Die niederländische Regierung hat die Existenz eines geheimen NATO-Dokuments eingeräumt, wie verschiedene Alternativmedien berichten. Dort festgeschriebene „verpflichtende Ziele“ betreffen demnach auch den zivilen Bereich von Gesundheit bis „Desinformation“. Dieser laut Medienberichten „geheime“ Vorgang ist hochproblematisch für demokratische Prozesse. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Die niederländische Regierung hat auf parlamentarische Nachfrage erklärt, dass es neben bekanntgegebenen „Resilienz“-Vereinbarungen der NATO auch geheime, verpflichtende Ziele des Militärbündnisses gibt, wie Multipolar in diesem Artikel beschreibt. Das sagte die stellvertretende niederländische Ministerpräsidentin und Gesundheitsministerin Fleur Agema Anfang Juni in Antworten auf Anfragen der Opposition. Man habe sich zu den mit der NATO getroffenen Vereinbarungen verpflichtet, daher seien auch die Ziele in dem „nicht öffentlich zugänglichen“ Dokument „politisch bindend“, wird sie von Multipolar zitiert. Die niederländische Regierung habe außerdem im Rahmen der NATO-Verpflichtungen zu den „Resilienz-Zielen“ interne klassifizierte Veranstaltungen durchgeführt. Auch eine geheime Übung zur „nationalen Krisenstruktur“ sei abgehalten worden, hatte die niederländische Ministerin, die mittlerweile im Amt abgelöst wurde, erklärt.
Die oppositionelle niederländische Zeitung De Andere Krant berichtete daraufhin laut Multipolar, die Regierung habe eingeräumt, eine Politik zu verfolgen, die auf „geheimen NATO-Zielen“ beruhe. Die „Resilienz-Ziele“ sollen die Gesellschaft „widerstandsfähig“ gegen störende Ereignisse wie Krieg, Pandemien und Naturkatastrophen machen. Die Bevölkerung solle so auf Krisensituationen wie „Sabotage der Trinkwasserversorgung, Abschaltung der Strom- und Kommunikationsnetze und biologische Kriegsführung“ gut vorbereitet werden.
Die NATO-Pressestelle habe der Zeitung De Andere Krant gegenüber bestätigt, dass das Dokument, auf dessen Grundlage die Niederlande und andere NATO-Mitgliedsstaaten eine Resilienz-Politik verfolgen, „geheim“ sei. Ein niederländischer Abgeordneter habe aufgrund der geheimgehaltenen Ziele von einem „riesigen schwarzen Loch“ in der Demokratie gesprochen. Die „Resilienz-Ziele“ der NATO seien nicht auf militärische Angelegenheiten beschränkt, sondern umfassten „zahlreiche Politikbereiche wie Klima und öffentliche Gesundheit“, zitiert das regierungskritische Medium den Abgeordneten der Opposition.
Deutsches Innenministerium dementiert nicht
Auf Anfrage von Multipolar hat das deutsche Bundesinnenministerium die Existenz des geheimen NATO-Dokuments nicht bestritten. In seiner Antwort teilte die Pressestelle des Ministeriums mit, man bitte um Verständnis, wenn man zu dem „nicht öffentlich zugänglichen NATO-Dokument“ keine Auskünfte erteilt. Weitere Fragen, ob das Dokument den Abgeordneten des Bundestags, dem Parlamentarischen Kontrollgremium oder dem Verteidigungsausschuss bekannt sei und ob die Bundesregierung ebenfalls geheime Veranstaltungen und Übungen zu den NATO-Resilienz-Zielen durchgeführt habe, ließ das Ministerium laut Multipolar unbeantwortet. Stattdessen sei auf zwei Erklärungen der Staats- und Regierungschefs der NATO-Bündnispartner zu den Zielen verwiesen worden.
Multipolar hat auch bei den im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien nachgefragt, wie sie die Erkenntnisse aus den Niederlanden bewerten und ob sie sich dafür einsetzen, die geheimgehaltenen NATO-Ziele dem Bundestag und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zudem sei die Frage gestellt worden, wie die Parteien vor dem Hintergrund der Meinungs- und Pressefreiheit die Bekämpfung nicht eindeutig definierter „feindlicher Informationsaktivitäten“ bewerten. Weder die Fraktion der AfD noch der Grünen und der Linken haben auf die Presseanfrage reagiert, so Multipolar. Weitere Hintergründe finden sich in dem Artikel bei Multipolar. Über den Vorgang hatte zuvor bereits der Journalist Norbert Häring in diesem Artikel berichtet.
Wenn die Berichte über geheime und doch bindende Zusätze in NATO-Verträgen so zutreffen, dann werfen sie ein bestürzendes Licht auf das zerrüttete Demokratieverständnis der dafür Verantwortlichen.
Titelbild: Photo Art Lucas