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  1. Paralleluniversum Parteitag
  2. Absurde Sanktionspolitik: Weihnachtspakete aus Russland verboten
  3. Das Schweigen von USA und Nato auf Russlands Briefe vom 17. Dezember 2021
  4. «Was passiert, wenn die Ukrainer erkennen, was die Amerikaner ihnen angetan haben?»
  5. Belohnter Terror
  6. Von Gaza zum Roten Meer: Eröffnen USA regionalen Krieg an globaler Handelsroute?
  7. „Es geht in erster Linie um Bestrafung …”
  8. Antisemiten überall
  9. Heinrich Brüning unterm Weihnachtsbaum
  10. Rechnet Lindner die Zinskosten in die Höhe?
  11. Die Haushaltstrickser: Bundesregierung will einen Teil der an die BA gewährten Zuschüsse zurück
  12. Der Steuersatz der Superreichen
  13. Olaf Scholz, ein zwielichtiger Investor, dazu noch die freche Deutsche Bahn AG
  14. Die Ziele sind verbraucht
  15. «Individualisierter Unterricht führt in die Sackgasse»
  16. Die „Junkfluencer“-Strategien von Coca-Cola, Pizza Hut & Co.
  17. Jubiläum des Nachdenkens

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Paralleluniversum Parteitag
    Einst wurden auf Parteitagen politische Weichen gestellt. Heute gleichen sie Schauspielen. So kann die SPD am Wochenende den Sozialstaat beschwören und nur Tage später die Axt an ihn anlegen.
    Es gab Zeiten, wo Parteitage der großen Parteien Ereignisse waren. Wo die Versammlungen zu Orten der Debatte und Orientierung, der Kritik und der Perspektiven wurden. Wo Kanzlerinnen oder Kanzler von den Delegierten zur Rede gestellt und Regierungshandeln hinterfragt wurde. Erinnert sei an die Parteitage gegen den NATO-Doppelbeschluss oder die Agenda 2010 in der SPD.
    Aber selbst bei der CDU rumorte es ab und an. Sogar der Einheitskanzler Helmut Kohl wurde mal infrage gestellt. Heute sind Parteitage bei der SPD, der CDU, den Grünen und der FDP durchorchestrierte und inszenierte Events. Die Dramaturgie ist geplant und vorgegeben. Die Rezeption der Mainstream-Medien, die gern kritisieren, dass die Politik Inhalte vermissen lässt, dreht sich ebenfalls kaum um diese. Dafür umso mehr um das »Wording«. Akribisch werden zudem die Minuten der stehenden Ovationen für die Vorsitzenden oder den Kanzler gestoppt.
    Wenn sich die gleichen Medien über Politikverdrossenheit mokieren, tragen sie mit solcher Berichterstattung selbst etwas zu ihr bei. Denn sie gestatten, dass diese Parteitage in einem Paralleluniversum stattfinden und die Realität ausgeklammert bleibt. So konnte die SPD auf ihrem jüngsten Parteitag trotz Haushalts-Koalitions-Klimakrise und Umfragewerten von 14–16 Prozent so tun, als hätte sie alles im Griff. Der mangelnde Wille zur Selbstreflexion war irritierend.
    Quelle: Andrea Ypsilanti auf Jacobin
  2. Absurde Sanktionspolitik: Weihnachtspakete aus Russland verboten
    Nun, wo kaum noch russische Reisende in die EU kommen, scheint man sich bei deutschen Behörden auf das letzte verbliebene Verbindungsglied zu stürzen, das deutsch-russischen Freund- und Verwandtschaften noch bleibt: Der Weihnachtspost.
    Über die zahlreichen negativen Folgen gerade im Meinungskrieg mit dem Kreml und seinem Anhang scheint sich die dahinter stehende deutschen Politik keine Gedanken zu machen. (…)
    Denn schon die Beschlagnahmungsdiskussion bei den Reisenden war ein gefundenes Fressen für die russische Politikprominenz und die von ihnen kontrollierten Medien. Ist es doch die dortige Argumentationsschiene, dass es bei westlichen Russlandsanktionen gar nicht um den Ukrainekrieg ginge, sondern um einen pauschalen Russenhass.
    So widmete man den armen Reisenden bis in die oberen Etagen der russischen Politprominenz und die großen TV-Sender breite Aufmerksamkeit.
    Die verbotene Weihnachtspost wird in der Kreml-Berichterstattung nun folgen. Denn auch diese Sanktion steht nun wirklich nicht im geringsten Zusammenhang mit der russischen Kriegswirtschaft.
    Vielmehr trifft sie diejenigen, die auch in Zeiten des Krieges Verbindung halten und zum Weihnachtsfest Kleinigkeiten austauschen wollen, was jetzt nur noch in Richtung Russland möglich ist.
    Es ist sogar damit zu rechnen, dass vermehrt Gegner des aktuellen Kriegskurses von Putin durch die Paketsanktion getroffen werden. Denn es sind solche, die vermehrt noch engere Verbindungen mit Freunden und Verwandten im Westen halten oder vielleicht sogar mit aus Russland ausgereisten Angehörigen.
    Wer zurückgeblieben ist, wird hier unter Berufung auf EU-Vorschriften pauschal ausgegrenzt und vom Westen abgeschnitten. Und die innerrussische Propaganda, im Westen würde die Politik von einem pauschalen Russenhass beherrscht, fällt dann sogar bei Leuten auf fruchtbaren Boden, die Putins Kriegspolitik ablehnen.
    Quelle: Telepolis
  3. Das Schweigen von USA und Nato auf Russlands Briefe vom 17. Dezember 2021
    Vor genau zwei Jahren formulierte Russland unmissverständlich seine Sicherheitsinteressen. Die Reaktion des Westens war ein großer Fehler.
    Die westliche Ukraine-Berichterstattung weist nicht erst seit Kriegsbeginn eine Reihe bemerkenswerter weißer Flecken auf. So gut wie niemand hierzulande weiß beispielsweise, dass der dem Westen sehr nahestehende Boris Jelzin schon im März 1997 – Jahre bevor Wladimir Putin an die Macht kam – im Vorfeld der ersten Nato-Osterweiterung gegenüber dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton drohte, spätestens mit einem Nato-Beitritt der Ukraine würde für Russland eine rote Linie überschritten. Man sieht hier sehr deutlich, wie alt diese Option für den Westen ist und wie alt umgekehrt die russischen Ängste vor dieser Option sind! […]
    Wenig bekannt ist im Westen auch, dass die Ukraine schon im Jahre 2021 – lange vor dem russischen Überfall – nicht nur „im Karabachkrieg 2020 bestens bewährte“ türkische Kampfdrohnen vom Typ Bayraktar TB2 kaufte und gegen die Rebellenstellungen bei Donezk abfeuerte, sondern auch bereits mit der Türkei über eine Lizenzproduktion verhandelte.
    Nahezu unbekannt ist jedoch bis heute die Tatsache, dass die USA bereits seit Mitte der Neunzigerjahre unter dem Etikett „Rapid Trident“ (früher: „Peace Shield“) jährlich auf dem Gebiet der Westukraine Manöver mit ukrainischen Truppen durchführten, zuletzt vom 20.09. bis 01.10.2021 zusammen mit Soldaten aus Ländern wie Bulgarien, Kanada, Georgien, Deutschland, Großbritannien, Italien, Jordanien, Moldau, Pakistan und Polen. Dasselbe gilt für die Marinemanöver „Sea Breeze“ der USA seit 1997 vor der Küste der Ukraine im Schwarzen Meer. Im Sommer 2021 waren Einheiten aus nicht weniger als 32 Staaten beteiligt.
    Man stelle sich die Reaktion des Westens vor, hätte Russland jährlich zusammen mit Soldaten aus Belarus, Serbien, China, Kuba, Venezuela, dem Iran und anderen Staaten Truppenübungen in Mexiko oder Marinemanöver im gleichnamigen Golf vor der Küste Floridas unternommen!
    Quelle: Leo Ensel in der Berliner Zeitung
  4. «Was passiert, wenn die Ukrainer erkennen, was die Amerikaner ihnen angetan haben?»
    Lange Zeit hat der Krieg in der Ukraine die Medien dominiert. Jetzt wurde er vom Krieg in Israel überschattet. Gleichzeitig gibt es Anzeichen dafür, dass die Ukraine für die Amerikaner keine Priorität mehr hat, und es wächst die Einsicht, dass die Ukraine keine Chance auf einen Sieg hat. Die westliche Propaganda wird allmählich durch sachliche Aussagen über die Realität ersetzt. Das von Wunschdenken geprägte Medienbild, der Vater des Gedankens, bröckelt.
    Es ist immer ein Problem, objektiv über einen Konflikt zu berichten, in dem wir uns selbst für die eine Seite entschieden haben. Es ist auch ein Problem, zuzugeben, dass die Partei, die wir gewählt haben und unterstützen, jetzt verliert. Das ist wohl auch der Grund, warum die meisten Kommentatoren nicht die tatsächliche Situation analysiert haben, sondern sich mit der Frage beschäftigt haben, was für einen ukrainischen Sieg getan werden muss. Ebenso haben die Kommentatoren nicht gefragt, was die Ukrainer realistischerweise gewinnen oder mit Russland aushandeln können, sie haben immer nur wieder wiederholt, wer im Recht ist und was richtig ist. Wenn sich der Ton der Kommentare jetzt zu ändern beginnt, dann deshalb, weil die Kluft zwischen der Darstellung in den Medien und der harten Realität, der unbequemen Wahrheit, nicht mehr heruntergespielt werden kann.
    Quelle: Ivan Hoffman auf Globalbridge
  5. Belohnter Terror
    Am 6. Dezember wurde der ukrainische Oppositionspolitiker Illja Kiwa in Moskau ermordet. Zu der Tat bekannte sich der ukrainische Militärgeheimdienst. Am 14. Dezember eröffnete die EU Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine. Diese beiden Ereignisse stehen keineswegs nur in einem zeitlichen, sondern auch in einem inhaltlichen Zusammenhang. Obwohl die Ukraine sich also wenig mehr als eine Woche zuvor zum ersten Mal zu einem politischen Mord im Ausland bekannt hatte, sahen die Staats- und Regierungschefs der EU die Voraussetzungen der Ukraine in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als erfüllt, um Kiew den Weg in die EU zu bahnen, so ließe sich formulieren. Doch wer in beiden Dingen einen Gegensatz meint erblicken zu müssen, könnte sich bitter getäuscht sehen. Die Antwort der Bundesregierung auf meine Frage zum Mord an Kiwa jedenfalls spricht eine ganz andere Sprache.
    Die Bundesregierung versucht sich zuerst an einem Paradoxon. Sie habe die Erklärung des Sprechers des ukrainischen Militärgeheimdienstes zur Kenntnis genommen, ein »Bekenntnis« sei ihr aber nicht bekannt. Man muss dazu wissen, dass der ukrainische Militärgeheimdienst zum Mordbekenntnis zusätzlich nicht nur Fotos vom Tatort veröffentlicht hat, sondern sich auch mit der Drohung zitieren lässt, dass es allen Verrätern so ergehen werde wie Kiwa. Kurz, die Ukraine bekennt sich offen zu faschistischen Fememorden, die in der Geschichte etwa mit dem Pinochet-Regime in Chile vergleichbar sind. Für diese mörderische Entschlossenheit im Krieg wird sie auf nachdrückliche Bitte aus Washington mit der Eröffnung von EU-Beitrittsverhandlungen belohnt.
    Die Bundesregierung verurteilt den politischen Mord der Ukraine denn auch nicht, sondern bekräftigt ihre Unterstützung wirtschaftlicher, finanzieller und militärischer Art für das Kiewer Regime. Bemerkenswert ist die Aussage, dass dies so lange wie nötig fortgesetzt werden soll. Nun wird klar, dass man, koste es was es wolle, einen Stellvertreterkrieg mittels einer staatsterroristischen Regierung führt und sich selbst nicht an deren Bekenntnis zum Terror stört, sondern das Terrorbekenntnis regelrecht belohnt.
    Quelle: Sevim Dagdelen auf junge Welt
  6. Von Gaza zum Roten Meer: Eröffnen USA regionalen Krieg an globaler Handelsroute?
    US-Militär erwägt Gegenschläge gegen Huthi im Jemen nach erneuten Angriffen wegen Gaza-Krieg. Frachtverkehr durch Suezkanal erlahmt. Über eine explosive Lage.
    Hochrangige US-Vertreter in Washington erwägen scheinbar einen Gegenschlag gegen die jemenitischen Huthi. Die Rebellengruppe, die vom Iran unterstützt wird und den Süden des Landes einschließlich der Hauptstadt Sanaa regiert, hat im Zuge des israelischen Gaza-Kriegs in den letzten Wochen eine Reihe von Angriffen auf Marine- und Handelsschiffe im Roten Meer gestartet.
    Die US-Marine meldete gestern neue Huthi-Angriffe im Roten Meer. Insgesamt 15 Drohnen seien abgefangen worden, die gegen Frachtschiffe im Roten Meer auf dem Weg Richtung Suezkanal gerichtet worden seien, heißt es vom US-Kommando. Im Einsatz waren die US-amerikanischen und britischen Zerstörer “USS Carney” und “HMS Diamond”.
    Das US-Magazin Politico zitierte gestern zwei nicht benannte Pentagon-Beamte mit der Aussage, dass “hochrangige Vertreter der Biden-Regierung aktiv Optionen für einen Gegenschlag gegen die Huthi im Jemen erwägen”. Danach soll das US-Militär “den Befehlshabern Möglichkeiten für einen Schlag gegen die Huthi unterbreitet haben”.
    Bewegungen der US-Navy im Nahen Osten deuten zudem auf einen möglichen Schlag des US-Militärs gegen die Huthi hin, während die jemenitische Gruppe weiterhin Schiffe im Roten Meer angreift. So wurde gestern berichtet, dass man die Dwight D. Eisenhower Carrier Strike Group vom Persischen Golf in den Golf von Aden vor der Küste Jemens verlegt habe, wo die Huthi operieren.
    Die Verlegung könnte auch eine Maßnahme der Abschreckung gegen die Huthi sein, die mit ihren täglichen Angriffen auf Handelsschiffe die internationale Schifffahrt lahmlegen.
    Quelle: Telepolis
  7. „Es geht in erster Linie um Bestrafung …”
    Oded Na’aman / Aussagen von Veteranen der israelischen Armee über Gaza und die okkupierten Territorien von Breaking the Silence (Das Schweigen brechen)
    „Es gibt kein Land auf der Erde, welches tolerieren würde, dass Raketen von außerhalb seiner Grenzen auf seine Bürger herabregnen,“ sagte Präsident Barack Obama vergangene Woche in einer Pressekonferenz. Er bediente sich dieser allgemeinen Wahrnehmung, um die Operation “Säule der Verteidigung” zu rechtfertigen, Israels jüngste militärische Kampagne im Gazastreifen. Er unterstellt, wenn er die Situation auf diese Weise beschreibt, wie viele andere, dass Gaza eine politische Einheit außerhalb und unabhängig von Israel ist. Das ist nicht der Fall. Es stimmt, dass Israel sich offiziell im August 2005 aus dem Gazastreifen zurückgezogen hat, seine Bodentruppen abzog und die israelischen Siedlungen dort evakuierte. Aber abgesehen von der Abwesenheit einer ständig stationierten Militärpräsenz hat Israel über Gaza von diesem Zeitpunkt bis heute eine drückende Kontrolle ausgeübt.
    Die Aussagen von israelischen Armeeveteranen legen die Wahrheit dieses „Abzugs“ bloß. Immerhin führte Israel 2006 die Operation Summer Rains (Sommerregen) und Autum Clouds (Herbstwolken) und 2008 Hot Winter (Heißer Winter) und Cast Lead (Gegossenes Blei) durch – alle in Verbindung mit Bodeninvasionen. In einer Aussage spricht ein Veteran von einer „Operation eines Bataillons“ in Gaza, die fünf Monate lang dauerte, wo den Soldaten befohlen wurde zu schießen, „um Terroristen herauszuziehen,” so dass sie „ein paar töten konnten.“
    Israelische Marineblockaden halten die Bewohner Gazas vom Fischen ab, einer Hauptquelle der Nahrungsversorgung im Gazastreifen. Luftblockaden unterbinden die Bewegungsfreiheit. Israel lässt kein Baumaterial in das Gebiet, verbietet Exporte in die West Bank und Israel und verhindert (mit Ausnahme von humanitären Notsituationen) die Bewegung zwischen dem Gazastreifen und der West Bank. Es kontrolliert die palästinensische Wirtschaft, indem es regelmäßig Importsteuern zurückhält. Seine Einschränkungen haben die Erweiterung und den Ausbau der elenden Kanalisation beeinträchtigt, was das Leben in Gaza innerhalb eines Jahrzehnts untragbar machen könnte. Die Blockierung der Meerwasserentsalzung hat die Wasserversorgung zu einem Gesundheitsrisiko gemacht. Wiederholt hat Israel kleine Kraftwerke in Gaza zerstört und damit sicher gestellt, dass der Streifen weiterhin auf die Versorgung mit Elektrizität aus Israel angewiesen ist. Tägliche Stromausfälle sind die Norm seit einigen Jahren. Die israelische Präsenz ist allerorts zu spüren, militärisch und anderweitig.
    Quelle: Antikrieg

    dazu: BIP-Aktuell #285: Völkermord In Gaza: Wann ist die Schwelle überschritten und ein Massaker wird zum Völkermord?
    Das Verbrechen des Völkermords ist in der UN-Konvention zur Verhinderung von Völkermord klar definiert. Eine juristische Analyse ergibt, dass Israel sich des Verbrechens des Völkermords im Gazastreifen schuldig gemacht hat. Für Nicht-Juristen ist es wichtig, die drei Elemente zu verstehen, die erforderlich sind, um die Schuld im Fall von Völkermord nachzuweisen: die absichtliche Entmenschlichung, die systematische Schädigung von Zivilisten und der Nachweis, dass die Zivilisten bewusst ins Visier genommen werden. Diese drei Faktoren werden im Folgenden dargestellt.
    Explizit als Völkermord definiert werden in Artikel 2 der 1951 in Kraft getretenen UNO- ”Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes” Handlungen, „die in der Absicht begangen“ werden, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Zu solchen Handlungen zählen nicht nur die gezielte „Tötung von Mitgliedern der Gruppe“ sondern auch „die Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischem Schaden“ und die „vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung“ herbeizuführen. Auch die „Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe“ oder die „gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe“ fallen unter die Definition von Völkermord. Die Konvention wurde von Deutschland, Israel und Palästina unterzeichnet, die zu den 153 Staaten gehören, die ihr bereits beigetreten sind und sie ratifiziert haben.
    Quelle: BIP

    dazu auch: Gaza aus Sicht der Weltbank
    In der zweiten Novemberhälfte waren der Weltbank zufolge in Gaza etwa 60 Prozent der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur, mindestens 60 Prozent der Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und 70 Prozent der Handelsinfrastruktur beschädigt oder zerstört. »Ebenso ist fast die Hälfte aller Haupt-, Neben- und Tertiärstraßen beschädigt oder zerstört. Mehr als eine halbe Million Menschen sind infolge des Konflikts obdachlos«, beschreibt die Weltbank die trostlose Situation.
    Im Gazastreifen sind nach Schätzung der Weltbank inzwischen 85 Prozent der Einwohner im erwerbsfähigen Alter arbeitslos. Vor Kriegsbeginn waren es rund 50 Prozent. Die meisten der 56.000 offiziellen Unternehmen im Gazastreifen hätten zudem im Zuge der Kampfhandlungen den Betrieb einstellen müssen. In einer Bewertung der wirtschaftlichen Auswirkungen sagte die in Washington, D. C., ansässige Weltbank, dass Gaza aktuell nur 16 Prozent seiner Produktionskapazität ausschöpfe.
    »Während Armut und Verletzlichkeit in Gaza erheblich zunehmen werden, werden negative Auswirkungen auf die Wohlfahrt auch im gesamten Westjordanland deutlich zu spüren sein«, so die Weltbank. Israel habe nach dem 7. Oktober rund 200.000 Palästinensern, die bis dahin in Israel oder den völkerrechtswidrigen, israelischen Siedlungen in der Westbank arbeiteten, die Arbeitserlaubnis entzogen.
    Etwa 67.000 Menschen können derzeit ihren Arbeitsplatz innerhalb der Westbank nicht mehr erreichen, weil die israelische Besatzungsmacht die Bewegungsmöglichkeit massiv eingeschränkt hat, schätzt die Weltbank.
    Quelle: junge Welt

  8. Antisemiten überall
    Nicht erst seit Beginn der Coronaproteste werden mit dem Vorwurf des Antisemitismus pauschal jene belegt, die gegen die Politik der Bundesregierung auf die Straße gehen. Dieser Vorwurf dient dazu, solche Kritiker allesamt in die rechte Ecke zu stellen und ihre Argumente indiskutabel zu machen. Dieser Mechanismus ist auch im Umgang mit Palästina zu beobachten, wenn Kritik an der israelischen Bombardierung des Gazastreifens schlicht als antisemitisch bezeichnet wird — auch in unabhängigen Medien. Das Totschlagargument verfängt auch bei denen, die es besser wissen könnten.
    Plötzlich sind sie überall, die Antisemiten. Ahnte der gute Deutsche vor nicht allzu langer Zeit noch nichts von der unterschwelligen Gefahr, die in diesem Land zu lauern scheint, so wird er jetzt eines Besseren belehrt. Die Antisemiten fluten unsere Straßen, so kann man es den Medien entnehmen. Immer wieder skandieren sie antisemitische Parolen und stellen ihren Hass auf Juden zur Schau. Die Coronapandemie brachte noch eine zweite, unerwartete Pandemie mit sich: die der Antisemiten. Oder vielmehr die Pandemie der inflationären Diffamierung von Oppositionellen, indem man sie in die rechte Ecke stellte. Plötzlich war jeder, der die Coronamaßnahmen kritisierte, die Maske nicht trug und sich der potenziell tödlichen Genspritze verweigerte, ein Juden hassender Neonazi.
    „Wird der Bürger unbequem, ist er plötzlich rechtsextrem“ ist eine witzige Parole, die es auf den Punkt bringt.
    Der Begriff Antisemitismus wird bereits seit Jahren als Totschlagargument gegen Kritiker, Andersdenkende oder zu investigativ Hinterfragende verwendet. Dieses Wort soll damit jede Kritik, jedes Erkennen von Korruption und Geheimdienstverwicklungen in Kriegen und Morden überall auf der Welt, soll jede starke Opposition delegitimieren. Indem Oppositionelle in die rechte Ecke gestellt werden, suggeriert man dem braven Durchschnittsdeutschen, dass hier im besten Fall nur verrückte Spinner, im schlimmsten Fall aber bösartige Nazis nach der Macht trachten und die vernünftige, bürgerliche Mitte mit ihren absonderlichen Vorstellungen gefährden. Vernünftige Bürger sollen sich mit den Argumenten, Vorstellungen und Zielen dieser Nazis doch bitte nicht beschäftigen. Das ist eine mehr oder weniger subtile Art und Weise, die Rede- und Gedankenfreiheit zu begrenzen.
    Quelle: Felix Feistel in Manova

    dazu auch: Doctorow: Die Doppelmoral der pro-palästinensischen Verfechter der “Meinungsfreiheit”
    In den letzten Tagen ist mir aufgefallen, wie die Liberalen, die die “Meinungsfreiheit” verteidigen, in der Palästina-Frage einen Fleck im Auge ihrer im Allgemeinen konservativen Gegner erkennen, aber blind sind für den Balken in ihrem eigenen Auge, wenn ich mir einen Ausdruck von Matthäus über die Bedeutung der Heuchelei ausleihen darf.
    Wir haben in der vergangenen Woche erlebt, wie ein Ausschuss des Repräsentantenhauses die Präsidenten dreier führender amerikanischer Universitäten über die Art und Weise befragt hat, in der die freie Meinungsäußerung auf dem Campus missbraucht werde, um die palästinensische Sache zu fördern und offen geäußerten Antisemitismus akzeptabel zu machen. Die Medien berichten auch über die Zwangsmaßnahmen, mit denen die Geldgeber der Hochschulen die freie Meinungsäußerung auf dem Campus zum Schweigen bringen wollen, indem sie denjenigen Einrichtungen die finanzielle Unterstützung entziehen, die Studenten, die “Palästina vom Fluss bis zum Meer” skandieren, nicht suspendieren oder ausschließen. Personalvermittler für Anwaltskanzleien und andere begehrte Berufe setzen Studenten, die auf diese Weise identifiziert wurden, auf eine schwarze Liste.
    In einem angesehenen ListServ-Digest, das an Diplomaten und Außenpolitikexperten in Washington verteilt wird, war kürzlich in einem Artikel von “McCarthyismus” die Rede, mit dem die Machthaber versuchen, Sympathisanten für die palästinensische Sache im Krieg zwischen Israel und Hamas auszurotten.
    Quelle: Gilbert Doctorow in Seniora.org

    und: Böll-Stiftung lädt Masha Gessen nach Berlin ein: Ist ihr der Rückzug vom Preis peinlich?
    Böll-Stiftung nahm Abstand von Verleihung des Hannah-Arendt-Preises an Masha Gessen. Gessen beklagt eine Kultur des Mundtot-Machens. Am Montag kommt Gessen nach Berlin.
    Was für eine Kehrtwendung, ein Rückzug vom Rückzug: Die Heinrich-Böll-Stiftung, die sich vor ein paar Tagen von der für den 15. Dezember in Bremen geplanten Festveranstaltung zur Verleihung des Hannah-Arendt-Preises an Masha Gessen zurückgezogen hat, lädt Gessen nun nach Berlin ein. Und Masha Gessen hat diese Einladung angenommen. Am Montagabend wird die nicht-binäre Person Masha Gessen in der Zentrale der Stiftung in Berlin-Mitte mit den beiden Vorständen Imme Scholz und Jan-Philipp Albrecht über deutsche Erinnerungskultur diskutieren.
    Grund für den Rückzug der Böll-Stiftung war ein am 9. Dezember im New Yorker veröffentlichter Essay, in dem Gessen den Gazastreifen mit den jüdischen Ghettos im von den Nationalsozialisten besetzten Europa vergleicht. Die Bremer Sektion der Deutsch-Israelischen Gesellschaft forderte, Gessen den Preis nicht zu verleihen. Die Bremer Rathausverwaltung verweigerte die Benutzung der Rathaushalle für den Festakt, der am Freitag stattfinden sollte. Doch die Hannah-Arendt-Gesellschaft stand zu ihrer Entscheidung, Gessen bekam den Preis einen Tag später in kleinem Kreis.
    Quelle: Berliner Zeitung

  9. Heinrich Brüning unterm Weihnachtsbaum
    Kürzungen im Sozialbereich heißen nicht mehr Kürzungen, sondern „mehr Treffsicherheit“ herstellen. Und Steuererhöhungen für die breite Masse heißen nicht mehr Steuererhöhungen, sondern gelten als Rückkehr zu „alten Preispfaden der GroKo“. Damit ist die stärkere Anhebung des CO2-Preises zum Jahreswechsel gemeint. Ein Klimageld als Kompensation, wie ursprünglich einmal vorgesehen, gibt es nicht. Dass solche Entscheidungen immer erst nach umjubelten SPD-Parteitagen getroffen werden, muss ein Zufall sein.
    Dort trat nämlich ein Kanzler auf, der klarstellte, dass es mit ihm keine Kürzungen im Sozialbereich geben werde. Das Gegenteil ist nun der Fall. Eine Aussetzung der Schuldenbremse wurde von den Sozialdemokraten ebenfalls beschlossen. Nun soll darauf verzichtet oder nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn das viele Geld (rund 8 Milliarden Euro) für die Ukraine nicht reicht. Was mit ziemlicher Sicherheit der Fall sein wird, da andere Staaten ihre Hilfen eben nicht ausweiten, sondern zurückfahren. Es braucht daher eine Hintertür, denn der Plan von Scholz, Habeck und Lindner wird ohnehin nicht aufgehen. Es ist Wirtschaftskrise und die bekämpft man eben nicht mit Maßnahmen, die die gesamtgesellschaftliche Nachfrage weiter dämpfen. Was die Ampel vorhat, verschärft die Rezession. (…)
    Wie destruktiv die Schuldenbremse wirkt, zeigt das vorgelegte Paket der Ampel. Die Regierung muss in eine Krise prozyklisch hineinsparen, nur um die Anforderungen zu erfüllen, statt antizyklisch mit einer Erhöhung der Ausgaben etwas gegen die abschmierende Konjunktur zu tun. Man könnte auch sagen, dass die Ampel der eigenen Bevölkerung einen Heinrich Brüning unter den Weihnachtsbaum gelegt hat und statt Fortschritt eine Wiederholung der Fehler von gestern betreibt. Wenn dann die Rechtsradikalen die nächsten Wahlen gewinnen sind natürlich andere schuld. Putin natürlich, die Opposition, die im Vermittlungsausschuss das Wachstumschancengesetz blockiert oder das Bundesverfassungsgericht, das lediglich einfordert, was der Gesetzgeber in seiner unfassbaren Dummheit in die Verfassung hineingeschrieben hat. Dass die Schuldenbremse mehr zählt als das Sozialstaatsgebot oder die Absenkung eine abstrakten Staatsschuldenquote wichtiger ist, als Straßen, Schienen und Schulen, ist ein Skandal. Dafür haben sich die SPD-Delegierten auf ihrem Parteitag mit dem Singen der Internationale wieder an sich selbst berauscht.
    Quelle: TauBlog

    dazu: Jetzt wird das Tafelsilber inspiziert
    Die Ampelkoalition prüft den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen des Bundes, damit die angeschlagene Deutsche Bahn investieren kann. (…)
    Allein die Anteile der Bundesrepublik Deutschland, direkt oder über die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau, an der Deutschen Telekom (rund 30 Prozent) und der Deutschen Post DHL (rund 20 Prozent) würden nach konservativer Schätzung etwa 40 Milliarden Euro erlösen. Lindner hatte schon im Bundestagswahlkampf geworben, die größeren Pakete zu veräußern. „Es gibt keinen ordnungspolitischen Grund für Aktienpakete in Staatsbesitz“, sagte Lindner 2021. „Deshalb sollten wir verkaufen.“ (…)
    In der Koalition gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Logistiktochter Schenker von der Bahn verkauft werden solle. Nach Auskunft aus Regierungskreisen geht die Diskussion auch darüber, wie wichtig es für die Bahn sei, in der Logistikkette ein größeres Angebot zu haben als nur den Transport auf der Schiene. (…)
    Vor einem Jahr war der Bund zu gut 99 Prozent beim Energieunternehmen Uniper eingestiegen und hatte das damit begründet, dass die Energieversorgung im Land sichergestellt werden müsse. Uniper war nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil viel weniger, aber viel teureres russisches Gas geliefert wurde, zugleich aber die Lieferverpflichtungen mit den Kunden weiter bestanden.
    Der Bund ist auch Aktionär bei der Commerzbank – mit einem Anteil von gut 15 Prozent. Er hatte die Frankfurter Großbank in der Finanzkrise 2008/2009 mit Milliarden Euro Steuergeld vor dem Kollaps bewahrt und war auch als Großaktionär eingestiegen. Die Hilfen zahlte die Commerzbank zurück, der Bund blieb aber Aktionär.
    Quelle: WirtschaftsWoche

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Haushalt 2024 – die dümmste Regierung der Welt.

  10. Rechnet Lindner die Zinskosten in die Höhe?
    Zahlen des Finanzministeriums zeigen: Wenn die Regierung Schulden einfach anders verbuchen würde, hätte sie beachtliche 17 Milliarden Euro mehr zur Verfügung.
    Der Bund könnte offenbar weniger Geld für Zinsen ausgeben, als es Aussagen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) nahelegen. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage des Linkenabgeordneten und ehemaligen brandenburgischen Finanzministers Christian Görke hervor, die ZEIT ONLINE vorliegt.
    Lindner hatte in Interviews gesagt, in diesem Jahr müsse der Bund rund 40 Milliarden Euro für Zinsen aufwenden – eine Verzehnfachung gegenüber den Ausgaben des Jahres 2021. Aus der Antwort auf die Anfrage geht hervor, dass es bei einer präziseren Rechenmethodik nur knapp 17 Milliarden Euro sind.
    In dem Schreiben des Ministeriums heißt es: “Die Bundesregierung hat die Zinsausgaben des Jahres 2023 für den Entwurf des Nachtragshaushalts 2023 mit 36,83 Milliarden Euro geschätzt. Würden die Zinsausgaben des Jahres 2023 periodengerecht abgegrenzt verbucht, läge dieser Wert um 16,99 Milliarden Euro niedriger bei 19,84 Milliarden Euro.” Der Bund könnte also rund 17 Milliarden Euro weniger ausgeben als bisher veranschlagt.
    Hintergrund ist eine weitgehend unbekannte Buchungsregel im Bundeshaushalt. Die folgt einer relativ einfachen Logik: Wenn die Zinsen niedrig sind, kann der Bund seine Anleihen deutlich über dem Wert am Markt verkaufen, den er am Ende ihrer Laufzeit zurückzahlen muss – schließlich sind sie sehr begehrt. Es entstehen also Mehreinnahmen. Seit den Anlegern aber beispielsweise in den USA deutlich höhere Zinsen geboten werden, muss der Bund seine Wertpapiere teilweise unter ihrem Nennwert hergeben, um genug Käufer zu finden. Es kommt zu Mehrausgaben.
    Die entscheidende Frage ist nun, wie diese Einnahmen beziehungsweise Ausgaben verbucht werden. International ist es üblich, die Beträge gleichmäßig auf die gesamte Laufzeit einer Anleihe zu verteilen, bei einer zehnjährigen Anleihe wird der Betrag also zu gleichen Teilen auf zehn Jahre aufgeteilt. In Deutschland wird das anders gehandhabt. Die gesamte Summe wird dem Haushalt in dem Jahr zugerechnet, in dem die Anleihe ausgegeben wird.
    Durch diese Buchungspraxis werden die im Haushalt ausgewiesenen Zinskosten in Zeiten fallender Zinsen kleingerechnet und in Zeiten steigender Zinsen künstlich aufgebläht – was sich wiederum politisch ausschlachten lässt. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch Finanzminister war, hatte er dadurch mehr Geld zur Verfügung. Lindner wiederum kann bei seiner Kritik an zusätzlichen Schulden auf die kräftig gestiegenen Zinsen verweisen.
    Quelle: Mark Schieritz auf Zeit Online
  11. Die Haushaltstrickser: Bundesregierung will einen Teil der an die BA gewährten Zuschüsse zurück
    Alle drei Haushaltsjahre (2020, 2021 und 2022) sind abgeschlossen. Das 2022 gewährte überjährige Darlehen in Höhe von 423.496.181,47 Euro wird im laufenden Haushaltsjahr 2023 von der BA zurückgezahlt. 2021 wurde ein Zuschuss gewährt. Und was wurde aus dem überjährigen Darlehen in Höhe von 6.912.686.760,29 Euro in 2020 auf das die Bundesregierung mit ihrem noch unveröffentlichten neuen Haushaltsplan 2024 und neuen Finanzplan 2023 bis 2027 zu blicken scheint?
    Aus dem 2020 gewährten überjährigen Darlehen in Höhe von 6.912.686.760,29 Euro wurde ein Zuschuss. Die Begründung findet sich u.a. in dem vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebenen Band 2 der Haushaltsrechnung des Bundes 2021. In der Vorbemerkung zu Kapitel 1101 („Leistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch und gleichartige Leistungen“) heißt es:
    „Können Darlehen bis zum Schluss des Haushaltsjahres nicht zurückgezahlt werden, gilt die Rückzahlung als bis zum Schluss des folgenden Haushaltsjahres gestundet (§ 365 SGB III). Abweichend hiervon wird unter den in § 12 Abs. 1 des Haushaltsgesetzes geregelten Voraussetzungen aus dem zum Schluss des Haushaltsjahres 2021 die Rücklage übersteigenden Darlehen ein Zuschuss.“ Und weiter zum in 2021 veranschlagten Zuschuss an die BA: „Die Veranschlagung des Zuschusses steht im Zusammenhang mit der Überwindung der finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit infolge der COVID-19-Pandemie.“
    Entsprechend in der vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebenen Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2021. Dort heißt es:
    „Der den Forderungen und sonstigen Vermögensgegenständen zuzurechnende Anfangsbestand aus den bisherigen Vermögensgruppen beträgt insgesamt 17,63 Mrd. Euro. Im Haushaltsjahr 2021 sind ist der Bestand an Forderungen und sonstigen Vermögensgegenständen bis auf 10,80 Mrd. Euro zurückgegangen.
    Hintergrund ist, dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Jahr 2020 zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft ein Darlehen des Bundes über 6,91 Mrd. Euro erhalten hat, dessen Rückzahlung nach § 365 SGB III bis zum Schluss des Haushaltsjahres 2021 gestundet wurde. Das gestundete Darlehen ist der BA nach § 12 Abs. 1 HG 2021 am Ende des Haushaltsjahres 2021 vollständig erlassen worden, weil die BA das Darlehen nicht am Schluss des Haushaltsjahres 2021 zurückzahlen konnte. Daher gehen die Forderungen um diesen Betrag zurück.“ (6)
    Laut § 12 Absatz 1 Haushaltsgesetz 2021 galten die Ausgaben der BA für das konjunkturelle Kurzarbeitergeld und für die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen an Arbeitgeber in den Haushaltsjahren 2020 und 2021 als Höchstgrenze für die Umwandlung des Darlehens in einen Zuschuss. Diese Ausgaben der BA in 2020 und 2021 betrugen etwa 42,3 Milliarden Euro.
    Quelle: BIAJ
  12. Der Steuersatz der Superreichen
    Deutschland ist Hochsteuerland – das ist die typische Reaktion auf den jährlich erscheinenden Vergleich der Steuer- und Abgabenlasten in den 38 OECD-Staaten. Auf den Lohn eines Durchschnittsverdieners entfielen demnach im Jahr 2022 rund 48 Prozent Steuern und Abgaben[1]. Damit belegt Deutschland laut OECD Platz 2 hinter Belgien. Was dieser Vergleich aber verschweigt: Für sehr hohe Einkommen und Vermögen ist Deutschland ein Niedrigsteuerland. […]
    Zusammengenommen führen diese Probleme dazu, dass der effektive Steuersatz für milliardenschwere Unternehmenseigentümer und typische Einkommensmillionäre nicht annähernd dem Spitzensteuersatz entspricht. Stattdessen ist ihr Steuersatz teilweise kaum höher als der auf durchschnittliche Arbeitseinkommen. Bei Durchschnittsverdienern kommen zudem noch die Sozialbeiträge hinzu, die Hochvermögende u. a. aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze kaum belasten.
    Quelle: Netzwerk Steuergerechtigkeit
  13. Olaf Scholz, ein zwielichtiger Investor, dazu noch die freche Deutsche Bahn AG
    In Hamburg passieren Dinge, die beispielhaft für den Zustand der herrschenden Politik sind: Größenwahn und Rücksichtlosigkeit allenthalben.
    Früher, es ist noch gar nicht so lange her, bin ich vom Süden kommend gerne nach Hamburg hineingefahren. Die Elbbrücken, dann der Blick über den Hafen hinauf zum Michel – wunderbar. Und heute? Diese Willkommensfreude ist getrübt.
    Man weiß zwar aus einer Werbebroschüre, dass „die HafenCity – das größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt Europas – ein Modell für die Entwicklung einer europäischen City am Wasser“ ist, aber was sieht man bei der Fahrt in die Stadt? Zur Linken ein paar hingewürfelte Vierkanthölzer in die Luft ragen; man sieht, das vor allem, ein löchriges Trumm dastehen (in meinem privaten Sprachgebrauch: Scholz-Beton-Gerippe), man hat dazu noch im Ohr einen Satz des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters: „Die Menschen sollen sagen: Das hat Olaf Scholz gut gemacht.“ (…)
    Hat er das, der Scholz? Der sich trotz Warnungen jubelnd mit diesem ziemlich schmierigen und wegen Korruption vorbestraften Spekulanten René Benko eingelassen hat, um im Februar 2018, fast durchgeknallt euphorisch, „Elb-Tower“, ein gigantisches Projekt vorzustellen: ein Art Turmbau zu Babel, 64 Etagen, rund 250 Meter hoch, das mit Abstand höchste Gebäude des Nordens. „Ein Entwurf der Meisterklasse“, sei das, „ein Signal der Ambition für Hamburg“, der Investor, so Scholz, „ein hervorragendes Immobilienunternehmen“. Tausende von Angestellten dieses pleitegegangenen Herrn, denen nun Arbeitslosigkeit droht, sehen das wohl anders.
    An dieser Beton-Stahl-Ruine vorbeifahrend, diesem neuen Wahrzeichen der Stadt, diesem Mahnmal des Größenwahns, denkt man plötzlich: Wenn der Scholz so in Berlin regiert, dann … oh, Elb-Tower.
    Tower? Warum immer diese englischen Begriffe, warum bloß? Mehr Sein durch Schein? Geht es darum? Werbung und Wirklichkeit. Wenn sie übereinstimmen würden, würde ich nicht mit dem Auto in Stadt fahren, sondern wie früher, ziemlich lange ist es her: mit dem Zug.
    Vor einiger Zeit behauptete die Deutsche Bahn, die in ihren Werbesprüchen, und nur da, wirklich gut ist, dass man heute „so schnell wie noch nie von City zu City“ reise. Echt? Anfang des Jahrtausends brauchte man von Hamburg nach Berlin 90 Minuten, heute sind es 107 Minuten, und demnächst läuft gar nix mehr, monatelange Sperrung wegen Reparaturen.
    Quelle: Arno Luik in Overton Magazin
  14. Die Ziele sind verbraucht
    Der Klimawandel wird in großen Teilen ungebremst erfolgen. Statt uns auf unerreichbare 1,5- oder 2-Grad-Ziele zu fixieren, sollten wir schleunigst unsere Städte, Gemeinden und Infrastrukturen katastrophenresilient machen.
    »Wissenschaftler:innen und Expert:innen sehen in ihrer Bestandsaufnahme auf dem 13. ExtremWetterKongress die Chance als verpasst an, mit relativ wenig Aufwand das Klimasystem zu stabilisieren. Der Klimawandel wird aus Sicht der Konferenzteilnehmer:innen nun in großen Teilen ungebremst erfolgen, womit nicht mehr abwendbare massive Veränderungen auf unserem Planeten zu erwarten sind.« So heißt es in der Zusammenfassung des Extremwetterkongresses 2023, auf dem auch mitgeteilt wurde, dass man das Erreichen des berühmten 1,5-Grad-Zieles, also das Einbremsen der Erderhitzung auf diesen Steigerungswert, vergessen könne.
    Endlich sagt das mal jemand, dachte ich. Denn wir sind ja längst in einer Situation, in der wir große politische, materielle und psychische Energien in ein Ziel investieren, das längst unerreichbar geworden ist. Anstatt an den schnellen Umbau unserer Infrastrukturen, Städte und Gemeinden zu gehen, um sie robust und resilient zu machen. Zum Beispiel.
    Mit Reißen des 1,5-Grad-Zieles sind logisch auch die ganzen 2030-, 2045-, 2050-Ziele hinfällig, mit denen man die notwendige sozialökologische Transformation als Zukunftsvorhaben träumen konnte, vor dessen Kulisse man ungehemmt so weitermachen konnte wie zuvor.
    Quelle: Harald Welzer in taz
  15. «Individualisierter Unterricht führt in die Sackgasse»
    Der Pädagoge und Psychologe Beat Kissling im Interview über die Vereinzelung und das geforderte IT-Moratorium in der Primarschule.
    Herr Kissling, die Ergebnisse der neuen PISA-Studie werden derzeit intensiv diskutiert. Wie interpretieren Sie die Resultate?
    Dass ein Viertel der Schülerinnen und Schüler buchstäblich «abgehängt» wird und deshalb am Ende der Schule kaum Lesen und Schreiben kann, war allen, die mit der Schulentwicklung vertraut sind längstens bekannt. Seit der Einführung der PISA-Tests testet und vergleicht die Schweiz in den Volksschulen fleissig.
    Woher kommt diese Leistungsschere?
    Ich führe sie auf die fehlgeleiteten Reformen der letzten Jahrzehnte zurück. Wichtig ist zunächst, den grossen Wandel seit der Jahrtausendwende zu verstehen. Seit PISA haben wir einen Paradigmenwechsel an unseren Schulen erlebt: Weg von der Orientierung daran, was die Lehrperson macht, also wie und was sie vermittelt. Jetzt zählt vielmehr, was rauskommt, das Messbare. Wir schauen auf den Output. Die PISA-Studien haben auch ein neues Verständnis von «Kompetenz» eingeführt. Das tönt ja gut. Einem kompetenten Handwerker kann man vertrauen, weil dieser über viel Fachwissen, Erfahrung und Geschick verfügt. Aber eigentlich meint man jetzt damit Performance, eben etwas Messbares, eben Testresultate. Die Folge ist das «Teaching to the test». Dass die Schülerinnen und Schüler also zwangsläufig vorwiegend auf diese Tests vorbereitet werden müssen. Die Einführung dieser PISA-Testkultur in der Schule haben wir der OECD-Initiative zu verdanken. In anderen Ländern hat dieser Wandel dieselben uniformierenden Auswirkungen. (…)
    Schaut man die grossen Linien der Schulentwicklung der letzten 30 Jahre hierzulande an, fällt auch die immer stärker forcierte «Individualisierung» des Unterrichts auf. Sie geht mit dem Testen und Kontrollieren einher. Individualisierung bedeutet, dass die Lehrpersonen den Unterricht nicht mehr als gemeinsames Erlebnis gestalten. Sie sind als eigenständige, gestaltende Führungspersönlichkeiten, welche die Gemeinschaft im Auge haben, weniger gefragt. Stattdessen sollen die Lehrpersonen als «Arrangeure», «Moderatoren» und «Coachs» ihren Schülerinnen und Schülern «Lernumgebungen» anbieten. Diese sollen sich nun alles selbstverantwortlich erarbeiten. Man spricht heute in diesem Zusammenhang von «Chancengerechtigkeit». Demnach steht es – laut Theorie – jedem Kind unabhängig von seiner Herkunft offen, jeden gewünschten Bildungsweg zu beschreiten – alles nur abhängig von den eigenen Bemühungen.
    Weshalb soll dies schlecht sein?
    Die schwächeren Schülerinnen und Schüler werden vollkommen im Stich gelassen. Das Resultat zeigt aktuell PISA: ein Viertel der Schülerschaft wird geistig-moralisch «abgehängt». Die Vereinzelung der Schüler durch die Individualisierung beziehungsweise das «selbstorganisierte Lernen» führt nämlich schon sehr früh zu einer extremen Leistungsschere. Die Folgen sind: Sehr viel Unruhe, Unkonzentriertheit, Ablenkbarkeit bis hin zur Resignation und Schulschwänzerei bei den unsicheren Schülerinnen und Schülern. So landen sie schlussendlich zur Abklärung bei der Schulpsychologie. Da werden sie zumeist mit Diagnosen beglückt und nicht selten medikalisiert. Für diese Kinder und Jugendlichen ist die vergleichende Testerei alles andere als ein ermutigendes Erlebnis. Sie erfahren Mal für Mal, dass sie faule, unfähige Versager sind. Hilfe und Solidarität erfahren sie kaum. Die guten, vifen und von zuhause gut unterstützten Schüler realisieren das Schicksal ihrer schwächeren Mitschülerinnen und -schüler nicht. Sie sind mit ihrer eigenen Schulkarriere beschäftigt.
    Quelle: Infosperber
  16. Die „Junkfluencer“-Strategien von Coca-Cola, Pizza Hut & Co.
    Mit immer ausgeklügelteren Strategien gelingt es der Lebensmittelindustrie, den ständigen Konsum von zuckrigen Getränken und fettigen Snacks als die alltägliche Normalität junger Social-Media-Stars darzustellen. In Kooperation mit den Influencer:innen kreieren die Konzerne beispielsweise Sonder-Editionen ihrer Produkte, organisieren teure Veranstaltungen und Reisen und lancieren Marken-Werbung unauffällig auf deren Kanälen.
    Für die Junkfood-Konzerne ist das Potenzial der Influencer:innen riesig: Sie sind für Millionen junger Menschen Idole und beste Freunde zugleich. (…)
    Lebensmittelwerbung beeinflusst nachweislich das Ernährungsverhalten junger Menschen. Kinder essen mehr als doppelt so viele Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Den letzten repräsentativen Messungen zufolge sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Ihnen drohen im späteren Leben Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf ungesunde Ernährung zurückzuführen. (…)
    foodwatch fordert: Junge Menschen müssen besser vor Junkfood-Marketing im Internet geschützt werden. Influencer:innen sollten nur noch für ausgewogene Produkte werben dürfen.
    Bundesernährungsminister Cem Özdemir will zum Schutz von Kindern Werbeschranken einführen. Unter anderem soll die Werbung für unausgewogene Lebensmittel im TV in den Abendstunden und an Wochenenden, wenn besonders viele Kinder Medien nutzen, grundsätzlich untersagt sein. Diese Regelung muss auf den Bereich der sozialen Medien ausgedehnt werden. Instagram-Posts oder Tiktok-Videos, die rund um die Uhr abgerufen werden können, sollten nur noch Werbung für ausgewogene Produkte beinhalten.
    Wegen des Widerstands der FDP drohen Özdemirs Pläne immer weiter zu verwässern. Um jedoch Kinder und Jugendliche effektiv vor Junkfood-Werbung zu schützen, muss der Gesetzesentwurf an einigen Stellen nachgeschärft werden.
    Quelle: foodwatch
  17. Jubiläum des Nachdenkens
    Die „NachDenkSeiten“ wurden kürzlich 20 Jahre alt. Mehrere Manova-Autoren würdigen die kritische Webseite anlässlich ihres Geburtstags.
    Als Urgestein der alternativen und freien Medien sind die NachDenkSeiten nicht mehr wegzudenken. Zwanzig Jahre hat dieses Magazin mittlerweile auf dem Buckel. Am vergangenen Wochenende zelebrierte die Redaktion ihr Jubiläum im pfälzischen Bad Bergzabern. Nachträglich gratulieren den NachDenkSeiten einige Manova-Autoren, bei denen dieses Medium teilweise maßgeblich zur politischen Meinungsbildung beigetragen hat und für die es als Informationsquelle unersetzlich geworden ist.
    Quelle: Manova

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