Amazonas-Gipfel in Brasilien: Anrainerstaaten gründen Allianz zur Bekämpfung der Entwaldung

Amazonas-Gipfel in Brasilien: Anrainerstaaten gründen Allianz zur Bekämpfung der Entwaldung

Amazonas-Gipfel in Brasilien: Anrainerstaaten gründen Allianz zur Bekämpfung der Entwaldung

Ein Artikel von amerika21

Keine Einigung auf Verzicht der Öl- und Gasförderung im Amazonasgebiet. Umweltorganisationen kritisierten „Erklärung von Belém” als schwach und enttäuschend. Die acht Amazonas-Anrainerländer haben ihr Gipfeltreffen mit einer gemeinsamen Abschlusserklärung beendet. Es war das vierte Treffen seit dem Abschluss des Amazonas-Kooperationsvertrages (OTCA). Ziel war es, eine Verpflichtung herbeizuführen, um zu verhindern, dass der Amazonaswald den Kipppunkt überschreitet, nach dem es kein Zurück mehr gibt. Zudem sollten gemeinsame Positionen für die anstehenden Verhandlungen der Weltklimakonferenz im November erarbeitet werden wie auch für die UN-Biodiversitätskonvention 2024. Am Treffen nahmen auch Gäste anderer waldreicher Länder wie der Demokratischen Republik Kongo und Indonesien sowie der Vereinigten Arabischen Emirate teil, wo die COP28 stattfinden wird. Von Ulrike Bickel.

Das Amazonas-Gebiet ist mit rund sechs Millionen Quadratkilometern das größte zusammenhängende Regenwaldgebiet der Erde. In ihm leben rund 40 Millionen Menschen und 400 indigene Völker. Seit Jahren warnen Wissenschaftler:innen, dass dieses Gebiet aufgrund fortschreitender Zerstörung im Zuge der Extraktion fossiler Ressourcen irreversibel geschädigt wird.

OTCA ist ein zwischenstaatliches Rechtsinstrument, das den grenzüberschreitenden Charakter des Amazonas anerkennt. Es wurde 1978 unterzeichnet und trat 1995 nach Ratifizierung aller Anrainerstaaten (Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Französisch-Guyana, Peru, Surinam, Venezuela) in Kraft.

Boliviens Präsident Luis Arce betonte, dass Amazonien in einer strukturellen Krise stecke. Die aggressive Ausbeutung schaffe ein Ungleichgewicht mit der Umwelt und der Gesundheit der Ökosysteme und des Lebens auf dem Planeten. Dieses einzigartige Ökosystem müsse erhalten und eine nachhaltige Entwicklung im Einklang mit Mutter Erde gefördert werden.

Venezuelas Vizepräsidentin Delcy Rodríguez warnte vor der „Gier” der multinationalen Pharma- und Lebensmittelkonzerne, die die globalen Märkte beherrschten und immense Ungleichheiten schüfen. Sie schlug vor, angesichts der Krise in diesem Biotop dort einen „regionalen Notstand” auszurufen.

Kolumbiens Präsident Gustavo Petro wies darauf hin, dass nicht die südamerikanischen Länder die Verursacher von Emissionen seien, sondern die Länder des Globalen Nordens, in denen widersprüchliche Anstrengungen unternommen würden: Einerseits ziele deren Politik auf eine Dekarbonisierung ab, andererseits auf die Aufrechterhaltung des hohen Lebensstandards und Konsumniveaus sowie auf Abschottung. Von den reichen Ländern forderte er deshalb den Tausch bzw. Erlass von Auslandsschulden gegen höhere internationale Zahlungen für Umweltschutz.

Brasilien sprach sich gegen die Aufnahme eines Ziels für fossile Brennstoffe in das Abkommen aus. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte im Vorfeld erklärt, dass die Entscheidung der Umweltbehörde, Erdöl-Bohrungen des staatlichen Ölkonzerns Petrobras an der Mündung des Amazonas zu verbieten, nicht endgültig sei. In Lulas Koalition wird gerade um ein umstrittenes Offshore-Förderprojekt nahe der Amazonas-Mündung gerungen, dem er zumindest anfangs nicht ablehnend gegenüberstand.

Die „Erklärung von Belém” betont das Engagement für den Erhalt der Wälder, die Einbeziehung indigener und lokaler Gemeinschaften in deren Schutz und das Streben nach einem „gerechten ökologischen Übergang”. Ebenso wird die Besorgnis über die Nichteinhaltung der Klimaverpflichtungen der „entwickelten” Länder geäußert.

Die Länder vereinbarten eine Allianz zur Bekämpfung der Entwaldung. Diese soll „die regionale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Entwaldung fördern und verhindern, dass der Amazonas den Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt, wobei die Erfüllung der nationalen Ziele, einschließlich des Ziels der Null-Entwaldung, anerkannt und gefördert wird”. Erreicht werden soll das durch die Beseitigung des illegalen Holzeinschlags, die Stärkung der Rechtsdurchsetzung in den Vertragsstaaten, eine nachhaltige Waldbewirtschaftung und ein integriertes Feuermanagement zur Reduzierung von Waldbränden. Ein wissenschaftlicher Beirat zum Schutz der Amazonas-Region mit Sitz in Manaus soll gegründet werden.

Einer der wichtigsten Punkte ist das Ziel, international 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Klimafinanzierung zu mobilisieren und den Schuldentausch der Amazonasländer gegen Klimaschutzmaßnahmen der Industrieländer zu fördern. Die Erklärung erwähnt auch die Demarkierung indigener Gebiete und die polizeiliche Zusammenarbeit gegen illegale Aktivitäten.

Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisierten die „Erklärung von Belém” als zu schwach, da die Erdölexploration mit keinem Wort und das Ziel einer „Null-Abholzung” nur zweimal dezent erwähnt würden. Kritik kam auch von der Straße, wo seit dem Wochenende mehr als 25.000 Vertreter:innen indigener Gemeinden, traditionelle Flussbewohner:innen und Aktivisten:innen zusammengekommen waren.

Mauricio Voivodic, Geschäftsführer des WWF-Brasilien, würdigte zwar als positiv, dass die Staatsoberhäupter erkannt hätten, dass es dringend notwendig sei, ein „Kippen” des Amazonas zu verhindern. Es müssten jedoch konkrete und solide Maßnahmen ergriffen werden, um die Entwaldung so schnell wie möglich zu stoppen. Die Bekämpfung und Beseitigung des illegalen und gesundheitsgefährdenden Goldbergbaus und der Quecksilberverschmutzung erforderten ebenso viel Aufmerksamkeit und Dringlichkeit. Zudem sei die Ausdehnung von Naturschutzgebieten und indigenen Territorien unerlässlich.

Die Klimabeobachtungsstelle in Brasilien, ein Zusammenschluss von über 90 Vertreter:innen der Zivilgesellschaft, kommentierte: „Die 113 operativen Absätze der Erklärung sind eine schöne Absichtserklärung, die das Verdienst hat, den in Vergessenheit geratenen OTCA wiederzubeleben und anzuerkennen, dass das Biotop einen Punkt zu erreichen droht, an dem es kein Zurück mehr gibt, aber sie bietet keine praktischen Lösungen oder einen Zeitplan für Maßnahmen, um dies zu verhindern.”

Titelbild: RICARDO STUCKERT/PRCC BY-NC 2.0

Der Artikel erschien zuerst auf Amerika21.

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!