Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (MB/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Arbeitsmarkt im Dezember 2011
  2. Ulrike Herrmann – Die Lüge von der Arbeit
  3. Asmussen wird doch nicht EZB-Chefvolkswirt
  4. Den Bann durchbrechen – Wirtschaftspolitische Herausforderungen 2012
  5. Wirtschaftsweise langfristig für Rente mit 69
  6. SPD-Chef Gabriel schockt die Leiharbeitsbranche
  7. Wohlstandsdelle, das neue Wort für Armut
  8. Exportschlager Milliardäre
  9. Neue deutsche Illusionen
  10. Finanzwetten gegen Euro auf Rekordhoch
  11. Eigene Flugbegleiter zu teuer – Lufthansa fliegt mit Leiharbeitern
  12. Derivate-Debakel: In Italien Geschäfte mit J.P. Morgan üblich
  13. Johannes Steffen: Sozialpolitische Chronik
  14. Das langsame Aus für den Gründungszuschuss
  15. Public Private Partnership – die Bilanz nach zwölf Jahren ist katastrophal
  16. Occupy am Scheideweg
  17. Sebastian Nerz zerlegt die PIRATEN
  18. Wulff
  19. Spaniens Konservative brechen alle Wahlversprechen
  20. Ägypten: Dialog unerwünscht
  21. Guantanamo für immer
  22. Bresche im Befristungswahn? Zur Produktion eines akademischen Proletariats mittels Zeitverträgen
  23. Zu guter Letzt: Wilfried Schmickler – Alles beim Alten

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Arbeitsmarkt im Dezember 2011
    Im Dezember 2011 wurden von der Statistik der BA insgesamt 2,780 Millionen Arbeitslose registriert, 231.000 bzw. 7,7% weniger als im Dezember 2010. Die registrierte Arbeitslosigkeit ist im Dezember 2011 im Vergleich zum Vormonat (genauer: von Mitte November bis Mitte Dezember 2011) um 67.000 gestiegen, etwas geringer als im Dezember 2010 (+85.000).

    • Von diesen 2,780 Millionen Arbeitslosen waren 813.000 (29,3%) im Rechtskreis SGB III und 1,967 Millionen (70,7%) im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert. (Dezember 2010: 68,5%)
    • Als Arbeitsuchende waren im Dezember 2011 insgesamt 5,047 Millionen Frauen und Männer registriert, 469.000 (8,5%) weniger als im Dezember 2010. Die von der Statistik der BA ermittelte „Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit“ betrug im Dezember 2011 3,898 Millionen, 491.000 (11,2%) weniger als im Dezember 2010.
    • Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten im Dezember 2011 785.000 (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 4,450 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Bereinigt um die Zahl der etwa 81.000 sog. Aufstocker (gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im Dezember 2011 etwa 5,154 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeitslosengeld II, 346.000 (6,3%) weniger ein Jahr zuvor. (BA-Monatsbericht, S. 22)
    • In Westdeutschland (zehn Länder) wurden 177.000 (8,6%) weniger Arbeitslose registriert als im Dezember 2010, in Ostdeutschland (sechs Länder) 54.000 (5,7%) weniger.
    • Im Dezember 2011 wurden in der Bundesrepublik Deutschland 6,5% (90.000) weniger arbeitslose Frauen registriert als im Dezember 2010. (Veränderungsraten Frauen: Ostdeutschland –4,9%; Westdeutschland –7,2%).
    • Der Anteil der Frauen an der registrierten Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland betrug im Dezember 2011 46,9%.
    • Im Dezember 2011 wurden in der Bundesrepublik Deutschland 8,7% (141.000) weniger arbeitslose Männer registriert als im Dezember 2010. (Veränderungsraten Männer: Ostdeutschland –6,3%; Westdeutschland –9,8%)
    • Im Dezember 2011 wurden 9,7% (26.000) weniger junge Arbeitslose (unter 25 Jahre) registriert als ein Jahr zuvor.

    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 456 KB]

    Siehe dazu auch:

    Bundesagentur für Arbeit: Der Arbeitsmarkt im Dezember und im Jahr 2011
    …Im Dezember belief sich die Unterbeschäftigung auf 3.898.000, 491.000 weniger als vor einem Jahr. Zur Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit) zählen auch Personen, die z. B. an entlastenden Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik teilnehmen oder aus anderen Gründen nicht als arbeitslos gelten. Sie vermittelt somit ein umfassenderes Bild vom Defizit an regulärer Beschäftigung als die Arbeitslosigkeit…
    Auch die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld II in der Grundsicherung (SGB II) ist weiter rückläufig. Sie sinkt seit Juli 2010 und lag im Dezember 2011 bei 4.450.000. Damit waren 8,2 Prozent der in Deutschland lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter hilfebedürftig…
    Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Erwerbstätigen im November gegenüber dem Vorjahr um 521.000 auf 41,61 Millionen gestiegen. Nach der Hochrechnung der BA lag die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Oktober bei 29,02 Millionen. Dies entspricht einem Zuwachs von 719.000 gegenüber dem Vorjahr. Dabei hat die Vollzeitbeschäftigung um 366.000 und die Teilzeitbeschäftigung um 330.000 zugenommen.
    …Im Dezember belief sich der Bestand an gemeldeten Arbeitsstellen auf 467.000, 87.000 mehr als im Vorjahr.
    Quelle: Bundesagentur für Arbeit

    Zur Ergänzung:

    Tatsächliche Arbeitslosigkeit im Dezember 2011: 3.800.963
    Offizielle Arbeitslosigkeit: 2.780.206
    Nicht gezählte Arbeitslose: 1.020.757
    Nicht gezählte Arbeitslose aufgeschlüsselt:
    Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld I und/oder ALG II: 359.190
    Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten): 163.842
    Fremdförderung: 68.793
    Beschäftigungsphase Bürgerarbeit: 19.125
    Berufliche Weiterbildung: 168.292
    Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen (z.B. Bewerbungstraining): 25
    Aktivierung und berufliche Eingliederung (z.B. Vermittlung durch Dritte): 143.184
    Beschäftigungszuschuss (für schwer vermittelbare Arbeitslose): 9.999
    Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen: 553
    Kranke Arbeitslose (§126 SGB III): 87.754
    Quelle: DIE LINKE

    Dazu der passende Kommentar von Ulrike Herrmann:

  2. Die Lüge von der Arbeit
    Es ist kein Zufall, dass das Wirtschaftsministerium so dringend behaupten will, dass in Deutschland ein Paradies der Erwerbstätigkeit eröffnet hat. Die “Danke, Deutschland”-Plakate sind Teil einer größeren Erzählung, die da lautet: “Hartz IV” war notwendig. Es war die Rettung der Bundesrepublik, dass damit ein Niedriglohnsektor geschaffen wurde. Ohne die “Agenda 2010” hätte es 2010 niemals so viele Beschäftigte gegeben.
    Diese Groß-Erzählung wird nicht nur von der schwarz-gelben Regierung betrieben. Sie ist genauso beliebt bei vielen Sozialdemokraten und Grünen, die ja unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder die Hartz-Reformen erfunden haben. Gegen dieses parteiübergreifende Kartell der Schönfärberei ist schwer anzukommen. Deswegen sei es – noch einmal – gesagt: Nein, Hartz IV hat gar nichts gebracht. Die Zahl der Arbeitsstunden ist nicht gestiegen; es wurde keine neue Beschäftigung geschaffen.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Das durchschnittliche reale Nettoerwerbseinkommen (im Monat) aller abhängig Beschäftigten ist laut DIW zwischen 2000 und 2010 um 1,8 Prozent gesunken. Nimmt man das statistische Ausreißer beseitigende Medianeinkommen bzw. mittlere Einkommen (50% verdienen mehr, 50% weniger) ist das Einkommen um 2,2 Prozent gesunken. Beachtenswert ist vor allem die Tendenz: “In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts waren die Bezieher geringer Monatslöhne die Verlierer, denn ihre Bruttoverdienste nahmen real ab, die Vergütungen derjenigen Personen dagegen, die relativ hoch entlohnt waren, nahmen zu. In den letzten fünf Jahren mussten aber fast alle Arbeitnehmer real sinkende Monatsverdienste hinnehmen, nur die Höchstverdiener nicht [PDF – 513 KB].”

  3. Asmussen wird doch nicht EZB-Chefvolkswirt
    Deutschland gibt den Posten an Belgien ab. Der ehemalige Finanzstaatssekretär bekommt dafür das Ressort Internationales im EZB-Direktorium. Hintergrund ist ein Streit zwischen Berlin und Paris.
    Quelle: FTD

    Anmerkung JB: Deutschland hat sich mit der Nominierung Asmussens keinen Gefallen getan. Es war vollkommen klar, dass die EZB einen Mann, der a) ein geldpolitischer „Falke“ und b) wissenschaftlich komplett unbeschlagen ist, nicht so einfach als „Chefvolkswirt“ hinnehmen würde. Nun ist wieder einmal sehr viel Porzellan zerschlagen worden, was von Anfang an zu vermeiden gewesen wäre. Der neue Chefsvolkwirt Peter Praet ist nicht nur ein anerkannter Fachmann, sondern er gilt auch als „Taube“, also als Vertreter einer moderneren geldpolitischen Linie, die einer Zentralbank weitaus mehr Aufgaben zuweisen will als die bloße Inflationsbekämpfung. Für Europa war die Entscheidung der EZB ganz sicher nicht von Nachteil.

    Ergänzende Anmerkung WL: Asmussen soll ja nun die EZB in den interntionalen Finanzinstitutionen vertreten. Das bedeutet, dass die Re-Regulierung des internationalen Finanzsystems jedenfalls durch die EZB keine Impulse bekommen wird, denn Asmussen war die treibende Kraft der Deregulierung in Deutschland.

  4. Den Bann durchbrechen – Wirtschaftspolitische Herausforderungen 2012
    Die größte Herausforderung für die Wirtschaftspolitik 2012 ist die Stabilisierung des Euroraums. Hinter dieser Aufgabe treten alle anderen zurück. Denn gelingt diese Stabilisierung nicht, ist mit einer Wirtschaftskrise globalen Ausmaßes zu rechnen. Derzeit bewegt sich die Wirtschaftspolitik im Euroraum gänzlich im Bann der Vertrauenskrise. Selbst wenn es kurzfristig gelänge, diese einzudämmen, ist eine Rezession für den Euroraum angesichts der Austeritätspolitik unvermeidlich (Horn et al. 2011a). Die teilweise massiven Sparpakete belasten die gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Euroraum in großem Umfang.
    Hiervon bleibt auch die deutsche Wirtschaft nicht unberührt. Über ihre enge Exportverflechtung mit dem Euroraum ist sie unmittelbar betroffen. Von daher ist ein spürbares Nachlassen sowohl der Export- als auch der Investitionsdynamik zu erwarten. Dank der noch immer halbwegs robusten Konsumnachfrage sollte Deutschland in diesem Jahr zwar an einer Rezession vorbeikommen, aber mehr als eine Stagnation ist in diesem Jahr nicht zu erwarten. Im Jahresdurchschnitt 2012 dürfte die Wirtschaft in Deutschland mit -0,1 Prozent sogar leicht schrumpfen (Horn et al. 2011a). Vor diesem konjunkturellen Hintergrund dürften sich die positiven Arbeitsmarkttendenzen wie auch die Rückführung der Staatsschuldenquote 2012 nicht fortsetzen. Dies ist eine im Grunde noch optimistische Einschätzung der wirtschaftlichen Lage, denn sie setzt voraus, dass die Stabilisierung des Euroraums rasch gelingt.
    Quelle: IMK [PDF – 785 KB]
  5. Wirtschaftsweise langfristig für Rente mit 69
    Nach Auffassung der Wirtschaftsweisen kann die Rente mit 67 nur ein erster Schritt sein . Ihre Forderung: Sie soll langfristig in eine Rente mit 69 übergehen.
    Quelle: Rheinische Post

    Anmerkung MB: Zunächst äußern sich hier nicht DIE Wirtschaftsweisen sondern deren Vorsitzender Professor Wolfgang Franz. Der ist wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW). Schauen Sie bitte mal nach, welche Konzerne, Versicherungen und Finanzdienstleister über einen wissenschaftlichen Beirat, über einen Aufsichtsrat und über einen Förderkreis Einfluss auf das ZEW nehmen, und überlegen Sie sich, welche Auswirkungen das auf die wissenschaftliche Empfehlung des Professor Franz zum Renteneintrittsalter hat.

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: Es ist schon unglaublich, mit welcher Dreistigkeit hier schon wieder neue Renten-Horror-Szenarien beschrieben werden. Kaum liegen die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes auf dem Tisch, die eigentlich klar belegen, dass nur jeder 24. in der Altersgruppe der über 60-jährigen noch erwerbstätig ist, schon fordert man die Rente mit 69. Klar, dann kann man ja wenigstens mit gutem Gewissen die “Rente mit 67” besser verkaufen.

    Siehe dazu nochmals: Rente erst ab Ableben.

  6. SPD-Chef Gabriel schockt die Leiharbeitsbranche
    Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, oder besser noch: zehn Prozent mehr. SPD-Chef Gabriel verlangt einen Aufschlag bei der Bezahlung von Leiharbeitern.
    Quelle: WELT

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Shocking indeed! Die SPD hat 11 Jahre lang Zeit gehabt, die Leiharbeitsbranche zu regulieren, und hat diese Zeit für extensive Deregulierung genutzt. Da sollen die Worte einer mittleren Oppositionspartei die Zeitarbeitsbranche schocken?

    dazu: »SPD ist in der Opposition, da läßt sich vieles dahersagen«
    SPD-Chef Gabriel schlägt einen zehnprozentigen Lohnaufschlag für Leiharbeiter vor. Ein Gespräch mit Horst Schmitthenner
    Horst Schmitthenner ist Vorsitzender des Trägervereins Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosenarbeit (KOS) und ehemaliges geschäftsführendes Vorstandmitglied der IG Metall
    Quelle: Junge Welt

  7. Wohlstandsdelle, das neue Wort für Armut
    Kreative Vernebelung: Um nicht von einer Rezession reden zu müssen, hat der zurückgetretene EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark Begriffe wie “Wachstumsdelle” parat. […]
    Wachstumsdelle! Großartig. Armut nennen wir künftig Wohlstandsdelle, Krankheit Gesundheitsdelle, den Tod Lebensdelle. Zwar ist es so, dass laut Eurostat das Wachstum in der Euro-Zone 2008 gerade mal 0,8 Prozent betrug, 2009 -4,2 Prozent, 2010 von dieser Delle aus nur 1,9 Prozent zulegte und in diesem Jahr bestenfalls 1,5 beträgt.
    Für 2012 sind 0,5 Prozent prognostiziert, vorausgesetzt, Merkel und Co. sparen Europa nicht zu Tode. Aber egal. Jürgen Stark nennt diesen Zustand, bei dem man vor lauter Delle kaum Wachstum sieht, Europas „Stabilitätskultur“.
    Quelle: WELT

    Anmerkung WL: Nanu, was ist denn da in der „Welt“ los. Wird in der Redaktion Frank Schirrmacher oder Charles Moore gelesen?

  8. Exportschlager Milliardäre
    Von den 300 Reichsten der Schweiz ist beinahe jeder Fünfte aus Deutschland zugezogen. Die 60 deutschen Superreichen besitzen zusammen ein Vermögen von 75 Milliarden Euro.
    Quelle: Bilanz
  9. Neue deutsche Illusionen
    Die deutschen Eliten verspielen eine historische Chance. Sie wollen ein föderales Europa erzwingen, stattdessen müssten sie auf Diplomatie und Kooperation setzen. Ein amerikanischer Appell. […]
    An der Wurzel der gegenwärtigen Krise liegen dieselben Probleme wie vor einem Jahrhundert. Wieder einmal ist Deutschland ein Land, das in systemischer Hinsicht „zu groß für Europa und zu klein für die Welt“ ist. Deutschland möchte den status quo bewahren, aber zugleich auch das große Spiel mitbestimmen. Beides geht aber nicht. Man kann die Europäische Zentralbank nicht als Klon der Bundesbank halten, sie muss vielmehr nach dem Vorbild der amerikanischen Notenbank umgestaltet werden. Die politische Führung Deutschlands zeigt, mit Angela Merkel in der Rolle Bethmann-Hollwegs und Wolfgang Schäubles in der Ludendorffs, denselben Mangel an Staatskunst wie am Vorabend des Ersten Weltkriegs.
    Quelle: FAZ
  10. Finanzwetten gegen Euro auf Rekordhoch
    Die Negativschlagzeilen zum Euro haben erneut die Spekulanten angelockt. Hedgefonds und andere Finanzinvestoren haben ihre Wetten gegen die Gemeinschaftswährung auf ein neues Rekordhoch aufgetürmt, zeigen Daten des US-Regulators CFTC. In der vergangenen Woche lag die Zahl der offenen Kontrakte, mit denen Anleger auf fallende Kurse setzen, bei 172.454. Dem standen nur 45.485 Kontrakte von Euro-Optimisten gegenüber.
    Quelle: Der Standard
  11. Eigene Flugbegleiter zu teuer – Lufthansa fliegt mit Leiharbeitern
    Weil dem Kranich die eigenen Flugbegleiter zu teuer sind, beschäftigt er jetzt Stewardessen und Stewards eines Personaldienstleisters. Vorerst nur für 15 Flugzeuge in Berlin. Aber das Modell wird wohl Schule machen.
    Quelle: Rheinische Post
  12. Derivate-Debakel: In Italien Geschäfte mit J.P. Morgan üblich
    Kommunen in ganz Italien hätten, so heißt es dort, auf sinkende Einnahmen und steigende Ausgaben mit den zunächst verlockenden Zinstausch-Geschäften reagiert. Selbst das große, reiche Mailand, das heute gegen J.P. Morgan, aber auch die Deutsche Bank und die Schweizer UBS klagt. Am heftigsten aber habe es die Stadt Cassino getroffen, schreibt Bloomberg Businessweek. Die Kommune, hoch verschuldet als Spätfolge des Wiederaufbaus nach dem für sie verheerenden Zweiten Weltkrieg, habe infolge ihrer in der Höhe noch nicht bezifferbaren Millionenverluste bei J.P. Morgan fast die Hälfte ihres Personals abgebaut, die Kinderbetreuung heruntergefahren und die Eltern für den verbleibenden Rest in großem Stil zur Kasse gebeten. Das Stadtbild sei heruntergekommen, vom Charme benachbarter Städte wenig zu spüren. „Das Mindeste ist, dass dafür Köpfe rollen“, zitiert der Online-Dienst die Vorsitzendes des gemeinderätlichen Finanzausschusses.
    Quelle 1: Pforzheimer Zeitung
    Quelle 2: JPMorgan’s Swaps Occupying Cassino Prove Curse Like World War II – Bloomberg Buisness Week
  13. Johannes Steffen: Sozialpolitische Chronik
    Die wesentlichen Änderungen in der Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie bei der Sozialhilfe (HLU) und der Grundsicherung für Arbeitsuchende – von den siebziger Jahren bis heute.
    Quelle: Arbeitnehmerkammer Bremen [PDF – 1.3 MB]

    Anmerkung WL: Diese sozialpolitische Chronik ist eine äußerst verdienstvolle Zusammenstellung die den Sozialabbau in den letzten 40 Jahren nachzeichnet. Für alle, die sich für Sozialpolitik interessieren ein unverzichtbares Dokument.

    Dazu passt:

  14. Das langsame Aus für den Gründungszuschuss
    Seit 2006 haben viele Arbeitslose den Gründungszuschuss in Anspruch genommen und sich mit Erfolg selbstständig gemacht. Doch künftig können sich Existenzgründer nicht mehr auf Hilfe vom Staat verlassen, denn für den Gründungszuschuss gibt es keinen Rechtsanspruch mehr.
    Seit 2006 haben pro Jahr mehr als 100.000 Personen den Gründungszuschuss in Anspruch genommen – mit großem Erfolg. So sind nach einer ersten Evaluation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das zur Bundesagentur für Arbeit gehört, rund 80 Prozent der Gründer nach anderthalb Jahren noch am Markt. Zahlen, die auch schon für die Vorgängerinstrumente Überbrückungsgeld und Ich-AG galten. Das Erfolgsrezept: Der Antragssteller muss mit vielen Nachweisen die Ernsthaftigkeit seines Vorhabens deutlich machen: mit einem Businessplan, in dem die Geschäftsidee und das Marktumfeld detailliert beschrieben sind. Außerdem muss die Tragfähigkeit des Projekts von einer fachkundigen Stelle geprüft sein: zum Beispiel von einem Wirtschafts- oder Steuerberater, der Handwerkskammer oder der Industrie- und Handelskammer.
    Doch damit ist es nun vorbei. Gegen den Rat der Experten von der Bundesagentur für Arbeit und gegen den Willen der Opposition hat der Bundestag im September die Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente beschlossen. Der Gründungszuschuss wird damit zur Ermessensleistung. Wie bisher muss ein externer Gutachter den Businessplan für tragfähig befinden. Doch das heißt nicht, dass die Bundesagentur den Zuschuss dann auch wie bisher bewilligt. Es liegt künftig vielmehr im Ermessen des Fallbearbeiters, ob ein Gründer gefördert wird oder nicht. Außerdem muss man noch mindestens 150 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben und nicht mehr wie bisher nur 90 Tage. Auch wird die erste Phase der Förderung von neun auf sechs Monate gekürzt. Nach den Plänen von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen sollen so die Mittel für den Gründungszuschuss in den kommenden Jahren von bisher rund 1,8 Milliarden Euro auf rund 500 Millionen reduziert werden. Ihr Argument: Rund die Hälfte der bisherigen Gründer habe im Nachhinein erklärt, dass sie den Schritt in die Selbstständigkeit auch ohne staatliche Förderung geschafft hätten.
    Quelle: DLF

    Anmerkung WL: Egal, ob man den Gründungszuschuss positiv oder negativ beurteilt, seine „Reform“ ist ein weiterer Beleg dafür, dass ein Instrument nach dem anderen aus dem Hartz-Katalog zurückgenommen wird, letztlich bleibt nur noch das, um was es von Anfang an vor allem ging, die Zerstörung der Arbeitslosenversicherung und die Einführung von Hartz IV, wonach Arbeitslose nach einem Jahr in die Bedürftigkeit fallen sollen.

  15. Public Private Partnership – die Bilanz nach zwölf Jahren ist katastrophal
    Die Verschuldung der öffentlichen Hand und die Schattenhaushalte von PPP gehören zusammen. Die Kosten der PPP-Projekte werden derzeit nicht als Schulden in den Haushalten verbucht, sie werden also in Schattenhaushalten versteckt. Werner Rügemer, Publizist und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Attac: “PPP ist nicht nur wesentlich teurer, sondern mit jedem Projekt wird die Haushaltshoheit der gewählten Volksvertretung unterhöhlt, stirbt ein Stück Demokratie.”
    PPP sei schneller, effizienter, nachhaltiger. Attac und Gib meinen: Nichts davon hat sich bewahrheitet. Es gibt exorbitante Baukostensteigerungen wie bei der Hamburger Elbphilharmonie. Laufende Kosten stellen sich als weit überhöht heraus wie bei den 90 Schulen im Landkreis Offenbach. Schon nach einem Jahr bröckeln Straßenbeläge wie bei der A1 zwischen Hamburg und Bremen. Das kommentiert Professor Jürgen Schutte von Gemeingut in BürgerInnenhand: “Steuerzahlende, Beschäftigte, SchülerInnen und AutofahrerInnen – sie alle sind über Jahrzehnte hin machtlos, sobald ihre VertreterInnen in Bund, Ländern oder Kommunen unterschrieben haben: Denn die PPP-Verträge, die dies alles zulassen, sind geheim und können über die Laufzeit von zumeist 30 Jahren nicht verändert werden. Damit bleibt ihnen und uns allen die demokratische Kontrolle der öffentlichen Einrichtungen und die Mitbestimmung über die öffentliche Daseinsvorsorge verwehrt.”
    Attac und Gemeingut in BürgerInnenhand kündigen eine Gegenoffensive an. Auftakt der Kampagne ist eine Unterschriftensammlung, die sich an Finanzminister Schäuble richtet. Gefordert werden die vollständige Offenlegung sämtlicher PPP-Verträge, ein Verbot für weitere PPP-Vorhaben sowie die wirksame Schließung der durch PPP bedingten Schattenhaushalte.
    Quelle: attac
  16. Occupy am Scheideweg
    Dennoch fällt eine vorläufige Bilanz der Occupy-Proteste zwiespältig aus. Offen bleibt, ob ihnen die Anbindung an die Lebensrealität breiterer sozialer Schichten gelingt. Fraglich ist auch, ob sich ihre heutigen politischen Formen als tragfähig erweisen können. Davon aber dürfte abhängen, wie dauerhaft diese Bewegung letztlich sein wird…
    Nicht nur wegen ihrer skeptischen Haltung gegenüber den Arbeitnehmervertretern fehlt der deutschen Occupy-Bewegung diese starke Anbindung an die gesellschaftlichen Verwerfungen noch. Langzeitarbeitslose oder irregulär Beschäftigte aus dem Dienstleistungssektor finden sich allenfalls vereinzelt auf ihren Demonstrationen, eher trifft man dort auf prekäre Kreativarbeiter. Will die Bewegung jedoch wirklich im Namen einer Mehrheit sprechen, wie es der Slogan von den „99 Prozent“ beansprucht, muss sie sich um ihr Breitenwachstum kümmern. Dazu braucht sie eine Reihe klar erkennbarer Forderungen und plausible Strategien.
    Mindestens ebenso dringend benötigt sie einen starken Bezug zu den Alltagsnöten der Menschen.
    Kurz: Sie muss gesellschaftliche Interessen benennen und vertreten, auch um den Preis, damit mehr als nur das symbolische eine Prozent zu verärgern. Andernfalls droht sie vom öffentlichen Radar zu verschwinden, sobald die Medienaufmerksamkeit nachlässt. Allein aus dem momentan weit verbreiteten Unbehagen angesichts der schwer überschaubaren Eurokrise lässt sich nicht dauerhaft eine Bewegung speisen…
    Als größeres, ja vielleicht als größtes Problem könnte sich schließlich die fast schon reflexartige anti-ideologische Haltung der Aktivisten erweisen, die letztlich jede konkretere gemeinsame Stoßrichtung zu verhindern droht. Ohne geteilte und einigermaßen verbindliche politische Orientierung dürfte es der Bewegung jedoch schwer fallen, einen klaren Kurs zu bestimmen…
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik

    Dazu passt:

  17. Sebastian Nerz zerlegt die PIRATEN
    Gestern hat Sebastian Nerz, Bundesvorsitzender der Piratenpartei, der „Passauer Neuen Presse“ ein Interview gegeben, das innerhalb und außerhalb der Partei für Irritation sorgt. Nerz spricht von einer bundespolitischen „Traumkonstellation“ mit den Grünen und der FDP und betont, man könne „im Großen und Ganzen gut mit den kleinen Parteien, wenn man einmal von der Linkspartei absieht“. […]
    Deutlicher lässt sich die bundespolitische Verzichtbarkeit auf die PIRATEN kaum zum Ausdruck bringen. Wenn sich die konsequent bürgerrechtlich und freiheitlich geprägten Grundsätze der Partei bereits jetzt in den angestaubten Programmen der sterbenden FDP und der opportunistischen Grünen wiederfinden und wenn sie sich auf sozialpolitischer Ebene ausgerechnet bei der Agenda-2010 SPD heimisch fühlt, dann stellt sich die Frage, wozu man die Piratenpartei überhaupt noch braucht.
    Quelle: Jacob Jung
  18. Wulff
    1. Unwürdig
      In dieser Affäre tragen einige die Nase hoch, die besser den Kopf senken sollten. Zunächst: Das Verhalten des Bundespräsidenten ist peinlich. Es ist unwürdig. Aber nicht nur seines. Kai Diekmann, der Chefredakteur der “Bild”, ist ein charakterschwacher Mensch, wenn er auf der einen Seite verkündet, für ihn habe sich nach dem zweiten, dem Entschuldigungsanruf von Christian Wulff, “die Sache erledigt” – er aber trotzdem diese Geschichte unter Berliner Kollegen herumerzählt. Hat er sich für diese Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 GG) eigentlich einen Gerichtsbeschluss besorgt? Paragraf 201 StGB stellt – Kai Diekmann weiß das sicher ganz genau – die unbefugte Weitergabe von Inhalten aus Telefongesprächen unter Strafe.
      Quelle: ZDF Kulturzeit

      Anmerkung unseres Lesers M.F.: Offensichtlich zieht kaum jemand in Betracht, dass ein solcher”Vorgang”, der Anruf eines Politikers bei einem Chefredakteur, Gang und Gäbe und in anderen Fällen auch von Erfolg gekrönt sein könnte.
      Ich kann mich nach Lektüre zahlreicher Artikel zum Thema dem Eindruck nicht erwehren, dass viele Medien den Eindruck entstehen lassen wollen, dass BP Wulff hier etwas völlig Unübliches und zum Scheitern Verurteiltes getan hat.

    2. Das Schlusskapitel
      Das letzte Kapitel in der Geschichte des Sturzes von Bundespräsident Christian Wulff ist zugleich das unappetitlichste. Es ist erneut unrühmlich für den Präsidenten, aber auch für die agierenden Medien.
      Weil sich BILD nicht selbst die Finger schmutzig machen wollte (es gibt ja noch so etwas wie ein Fernmeldegeheimnis), gab die Zeitung den vertraulichen Inhalt eines Telefonates an die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” (FAS) und die “Süddeutsche Zeitung” weiter, die sich für das Schlusskapitel instrumentalisieren ließen. BILD lieferte den Inhalt und bestimmte das Timing, die beiden sogenannten seriösen Blätter erfüllten ihre Rolle in der BILD-Dramaturgie. BILD brauchte nur noch zu bestätigen.
      Quelle: Sprengsatz

      Anmerkung unseres Lesers D.B: Bedenkt man das Bündnis mit den beiden „grundehrlichen Qualitätsmedien“ Bild und Spiegel, den Urhebern dieser Kampagne, denen das angeblich gefährdete Ansehen des Amtes des BP so sehr am Herzen liegt, dann kann man auf ganz andere Beweggründe kommen:.
      Die einen zeigen der CDU einmal sehr deutlich auf, wie das ist, wenn sie nicht spurt, indem sie nicht ausreichend den von Bild mit allen Mitteln unterstützten kopierenden Baron unterstützt hat, die anderen wollen über den Rücktritt des Hannoveraners im nachhinein den Widerstands- und Freiheitskämpfer Gauck installieren, weil dessen mehr als unterentwickelten sozialen Zielvorstellungen wunderbar ins neoliberale Konzept passen.

      Außerdem können beide Blätter bei der nächsten Kampagne gegen einen Linken mit dem Brustton der Überzeugung unter Hinweis auf ihre moralinsauren Angriffe gegen Wulff auf ihre journalistische Lauterkeit und Objektivität nach allen Seiten verweisen.

    3. Der Klempner im Schloss Bellevue
      Christian Wulffs Anruf bei BILD-Chefredakteur Kai Diekmann war nicht der einzige Versuch, der „Vierten Macht“ das Handwerk zu legen. Um die Veröffentlichung von Details aus dem Hause Wulff zu verhindern, griff der Bundesspräsident selbst mehrmals zum Hörer. Ein einmaliger Vorgang. Ein Kommentar von Michael Naumann
      Quelle: Cicero

      Anmerkung MB: Man kann darüber streiten, dass ein ehemaliger Berufspolitiker und ein Mitglied der Oppositionspartei SPD hier die Kommentierung anführt. Aber Michael Naumann stellt ein paar richtige Fragen. Wann und von wem wusste Wulff über die geplanten Veröffentlichungen in der BILD? Und wann versuchte Wulff, die Kreditkonditionen bei der BW-Bank zu verändern? Was aber noch interessanter ist. Warum machte die BILD keine Story aus den geplanten Interventionsversuchen? Es wäre im Interesse einer journalistischen Hygiene gewesen – falls so etwas bei der BILD überhaupt möglich sein sollte. Welche Beziehungen gab es genau zwischen BILD bzw. Springer-Medien und Christian Wulff, mit deren endgültigem Bruch Wulff dann drohte?

  19. Spaniens Konservative brechen alle Wahlversprechen
    Steuern werden massiv erhöht und die angekündigte Rentenerhöhung stellt sich als Kürzung heraus…
    Begründet wird der Wahlbetrug damit, dass man es mit einer außergewöhnlichen Situation zu tun habe, rechtfertigte Regierungssprecherin Soraya Sáenz de Santamaría die Maßnahmen. Das Haushaltsdefizit sei mit 8% etwa 2 Prozentpunkte deutlich höher als erwartet ausgefallen. Man müsse deshalb zusätzlich 6 Milliarden Euro einnehmen, die den Regionen sowie Kommunen zugutekommen sollen…
    Von den Versprechen, angesichts einer Rekordarbeitslosigkeit von mehr als 5 Millionen Menschen (23%), die Beschäftigung zu fördern, ist bisher nicht die Rede. Klar ist, dass mit diesen Maßnahmen auch Spanien tief in die Rezession gespart wird, wie es die Konservativen im Nachbarland Portugal längst schon geschafft haben. Die spanische Zentralbank geht ohnehin davon aus, dass nach der Stagnation im dritten Quartal nun die Wirtschaft im vierten Quartal wieder geschrumpft ist.
    Sogar der Wirtschaftsminister erwartet längst für 2012 eine Rezession. Und die Regierungssprecherin hat vorsorglich nun angekündigt, dass diese Sparmaßnahmen “nur der Anfang von Anfang sind”. Denn ein 2 Prozentpunkte höheres Defizit bedeuteten, dass zu den angekündigten 16 Milliarden weitere 20 Milliarden eingespart werden müssten, um 2012 das Defizitziel zu erreichen.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung WL: Wie schon in Griechenland und in Portugal führt auch in Spanien die Austeritätspolitik geradewegs in die Depression. In wie vielen Staaten soll dieses wahnsinnige Experiment eigentlich noch durchgeführt werden?

  20. Ägypten: Dialog unerwünscht
    Die Razzia im Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kairo wird in Berlin als Affront gegen Deutschland gewertet. Dem am Freitag ins Auswärtige Amt einbestellten ägyptischen Diplomaten sei klargemacht worden, dass dieses Vorgehen inakzeptabel sei, sagte Außenamtssprecher Andreas Peschke in Berlin. Die ägyptische Staatsanwaltschaft hatte Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung und 16 anderer Organisationen am Donnerstag durchsucht und zwangsweise geschlossen. Das Auswärtige Amt erklärte, die ägyptische Seite habe ihr Vorgehen damit begründet, angeblich illegale ausländische Zahlungen an nicht registrierte Organisationen untersuchen zu wollen. Schriftliche Dokumente wurden aber nicht vorgelegt.
    Außer der CDU-nahen Adenauer-Stiftung sind in Kairo auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung und die FPD- nahe Friedrich-Naumann-Stiftung mit eigenen Büros vertreten. Sie alle bieten derzeit Diskussionsveranstaltungen und Workshops zum demokratischen Wandel an, unter anderem für junge Politiker unterschiedlichster Parteien. In Ländern ohne funktionierende Demokratie sind die deutschen politischen Stiftungen oft auch Ansprechpartner für oppositionelle oder benachteiligte Gruppen, die kaum Möglichkeiten haben, ihre Positionen öffentlich zu vertreten. Im Schutz der ausländischen Organisationen können sie an politischen Konferenzen teilnehmen und auch an Organisations- und Kommunikationsschulungen.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ziemlich naiv ist es zu behaupten, die Schließung des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung sei ein Affront gegen Deutschland. Die Razzien bei den 17 ägyptischen und ausländischen Organisationen am Donnerstag dienen vor allem der Bekämpfung der Bürgerrechtsbewegung in Ägypten. Gerade weil diese Organisationen Diskussionsveranstaltungen und Workshops zum demokratischen Wandel anbieten und Oppositionellen Möglichkeiten der Diskussion und Schulung präsentieren, geraten sie in das Visier des Armeeregimes. Die deutsche wie auch andere Regierungen klar dazu Stellung beziehen, dass die derzeitige Regierung (Armeeführung) an einer “Förderung demokratischer Strukturen” – so beschreibt der Vorsitzende der KAS, Hans-Gert Pöttering, die Arbeit der Stiftung in Ägypten – alles andere als interessiert ist. Das Vorgehen des Regimes ist Teil der Strategie die Jugendbewegung und die säkulare Kräfte zu isolieren. Auf den Pressekonferenzen des Militärrates wird der Bevölkerung eingeredet, dass die Proteste von bösen ausländischen Kräften aus ausgingen. Die Protestierenden könne als Kritiker der Armee auf gesetzlicher Grundlage zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden und die Medien dürfen nur noch nach vorausgehender Genehmigung über die Armee berichten.
    Die Muslimbrüder sind offensichtlich bereit, das Spiel der Militärs zu dulden, um endlich ein wenig im Machtsystem mitreden zu können. Bei den derzeitigen Protesten hält sich die Muslimbrüderschaft heraus bzw. lässt sogar verkünden, diese Form von Protest sei gegen den Islam. Man darf gespannt sein, was sich das Militär einfallen lassen wird, um das von Muslimbrüdern und Salafisten dominierte Parlament nach den Wahlen zu entmachten. Man könnte fast meinen, dass die derzeitige Duldung der salafistischen Programmatik dazu dient, die säkularen Kräfte in die Arme der Militärs, als letzte Bastion gegen einen radikalen Islamismus, zu treiben – Teile und herrsche, scheint die Devise zu sein.

  21. Guantanamo für immer
    Lange Zeit hatte sich Obama gegen die neuen Anti-Terror-Bestimmungen gewehrt – nun ist er vor dem Kongress eingeknickt: Der US-Präsident hat ein Gesetz gebilligt, das dem Militär erlaubt, Terrorverdächtige unbegrenzt, ohne Anklage und richterliche Anhörung einzusperren. Auch eine Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo rückt in weite Ferne.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: In Deutschland spricht man ja immer von der transatlantischen Wertegemeinschaft, für die man sogar gemeinsame Kriege führen muss. Nicht erst seit solchen Gesetzen fragt man sich, um welche gemeinsamen Werte es da eigentlich gehen soll oder anders, ob diejenigen, die für diese Wertegemeinschaft eintreten, sich mit solchen amerikanischen Gesetzen, die fundamentale europäische Rechtsgrundsätze abschaffen, gemein machen wollen.

  22. Bresche im Befristungswahn? Zur Produktion eines akademischen Proletariats mittels Zeitverträgen
    Bildungsabschlüsse europaweit konvertibel zu machen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, mehr Studierende in kürzerer Zeit durch die Hochschulen zu schleusen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen – das waren die Zielsetzungen des 1999 als Liberalisierungsprojekt angetretenen Bologna-Prozesses zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Bildungsraumes. Die Hochschulen als Durchlauferhitzer – das ist einer seiner Effekte. Diesen bekommen zunächst die Studierenden zu spüren: weich gekocht von höheren Workloads und vermehrten Prüfungsleistungen, für die halb gares Convenience-Wissen, erworben in modularisierten 0815-Seminaren, per Knopf- und unter Hochdruck in Multiple Choice-Tests reproduziert werden muss.
    Diese Entwertung wissenschaftlicher Arbeit und Qualifikationen erfahren allerdings nicht nur die Studierenden. Denn wer – Stichwort »Bildungsrepublik« – mehr Studierende will, müsste mehr Lehrpersonal zur Verfügung stellen. Das passiert zwar auch, allerdings nur in begrenztem Umfang und hauptsächlich durch die Ausweitung von befristeten Stellen und »Anstellung« von Honorarkräften. Dass die jetzige Bildungselite zugleich das künftige akademische Proletariat stellen wird, dafür ist – neben den, aber auch durch die Rahmenbedingungen der Bologna-Reformen – die Ausweitung befristeter Arbeitsverhältnisse maßgebend. Während noch 2005 auf eine unbefristete vier befristete Stellen kamen, hat sich dieses Verhältnis für das Jahr 2010 verdoppelt. (Vgl. »Stellungnahme«, S. 4) Für das Gros dieser befristet Beschäftigten lohnt sich allerdings das Anstehen für einen unbefristeten Vertrag nicht, denn die übliche akademische Laufbahn sieht in Deutschland nach der »Qualifizierungsphase« (s.u.) für eine weitere Beschäftigung an der Hochschule nur die Professur oder ein tiefes Loch vor. Entsprechend ist davon auszugehen, dass für die in dem neuen System Sozialisierten mit Anfang bis Mitte 40 Schluss ist – vor dem Nadelöhr Professur staut sich ein gewaltiges Heer einer akademisch qualifizierten Reservearmee auf.
    Quelle: Linksnet
  23. Zu guter Letzt: Wilfried Schmickler – Alles beim Alten
    Quelle: WDR 2 Podcast

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