Das Statistische Bundesamt und die BIP-Zahlen –oder wie man mit vielen Worten das Wichtigste verschweigen kann

Das Statistische Bundesamt und die BIP-Zahlen –oder wie man mit vielen Worten das Wichtigste verschweigen kann

Das Statistische Bundesamt und die BIP-Zahlen –oder wie man mit vielen Worten das Wichtigste verschweigen kann

Thomas Trares
Ein Artikel von Thomas Trares

Hat das Statistische Bundesamt (destatis) die Wachstumszahlen in der Zeit der Ampel-Regierung bewusst geschönt? Wer von destatis in dieser Frage am vergangenen Freitag Aufklärung in eigener Sache erwartet hatte, der hat sich getäuscht. Zwar haben sich die Wiesbadener Statistiker tatsächlich zum Zustandekommen der BIP-Zahlen in den Jahren 2022 bis 2024 geäußert, zu den eigentlich entscheidenden Fragen haben sie aber nichts gesagt. Von Thomas Trares.

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Nur zur Erinnerung – das Statistische Bundesamt hat die bislang längste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik, nämlich von Mitte 2022 bis Mitte 2024, einfach übersehen oder übersehen wollen und die Öffentlichkeit stattdessen in dem Glauben gelassen, dass sich die deutsche Wirtschaft in einer Art Stagnation befindet – ob dies bewusst oder unbewusst geschah, sei einmal dahingestellt. Heraus kam all dies jedenfalls erst Ende Juli, als destatis die revidierten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) der vergangenen vier Jahre veröffentlicht hat. (Die NachDenkSeiten haben bereits ausführlich über den Vorgang berichtet.)

Für den vergangenen Freitag hatte destatis dann angekündigt, im Zuge der Veröffentlichung der neuen BIP-Zahlen auch die Revision der alten Daten genauer zu erläutern. Dies ist auch geschehen, allerdings ist das Ergebnis so vorhersehbar wie ernüchternd. Von einer wirklichen Aufarbeitung keine Spur. So konstatierte destatis lediglich, dass die BIP-Änderungen „höher als gewöhnlich ausgefallen und in ähnlichem Ausmaß aber auch bei früheren Sommerüberarbeitungen aufgetreten“ seien. Mehr nicht. Danach wird der Leser dann gleich mit einem ganzen Wust aus Fachbegriffen, Termini technici und kleinteiliger Methodik erschlagen. So ist von „Strukturstatistiken“, von „Angaben aus der Input-Output-Rechnung“, von „Produktionswerten“ wie auch von „Vorleistungen“ die Rede – alles Dinge, die für die Ermittlung des BIP relevant sein mögen; allein, damit beantworten die Statistiker die entscheidenden Fragen nicht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Vielmehr wäre für den Bürger interessant zu erfahren, wie es zu solch einer grandiosen Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung in den Jahren 2022 bis 2024 überhaupt kommen konnte. Immerhin haben die Wiesbadener Statistikexperten einfach übersehen, dass die Wirtschaft acht Quartale am Stück nicht gewachsen ist. Dem Außenstehenden stellt sich allein hier schon die Frage: Kann man das als Statistiker überhaupt übersehen? Oder muss man da schon wegsehen wollen? Weiter wäre mal interessant zu erfahren, wie solch eklatante Fehleinschätzungen in Zukunft verhindert werden können. Und wer übernimmt überhaupt die Verantwortung für all diese Fehleinschätzungen? Immerhin ist das Statistische Bundesamt der zentrale Datenbeschaffer für die gesamte Volkswirtschaft. Auf Basis dieser Daten werden Entscheidungen getroffen – in der Politik, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und in der Verwaltung. Was ist, wenn all die dortigen Entscheider auf Basis falscher Daten entscheiden?

Dazu ein Beispiel: So hat der damalige Bundesfinanzminister Christian Lindner im Juli 2023 erklärt, dass er im Bundeshaushalt 2024 einen „wichtigen Schritt hin zu finanzpolitischer Normalität“ gehen werde und „die Rückkehr zur Schuldenbremse ein Gebot der ökonomischen Vernunft“ sei. Das war just zu einem Zeitpunkt, an dem das BIP drei Quartale in Folge geschrumpft ist – wie sich nun herausgestellt hat. Gemäß der gängigen Lehrbuchökonomie wäre also genau das Gegenteil richtig gewesen.

Ein weiteres Beispiel ist das Wachstumschancengesetz, das die Ampel-Regierung im Sommer 2023 auf den Weg gebracht hat. Das Gesetz war aber lediglich eine Art Placebo mit einem minimalen expansiven Impuls von rund sieben Milliarden Euro pro Jahr. Selbst das regierungsnahe Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erklärte seinerzeit, dass dies zu gering sei, um dauerhaft merkliche realwirtschaftliche Effekte zu erzielen. Kurzum lässt sich konstatieren, dass eine angemessene wirtschaftspolitische Reaktion auf drei Quartale Negativwachstum nie stattgefunden hat.

Und nicht zuletzt setzt sich das Statistische Bundesamt auch dem Verdacht aus, womöglich sogar politisch gewünschte Ergebnisse produzieren zu wollen. Dies legt allein die schon rein optisch auffällige Zahlenreihe aus sich regelmäßig abwechselnden positiven und negativen Wachstumswerten nahe, die die Behörde in den Jahren 2022 bis 2024 ausgewiesen hat. Das Muster ist sogar derart auffällig, dass es dafür einen Fachbegriff gibt. Von einer „alternierenden Reihe“ sprechen Mathematiker in solch einem Fall.

Und genau solch eine alternierende Reihe musste auch kommen, wenn man mitten in einer Rezession tunlichst die Verwendung des Begriffs „Rezession“ vermeiden möchte. Definitionsgemäß liegt nämlich eine Rezession erst dann vor, wenn das BIP zwei Quartale hintereinander schrumpft. In diesem Fall spricht man dann auch von einer „technischen Rezession“. Wollten die Wiesbadener Statistiker genau eine solche unter den Teppich kehren? Nachweisen kann man das natürlich nicht, die Sache hat jedoch mehr als ein Geschmäckle!

Titelbild: T. Schneider/shutterstock.com