Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Israels Krieg in Gaza: Das laute Schweigen der Deutschen
  2. Eskalation im Nahen Osten: Nur ein Ende des Krieges kann Israel retten
  3. Ukraine-Krieg: Ein Autor, der beide Seiten der Front besucht
  4. Strack-Zimmermann: Fromme Lügen
  5. Die Souveränität des Irak
  6. Das Ende Berg-Karabachs: ein beklemmender Präzedenzfall
  7. Demonstrationen: Deutschland, deine Protestkultur
  8. Konjunktur auf Rezessionskurs, Preise auf Deflationskurs
  9. LNG-Boom in den USA: Ein schmutziges Geschäft
  10. Neue Partei Bündnis Sahra Wagenknecht: Die große Unbekannte

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Israels Krieg in Gaza: Das laute Schweigen der Deutschen
    Mit der Haltung zum Nahost-Krieg verrät Deutschland seine Werte. Statt den Kurs zu hinterfragen, verstehen sich Medien als Hüter der „Staatsräson“.
    Zu Russlands Krieg gegen die Ukraine fanden deutsche Politikerinnen und Politiker klare Worte. Deutschland stehe „in der Pflicht, die Menschenrechte überall und zu jeder Zeit zu achten und zu verteidigen“, erklärte Olaf Scholz im Herbst 2022 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Den Internationalen Strafgerichtshof und den UN-Menschenrechtsrat werde sein Land „mit aller Kraft“ unterstützen, versprach er. Und: Hunger dürfe nie wieder als Waffe eingesetzt werden, sagte der Kanzler an anderer Stelle.
    „Gezielte Angriffe auf zivile Infrastrukturen – mit der klaren Absicht, Männer, Frauen und Kinder von Wasser, Strom und Heizung abzuschneiden – sind reine Terrorakte“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Oktober 2022 vor dem Europaparlament in Straßburg, wo sie auch klarstellte: „Das sind Kriegsverbrechen.“ Und Außenministerin Baerbock sagte im Februar 2023 vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf mit Blick auf die Kinder, die in diesem Krieg zum Opfer werden: „Wir müssen ihre Namen aussprechen und ihre Rechte fördern. Und wir müssen die Täter beim Namen nennen“.
    Zu Israels Kriegsführung in Gaza fehlen deutschen Politikerinnen und Politikern dagegen die Worte – und das seit drei Monaten. Bei allen Unterschieden – es gab keinen Terrorangriff auf Russland, die Ukraine ist ein souveräner Staat – wird jetzt auch in Gaza eine zivile Bevölkerung kollektiv bestraft und deren zivile Infrastruktur angegriffen, werden überproportional viele Kinder getötet und Hunger als Waffe eingesetzt. All das sind Kriegsverbrechen. Doch der deutschen Politik hat es die Sprache verschlagen. Damit verrät Deutschland seine Werte, macht sich unglaubwürdig und entfremdet sich vom Rest der Welt.
    Quelle: taz

    dazu auch: Naomi Klein im Interview: „Die deutsche Erinnerungskultur hat eine eingefrorene Qualität“
    Frau Klein, in Ihrem jüngsten Buch „Doppelgänger“ untersuchen Sie den Aufstieg rechter Verschwörungstheorien und wie progressive Kräfte ungewollt dazu beitrugen. Inwieweit knüpfen die Themen Ihres Buches an jüngere Debatten im deutschen Kontext an?
    Nun, es spiegelt die diversen Kämpfe, die in Deutschland um Holocaust-Erinnerung geführt werden. In erster Linie die Frage, ob wir die Schrecken des Holocausts als unbegreifliches Übel außerhalb der Geschichte verstehen oder als etwas Alltäglicheres, etwas Unmittelbareres. Je weiter wir uns zeitlich vom Holocaust entfernen, desto mehr setzt sich die Vorstellung seiner Unbegreiflichkeit durch. Je weniger Menschen sich an seine Alltäglichkeit erinnern, daran dass sie selbst Teil dieser Gesellschaft waren, die den Holocaust erst ermöglicht hat, desto schwieriger wird es, diese Form der Exotisierung vorzunehmen, die gerade stattfindet. Das spiegelte sich jüngst in der Diskussion um Masha Gessen. Für Hannah Arendt war es in den 1950er Jahren normal zu sagen, dass israelische Politiker sich wie Faschisten verhalten. Wenn Masha Gessen 2023 etwas Ähnliches sagt, heben Leute den Zeigefinger und sagen: „Wie können Sie es wagen?“
    Quelle: FR Online

    und: Naher Osten und Deutschland: Krampf und Kampf
    Am Druck, Israel möge sich mäßigen, ist Deutschland wenig beteiligt. Nach 90 grauenvollen Tagen bleibt ein Gefühl der Mitschuld. […]
    Was aber festzuhalten ist nach 90 grauenvollen Tagen des Krieges: Wir sind auf erschütternde Weise unter unseren Möglichkeiten geblieben. Als Land, dem der Schutz jüdischen Lebens wichtig und Verpflichtung ist und das zugleich die Heimat der größten palästinensischen Gemeinschaft Europas ist, wären wir prädestiniert, eine konstruktive Rolle zu spielen – als Staat wie als Gesellschaft, mit unseren vielen und bestens ausgestatteten Institutionen, die international tätig sind.
    Stattdessen: Krampf und Kampf nach innen, Feinderklärungen und Repression auf der einen Seite, hohle Radikalität auf der anderen. Und drumherum – Gleichgültigkeit. Nach 15 Jahren Staatsräsondoktrin ist das Wissen über Israel, Zionismus und jüdische Religiosität paradoxerweise gespenstisch gering, kritisches Wissen inklusive. Als wäre das alles nur ein Ding von denen da oben, der politischen Klasse. Und die Deutsch-Israelische Gesellschaft (Verein, der die Förderung der Beziehungen zu Israel auf zivilgesellschaftlicher Ebene zum Ziel hat; d. Red.) sieht ihre vornehmste Aufgabe darin, diese Klasse auf Israelkurs zu halten und gelegentlich Preisverleihungen zu zensieren.
    Viel Papier wurde bedruckt in diesen 90 Tagen, mit Besinnungsaufsätzen, Anschuldigungen, Selbstversicherungen. Aber gab es eine einzige Tat, bei der die Welt für eine Sekunde aufgemerkt hätte: Aha, das kommt aus Deutschland, dem Land, das aus seiner Gewaltgeschichte gelernt hat? Aufgemerkt wurde, als sich Deutschland enthielt bei der UN-Abstimmung über einen Waffenstillstand; eine taktische Enthaltung, so die nachgereichte Erklärung, denn man wollte ja eigentlich dagegenstimmen. Welches Wort für eine solche Diplomatie?
    Ab März wird Deutschland keinen RichterInnenposten mehr am Internationalen Strafgerichtshof besetzen. Dass die deutsche Kandidatin durchfiel, hat mehrere Gründe, aber die deutsche Position im Nahostkrieg ist einer. Ursula von der Leyen, mit ihrer offenkundigen Doppelmoral im Hinblick auf die Kriegsschauplätze Ukraine und Gaza, belastet ja gleichfalls das deutsche Konto, wirkt wie das personifizierte Unvermögen, Europa mit neuen Weltverhältnissen zu verflechten.
    Quelle: taz

  2. Eskalation im Nahen Osten: Nur ein Ende des Krieges kann Israel retten
    Israel wähnt sich im Überlebenskampf gegen die Hamas. Das ist falsch. Der Völkermord in Gaza und der Palästina-Konflikt haben das Land geschwächt. (Teil 1)
    Wenn der US-Kongress im Januar wieder zusammentritt, wird Präsident Joe Biden die amerikanische Komplizenschaft mit Israels Krieg in Gaza durch ein neues US-Rüstungspaket für Israel fortsetzen und vertiefen. Die US-Bürgerinnen und -Bürger sollten ihre Stimme dagegen erheben und ein klares “Nein” zu dieser Politik sagen.
    Denn ein weiteres Rüstungspaket für Israel widerspricht nicht nur den Interessen der USA, sondern auch denen Israels. Der einzige Weg zu wirklicher Sicherheit für Israel ist Frieden mit Palästina.
    Die USA könnten dazu beitragen, indem sie die Munitionslieferungen für Israels brutalen Krieg einstellen und den Weg für die völkerrechtlich gebotene Zwei-Staaten-Lösung in Palästina freimachen.
    Den diplomatischen Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung habe ich kürzlich in zwei früheren Artikeln in Common Dreams beschrieben. Dieser Weg ist immer noch offen. Die arabischen und islamischen Länder setzen sich seit Jahrzehnten aktiv dafür ein und werden dabei von fast der ganzen Welt unterstützt.
    Israels brutale Kriegsführung in Gaza wird zu einer echten Bedrohung für sein Überleben. Aufgrund der außergewöhnlichen Gewaltmaßnahmen Israels schließt sich die Welt gegen Israel zusammen, während Israel massive militärische Verluste erleidet. Es ist kaum zu glauben, dass einige israelische Führer jetzt offen über eine Ausweitung des Krieges im Nahen Osten nachdenken, was für Israel eine totale Katastrophe bedeuten könnte.
    Quelle: Jeffrey D. Sachs auf Telepolis

    dazu auch: Ärzt*innenorganisation fordert sofortigen Waffenstillstand: Völkermord-Anklage vor dem Internationalen Gerichtshof
    Anlässlich der Völkermord-Anklage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof fordert die ärztliche Friedensorganisation IPPNW erneut einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen. Nur so kann das unerträgliche menschliche Leid, die maßlose Zerstörung von ziviler Infrastruktur und die beispiellose humanitäre Katastrophe in Gaza endlich gestoppt werden. Die Bundesregierung trägt durch die seit dem 7. Oktober 2023 fast verzehnfachten Genehmigungen von Waffenlieferungen an Israel aktiv zur Fortführung des Krieges mit unzähligen Opfern bei. Die Waffenexporte müssen umgehend eingestellt werden.
    „Die Gewalt auf Seiten der Hamas und Israels muss enden – unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem israelischen Militäreinsatz um Kriegsverbrechen oder einen Genozid handelt. Die Staatengemeinschaft darf nicht weiter zuschauen, wie Flüchtlingslager, Krankenhäuser oder Schulen zerstört und Hilfslieferungen von Nahrung, Wasser und Treibstoff blockiert werden“, erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen.
    Quelle: IPPNW

    und: “Gnadenlos” und “Kalkuliert”: Südafrika klagt Israel wegen Genozid am UN-Gerichtshof an
    Bei der Anhörung am Donnerstag äußerten sich auch der südafrikanische Justizminister Ronald Lamola, der südafrikanische Botschafter in den Niederlanden, Vusimuzi Madonsela, die Anwältin Adila Hassim und der Völkerrechtsprofessor John Dugard, von denen jeder einen Aspekt der südafrikanischen Klage gegen die israelische Regierung darlegte.
    Die Leiterin des juristischen Teams, Hassim, argumentierte, dass Israels “völkermörderischer Akt” grundsätzlich in der “Massentötung von Palästinensern im Gazastreifen” bestehe.
    Sie verwies u.a. auf den massiven Einsatz von 900-Kilo-Bomben durch das von den USA bewaffnete israelische Militär im südlichen Gazastreifen – also jener Region, in die die israelischen Streitkräfte die Bewohner des Gazastreifens zu Beginn des Krieges vertrieben hatten und die sie als “sicher” deklarierten.
    “Niemand wird verschont. Nicht einmal Neugeborene”, sagte Hassim und zeigte Fotos von Massengräbern im Gazastreifen. “Die UNO-Leitung hat es als Kinderfriedhof bezeichnet.”
    Quelle: Telepolis

  3. Ukraine-Krieg: Ein Autor, der beide Seiten der Front besucht
    Der ehemalige NDR-Journalist Patrik Baab war in der Ukraine auf beiden Seiten der Front. Sein Bericht wurde ein Bestseller. Eine Rezension. […]
    Ein frustrierter Ex-KGB-Spion mit gekränkten Weltmachtambitionen will die alte Sowjetunion zurückerobern und beginnt deshalb unprovoziert einen Krieg gegen die Ukraine – so ungefähr lautete die Sicht des Öffentlich-Rechtlichen. Die Gegen-Erzählung lautet: In der Ukraine herrscht seit 2014 Krieg; das Land wurde von der Nato zur Arena eines Stellvertreterkriegs der USA mit Russland aufgerüstet. Diese Position wird von etlichen Alternativmedien vertreten.
    Der ehemalige NDR-Redakteur Patrik Baab machte sich im September 2021 und dann noch einmal im September 2022 auf den Weg, um sich auf monatelangen Reisen selbst ein Bild zu machen, was vor Ort in der Ukraine und in Russland eigentlich geschieht. Berichte von „Sitzredakteuren“ bergen laut Baab das Risiko, das wirkliche Geschehen, mit dessen Hilfe sich viele „Narrative“ als allzu simple, parteiische Fantasiegebilde entlarven lassen, nicht angemessen zu erfassen.
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu auch: Ukraine: Der Nachrichten-Einheitsbrei verliert Glaubwürdigkeit
    Die Zensur in der Ukraine wandelte TV-Nachrichten zu Propaganda. Präsident Selensky missbraucht das Monopol auch für seine Partei.
    Seit den ersten Tagen der russischen Invasion im Jahr 2022 hat die ukrainische Bevölkerung fast nur eine einzige Quelle für Fernsehnachrichten. Die «Telemarathon United News» ist eine ganztägige Sendung mit Bildern von ukrainischen Panzern, die russische Stellungen bombardieren, von helfenden Sanitätern, die in der Nähe der Frontlinie operieren, und von hohen Politikern, die im Ausland um Unterstützung werben.
    Nach Angaben des ukrainischen Ministeriums für Kultur und Informationspolitik (MCIP) soll die einheitliche Nachrichtensendung «den Fluss zuverlässiger und hochwertiger Informationen gewährleisten und die nationale Einheit und den Widerstand unterstützen».
    «Es ist eine Waffe», sagte Präsident Wolodymyr Selensky vor einem Jahr über die Sendung. Sie wird von den grössten Fernsehsendern des Landes gemeinsam produziert und rund um die Uhr ausgestrahlt.
    Laut Oleksandr Bogutsky, dem Geschäftsführer des grössten ukrainischen TV- und Radiokonzerns StarLight Media, wurde das Programm per Präsidialdekret eingeführt und wird zu etwa 40 Prozent von der Regierung finanziert. Damit wurde dem Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine (NSDC) Folge geleistet, der eine einheitliche Informationspolitik unter Kriegsrecht forderte.
    Mehrere Medienexperten und Journalisten, die an der Nachrichtensendung teilnahmen, sagten gegenüber der «New York Times», dass Oleksandr Tkachenko, bis Juli 2023 ukrainischer Kultur- und Informationsminister, an Sitzungen zur Koordinierung der Nachrichtenberichterstattung teilnahm. Das Ministerium reagierte auf mehrere Bitten um Stellungnahme nicht.
    Quelle: Infosperber

    und: Historiker Baberowski: “Vermutlich wird Putin der Sieger sein”
    Horrende Verluste an der Front, dazu die Isolation durch den Westen: Russlands Regime sollte mittlerweile friedenswillig sein, so die Hoffnung. Doch Wladimir Putin setzt weiter auf Sieg, warnt der Historiker Jörg Baberowski.
    Eine ukrainische Offensive an der Front, dazu der Wirtschaftskrieg des Westens – eigentlich sollte Russland längst geschwächt und besiegt am Verhandlungstisch sitzen. Doch es ist anders gekommen. Wladimir Putin residiert weiterhin im Kreml, wähnt sich offensichtlich stärker als zuvor, Russlands Kollaps ist ausgeblieben. Jörg Baberowski, einer der führenden Osteuropahistoriker, hat diese Entwicklung früh vorausgesagt – unter anderem in mehreren Interviews mit unserer Redaktion in den vergangenen zwei Jahren.
    Nun bekräftigt Baberowski in einem neuen Gespräch seine Prognose: “Russland wird diesen Krieg nicht verlieren.” Wie der Russlandexperte zu dieser Einschätzung kommt, weshalb er der deutschen Außenpolitik dringend mehr Pragmatismus empfiehlt und Putin samt Entourage keineswegs “verrückt” sei, erklärt Baberowski hier:
    Quelle: t-online

  4. Strack-Zimmermann: Fromme Lügen
    Alice Schwarzer über Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Wie dreist die FDP-Politikerin die Wahrheit über Vergewaltigungen im Krieg verdreht. Und warum damit Schluss sein muss! Denn die „Busenfreundin“ der Waffenindustrie trägt mit ihrer Kriegspropaganda zu täglich mehr Vergewaltigungen und Toten bei.
    „Was sagen Frau Wagenknecht und ihre Busenfreundin Alice Schwarzer den Frauen, die in der Ukraine vergewaltigt werden?“ Diese Worte schmetterte Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei dem Dreikönigstreffen ihrer Partei am 6. Januar in der gewohnten Dreistigkeit in den jubelnden Saal.
    Die FDP-Spitzenkandidatin für die EU-Wahlen 2024 will damit andeuten, ich würde nichts sagen zu den Vergewaltigungen im Ukraine-Krieg. Denn die wären mir egal, weil ich eine „Putin-Versteherin“ sei. Und außerdem will sie suggerieren, ihre martialische Strategie des Immer-mehr-Waffen-Lieferns – statt endlich über Frieden zu verhandeln – würde die Ukrainerinnen vor weiteren Vergewaltigungen schützen.
    Das ist dreist. Und zynisch. In zweierlei Hinsicht.
    Erstens: Je länger der Krieg geht, umso mehr wird vergewaltigt und gestorben. Irgendwann wird dann verhandelt werden müssen. Aber je mehr Waffen geliefert werden, umso länger geht der Krieg. Dabei sind sich die Militärs und Experten aller Fronten schon lange einig, dass dieser Krieg nicht auf dem Schlachtfeld entschieden werden kann, sondern am Verhandlungstisch. Es ist ein „Verschleißkrieg“, der nicht zu gewinnen ist, sondern zu dessen Beendigung verhandelt werden muss. Irgendwann. Bis dahin kann die täglich neuen Vergewaltigungen niemand ungeschehen machen – und die Toten niemand aufwecken.
    Zweitens will Frau Strack-Zimmermann, diese Busenfreundin der Waffenlobby, doch wohl nicht allen Ernstes behaupten, sie engagiere sich für vergewaltigte Frauen und speziell für die im Krieg Vergewaltigten? Damit ist die Radikalliberale noch nie aufgefallen. Bemerkenswert ist bisher lediglich ihre Nähe zur Waffenindustrie.
    Sprüche kloppen, ja, das kann die 65-Jährige. Aber genau hinsehen, differenziert argumentieren, solidarisch mit Opfern sein – das ist der krawalligen Düsseldorferin eher fremd. Hat sie jemals etwas für die Opfer getan?
    Quelle: Alice Schwarzer in der Emma
  5. Die Souveränität des Irak
    Die Bundeswehr steht vor einem möglichen erzwungenen Abzug aus dem Irak. Grund dafür ist der US-Drohnenmord an dem Kommandeur einer irakisch-schiitischen Miliz vom vergangenen Donnerstag. Wie der irakische Ministerpräsident Mohammed Shia al Sudani in Reaktion auf den Angriff erklärt, sei er entschlossen, die Präsenz der US-geführten Militärkoalition im Irak zu beenden, zu der auch die Bundeswehr gehört; eigenmächtige US-Operationen auf irakischem Territorium wie der jüngste Drohnenmord würden nicht mehr toleriert. Die auswärtige Militärpräsenz wird schon seit Jahren vor allem von Organisationen der schiitischen Bevölkerungsmehrheit attackiert, darunter Kräfte, die Iran nahestehen. Die westlichen Staaten wiederum, die ihre Truppenstationierung bis heute mit dem Kampf gegen den IS legitimieren, bestehen darauf, die Einheiten im Irak zu belassen; das gilt als nützlich im Einflusskampf gegen Teheran. Die Spannungen verschärfen sich im Gefolge des Kriegs im Gazastreifen. Ein etwaiger Abzug liefe auf einen empfindlichen Einflussverlust auch Deutschlands im Mittleren Osten hinaus.
    Quelle: German Foreign Policy
  6. Das Ende Berg-Karabachs: ein beklemmender Präzedenzfall
    Die gewaltsame Vertreibung der Bevölkerung aus Berg-Karabach findet begeisterte Nachahmer im Nahen Osten. Ein Rückblick.
    Im Zentrum der armenischen Hauptstadt Jerewan erinnert nichts an die grosse Flucht vom letzten September, als über hunderttausend traumatisierte Menschen aus Berg-Karabach in Armenien Zuflucht suchten: Man sieht keine Flüchtlinge, die an Strassenrändern die Passanten um einen Gefallen bitten, keine Zelte, keine ausserordentlichen Zeichen der Not. Tagsüber wirkt der weitläufige «Platz der Republik» ausgelassen – wie schon seit je: Im Park neben dem Regierungsgebäude nippen Studenten an ihrem Kaffee oder tanzen beschwingt nach den Klängen ihrer Smartphones. Ältere Damen und Herren suchen sich laut gestikulierend sonnige Ecken aus, während junge Mütter ihren Kleinen zärtlich mahnend nachrennen. Ein Strassenmusikant zaubert aus seinem selbstgebauten, aus Glasflaschen in unterschiedlichsten Grössen bestehenden Instrument Melodien und versetzt die Zuschauer ins Staunen. «Es sind die Nächte, die wir nicht ertragen», sagt der armenische Autor Grigor Shashikyan. «Trauer und Traumata holen uns dann ein; und dieses Gefühl der ständigen Bedrohung».
    Quelle: Globalbridge
  7. Demonstrationen: Deutschland, deine Protestkultur
    Konfrontieren Bürger*innen ihre Vertreter*innen, gilt das schon als „Verrohung“. Dabei ist Abschottung der politischen Klasse undemokratisch.
    Einmal tief Luft holen. Was ist in der Nacht vom 4. Januar in Schlüttsiel passiert? Ein Pulk von rund 300 Menschen ist zu einer Fähre gegangen und hat Lärm gemacht. Laut Angaben der Polizei wollten etwa 25 Personen auf die Fähre gelangen, auf der sich Wirtschaftsminister Robert Habeck befand. So weit die Fakten.
    Ob es zu Gewalt gekommen wäre, wenn die Demonstrierenden auf das Schiff gekommen wären, ist reine Vermutung, ja Unterstellung. Dass die Fähre vorsichtshalber wieder abgelegt hat – verständlich. Dass die deutsche Öffentlichkeit über diesen Fast-Vorfall in Schnappatmung gerät – bedenklich.
    Die Aufregung über die „Gewalt“, die gar nicht passiert ist und nur vermutlich passiert wäre, sagt viel über Deutschlands erbärmliche Protestkultur und ein defizitäres Verständnis von Demokratie aus. In anderen Ländern gehört es zum Standardrepertoire, Politiker*innen aufzusuchen, zu stören und gegebenenfalls deren Fortbewegung zu blockieren. Warum auch nicht?
    Quelle: taz

    dazu auch: Landarbeiter über Bauernprotest: „Die Kleinen sind es, die sterben“
    Alles nur rechte Krawall-Landwirt*innen? Im Interview spricht der Agrarbeschäftigte Wolf Meyer darüber, wie Bauernprotest von links geht. […]
    Was sind die Forderungen von diesen kleinen Betrieben?
    Wir haben dieses Teilzugeständnis der Regierung. Jetzt gibt es noch die Forderung, dass der Agrardiesel erst abgeschafft wird, wenn es sinnvolle Kompensationskonzepte finanzieller Natur gibt. Ansonsten positionieren sich die Verbände sehr unterschiedlich – manche sind eher unsolidarisch gegenüber Bäuer*innen in anderen Ländern. Die wollen den Schutz des lokalen Marktes. Andere, wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft zum Beispiel, fordern massive Programme für den ökologischen Umbau und den Stopp von Landgrabbing.
    Landgrabbing – da denkt man an westliche Konzerne in afrikanischen Ländern.
    Das gibt es auch in Deutschland. Deutsche Wohnen ist zum Beispiel einer der größten Ackerbesitzer in Deutschland. Es gibt massive Spekulation von Immobilienkonzernen. Wir haben mit der Energiewende auch einen Interessenskonflikt mit Energieunternehmen, die sich agrarwirtschaftliche Flächen sichern und natürlich viel finanzstärker sind als zum Beispiel neue Hofkollektive, die für die Agrarwende wichtig wären.
    Finden Sie die Wut auf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verständlich?
    Insofern ja, als es breite Verbände wie die Borchert-Kommission gab, die lange an Lösungen zum agrarökologischen Umbau gearbeitet haben. Das wurde komplett ignoriert – und jetzt kam diese neue Regelung. Andere Klimafaktoren wie die Kerosinsteuer wurden indes aber nicht angegangen. Da finde ich die Wut schon sehr verständlich.
    Aber ist Habeck da der richtige Adressat? Wird diese Wut nicht von rechts konstruiert?
    Ich glaube: Gelegenheit macht Aktionen, das wird in dem Fall auch so gewesen sein. Lindner war halt dummerweise nicht auf dieser Fähre. Aber natürlich gab es Jahrzehnte des Nichthörens und des Nichtinteressierens. Deswegen ist diese Wut auch so umfassend. Und ich glaube, die Enttäuschung gegenüber den Grünen kommt vor allem von einem grünen-nahen Umfeld, das sich eine agrar-ökologische Wende erhofft hatte und die enttäuscht wurde.
    Quelle: taz

  8. Konjunktur auf Rezessionskurs, Preise auf Deflationskurs
    Klarer kann man nicht auf Rezessionskurs sein. Alle wichtigen Indikatoren für die deutsche und die europäische Wirtschaft zeigen nach unten. So liegt der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie in der Eurozone seit eineinhalb Jahren unter der Marke von 50, deren Unterschreiten ein Schrumpfen der industriellen Aktivität (dazu zählen u.a. Auftragseingang, Produktion und Beschäftigung) anzeigt. Seit Anfang 2023 bewegt sich der Index sogar unter dem Wert von 45, was sich auch beim jüngsten Umfrageergebnis für Dezember 2023 nicht geändert hat (s. die Originalgrafik von S&P Global hier unter Abbildung 1).
    Ähnlich düster stellt sich das Bild in der Baubranche der Eurozone dar. Auch hier zeigt der einschlägige PMI-Umfrage-Index seit gut eineinhalb Jahren eine Schrumpfung an (s. die Originalgrafik von S&P Global hier unter Abbildung 2). Allerdings geht die Entwicklung in den drei großen Eurozonen-Ländern auseinander: Während in Frankreich und Deutschland die Baukonjunktur tief in der Rezession steckt, kann Italien auf einen Aufschwung verweisen. In der Summe der Euroländer überwiegt jedoch der negative Trend.
    Quelle: Relevante Ökonomik
  9. LNG-Boom in den USA: Ein schmutziges Geschäft
    Die Flüssiggas-Industrie bringt Arbeitsplätze nach Louisiana – und zerstört Umwelt und Gesundheit der Menschen. Auch deutsche Firmen sind beteiligt.
    Travis Dardar ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der bekannteste Krabbenfischer von Louisiana. An einem sonnigen Nachmittag navigiert der bullige Mann mit den freundlichen Augen sein Boot auf dem Calcasieu-Kanal, der ihn zu seinen Fanggründen am Golf von Mexiko bringt. Auch im November ist es noch heiß in dieser subtropischen Küstenregion, noch wärmer ist es in der Kabine, in der er am Steuer sitzt. Dardar trägt passend zur Hitze ein altes Unterhemd, auf dem Kopf eine Baseball-Kappe in Tarnfleck.
    „Was kann man daran nicht lieben?“, fragt er und nickt auf die sattgrüne Sumpflandschaft, die sich auf beiden Seiten des Kanals erstreckt. Im Bugwasser rasen Delphine vorbei, immer wieder kreuzen Pelikane im eleganten Steigflug vor dem Boot.
    Dardar verdankt seine Bekanntheit weniger den Inhalten seiner Fangnetze als seinem Widerstand gegen die beige-grauen Industriebauten, die sich auf beiden Seiten des Kanals über dem Schilf erheben. Die Küste Louisianas ist ein Epizentrum der Liquified Natural Gas Industrie, kurz LNG. Entlang von Dardars Fanggründen werden Gastanks, Verladestationen und neue Docks aus den Sümpfen gestampft, um amerikanisches Erdgas in die ganze Welt zu verschiffen. Das Gas, das in den Werken von Cameron verflüssigt und verladen wird, soll auch in deutsche Netze gespeist werden.
    Quelle: taz

    dazu auch: Habecks geheime Pläne: Wirtschaftsminister will plötzlich auf schmutzige Kohle setzen
    Exklusiv: Ein internes SPD-Dokument offenbart einen Schwenk des Wirtschaftsministers beim Kohleausstieg. Für die Grünen könnte es fatal sein. […]
    Dann kam die Haushaltskrise. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte den Abgeordneten im Energieausschuss des Bundestages mit, die Kraftwerksstrategie sei „kurzfristig zurückgestellt“. In den neuen Planungen für den Bundeshaushalt, die am Mittwoch in der sogenannten Bereinigungsvorlage bekannt wurde, sind die Finanzmittel für die Strategie um zwei Jahre verschoben. Also wesentlich in die nächste Wahlperiode. Ob die Strategie dann kommt und wie sie aussieht, ist damit fraglicher denn je. Klar wird jetzt: Damit ist offenbar ein Schwenk eingeleitet, der für die Grünen im Bund existenzielle Bedeutung haben könnte.
    In einem Entwurf für die aktuelle Arbeitsplanung der SPD-Bundestagsfraktion für das erste Halbjahr 2024, das, datiert auf den 4. Januar, der Berliner Zeitung vorliegt, fehlt die Kraftwerksstrategie völlig. Diese Arbeitsplanung bildet die Pläne auch des von Habeck geführten Wirtschaftsministerium ab. Im Vorgängerdokument für 2023 war sie mit dem Vermerk, das der Zeitplan „offen“ sei, hingegen immerhin noch enthalten. Stattdessen ist in dem aktuellen SPD-Dokument die Rede von einer Erhöhung des Einsatzes von Netzreserve-Kraftwerken.
    Das klingt für den Laien unverfänglich. Nun sind Reservekraftwerke aber wesentlich Kohlekraftwerke.
    Quelle: Berliner Zeitung

  10. Neue Partei Bündnis Sahra Wagenknecht: Die große Unbekannte
    Bisher weiß das BSW nur, wogegen es ist. Doch jetzt müssen schlüssige Konzepte für Klimaschutz, Zuwanderung, Außen- und Sozialpolitik her.
    Einen großen Dienst hat das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) der Demokratie schon erwiesen: Es weckt Interesse an Politik. Das mediale Echo auf die Neugründung ist gewaltig, die 1,4 Millionen Euro an gesammeltem Gründungskapital zeugen von einem Vertrauensvorschuss in Wagenknechts Politik-Start-up.
    Das ist was in Zeiten, in denen sich Menschen von demokratischen Parteien ab- und rechtsextremen Bauernfängern zuwenden. Doch den Nachweis, dass es Menschen auch langfristig politisch binden kann, muss das Bündnis erst noch erbringen. Misstrauen ist angebracht, hat Wagenknecht mit der von ihr mitgegründeten Bewegung Aufstehen doch schon einmal eine Bruchlandung hingelegt.
    Aber offenbar haben sie und ihr Team daraus gelernt. Anders als bei Aufstehen, steckten sie von Anfang an viel Kraft und Geld in Organisation und Aufbau und gehen die Mitgliedergewinnung vorsichtig an. Wer rein will, muss sich zunächst als Förderer oder Unterstützer beweisen. Das soll einer Unterwanderung von rechts vorbeugen.
    Quelle: taz

    dazu: Ex-SPD-Oberbürgermeister wechselt zur Wagenknecht-Partei
    Sechs Jahre regierte Thomas Geisel als Oberbürgermeister in Düsseldorf, seit vierzig Jahren ist er SPD-Mitglied. Doch bei der Europawahl will Geisel für das Bündnis um Sahra Wagenknecht antreten. Seinen alten Genossen wirft er „eine ideologisch getriebene Politik der Realitätsverweigerung“ vor.
    Quelle: Welt Online

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