Hans-Böckler-Stiftung: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Vertretungsmöglichkeit macht Schutz vor Diskriminierung systematischer

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Opfern von Diskriminierung im Arbeitsleben kann systematischer und effektiver geholfen werden, wenn sie das Recht haben, sich von sachkundigen und erfahrenen Institutionen unterstützen und vertreten zu lassen. Das zeigen Erfahrungen aus Ländern mit entsprechenden gesetzlichen Regelungen, etwa Großbritannien und den USA. Ein Klagerecht für Betriebsräte und Gewerkschaften, wie es das geplante Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorsieht, trägt diesen Erfahrungen Rechnungen. Darauf weist Prof. Dr. Heide Pfarr hin, Arbeitsrechtlerin und Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.

“Tragen allein die Diskriminierten individuell die Last und das Risiko einer Auseinandersetzung, werden Diskriminierungen eher zufällig bekämpft”, sagt die Rechtswissenschaftlerin. “Viel hängt vom langen Atem und der Konfliktbereitschaft der Betroffenen ab.” Das habe bei Diskriminierungsklagen in Deutschland zu teilweise widersinnig anmutenden Phänomenen geführt: “Mehr als die Hälfte der Klagen, die sich gegen Diskriminierung wegen des Geschlechts richten, stammen von Männern. Dabei ist bei allen Fachleuten unstrittig, dass Frauen die diskriminierte Gruppe sind”, so Professor Dr. Pfarr. “Wenn sich hingegen Institutionen mit Überblick und den nötigen Ressourcen der Fälle annehmen können, dann besteht die Chance, dass auch versteckte und strukturelle Diskriminierungen bekämpft werden können.”

Eine “Klageflut” ist nach Analyse der Expertin aber nicht zu erwarten. “Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.” Hintergrund: Bereits seit 1980 sieht das Bürgerliche Gesetzbuch Schadenersatzansprüche vor, wenn Frauen oder Männer im Arbeitsleben diskriminiert werden. Eine Datenbank-Recherche der Hans-Böckler-Stiftung ergab, dass in den 25 Jahren bis 2005 lediglich 112 Prozesse in diesem Zusammenhang geführt wurden.

Auch die von Wirtschaftsvertreten kritisierte angebliche “Beweislastverschiebung” ist bei den Bestimmungen gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung seit einem Vierteljahrhundert geltendes Recht. Wenn beispielsweise eine Bewerberin um einen Arbeitsplatz “Tatsachen glaubhaft macht, die eine Diskriminierung vermuten lassen”, muss der Arbeitgeber beweisen, dass es für seine Entscheidung sachliche Gründe gab. “Dass bloße Behauptungen zur Beweislastumkehr führen und Arbeitgeber damit abkassiert werden können, ist durch die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte in den letzten 25 Jahren widerlegt worden”, betont die Rechtswissenschaftlerin Pfarr. “Wieso sollten die Gerichte nicht auch künftig vernünftig und praktikabel entscheiden?”