Restle, Weimer und der Rundfunk: Ein Zwangsbeitrag ist nun mal ein Zwangsbeitrag

Restle, Weimer und der Rundfunk: Ein Zwangsbeitrag ist nun mal ein Zwangsbeitrag

Restle, Weimer und der Rundfunk: Ein Zwangsbeitrag ist nun mal ein Zwangsbeitrag

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) „politisch links geneigt“, wie der Medienbeauftragte der Bundesregierung, Wolfram Weimer, kürzlich sagte? Ist das Wort „Zwangsbeitrag“ ein Kampfbegriff einer rechten Kampagne? Und ist der ÖRR trotz seines katastrophalen inhaltlichen Zustands wert, erhalten zu bleiben? Von Tobias Riegel.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Wolfram Weimer, hat mit der folgenden, kürzlich getätigten Aussage die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) neu befeuert: Auf die Frage, welche Bedeutung der ÖRR für ihn habe, sagte Weimer laut Medien, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei wichtig für die politische Kultur des Landes und er müsse über die Rundfunkbeiträge finanziell abgesichert bleiben. Aber: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe ein Akzeptanzproblem, weil er „politisch links geneigt“ wirke. Weimer fügte an:

Es ist nicht gut, wenn viele Millionen Deutsche zwar Zwangsbeiträge zahlen müssen, aber das Gefühl haben, dass sie dort nicht vertreten werden. Das sollte sich ändern.

Der Deutsche Journalisten-Verband warf Weimer daraufhin laut Medien vor, faktenfreie Vorurteile zu befeuern. Weimer übernehme „unkritisch“ Kampagnenbegriffe von Rechtspopulisten, indem er von „Zwangsbeiträgen“ spreche.

Ist „Zwangsbeitrag“ ein Kampfbegriff?

Eine zusätzliche Debatte ist nun um einen Tweet des ARD-Journalisten Georg Restle („Monitor“) entstanden, der Weimer ebenfalls ankreidet, „Kampfbegriffe“ zu übernehmen. Restle schrieb auf X:

„‚Zwangsbeitrag‘ ist der zentrale Kampfbegriff einer Kampagne, die nichts anderes im Schilde führt, als den ÖRR abzuschaffen. Das weiß Wolfram Weimer natürlich – und verwendet diesen Begriff trotzdem oder gerade deshalb. Das macht ihn als Kulturstaatsminister untragbar.

Restle erntete mit seinem Post Zustimmung, aber auch Kritik: Der Jurist Arnd Diringer schrieb laut Medien auf X, dass der Begriff „Zwangsabgabe“ schlicht eine Tatsache benenne. Er finde sich etwa auch in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, das 2014 publiziert wurde. Der Begriff werde zum Beispiel in dem Kapitel „Finanzierung über nutzungsunabhängige Zwangsabgabe“ verwendet.

Publizist und Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel verwies laut Medien in diesem Tweet ebenfalls auf ein Gutachten des Bundesfinanzministeriums zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien. „Dieses Angebot wird ganz überwiegend durch Zwangsbeiträge finanziert“, heiße es darin. Zudem werde von einem „Modell der Zwangsabgaben“ gesprochen.

Der Rundfunkbeitrag vor Gericht

Die Äußerungen von Restle bestärken einige Kritikpunkte am Auftreten von vielen Journalisten des ÖRR: Es wird nicht inhaltlich argumentiert, sondern mit begrifflichen Spitzfindigkeiten soll vom Vorwurf der eigenen Unausgewogenheit abgelenkt und zusätzlich Kritiker in eine „rechte Ecke“ gestellt werden.

Außerdem würde ich den oben zitierten Juristen recht geben: Ein Beitrag, der bei Verweigerung durch Zwang eingetrieben wird, ist nun mal ein Zwangsbeitrag. Der Focus schreibt dazu:

Hartnäckige Beitragsverweigerer schickte der ÖRR sogar schon ins Gefängnis. Lohnpfändungen oder ein Besuch des Gerichtsvollziehers gehören ebenfalls zum Instrumentenkasten des Beitragsservice (früher: GEZ). Der Rundfunkbeitrag ist gesetzlich verankert. Er muss gezahlt werden, ebenso wie andere Abgaben und Steuern. Die Begriffe ‚Zwangsbeitrag‘ oder ‚Zwangsabgabe‘ klingen nicht ausgesprochen freundlich, treffen die Sache aber.“

Aktuell wird in einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht folgende interessante Frage behandelt, wie Medien berichten: Müssen Beitragszahler den Rundfunkbeitrag leisten, auch wenn sie dessen Programm als zu einseitig empfinden? Eine Frau aus Bayern klagte 2022 gegen den Bayerischen Rundfunk wegen eines Bescheids zur Zahlung des Rundfunkbeitrags. Sie wirft dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk strukturelles Versagen vor: zu wenig Meinungsvielfalt, zu starke Staatsnähe. Der Rundfunk sei mittlerweile zum „Erfüllungsgehilfen der staatlichen Meinungsmacht“ geworden. Sie sehe deshalb keinen „individuellen Vorteil“ in ihm und verweigerte die Zahlung. Ein Urteil wird am 15. Oktober erwartet.

Begriffsverwirrung: Ist der ÖRR „links geneigt“?

Den Ausdruck Weimers, der ÖRR sei „links geneigt“, empfinde ich als absurd – er kann sich eigentlich nur auf Aspekte des Kulturkampfes (Gendersprache, Identitätspolitik etc.) beziehen: Bei den meisten zentralen und relevanten Themen wie Wirtschaftskrieg/Energieversorgung, Aufrüstung/Demontage der Diplomatie, Zensur, neoliberale Wirtschaftsordnung und vielen, vielen mehr sind die meisten Beiträge im ÖRR keineswegs als „links“ zu bezeichnen.

Diese Formulierung von Weimer ist darum auch Illustration einer heillosen Begriffsverwirrung als Folge einer inhaltlichen Umdeutung von „rechts“ und „links“ – darauf detailliert einzugehen, würde hier zu weit führen. Das Thema wird demnächst in einem eigenen Text noch einmal ausgeführt, hier zunächst der Verweis auf die Artikel „Woke: Pseudolinks ist nicht ‘Linksliberal’” und „Phrasenwörterbuch – Heute: ‘linksgrün’

Der ÖRR ist nicht „die Demokratie“

Die teilweise praktizierte indirekte Gleichsetzung des ÖRR mit „der Demokratie“, mit der Kritik am Zustand des ÖRR als radikal und antidemokratisch bezeichnet werden soll, ist ebenso zu kritisieren, wie das Mantra einer „radikalisierten Mitte“ aus weiten Teilen von CDU/SPD/GRÜNE/FDP, die Kritik an ihrer Arbeit ebenfalls oft als Angriff auf „die Demokratie“ darstellen wollen.

Die im Medienstaatsvertrag verlangte inhaltliche Ausgewogenheit wird vom ÖRR in zahlreichen Beiträgen nicht mal ansatzweise erfüllt – zwei besonders extreme Beispiele für einseitige Berichterstattung durch den ÖRR sind etwa die unangemessene Corona-Politik und zahlreiche Beiträge zum Komplex Russland/Wirtschaftskrieg/Aufrüstung.

ÖRR: reformieren oder abschaffen?

Inhaltlich kann ich die übergroße Mehrheit der Beiträge im ÖRR nicht verteidigen, der Mangel an Ausgewogenheit ist empörend und total offensichtlich. Zwei weitere Beispiele (unter zahllosen anderen) sind die extrem selektive Kultur des „Faktenfindens“ oder die ganz aktuelle, kritiklose Unterstützung der Farce um die „Drohnen-Panik“, auf die wir gerade etwa in diesem Artikel oder in diesem Artikel eingegangen sind.

Entsprechend skeptisch blicken viele Deutsche auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Lediglich 31 Prozent vertrauen den Programmen von ARD, ZDF und Co., wie eine Befragung unter 3.025 Personen ergab, über die kürzlich Medien berichteten.

Aber: Eine Abschaffung oder Privatisierung des ÖRR wäre meiner Meinung nach für die Medienversorgung in Deutschland kein Fortschritt, eher im Gegenteil – wir hätten dann eine rein private und von Konzernmedien dominierte Presselandschaft (mehr Infos dazu finden sich etwa im Artikel „Rettet den Rundfunk – Vor Privatisierung und vor der eigenen Propaganda“).

Der Eindruck, der ÖRR sei nur gegen harte Widerstände zu „reformieren“, ist nicht von der Hand zu weisen. Ich würde dennoch weiterhin versuchen, eher diesen Weg einzuschlagen. Denn: Was würde durch eine gänzliche Abschaffung des Prinzips öffentlich-rechtlicher Rundfunk besser werden?

Titelbild: Screenshot/ARD

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!