Zu schön, um wahr zu sein – eine Diplomatin wirbt für Diplomatie – leider in einem Spielfilm der ARD

Zu schön, um wahr zu sein – eine Diplomatin wirbt für Diplomatie – leider in einem Spielfilm der ARD

Zu schön, um wahr zu sein – eine Diplomatin wirbt für Diplomatie – leider in einem Spielfilm der ARD

Ein Artikel von Frank Blenz

„Die Diplomatin“ ist eine TV-Serie der öffentlich-rechtlichen ARD. Die neue, siebte Folge „Vermisst in Rom“ erzählt eine kriminalistische Story mit politischem Anstrich, in der die deutsche Botschafterin einen Balanceakt zwischen offizieller Gefasstheit und persönlicher Courage wagt. Beim Ansehen des Films kamen bei mir Gedanken auf wie: Die Botschafterin spricht Worte aus, die der echten, höchsten deutschen Diplomatin wohl nicht über die Lippen kommen. Tatsächlich punktete die ARD mit „Die Diplomatin“ bei mir: Themen, gesellschaftliche Probleme und humanistische Ansichten wurden in dem Film offenbar, doch leider ist der Film halt nur eine Fiktion. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

Die Filmstory

Die Geschichte von „Die Diplomatin – Vermisst in Rom“ geht so: Diplomatin Karla Lorenz (gespielt von Natalia Wörner) tritt nach ihrer Zeit in Prag in Rom ihre neue Aufgabe als Botschafterin an. Sie erfährt, dass nach einem Überfall auf ein besetztes Theater eine Deutsche und ein Kollege betroffen sind: Ines, die Tochter des in Italien tätigen Bauunternehmers Robert Felting, und der Botschaftsmitarbeiter Nikolaus Tanz sind in die Hände von Geiselnehmern geraten. Diese fordern Schadensersatz für die Todesopfer eines mysteriösen Hauseinsturzes (welcher auf Baupfusch zurückzuführen ist, wie sich im Film herausstellt). Die Gruppe macht folglich den deutschen Bauunternehmer Robert Felting dafür verantwortlich. Die Botschafterin bekommt es mit der römischen Ermittlerin Motte sowie dem Minister Romagnoli zu tun. Letzterer spielt sich als harter Hund auf, der die Geiselnehmer als Linksextremisten ausgemacht haben und konsequent gegen sie vorgehen will, ohne aber den Fall in Gänze aufklären und ihn damit also vertuschen zu wollen. Die Botschafterin erkennt Missstände und Korruption in der ewigen Stadt im Zusammenhang mit dem Einsturz, sie konfrontiert den Minister, legt sich mit dem Vatikan an. Sie bekommt zu hören, dass sie sich damit Feinde mache. Mit Unterstützung ihres Lebenspartners (ein Kommissar aus Prag) ermittelt die Botschafterin selbst. Ein Gutachten, die Vatikanbank kommt ins Spiel, und zum Schluss folgen eine Machtdemonstration, eine Tragödie und ein trauriges Resümee …

Die Botschaft des Films

Die neue Folge der ARD-TV-Serie erfuhr in den Kommentaren der sozialen Medien eine unterschiedliche Resonanz vom Publikum. Um die Ohren flog den Machern neben dem Lob über eine spannende Geschichte, gute Bilder, Darsteller und den Mut, die katholische Kirche sowie einen mafiösen Staat anzugreifen, teils heftige Kritik wegen einer geschmacklosen Ansammlung bekannter italienischer Klischees, einer Verächtlichmachung einer angeblich bösen italienischen Regierung und das Weglassen diplomatischer Professionalität.

Mir gefielen die römischen Fotos, die Atmosphäre, die Story, ganz egal ob die Geschichte und Umsetzung perfekt und stimmig waren, denn ich konnte mich als Zuschauer und als Bürger sofort auf die Seite der Botschafterin schlagen. Ich empfand ihren Einsatz, ihre Courage glaubhaft und wünschte mir: mehr davon in unserer wirklichen Politik. Stimmig und erfreulich war, dass die Diplomatin ihre Gesprächspartner nicht mit Samt anpackte, Wahrheiten aussprach und dafür andere Wahrheiten, ja Drohungen von der Gegenseite hörte. Das hinderte sie nicht, sich für ihre Landsleute einzusetzen, selbst zu recherchieren und ins Risiko zu gehen – friedlich, diplomatisch.

Fiktion und das wahre Leben

Die ARD, das ZDF, der Deutschlandfunk und Co. – schlicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk und Fernsehfunk haben einen ziemlich schlechten Ruf. Beim Film „Vermisst in Rom“ kam bei mir die Versuchung auf, dem Sender ARD ein Lob zu zollen und einen Wunsch auszusprechen, es möge doch zu einer Art Dauereinrichtung werden, der Diplomatie, der Menschlichkeit den Vorrang zu geben, Missstände beim Namen zu nennen, seien es die Arroganz der Macht, die Korruption, sei es die Kriminalität, die private, die staatliche – und das nicht nur in Filmen.

Schauspielerin Natalia Wörner konnte in der Rolle der Botschafterin in Rom Worte aussprechen, die mir gefielen, die mich aufatmen ließen. Vielleicht hat sie, die einst mit einem ehemaligen Außenminister zusammen war, auch Anleihen aus Erfahrungen in diesen politischen Kreisen einfließen lassen. Wobei ich, nebenbei gesagt, die Arbeit ihres Ex nicht gerade zu schätzen weiß.

Allein bei „Die Diplomatin“ schwoll in mir letztlich ein ähnliches Bauchgefühl wie bei Märchen-Filmen wie „Der kleine Lord“ oder „Aschenputtel“ hoch und der naive Gedanke, dass vieles, was vielleicht gerecht und gut stimmend ist, nur im Märchen und fiktionalen Geschichten vorkommt – als kleine Lichtblicke, Momentaufnahmen, Zugeständnisse im ansonsten bitter schmeckenden Medienbrei.

Die Wirklichkeit sieht eben anders aus. Denn weder in Nachrichtensendungen von Tagesschau bis heute noch im wahren Leben, bei Pressekonferenzen, bei Statements der Außenministerin und so weiter sind Intentionen wie die in Wörners alias Botschafterin ausgesprochenen Sätzen zu vernehmen.

Florian Warweg berichtet für die NachDenkSeiten seit Kurzem aus der Bundespressekonferenz, er zeigt auf, wie Fragen mit Nichtanworten, mit Ausflüchten, mit Floskeln „beantwortet“ werden. Man stelle sich vor, eine wie Natalia Wörner alias Karla Lorenz säße Florian Warweg gegenüber – ob sie ebenfalls eine solche Phrasendrescherei vom Stapel ließe?

Es ist leider viel schlimmer, das Gedankenspiel zu unternehmen. Im Film noch wird Ehrenhaftes transportiert, in der alltäglichen Wirklichkeit wird eine Filmaussage (eines Botschaftsmitarbeiters) bestätigt: dass wir alle Teil des Systems sind. Mit „System“ meint der junge Diplomat die skrupellose Durchsetzung von Interessen und das Gehabe, so zu tun, als ob alles gut gemeint sei für das Allgemeinwohl. Leider ist es im Film wie im Leben: Die gut vernetzten Leute kommen ungeschoren davon.

Der finale Satz macht Hoffnung – wenn dieser mit Leben erfüllt wird

Für meine Ernüchterung, für mein Zurückholen auf den Boden der Realität sorgte der Film selbst. Ernüchtert von den Zuständen und der Ohnmacht gegenüber den Mächtigen, den Strippenziehern, fasste der junge deutsche Botschaftsmitarbeiter am Schluss zusammen: „Wir sind Teil des ganzen Systems.“ Der Schluss des Zuschauers konnte nur lauten: Das muss ein schlechtes, ein schädigendes System sein. Wenn der Einsatz für Gutes, das Anprangern von Missständen ohne Erfolg bleibt.

Dass der finale Satz schließlich von der Botschafterin gesprochen wurde, vollendete einen mutigen Film und macht trotz allem Hoffnung, wenn der Inhalt des Satzes mit Leben erfüllt und im (echten) Alltag umgesetzt würde:

„Diplomatie ist der Versuch, die Konflikte zu lösen, indem man miteinander redet, ist das Gegenteil von Gewalt – und das kostet Kraft.“

Titelbild: ARD

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