NATO-Bodentruppen in die Ukraine? Im Kreise der Transatlantiker entgleist die Vernunft

NATO-Bodentruppen in die Ukraine? Im Kreise der Transatlantiker entgleist die Vernunft

NATO-Bodentruppen in die Ukraine? Im Kreise der Transatlantiker entgleist die Vernunft

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Wie könnte der Krieg in der Ukraine beendet werden? Vielleicht durch den Einsatz von NATO-Bodentruppen. Dass dadurch der 3. Weltkrieg in heißer Form Realität würde? Ach, wer wird denn gleich schwarzmalen?! Dann schießen eben gegebenenfalls wieder deutsche Soldaten auf russische Soldaten. Der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, offenbart gerade in einem Tweet die Entgleisung der Vernunft. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Gerade macht die Nachricht die Runde, dass Nordkorea Soldaten nach Russland im Kampf gegen die Ukraine geschickt haben soll. Sollte das stimmen, nimmt die Eskalation ihren weiteren Verlauf. Doch von Besinnung aufseiten transatlantischer Eliten ist keine Spur vorhanden.

Wolfgang Ischinger, beherzter Transatlantiker und Ex-Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, hat sich die Tage wie folgt in einem Tweet auf der Plattform X zu Wort gemeldet:

„Das ungeheuerliche ist doch, dass Russland offenbar Soldaten dritter Länder an die Front schicken darf – der Ukraine und ihren Unterstützern wird hingegen mit Eskalation/Nuklearkrieg gedroht, wenn westliche Truppen in die Ukraine geschickt werden würden. Finde den Fehler.“

Mit anderen Worten: In Anbetracht eines möglichen Einsatzes von nordkoreanischen Soldaten in der Ukraine empfindet es Ischinger als „ungeheuerlich“, dass keine Soldaten der NATO in die Ukraine geschickt werden dürfen. Wie ist diese Auffassung zu bezeichnen? Als Entgleisung der Vernunft? Als totaler Schiffbruch der Diplomatie?

Die Beobachtung zeigt: Es gibt Akteure, die wollen mit aller Härte gegen Russland vorgehen. Sie wollen mit der Gewalt des Krieges die Ukraine vor dem Zugriff Russlands bewahren. Wohin das führt, wird immer deutlicher. Was würde es denn bedeuten, wenn die NATO offiziell Bodentruppen in die Ukraine schickt? Was würde es bedeuten, wenn NATO-Soldaten auf dem Schlachtfeld in der Ukraine gegen russische Soldaten kämpften? Ein politikwissenschaftliches Studium ist nicht vonnöten, um zu erkennen, dass wir dann in einem heißen 3. Weltkrieg wären.

NATO-Bodentruppen in der Ukraine? Das würde sogar bedeuten: Deutsche Soldaten, die auf russische Soldaten schießen.

Begreift Ischinger, was er da schreibt? Wer den ehemaligen Botschafter Deutschlands in den USA, Ischinger, reden hört, kann ihm kaum zugute halten, dass einer wie er ein Brett vorm Kopf hat. Ischinger bewegt sich seit langem auf dem großen Parkett der internationalen Politik. Ein Akteur, der ein Forum wie die Münchner Sicherheitskonferenz leitete, kennt die Politik und weiß, welche Konsequenzen ein Einsatz von NATO-Bodentruppen haben wird. „Ungeheuerlich“ ist alleine schon von daher nicht die Abwesenheit von NATO-Bodentruppen; „ungeheuerlich“ ist Ischingers Aussage.

Und „ungeheuerlich“ ist, dass die Grundhaltung, auf der diese Aussage baut, mit Sicherheit im Kreise transatlantischer Eliten weiter verbreitet ist, als es der Welt lieb sein kann. Der sich immer weiter zuspitzende Konflikt zwischen NATO und Russland kommt nicht von ungefähr. Frieden, das wird immer offensichtlicher, ist nicht gewollt. Mit zunehmender Geschwindigkeit rasen die Züge des Krieges aufeinander zu.

Ischingers Aussage beleidigt geradezu die Intelligenz. Wer war denn zuerst auf dem Boden in der Ukraine? Soldaten aus Nordkorea? Oder die CIA (siehe dazu hier oder hier)? Aber auch: Wie sieht es wirklich mit der Anwesenheit von NATO-Soldaten aus? Markus Reisner, Oberst des österreichischen Bundesheeres, hat dazu etwas sehr Erhellendes gesagt. Bei einer Podiumsdiskussion der „Diplomatischen Akademie Wien“ fragte ein Zuhörer, wie viele NATO-Soldaten es „eigentlich jetzt schon in der Ukraine“ gibt. Es ging dabei um Waffen- und Panzerlieferungen der NATO-Länder und die weitere Frage, wer diese Waffen bedient. Dazu sagte Reisner nüchtern:

Sie brauchen keine NATO-Soldaten in die Ukraine schicken. Ich ziehe meine Uniform aus, unterschreibe einen Vertrag und gehe in die Ukraine. Ich bin kein Angehöriger der österreichischen Streitkräfte mehr, sondern Vertragsbediensteter. Das ist die Lösung, die wir sehen. Was man daraus schließen kann ist, dass sich eine hohe Zahl ausländischer Söldner in der Ukraine befindet. Aber nicht von NATO-Soldaten.“

Zum Vorschein kommt das dreckige Spiel der Tiefenpolitik. Die Ebenen des Formalen und des Faktischen überlagern sich. Formal befinden sich noch keine NATO-Soldaten in der Ukraine. Faktisch sind aber ausländische Söldner dort. Und nach den Worten Reisners ist anzunehmen, dass dazu auch „ehemalige“ NATO-Soldaten gehören. Eine mögliche tiefenpolitische Steuerung ist nicht so einfach von der Hand zu weisen.

Ischinger, davon kann ausgegangen werden, muss auch jene Ebene „des Spiels“ kennen, die Oberst Reisner schildert. Was also soll diese Empörung im Tweet Ischingers?

Titelbild: Fly Of Swallow Studio / Shutterstock

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