Alternative zu WTO und Weltbank? China und Länder des „Globalen Südens“ initiieren neues Forum für internationale Streitbeilegung

Alternative zu WTO und Weltbank? China und Länder des „Globalen Südens“ initiieren neues Forum für internationale Streitbeilegung

Alternative zu WTO und Weltbank? China und Länder des „Globalen Südens“ initiieren neues Forum für internationale Streitbeilegung

Ein Artikel von amerika21

Mehr als 30 Länder haben eine Konvention zur Gründung einer globalen Organisation zur Beilegung von Streitigkeiten auf der Grundlage von Mediation (IOMed) in Hongkong unterzeichnet. Der chinesische Außenminister Wang Yi sagte bei der Zeremonie am 30. Mai, die Gründung der IOMed werde dazu beitragen, „den Rahmen des Gewinnens oder Verlierens zu überwinden, die gütliche Beilegung internationaler Streitigkeiten zu fördern und harmonischere internationale Beziehungen aufzubauen“. Von Marta Andujo und Vilma Guzmán.

Unter den Gründungsnationen haben aus Lateinamerika und der Karibik Dominica, Jamaika, Kuba, Nicaragua und Venezuela das Dokument unterzeichnet.

Bei der Versammlung waren Europa und Ozeanien durch Weißrussland, Serbien, Vanuatu und Nauru vertreten. Das afrikanische Engagement für die Organisation zeigte sich stärker. Algerien, Mauretanien, Sudan, Benin, Kamerun, die Republik Kongo, Dschibuti, Äquatorialguinea, Äthiopien, Gabun, Guinea-Bissau, Kenia, Uganda und Simbabwe waren unter den Erstunterzeichnern. Wenig später beschloss Nigeria den Beitritt.

Die asiatischen Länder sind China, Kambodscha, Laos, Indonesien, Osttimor, Pakistan, Kiribati, Papua-Neuguinea und die Salomonen.

Die Regeln des Übereinkommens legen nahe, dass dem IOMed ein ähnlicher Status in den globalen Beziehungen wie dem Internationalen Gerichtshof oder einschlägigen Mechanismen bei der Weltbank und der Welthandelsorganisation (WTO) zukommen soll.

Die Webseite der IOMed verzeichnet bei der Gründungsversammlung rund 400 hochrangige Vertreter aus 85 Ländern Asiens, Afrikas, Lateinamerikas und Europas. Fast 20 internationale Organisationen haben demnach an der Veranstaltung teilgenommen.

Der pakistanische Vize-Premier und Außenminister Mohammad Ishaq Dar, der simbabwische Minister für auswärtige Angelegenheiten und internationalen Handel, Amon Murwira, die Generalstaatsanwältin von Nicaragua, Wendy Carolina Morales Urbina, der serbische Justizminister Nenad Vujić, der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis und der Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen, Li Junhua, hielten Reden.

Nach den Statuten werden Mediationsdienste für drei Arten von internationalen Streitigkeiten angeboten, die im gegenseitigen Einvernehmen eingereicht werden müssen: zwischen Staaten, Handels- oder Investor-Staat-Streitigkeiten und solche, die sich aus internationalen Handelsbeziehungen zwischen privaten Parteien ergeben.

Dabei werden als die wichtigsten Grundsätze der Mediationsverfahren die Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität, die Gleichheit, die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten, das Bekenntnis zur internationalen Rechtsstaatlichkeit, Treu und Glauben und die Autonomie der Parteien genannt.

Venezuela, das seit Jahren von einseitigen Zwangsmaßnahmen durch die USA mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen betroffen ist, teilte seinen Beitritt durch ein Kommunique des Außenministeriums mit. Darin wird das Gremium als „mächtiges multilaterales Instrument“ bezeichnet, „das einen Wendepunkt beim Aufbau einer neuen gerechten, friedlichen, multizentrischen und pluripolaren Weltordnung markiert“.

Die Initiative unterstütze die Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und sei „eine Bastion gegen diejenigen, die versuchen, den Multilateralismus zu untergraben und die legitimen Räume für den Dialog zwischen den Nationen zu schwächen“. China trage mit seiner Förderung der Organisation „zur Stärkung des Globalen Südens als Block mit eigener Stimme und gemeinsamer Agenda in der Weltpolitik“ bei.

Venezuela hatte sich wegen der US-Sanktionen bereits an die Welthandelsorganisation gewendet. Alle WTO-Mitglieder haben sich darauf geeinigt, den Streitbeilegungsmechanismus der Organisation zu nutzen, anstatt einseitig vorzugehen. Seit 2019 ist dieser jedoch lahmgelegt, da die USA alle notwendigen neuen Ernennungen von Richtern für das Berufungsgremium abgelehnt haben, sodass keine endgültigen Entscheidungen getroffen werden können. Dies hat seitdem die Wirksamkeit der WTO erheblich beeinträchtigt.

Große Unternehmen wenden sich bei Streitigkeiten mit Staaten am häufigsten an das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) der Weltbankgruppe, sowie auch an die Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS). Letztere führte bereits viel beachtete Verfahren mit Bezug zu Lateinamerika. In diesen Fällen machten große US-Konzerne etwa gegen Ecuador, Venezuela und Uruguay Ansprüche in Größenordnungen geltend, die deren Haushalte erschütterten. Bolivien ist 2007 aus dem ICSID ausgetreten, Ecuador 2010, Venezuela 2014, Honduras 2024.

Diese Strukturen gelten aus kritischer Sicht als Ausdruck eines „postkolonialen Settings“ der früheren Beziehungen zu Entwicklungsländern. Die Kolonialmacht sei hier nicht mehr ein Staat, sondern vielmehr das Kapitalinteresse, das den Staaten gegenübersteht.

Die Global Times, englischsprachige Zeitung der KP Chinas, schrieb über die Bedeutung der neuen internationalen Streitbeilegung: „Im bestehenden internationalen Rechtssystem sehen sich die Entwicklungsländer häufig mit Schwierigkeiten konfrontiert, wie mangelnder Mitsprache, unzureichender Anwendbarkeit der Regeln und hohen Kosten“. Einige große Länder hätten sich „daran gewöhnt, internationale Streitigkeiten durch einseitige Sanktionen zu lösen“. Dies führe jedoch nicht nur nicht zur Lösung von Problemen, sondern zu weiteren Widersprüchen.

Der Ansatz, der international seine Resonanz erfahren hat, enthalte „die Weisheit der ‘harmonischen Koexistenz’“ und habe „einen neuen Weg für den Umgang mit internationalen Streitigkeiten mit großen kulturellen Unterschieden und hoher politischer Sensibilität eröffnet“.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.

Titelbild: IOM