Leserbriefe zu „Neues Gesetz: Geheimdienst soll Bürger im privaten Umfeld anschwärzen dürfen“

Ein Artikel von:

Tobias Riegel kommentiert einen Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums für eine Reform des Bundesverfassungsschutzgesetzes. „Der Gesetzentwurf würde es dem Inlandsgeheimdienst nach Ansicht von Fachleuten ermöglichen, sich weitaus stärker in der Gesellschaft einzumischen.“ Tobias Riegel befürchtet, dass diese Gesetzesänderung dazu missbraucht werden könnte, Bürger willkürlich als ‚radikal’ zu brandmarken, ohne dass diese Einschätzung etwa für ein Gerichtsurteil angemessen geprüft würde und ohne dass diese sich dagegen wehren könnten. Vielen Dank für die Zusendung Ihrer Leserbriefe, die Ala Goldbrunner für Sie zusammengestellt hat.


1. Leserbrief

Lieber Herr Riegel, liebes NDS Team,

offensichtlich bewegen wir uns mit wachsender Geschwindigkeit in Richtung DDR reloaded. Unmittelbar musste ich an das inzwischen recht bekannte ein Zitat von Bärbel Bohley denken.

„Alle diese Untersuchungen, die gründliche Erforschung der Stasi Strukturen, der Methoden, mit denen sie gearbeitet haben und immer noch arbeiten, all das wird in die falschen Hände geraten. Man wird diese Strukturen genauestens untersuchen – um sie dann zu übernehmen. Man wird sie ein wenig adaptieren damit sie zu einer freien westlichen Gesellschaft passen. Man wird die Störer auch nicht unbedingt verhaften. Es gibt feinere Möglichkeiten, jemanden unschädlich zu machen. Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir. Man wir Einrichtungen schaffen, die viel effektiver arbeiten, viel feiner als die Stasi. Auch das ständige Lügen wird wiederkommen, die Desinformation, der Nebel in dem alles seine Kontur verliert.“

Ich denke wir sind soweit, die Frage bleibt wie sich der Einzelne dagegen wehren kann?

Die NDS sind aus meiner Sicht ein wichtiger Baustein der Gegenwehr. Dafür vielen Dank!

Beste Grüße
Peter Fenske


2. Leserbrief

Liebe Nachdenkseitenmacher und -leser,

dieses Vorhaben ist ein Skandal! So wird aus einer Demokratie eine Denunziokratie.

Die Feinde der Demokratie sitzen anscheinend auch im Innenministerium, damit im Zentrum der Macht, und nicht nur an irgendwelchen “rechten” oder “linken” Rändern.

Wie kann man das noch stoppen?

Herzlichen Dank für Ihre Aufklärung und freundliche Grüße,
Jens G. Röhling


3. Leserbrief

Sehr geehrte NDS Redaktion und Herr Riegel,

Mann kann hier extrem kurz zu diesem Artikel kommentieren.

Die neue Situation ist: jeder ist verdächtig bis das Gegenteil bewiesen ist.

Für die Regierung ist der Staatsfeind Nr 1 die eigene Bevölkerung.

Eigentlich ist mit Ukraine, Gaza und einigen anderen Dingen etwas Unglaubliches geschehen: man hat die Regierung dazu gebracht selbst jede Spur von Demokratie auszuhebeln und zu neutralisieren, eine Art Demokratieselbstmord also.

Da gilt es eine neue Definition zu finden zur Staatsform und Gesellschaft die daraus resultiert.

Es ist eine besondere Form der Diktatur: eine, die ihre Macht auf nicht physischen Weg ausübt auf ihre Bürger. Sie nutzt die extremste Form des Begriffs ‚nudging‘.

Mit freundlichem Gruß
Patrick Janssens


4. Leserbrief

Hallo liebes Team der Nachdenkseiten, sehr geehrter Herr Riegel,

bezugnehmend auf Ihren Artikel „Neues Gesetz: Geheimdienst soll Bürger im privaten Umfeld anschwärzen dürfen“ fällt es mir als in der DDR Sozialisierten nicht sonderlich schwer, sofort an das Ministerium für Staatssicherheit zu denken; speziell an das Handbuch der Zersetzung (Richtlinie 1/76 der Stasi über „Zersetzung“, 1976). Es lohnt sich immer wieder, diesen Text durchzulesen und mit der heutigen Situation abzugleichen. Wie heißt es unter dem Punkt „2.6.2 Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung“ doch so erhellend:

„2.6.2 Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung

[…] Bewährte anzuwendende Formen der Zersetzung sind:

  • systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer und diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben;
  • systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens einzelner Personen;
  • zielstrebige Untergrabung von Überzeugungen im Zusammenhang mit bestimmten Idealen, Vorbildern usw. und die Erzeugung von Zweifeln an der persönlichen Perspektive;
  • Erzeugen von Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen innerhalb von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen;
  • Erzeugen bzw. Ausnutzen und Verstärken von Rivalitäten innerhalb von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen durch zielgerichtete Ausnutzung persönlicher Schwächen einzelner Mitglieder;
  • Beschäftigung von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen mit ihren internen Problemen mit dem Ziel der Einschränkung ihrer feindlich-negativen Handlungen;
  • örtliches und zeitliches Unterbinden bzw. Einschränken der gegenseitigen Beziehungen der Mitglieder einer Gruppe, Gruppierung oder Organisation auf der Grundlage geltender gesetzlicher Bestimmungen, z. B. durch Arbeitsplatzbindungen, Zuweisung örtlich entfernt liegender Arbeitsplätze usw.

Bei der Durchführung von Zersetzungsmaßnahmen sind vorrangig zuverlässige, bewährte, für die Lösung dieser Aufgaben geeignete IM einzusetzen.
Bewährte Mittel und Methoden der Zersetzung sind:

[…]

  • die Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, Telegramme, Telefonanrufe usw., kompromittierender Fotos, z.B. von stattgefundenen oder vorgetäuschten Begegnungen;
  • die gezielte Verbreitung von Gerüchten über bestimmte Personen einer Gruppe, Gruppierung oder Organisation;
  • gezielte Indiskretionen bzw. das Vortäuschen einer Dekonspiration von Abwehrmaßnahmen des MfS;
  • die Vorladung von Personen zu staatlichen Dienststellen oder gesellschaftlichen Organisationen mit glaubhafter oder unglaubhafter Begründung.

Diese Mittel und Methoden sind entsprechend den konkreten Bedingungen des jeweiligen Operativen Vorganges schöpferisch und differenziert anzuwenden, auszubauen und weiterzuentwickeln.

(Quelle: Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge (OV), BStU, MfS, BdL-Dok. 3234)“

Parallelen zu heute sind natürlich rein zufällig und nichts weiter als bloße Verschwörungstheorie [IRONIE OFF].  
 
Ein dem Zersetzungshandbuch der Stasi durchaus ähnliches Programm gab es in den USA von 1956 bis 1971 vom FBI, was unter dem Namen COINTELPRO (Counterintelligence Program) berühmt-berüchtigt wurde.  In folgendem Link zu einer sehr umfangreichen Zusammenfassung zu COINTELPRO heißt es ganz am Anfang:

„COINTELPRO was the FBI’s secret program to undermine the popular upsurge which swept the country during the 1960s. Though the name stands for “Counterintelligence Program,” the targets were not enemy spies. The FBI set out to eliminate “radical” political opposition inside the US. When traditional modes of repression (exposure, blatant harassment, and prosecution for political crimes) failed to counter the growing insurgency, and even helped to fuel it, the Bureau took the law into its own hands and secretly used fraud and force to sabotage constitutionally – protected political activity. Its methods ranged far beyond surveillance, and amounted to a domestic version of the covert action for which the CIA has become infamous throughout the world.”

Auf Deutsch

„COINTELPRO war das geheime Programm des FBI zur Untergrabung des Volksaufstands, der das Land in den 1960er Jahren erfasste. Obwohl der Name für “Counterintelligence Program” steht, waren die Ziele keine feindlichen Spione. Ziel des FBI war es, die “radikale” politische Opposition in den USA auszuschalten. Als die traditionellen Methoden der Unterdrückung (Bloßstellung, unverhohlene Belästigung und Verfolgung politischer Straftaten) nicht ausreichten, um dem wachsenden Aufstand entgegenzuwirken, sondern ihn sogar noch anheizten, nahm das FBI das Gesetz selbst in die Hand und setzte heimlich Betrug und Gewalt ein, um verfassungsmäßig geschützte politische Aktivitäten zu sabotieren. Die Methoden des FBI gingen weit über die Überwachung hinaus und liefen auf eine innerstaatliche Version der verdeckten Maßnahmen hinaus, für die die CIA weltweit berüchtigt geworden ist.“

freedomarchives.org/Documents/Finder/Black%20Liberation%20Disk/Black%20Power!/SugahData/Government/COINTELPRO.S.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Torsten Miertsch


5. Leserbrief

Hallo liebes Team der Nachdenkseiten, liebe Leserinnen und Leser,

so wie bei Kayvan Soufi-Siavash (KenFM), der nach der Veröffentlichung seiner Privatadresse durch eine Berliner Zeitung Morddrohungen erhalten hat, die sich m.W. auch gegen seine Familie richteten und er folglich ins Ausland flüchten musste? Das mag ein extremes Beispiel sein, ist in der durch Medien und Politik aufgeheizten Stimmung auch im privaten Umfeld nicht völlig abwegig.

Warum nur werde ich das Gefühl nicht los, dass ausgerechnet die größten Extremisten und Desinformierer in diesem Land uns allen Ernstes weismachen wollen zu wissen, was angeblich Desinformation und Extremismus sei und sie uns angeblich davor bewahren wollen?

Mal ein Beispiel, was ich unter Extremismus verstehe:

“Wir müssen kriegstüchtig werden”, so Pistorius.

Quelle: nachdenkseiten.de/?p=105982#h02

Wäre das nur irgendein Verwirrter auf der Straße oder in einem Forum, könnte man ihn auf den Extremismus in seiner Position aufmerksam machen und ihm erklären, dass sich so ein Verhalten in einer zivilisierten, rechtsstaatlichen Demokratie nicht gehört. Leider leben wir in einer Zeit, wo uns genau solche Leute erklären wollen – mit handfest ausgrenzendem Charakter -, was Extrempositionen sind und was angeblich normal.

Die Würde des Menschen unabhängig seiner Herkunft zu achten bzw. dazu aufzurufen, ist in deren Augen auch schon Extremismus bzw. Antisemitismus im Fall der Palästinenser (im Fall der Kinder des Donbass ist es laut deutscher “Justiz” (nicht unabhängig) “Befürwortung eines Angriffskrieges”, Stichwort Alina Lipp).

In diesem Land ist so Einiges schief.

Viele Grüße,
R.A.


6. Leserbrief

Hallo,

es ist ganz klar, wer sich hier radikalisiert :
Es ist die Politik und die mit ihr verbundenen Institutionen.

Grüße

T. Rath


7. Leserbrief

Staatstheoretiker Montesquieu:

„Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“

Gruß
Heide Jakoby


8. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Riegel,
liebe Nachdenkseitenmacher!

Was in den letzten Jahren so aus Berlin und den Bundeshauptstädten kommt, erinnert mich als Ostdeutschen so sehr an die verblichene DDR, dass man beinahe von einem Dauer-Déjà-Vu sprechen kann. Besonders, wenn es um Innenministerien und Geheimdienste geht. Erst die geschredderten Akten beim Thema NSU, dann die quasi Aussetzung demokratischer Rechte während Corona und jetzt auch noch der offizielle Freibrief für Anschwärzungen aller Art.

Nun könnte man sagen, aus dem Hause Faeser erwartet man nichts anderes nach der üblen Sache mit dem Datenschutzbeauftragten Arne Schönbohm. Aber ich finde, dieser Gesetzentwurf ist besonders niederträchtig in seiner Tendenz.

Warum? Nun ja, Martin Luther erklärt das 8. Gebot in seinem „Kleinen Katechismus“ folgendermaßen:

Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

Was ist das?

Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unseren Nächsten nicht fälschlich belügen, verraten, afterreden (also hinterrücks schlecht über jemand reden) oder bösen Leumund machen, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren.
Egal, ob jemand an Gott glaubt oder nicht, dieses Gebot dürfte doch wohl universell sein! So universell, dass es ins deutsche Strafrecht Eingang gefunden hat – § 187 StGB. Wenn sich nun der Staat bzw. seine Beamten herausnehmen, dieses Gesetz mit Füßen zu treten, wandeln sie nicht nur moralisch auf dünnem Eis.

Ich muss immer an das Bärbel Bohley zugeschriebene Zitat denken, wenn ich solche Sachen lesen muss:

„Alle diese Untersuchungen, die gründliche Erforschung der Stasi-Strukturen, der Methoden, mit denen sie gearbeitet haben und immer noch arbeiten, all das wird in die falschen Hände geraten. Man wird diese Strukturen genauestens untersuchen – um sie dann zu übernehmen.

Man wird sie ein wenig adaptieren, damit sie zu einer freien westlichen Gesellschaft passen. Man wird die Störer auch nicht unbedingt verhaften. Es gibt feinere Möglichkeiten, jemanden unschädlich zu machen. Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtot-Machen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir.“

Offensichtlich bin ich nicht der einzig Ostdeutsche, bei dem sich der Eindruck verfestigt hat, dass sich die Geschichte wiederholt. Deshalb muss ich bekennen: Ich bin fertig mit diesem Staat und kann jeden verstehen, der AfD wählt.

W.R.B.


9. Leserbrief

Sehr geehrtes NDS-Team,

wenn der von Tobias Riegel und der SZ beschriebene Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums für eine “Reform des Bundesverfassungsschutzgesetzes“ so durch den Bundestag gehen sollte, dann wäre das ein Gesetz “Stasi3.0” und außerdem eine Verhöhnung des Bundesverfassungsgerichtes.

Diese Regierung will mit allen Mitteln das bisschen “Restdemokratie” in unserem Land auch noch abschaffen. Die Innenministerin sollte ihren Hut nehmen und am besten Habeck und Baerbock ebenfalls.

Ich hoffe, dass es nach einer eventuellen Verabschiedung des geplanten Gesetzes gleich eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht geben wird.

Deutschland, wo gehst Du hin?

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Kleineck


Anmerkung zur Korrespondenz mit den NachDenkSeiten

Die NachDenkSeiten freuen sich über Ihre Zuschriften, am besten in einer angemessenen Länge und mit einem eindeutigen Betreff.

Es gibt die folgenden E-Mail-Adressen:

Weitere Details zu diesem Thema finden Sie in unserer „Gebrauchsanleitung“.

Rubriken:

Leserbriefe

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!