Leserbriefe zu „Einsprüche zur geplanten Schuldigitalisierung – Ein Lehrer meldet sich zu Wort“

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In dieser umfangreichen Betrachtung plädiert Bernd Schoepe dafür, die „desolate und völlig erstarrte Bildungspolitik“ in Deutschland „gründlich zu überdenken“. Anlass dazu sind die jüngsten Entscheidungen in Schweden, Dänemark und auch in den Niederlanden, die Digitalisierung an den Schulen zurückzufahren. Insbesondere „sollte die lobbypolitische und pädagogisch weitgehend gedankenlos betriebene Förderung der Digitalisierung in den Schulen im Interesse der nachwachsenden Generationen beendet werden“. Wir haben hierzu interessante Zuschriften bekommen. Dafür bedanken wir uns. Es folgt nun eine Auswahl der Leserbriefe. Zusammengestellt von Christian Reimann.


1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Schoepe,

vielen Dank für Ihren Beitrag, dem ich voll zustimme.

Was Sie schrieben, wird viel zu wenig und zu selten gesagt.

Das “Elend der Digitalisierung” ist schlimm.

Ich befürchte allerdings, Sie und Ihre “Leidensgenossen” werden sich nicht durchsetzen.

Deutschland wird dümmer, schade.

Alles Gute
Jürgen Probst


2. Leserbrief

Vielen Dank an Herrn Schoepe für seinen fundierten und differenzierten Beitrag, der ein riesiges Problem beleuchtet. Beim Lesen fiel mir wieder ein, wie meine Mitschüler und ich in den 1970er-Jahren ins hochgelobte, neu und teuer eingerichtete „Sprachlabor“ dirigiert wurden. Das galt damals als der letzte Schrei und die große Zukunft des Sprachunterrichts. Praktisch bestand es darin, dass die Schulklasse je einzeln mit Kopfhörern anhand von vorgefertigten Tonband-Aufnahmen und Lerneinheiten Fremdsprachen trainieren sollte. Die Lehrkraft übernahm in diesem Fall nur die Rolle des Moderators, insofern war dieser Ansatz dem späteren “digitalen” Unterricht vergleichbar.

Allerdings währte das Technik-Glück nur kurz: Wir kamen nur wenige Male in den Genuss des Sprachlabors, danach hörte ich nichts mehr davon. Vermutlich erwies es sich als störanfällig und nutzlos. Ob der digitale Unterricht als eine Art Technik-Hype ebenfalls irgendwann wieder verschwindet, steht in den Sternen. Vielleicht dann, wenn elektrischer Strom und Hightech nicht mehr durchgehend und günstig verfügbar sind –? Monitore, Tablets, Boards samt Software, Updates und Wartung verschlingen viel Geld und Energie, in der Dauer-Klima-Krise sind sie keine nachhaltige Lösung. Fällt das (ganz abgesehen von den pädagogischen Problemen) niemand auf? Stecken wir schon so tief in der Abhängigkeitsfalle?

Dr. Susanne Eckstein


3. Leserbrief

Lieber Herr Schoepe, liebes Team der Nachdenkseiten!

Ein lesenswerter Beitrag, der mehrere Probleme aufzeigt. Da ist zunächst der Umstand, dass der technische Fortschritt in erster Linie ja nur dem Kapital bzw. den zu erwartenden Gewinnen dienen soll. Damit in Verbindung wird auf die persönliche Entwicklung eines jungen Menschen keine Rücksicht mehr genommen. Dieser Beitrag zeigt aber auch, wie schwer, ja nahezu unmöglich es ist, sich einer vorgegebenen Mehrheitsmeinung zu erwehren (Mehrheit des Lehrerkollegiums). Um es vorwegzunehmen, die Persönlichkeiten meiner eigenen Lehrer (nicht alle) haben mich einst selbst dazu bewegt, Lehrer zu werden. Es waren nicht nur rein pädagogische Vorbilder, sondern sie vermittelten auch ein Wissen, das mich einst erstaunen ließ. Recht schnell war dann aber bereits schon zu Beginn der siebziger Jahre bei den sogenannten Didaktikern der Frontalunterricht unbeliebt, Unterricht sollte dann nur noch in Arbeitsgruppen und mit Arbeitsblättern durchgeführt werden. Die Person des Lehrers trat also entschieden in den Hintergrund. In dieser Zeit fragte ich mich bereits, ob denn der dozierende Frontalunterricht so falsch war. Dann hätte nämlich aus meinen Vorfahren nie was werden können. Persönlichkeiten können auch heute nur noch durch Menschen, also durch Lehrer und nicht durch ein digitales System, geprägt werden. Digitale Einrichtungen sind keine persönlichen Vorbilder mehr. Bei einem Fehler im komplizierten System bricht alles zusammen. Der Lehrer konnte sich für seine Fehler entschuldigen, er konnte lächeln, ja manchmal auch aggressiv werden, was sicher auch mal seine Schwäche zeigte. Apparate können das nicht. Oft endete der Unterricht auch mit vielen Gesprächen aus der einst persönlichen Erfahrungswelt des Unterrichtenden. Das war kein Fehler, auch wenn dies nicht dem vorgegebenen Lehrplan entsprach. Natürlich vertrat der Lehrer auch mal politische Meinungen, wo der Schüler widersprechen konnte und durfte. Heute ist die politische Meinung genau vorgegeben, zu widersprechen gibt es nichts mehr. Der Staat hat heute alles im Griff mit Vorgaben und Überwachung, auch oder gerade in den Schulen durch das digitale System. Es wird höchste Zeit, dagegen vorzugehen.

Mit freundlichem Gruß
Harald Pfleger


4. Leserbrief

Eine hervorragende Darstellung der deutschen Schulwirklichkeit.

“Die Annahme, dass der Fachunterricht auf den früheren Stufen dieses Wissen schon erfolgreich vermittelt hat – was selbstverständlich in den Curricula vorausgesetzt wird – stellt sich immer öfter als falsch heraus.»

Einmal sind in meinem Fach, der Mathematik, die Lerninhalte in den letzten 15 Jahren in etwa halbiert worden. Eine solide Übung elementarer Rechentechniken bleibt so gut wie vollständig aus.

Die verbliebenen «Inhalte» sind dümmliche «Erkundungen» durch «Forschungsaufträge». Durch eklatante Ausmerzung des notwendigen Handwerkzeugs in der Mittelstufe wird der Oberstufenunterricht frühzeitig kastriert. Dadurch sind anspruchsvolle Inhalte beinahe unmöglich geworden, wenn doch Lernen unser Entsprechen desjenigen ist, was uns wesenhaft anspricht.

Fragen Sie einmal einen Schüler ab der Klasse 7 oder auch Studenten, wie viel Stunden ein halber Tag hat; Sie erhalten als Antwort: zwölf. Nun fragen Sie nach einem drittel Tag und werden fast immer als Antwort 6 erhalten … Vor Kompetenzen und Methoden können die Schüler einfach nicht mehr rechnen.

Der Schüler ist nicht i.a. nicht dumm, sondern zutiefst gelangweilt vom Dargebotenen.

Michael Hoppe


5. Leserbrief

Der Autor Bernd Schoepe malt ein gespenstisches Bild in Sachen Schule, das ich seit den 90er Jahren mit großer Sorge beobachte. Man kann es kurz sagen: Die Schule wird entmenschlicht wie alle sozialen Einrichtungen, weil sie zu privatisierten Dienstleistern umstrukturiert wurden, was schon mit dem Austausch vom Schulpersonal  in private Reinigungsfirmen begann, die nach streng vorgegebener Zeit arbeiten mußten und das Gebäude darum nicht sauber hinterließen. Ich verließ 2005 desillusioniert den Schulbetrieb lange vor meiner Pensionierung, weil ich durch das “Lehrerarbeitszeitmodell”, das zum Alltag wurde wie die Solidaritätsabgabe die Freude an meiner Arbeit verloren hatte, da die Arbeitszeit verrechnet wurde, was bei sozialen Berufen ein eiskalter Einschnitt ins gesellschaftliche Leben darstellte. In Heimen gab es Fütterungen im Minutentakt. In den Schulen hielten viele bürokratische Arbeiten die Lehrer von unterrichtsvorbereitenden, bzw. -nachbereitenden Arbeiten ab, was die Hauptaufgabe einer Lehrkraft sein sollte. Abgesehen von den ideologischen Verrenkungen bei den Lerninhalten, besonders im Fach Deutsch, war es vor allem dieses  Zeitproblem, das mich bei der Arbeit mit Schülern behinderte, aber das liegt schon 20 Jahre zurück. Seitdem wird es nicht besser, wie ich beim Schulbetrieb meiner Enkel beobachten kann. Herr Schoepe hat Recht,  Mensch als Teil der Technik statt Übungen für das Langzeitgedächtnis, die Abnahme des Konzentrationsvermögens durch flimmernde Bilder des Alltags, mit denen ein Lehrer nicht konkurrieren kann, eine junge Lehrerschaft, die selbst aus diesem Lehrbetrieb stammt und nichts anderes kennt. Schon zu meiner Zeit war mein Kollegium apathisch gemacht worden, weil Kritik weder in der Behörde noch bei der Politik  angenommen wird, ja, jede Diskussion im Keim erstickt wird wie schon bei der Rechtschreibreform, wo Germanisten zuhauf um Verbesserungen baten und sich mit dieser unglücklichen Reform, die unter dem Vorsitz einer Kindergärtnerin entstand, nicht abfinden wollten, aber mußten. Wir bewegen uns in keine schöne Zukunft, denn auch im Alltag auf der Straße sieht man überall Jugendliche, die auf ihre Scheibe starren, sich morgens an der Bushaltestelle nicht begrüßen und weiterwischen, mich mit dem Hund nicht wahrnehmen, nicht einmal, nachdem ich durch die Gruppe hindurchgegangen war. Gespenstisch. Ich kann nicht glauben, daß all diese unschönen Prozesse zufällig sind, denn Kritiker, wie Herr Schoepe schreibt, werden bestenfalls nicht wahrgenommen oder müssen Repressalien erleiden. All diese Entwicklungen beschreiben die Herausgeber des Buches “Im Netzwerk der Macht-Bertelsmann” Jens Wernicke und Torsten Bultmann schon 2006, aber statt den Lehrbetrieb wieder menschlich und sozial umzugestalten, wird er durch die Digitalisierung noch fürchterlicher. Eine Diskussion findet nicht statt.

Herzlichst
Kersti Wolnow


6. Leserbrief

Sehr geehrte NDS-Redaktion,

herzlichen Dank für die Einsprüche zur geplanten Schuldigitalisierung von Bernd Schoepe. Als Hamburger Lehrkraft an einer Stadtteilschule kann ich den kritischen Blick von Herrn Schoepe über weite Strecken nachvollziehen und habe zum Teil ähnliche niederschmetternde Erfahrungen gemacht, insbesondere während der Corona-Zeit. In einer Konsequenz möchte ich aber widersprechen. Ich denke nicht, dass der von Dänemark und Schweden eingeleitete Weg mit Verboten von digitalen Medien in Schule und Unterricht richtig ist. Die Digitalisierung ist nicht mehr rückgängig zu machen und digitale Geräte, Internetressourcen und auch die KI bieten hervorragende Möglichkeiten dafür, dass sich Lehrkräfte wieder auf die wesentlichen Aufgaben im Bildungsbereich konzentrieren können, nämlich auf die Arbeit mit den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass trotz der Nutzung von digitalen Endgeräten Schülerinnen und Schüler immer noch sehr positiv auf authentische, motivierte und didaktisch agierende Lehrkräfte reagieren. Die Herausforderungen im Bildungsbereich liegen im 21. Jahrhundert nicht darin, die Pädagogik durch die Digitalisierung zu ersetzen, sondern die vorhandenen Synergien zielführend und lernförderlich zu nutzen, um die Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft vorzubereiten. Ein Verbot dessen, was in allen anderen Bereichen weiter ausgebaut wird, ist der falsche Weg.

Herzlichen Dank für die hervorragende und in dieser Zeit so wertvolle Arbeit des NDS-Teams.

M.B


7. Leserbrief

Liebes Team der Nachdenkseiten,

ich möchte mich herzlich dafür bedanken, dass Sie den umfangreichen Beitrag von Herrn Schoepe zur Digitalisierung an den Schulen veröffentlicht haben. In vielen der Gedanken, die er äußert, finde ich mich wieder.

Ich habe rund zwanzig Jahre im Schuldienst gearbeitet und bin 2021 aus nachvollziehbaren Gründen zunächst einmal aus diesem ausgeschieden. Zu den Problemen, mit denen man als Lehrkraft schon damals zu kämpfen hatte, wie Absenkung des Niveaus, mangelnde Vorkenntnisse vieler Schüler, einer Klientel, die sehr wohlwollend gern als “heterogen” bezeichnet wird, einer Elternschaft, die die Fähigkeiten ihrer Kinder oft unrealistisch einschätzt, dem wachsenden Verlust der Mädchen und Jungen, sich zu konzentrieren, kamen damals bekannterweise noch die sogenannten Infektionsschutzmaßnahmen hinzu. Eines der Kernelemente davon war es, die Digitalisierung in der Schule aggressiv voranzutreiben und damit eine Entwicklung, die ich schon vorher als problematisch eingeschätzt hatte, zu beschleunigen. Mir steht immer noch einer meiner Kollegen vor Augen, der diese Entwicklung regelrecht feierte, indem er eine Zeichnung ans tatsächlich noch analog vorhandene “Schwarze Brett” pinnte, auf der die sattsam bekannte Stachelkugel zu sehen war, die den letzten Digitalisierungsskeptikern einen Tritt in den Hintern verpasst. Ein Großteil meiner Kollegen schloss sich seiner Sichtweise an, vor allem auch die Schulleitung. Damals fand auch gerade ein Generationswechsel im Lehrerzimmer statt zugunsten jüngerer Kollegen, die man zu den “digital natives” zählen kann.

Ich fragte mich damals, wie es sein kann, dass die meisten Kollegen (zum Glück immer noch) durchaus bemerkten, dass die Smartphonitis und Bildschirmhockerei der Schüler sowohl für ihr Lernen als auch allgemein für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden schädlich waren, es ihnen aber nicht aufging, dass sie durch das “Puschen” des digitalen Lernens in dieser Zeit genau diesem Trend Vorschub leisteten. Vom damals vorgeschobenen Hygiene-Aspekt mal abgesehen: Es lag doch eigentlich auf der Hand, dass die Kinder und Jugendlichen statt mehr eigentlich weniger Bildschirmzeit brauchen. Man sollte stets auch immer langfristige Aspekte beachten: Laufen wir nicht als Lehrkräfte Gefahr, bei unserem Unterricht digital überwacht oder am Ende ganz überflüssig zu werden? Oder könnten diese Entwicklungen nicht dazu genutzt werden, ein Zwei-Klassen-Lernen zu etablieren – für die Kinder der Eliten oder Reichen, wie auch immer man sie nennt, hochwertiger Präsenzunterricht und für den “Pöbel” der Bildschirm?

Ich persönlich hoffe, dass, auch wenn der Zeitgeist dagegen spricht und man Kritiker als Ewiggestrige verunglimpft, mehr und mehr Menschen erkennen, dass die galoppierende Durchdigitalisierung der Schulen ein Fehler ist und dass es gelingt, Bildungsstätten zu schaffen, die sich diesem Trend nicht anschließen. Dann könnte ich auch wieder so unterrichten, wie es aus meiner Sicht für alle Beteiligten am besten ist – in kleinen Gruppen, mit hochwertigen, gut strukturierten, vor allem analogen Materialien und dosierten digitalen Elementen, wo es sinnvoll ist.

Ihre Leserin B. D.


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