Leserbriefe zu „Rede des späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann vom 23. Januar 1958“

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In diesem Beitrag wird auf eine wichtige Rede des späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann hingewiesen. Albrecht Müller meint, sie sei „gerade auch für Leserinnen und Leser aus der ehemaligen DDR interessant“. Es sei dabei auch um ihr Schicksal gegangen. Adenauer habe die in Ostdeutschland lebenden Menschen missachtet, „indem der damalige Bundeskanzler auf die Angebote der UdSSR, die es 1952 und darauffolgend wieder gab, nicht einging“. Heinemann gehe in der dokumentierten Rede von 1958 auch auf die verpassten Chancen zur Vereinigung beider Teile Deutschlands schon anfangs der fünfziger Jahre ein. Wir danken für die interessanten Zuschriften. Hier folgt nun eine Auswahl der Leserbriefe, die Christian Reimann für Sie zusammengestellt hat. – Albrecht Müller: Danke vielmals für die interessanten Leserbriefe.


1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Albrecht Müller,
 
es sind Artikel wie Ihr o.g., weshalb ich die Nachdenkseiten unterstütze. Ich bin 1962 in der DDR geboren, habe unter dem politischen System gelitten, bin heute aber auch dankbar für einiges, vor allem für die damals ständige Thematisierung der Notwendigkeit von Frieden im Unterschied zu heute. Nun habe ich nicht zum ersten Mal von den Bemühungen der UdSSR um ein vereintes Deutschland gehört. Zu DDR-Zeiten sind derartige Informationen für mich jedoch in der ständigen und unerträglichen Propaganda untergegangen. Ein Dokument wie die Rede von Heinemann hätte mich aber überzeugt. Nachdenklich macht mich nun auch, warum ich als kontinuierlicher Westfernsehkonsument zu DDR-Zeiten nicht über die Rede Heinemanns oder ähnliche Quellen informiert wurde. Warum habe ich damals diesem Medium Westfernsehen so kritiklos vertraut? Lag es an dem unerträglichen Karl-Eduard von Schnitzler und seinem “Schwarzen Kanal”? Mein Blick auf die Geschichte Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg wird künftig immer geprägt sein von Heinemanns Rede. Der Pakt mit den USA war für die Adenauer-Regierung von größerer Bedeutung als ein vereintes Deutschland und die Friedenssicherung in Richtung Osteuropa. Heute müssen wir feststellen, dass die bundesdeutschen Regierungen spätestens seit Merkel Adenauers Politik weiterführen mit bedrohlichen Aussichten für die Bevölkerung Deutschlands. Begleitet und angefeuert wird die aktuelle Regierung in ihrem Handeln von den katastrophal versagenden Mainstream-Medien wie gerade heute Morgen von der Bild:”Verteidigungsminister Pistorius warnt vor Putins Angriff. Wir haben fünf bis acht Jahre”. Warum ist die deutsche Bevölkerung so gelähmt? Wann wird dieser ganze Wahnsinn endlich gestoppt?
 
Christine Schwarz


2. Leserbrief

Sehr geehrter Albrecht Müller,

haben Sie sehr herzlichen Dank für die Wiederveröffentlichung jener Rede des späteren Bundespräsidenten – sie hat mich tief beeindruckt. Was waren das doch für Debatten, welche Streitkultur im Bundestag, verglichen mit dem heutigen Kasperletheater der Transatlantiker, der Cancel Culture und gewohnheitsmäßigen Unterstellungen von Rechtsextremismus im Falle des Abweichens vom Mainstream…

Zum Zeitpunkt jener Rede war ich drei Jahre alt. Mir und vielen meiner Altersgenossen ging es später so, dass unser Geschichtsunterricht bis zur Reifeprüfung irgendwo in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise versandete resp. endete. Jedenfalls waren das sog. Tausendjährige Reich, der Holocaust und die Nachkriegszeit keine wirklichen Themen mehr, und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass mich nach dem Abitur zunächst die Ablösung vom Elternhaus, Studium und – als ehemaligen Schüler eines humanistischen Gymnasiums für Jungen – der Kontakt zum anderen Geschlecht stärker in Anspruch nahmen als ein Nacharbeiten jener schulseitig vernachlässigten neueren deutschen Geschichte.

Insofern war mir vieles an dem neu, was in der Rede thematisiert wird.

Welche Chancen hätten damals – also im März 1952 – bestanden auf ein friedliches wiedervereinigtes Deutschland ohne Bündniszugehörigkeit, wenn man auf das Angebot der Sowjetunion eingegangen wäre! Interessant übrigens, dass in etwa gleichzeitig für Korea ähnliche Entwicklungen möglich gewesen wären, die hier z.B. von Konrad Adenauer und dort von ‘Verfassungsschützern’ hintertrieben wurden.

“Sternstunden der Menschheit sind nur einmal da; wenn man sie ungenutzt verstreichen lässt, kehren sie nicht wieder.” Die heutige politische Situation Deutschlands und Europas, den Ukrainekrieg, die Waffenlieferungen der NATO sowie die allgegenwärtige Propagandaschlacht in den Medien empfinde ich als zutiefst trostlos.

Danke nochmals an Sie als den Familienältesten und alle Mitarbeiter und -arbeiterinnen der Nachdenkseiten!!

Mit herzlichen Grüßen,
Gerald Witkowski


3. Leserbrief

Lieber Albrecht Müller,

haben Sie vielen Dank für den Hinweis auf die Rede Gustav Heinemanns vom 23. Januar 1958 vor dem Deutschen Bundestag, die leider nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Wie schmerzlich vermißt man heute solche Reden solch aufrichtiger, menschlicher, klardenkender, vorausschauender Politiker. (Ja, doch, es gibt sie vereinzelt auch heute noch: Oskar Lafontaine, zum Beispiel, zu lesen und zu hören ist trotz und gerade wegen aller Widrigkeiten und Widerwärtigkeiten unserer Zeit Balsam für die Seele – einen großen Dank auch hierfür an Sie und an die Nachdenkseiten, diese Begegnung immer wieder zu ermöglichen.)

Von Gustav Heinemann, dem wohl aufrechtesten unter den deutschen Bundespräsidenten, hört und liest man in den Mainstream-Medien (natürlich) nichts, keine Erwähnung, keine Zitate. Ob sich das zu seinem 125. Geburtstag am 23. Juli 2024 ändern wird? Oder werden diese ihn dann bei dieser Gelegenheit gleich als “umstritten” etikettieren? So hat man das zu seiner Zeit nicht genannt, auch wenn er es war, was nur für ihn spricht.

In diesem Zusammenhang kurz eine kuriose, vielsagende Geschichte meiner derzeitigen, bereits Monate dauernden Jagd nach einem Buch mit Zitaten von Gustav Heinemann. Es handelt sich um den Titel

Vordenken und Querdenken. Hundert Worte von Gustav Heinemann. Mit einem Nachwort von Walter Scheel. Herausgegeben und eingeführt von Dirk Hermann. 1. Auflage 2010. München / Zürich / Wien: Verlag Neue Stadt. ISBN 978-3-87996-888-6

Da das Buch vergriffen war, habe ich lange Zeit versucht, es antiquarisch zu bekommen, ohne Erfolg. Nun stellte ich vor einigen Wochen fest, daß es beim selben Verlag eine Neuauflage von 2022 gibt. Sie ist über den deutschen Buchhandel – der wohl weltweit einer der besten und am effektivsten organisierten ist – NICHT zu bekommen! Also Suche im Internet. Unter dem Link: www.neuestadt.com – nichts! Dies ist der Link zum deutschen Verlagsteil. Wenn man aber unter dem Link zum Schweizer Verlagsteil sucht, wird man endlich fündig.

Das Buch ist bestellbar, kostet CHF 19,90 und ist “Sofort versandfähig, ausreichende Stückzahl”. Also bestelle ich ausnahmsweise im Internet, wo ich sonst immer den lokalen Buchandel bevorzuge. Der Bestellvorgang funktioniert auch problemlos, bis ich zur Eingabe der Adresse komme: Das Buch ist nur an eine Schweizer Adresse lieferbar!!!

Ich mache es kurz: Vergeblicher Versuch, den Schweizer Verlagsteil telefonisch zu kontaktieren. Erfolgreiche Kontaktaufnahme mit dem deutschen Verlagsteil, wo man mir aber trotz deutschem “Auslieferungslager” nicht weiterhelfen konnte und mich an den Schweizer Verlagsteil verwies …

Zusammengefaßt: Zitate eines deutschen Bundespräsidenten, Nachwort eines deutschen Bundespräsidenten, deutscher Herausgeber (Dirk Hermann: Synodalbeauftragter des Evangelischen Kirchenkreises Siegen für die Seelsorge an den Zivildienstleistenden), deutscher Verlagsteil – aber das Buch ist nur für Schweizer erhältlich!

Vor kurzem hat mir nun meine Buchhandlung endlich doch noch ein antiquarisches Exemplar der Erstauflage von 2010 besorgen können. Aber welch ein Aufwand! Ein Schelm, wer den Eindruck bekommt, das Buch sei nichts für deutsche Leser …

Die Einleitung beginnt so: “Gustav Heinemann – ein Quer- und Vordenker im höchsten Staatsamt, zu dieser Einschätzung kommt ein Fernsehsender in einem Kurzportrait des dritten Bundespräsidenten. Ein Vordenker war er tatsächlich; das spürt man an mancher Aussage dieses Christen in der Politik, die bis heute aktuell und inhaltsrelevant ist. Zu einem Querdenker ließ Heinemann vor allem sein Gewissen werden, dem er sich verpflichtet fühlte. […] Heinemann sei, so Helmut Schmidt, seinem christlichen Gewissen in jeder Lebenslage treu geblieben. […] Seine Standfestigkeit in Gewissensfragen und seine kritische Einstellung gegenüber autoritärem Führungsstil stellte Heinemann auch über seine politische Karriere. Sein Rücktritt als bundesdeutscher Innenminister 1950, der erste Ministerrücktritt in der jungen Republik, ist ein markanter Beleg. Er musste als Konsequenz über mehrere Jahre massive Nachteile und auch Anfeindungen in seinem persönlichen, beruflichen und kirchlichen Leben hinnehmen.”

Und hier die drei ersten der 100 Zitate: “Jede Gewissensentscheidung verdient Respekt, auch von denen, die diese Überzeugung nicht teilen.” Gewissensfreiheit nehmen wir erst ernst, wenn wir uns nicht zum Richter über das Gewissen eines anderen machen. Gewissensentscheidungen dürfen nicht durch Gesetze überrollt werden.” “Wo alle dasselbe denken, denkt wahrscheinlich niemand sehr viel.”

Das Buch wäre eine so schöne Weihnachtsgabe, wenn es denn erhältlich wäre …

Mit allen guten Wünschen für den Tag,
Michaela Heinz


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