 26. Juni mit interessanten Analysen reagiert, die auch den Umgang mit Griechenland betreffen (Siehe Teil III). Danke vielmals allen Beteiligten. Albrecht Müller.

Kritik an Habermas‘ SZ-Artikel „Warum Merkels Griechenland-Politik ein Fehler ist“

Die NachDenkSeiten wurden von einer Reihe ihrer Leserinnen und Leser auf den Beitrag von Jürgen Habermas in der Süddeutschen Zeitung vom 22. Juni aufmerksam gemacht. Die Hinweise waren ausnahmslos verbunden mit lobenden Worten, so wie auch in den Hinweisen des Tages von heute vermerkt. In der Tat enthält der Beitrag von Habermas eine Reihe von richtiger Kritik an der Griechenland-Politik Merkels und unserer Regierung. Aber die Freude darüber sollte uns nicht übersehen lassen, dass Habermas bei entscheidenden Fragen und Antworten falsch liegt. So schwierig es ist, eine so angesehene Person zu kritisieren, ich will es um der Sache willen versuchen. Schließlich gehen wir schon mindestens 15 Jahre lang falsche Wege in Europa und sollten das nicht weiter tun. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Carsten Schneider mal wieder

Immer wenn SPIEGEL Online und Co. einen Politiker suchen, der krude Thesen zu geldpolitischen Themen vertritt, ist Carsten Schneider nicht weit. Gestern durfte Schneider bei SPIEGEL Online sein Statement zu den ELA-Krediten für griechische Banken abgeben. Schneider fordert SPIEGEL Online zufolge einen sofortigen Stopp dieser Kredite und will damit offenbar den „Grexit“ bereits vollziehen, bevor die große Politik überhaupt einen Entschluss dazu verfasst hat. Die Begründung dafür ist – wie bei Schneider üblich – haarsträubend. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Buch zur Krise: „Nur Deutschland kann den Euro retten“ von Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas

Nur Deutschland kann den Euro retten

Die Griechenland-Krise spitzt sich zu: „Grexit“ oder gar „Graccident“? „Showdown“ auf dem EU-Finanzministertreffen? Kommt ein Schuldenschnitt? Oder gar das Ende der Sparpolitik? „Griechen-Bashing“ oder doch „Deutschen-Bashing“? Wer bei all dem Wirrwarr dieser Tage noch den Durchblick behalten will, dem sei das Buch der beiden Ökonomen Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas zur Lektüre empfohlen. „Nur Deutschland kann den Euro retten“, heißt es. Das Buch ist wichtig und hochaktuell zugleich. Denn es liefert die theoretischen Grundlagen zur Euro-Krise und bietet überdies linken Regierungen einen Leitfaden für den Euro-Ausstieg. Hauptverursacher der Krise ist nach Ansicht der Autoren aber nicht der vielzitierte „griechische Schlendrian“, sondern – der Titel lässt es bereits erahnen – das auf Export und Austerität basierende deutsche Wirtschaftsmodell. „Wir haben darin noch einmal die Geschichte der Eurokrise aufgerollt und Schritt für Schritt gezeigt, welche fatale Rolle Deutschland von Anfang an spielte“, sagte Flassbeck über das Buch. Von Thomas Trares [*]

Es reicht! – Die Grexit-Kampagne der Bild-Zeitung

„Frau Bundeskanzlerin, diese Rede wollen wir von Ihnen hören“ unter dieser Überschrift veröffentlichte die Bild-Zeitung gestern einen Entwurf einer Regierungserklärung für Angela Merkel. Bild schreibt der Kanzlerin darin vor, was sie sagen müsste. Die klare Botschaft an die griechische Regierung lautet: „Es reicht!“. In diesem Beitrag finden sich geballt die Behauptungen, Halbwahrheiten und Lügen mit der die Bild-Zeitung seit Jahren gegen „die Griechen“ und zuletzt vor allem gegen die neue griechische Regierung hetzte. Wir haben Niels Kadritzke gebeten, diese Behauptungen einmal unter die Lupe zu nehmen.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Sind die Griechen Spieler?

Dass die griechische Regierung eine Ansammlung von Spielertypen ist, die bei den Verhandlungen mit EU, IMF und EZB ausprobieren, was sie rausholen können, könnte man vermuten, wenn man deutsche Medien quer über den Gemüsegarten, von der Tagesschau bis zur Bild-Zeitung, verfolgt. Ich persönlich glaube das nicht und habe nach dem Wahlsieg von Syriza und Tsipras das Bild gebraucht, die sogenannte Troika werde Griechenland am ausgestreckten Arm verhungern lassen – weil es nach Meinung der neoliberal geprägten Entscheider eine erfolgreiche Alternative zur herrschenden Ideologie nicht geben darf. Das Bild vom ausgestreckten Arm scheint mir auch heute noch richtiger als das aus der Spieltheorie entlehnte Bild der aufeinander zu rasenden Autos. Jens Berger hat dieses Bild in seinem Artikel von gestern „James Dean und der Poker um Griechenland“ benutzt. Ein Leser der NachDenkSeiten hat daraufhin heftig widersprochen. Wir dokumentieren den Austausch unseres Lesers S.D. mit Jens Berger, der mit einem Leserbrief [PDF – 41 KB] begann (hier die Antwort [PDF – 61 KB] von Jens Berger inkl. des weiteren Austauschs) Und weil gerade noch ein dazu passender Leserbrief ankam, auch diesen von H.M. [PDF – 20 KB]. Alle als PDF. Der Disput ist lesenswert. Albrecht Müller.

James Dean und der Poker um Griechenland

In den Verhandlungen zwischen Griechenland und der „Brüsseler Gruppe“ bleiben die beiden Kontrahenten auf ihrem Kollisionskurs. Wenn sich die Finanzminister der Eurozone am Donnerstag treffen, könnte es zum Frontalzusammenstoß kommen. Man kann zwar davon ausgehen, dass beide Seiten darauf aus sind, dies zu vermeiden – eine Prognose, wie die jüngste Zuspitzung der Krise ausgehen wird, ist jedoch nahezu unmöglich. Die Verhandlungsstrategie beider Seiten wird nämlich offensichtlich von der Spieltheorie bestimmt. Die Troika und Griechenland spielen das Chicken Game (auf deutsch: „Feiglingsspiel“) und sind mittlerweile in ihren eigenen spieltheoretischen Strategien derart gefangen, dass eine Katastrophe keineswegs mehr auszuschließen ist. Oder ist das genau die Strategie, mit der beide Seiten das Spiel gewinnen wollen? Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Tsipras in der Zwickmühle

Nach dem im Dissens beendeten Treffen der „Brüsseler Gruppe“ und der Rückkehr der griechischen Delegation nach Athen hat Ministerpräsident Alexis Tsipras mit einer Erklärung gegenüber der linken Tageszeitung Efimerida ton Syntaktion reagiert. Er weist darauf hin, dass die griechische Regierung nach wie vor bereit ist, in weiteren Verhandlungen die „nötigen Abstriche“ zu machen, um eine Einigung mit den „Institutionen“ der Gläubiger (EU, EZB und IWF) zu erreichen. Zugleich betont er, dass er zusätzlichen Belastungen gerade der ärmsten Schichten nicht zustimmen kann und zu einer „Unterwerfung“ seines Landes nicht bereit ist. Von Niels Kadritzke.

„Extra-Gerichtsbarkeit für das Wohl der Investoren”

Die Grünen-Abgeordnete Ska Keller lehnt den TTIP-Beschluß des EU-Handelsausschusses entschieden ab. Umstritten sind vor allem die Schiedsgerichte für Investoren (ISDS). Der Ausschussvorsitzende, Bernd Lange (SPD), von der Fraktion der europäischen Sozialdemokraten (S&D) hatte lange nach einem Kompromiss gesucht der von den Christdemokraten (EVP) mitgetragen werden könnte. Dementsprechend vage bleibt eine Absage an ISDS.
Das Interview führte Rolf-Henning Hintze.

Deutschlands Rekord-Handelsüberschuss ist eine größere Bedrohung für den Euro als Griechenland

Wenn die EU-Gesetze konsequent angewendet würden, müsste Deutschland mit Strafzahlungen rechnen wegen der Gefährdung der Stabilität der Eurozone und der Nichteinhaltung des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichtsverfahrens im fünften Jahr in Folge. Ein Kommentar von Ambrose Evans-Pritchard aus dem britischen Telegraph ins Deutsche übersetzt von Carsten Weikamp.

Europa braucht ein soziales Fundament.

Das Fehlen sozialer Standards, wie Mindestlöhne, Arbeits- und Mitentscheidungsrechte für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der Ebene der EU verleitet viele Medien dazu, etwa in der öffentlichen Debatte über die Finanzkrise in Griechenland die sehr unterschiedlichen Sozialleistungen in den einzelnen Staaten der EU gegeneinander auszuspielen. Ein Beispiel war die ARD-Sendung “Hart aber fair” am 11. Mai. Das gegeneinander Aufhetzen schadet dem Zusammenhalt und der Solidarität innnerhalb der Europäischen Union fördert nationalistische Parteien auf der politischen Rechten. Von Walter Edenhofer[*]

Syrizias Entgegenkommen

Eine interessante kleine Meldung stand in der FAZ vom 2. Mai: Die Europafiliale von Goldman Sachs empfiehlt neuerdings den Kauf spanischer Aktien. Die Begründung: Die Schwierigkeiten der Syriza-Regierung in Athen und die Tatsache, dass sie ihr Wahlprogramm nur sehr begrenzt realisieren kann, habe dazu beigetragen, dass Podemos in den spanischen Umfragen an Boden verliert. Ob der unterstellte Zusammenhang zwischen den Problemen der Regierung Tsipras und den Umfragewerten für Podemas zu verifizieren ist, ist gar nicht so wichtig. Denn schon indem Goldman Sachs einen solchen Zusammenhang herstellt, ergibt sich eine politische Wirkung. Sie erinnert uns daran, dass die (über)optimistische Erwartung, ein Sieg der Linken in Griechenland würde die gesamte europäische Linke beflügeln, auch ihre Kehrseite hat. Wenn das Unternehmen Syriza misslingt oder eine Episode bleibt – ein „Ereignis in Parenthese“, wie man in Griechenland sagt – hat nicht nur die griechische Linke für längere Zeit verspielt. Auch im europäischen Maßstab hätten dann die neoliberalen Krisenmanager ihre Vorherrschaft langfristig abgesichert. Von Niels Kadritzke

Varoufakis: „Diese Eurozone hat keine Zukunft, wenn sie sich nicht ändert“

„Ich sage das schon immer: Kein Land – und nicht nur Griechenland – hätte sich einer derart schlampig konstruierten Gemeinschaftswährung beitreten dürfen – vor allem nicht ein so defizitäres Land wie das unsere. Aber ich bin zugleich der Meinung dass es zweierlei Dinge sind, zu sagen: man durfte nicht eintreten – und man muss wieder austreten. Anders formuliert: Der Pfad, der uns in die Eurozone geführt hat, den gibt es nicht mehr; und sollten wir versuchen, den Rückweg anzutreten, würden wir sehr unangenehme Überraschungen erleben.“ Ein Interview mit Yanis Varoufakis in Efimerida ton Syntaktion vom 2. Mai 2015, geführt von Tassos Pappas und Marios Christodoulou, übersetzt von Niels Kadritzke.