Miserables Weihnachtsgeschäft – wo bleibt die wirtschaftspolitische Verantwortung der Regierung Merz?

Miserables Weihnachtsgeschäft – wo bleibt die wirtschaftspolitische Verantwortung der Regierung Merz?

Miserables Weihnachtsgeschäft – wo bleibt die wirtschaftspolitische Verantwortung der Regierung Merz?

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Seit Monaten ist klar: Die Konjunktur läuft schlecht. Es geschieht aber von Seiten der Bundesregierung nahezu nichts, um diese Lage zu verbessern. Die immer wieder forcierte Diskussion um Russlands Gelder im Westen hilft jedenfalls nicht, um die Konjunktur anzuschieben. In dieser Situation wäre es wichtig, in öffentliche Infrastrukturprojekte zu investieren und durch passende öffentliche Äußerungen den privaten Konsum und die privaten Investitionen zu ermuntern. Nichts geschieht. – Auch die Verlage leiden unter der schlechten Konjunktur. Weil wir uns nicht alleine beim Jammern über die Lage aufhalten wollen, folgt ein konkreter Vorschlag für ein Weihnachtsgeschenk – sozusagen unser kleiner Beitrag zur Konjunkturbelebung. Albrecht Müller.

„Frieden ist Arbeit, wirkliche Arbeit“

Der Gesprächsband „Krieg oder Frieden – Deutschland vor der Entscheidung“ dokumentiert ein Gespräch zwischen von Klaus von Dohnanyi, ehemaliger Bürgermeister von Hamburg und Politiker in der SPD, und Erich Vad, Brigadegeneral a.D. und ehemaliger militärpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, über deutsche Geschichte, ihre persönlichen Erfahrungen mit Krieg und Frieden, sowie über die dringend nötige Neuausrichtung von Deutschlands Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wir veröffentlichen hier einen Auszug aus dem Buch.

Klaus von Dohnanyi: Die SPD hatte immer zwei Wurzeln, nämlich die Sozialpolitik und die Friedenspolitik. Und heute haben wir die Friedenspolitik einfach abgehackt. Die Friedenspolitik ist politisch in der SPD nicht mehr da. Wie hat sich die Partei seit Willy Brandt verändert! Ab und zu gibt es Mitglieder der SPD, die versuchen, die Friedenspolitik wieder voranzubringen, aber sie kommt nicht wirklich voran. Es gab ein Manifest vor dem letzten Parteitag, das offenbar völlig weggestimmt wurde, also gar nicht bedeutsam und politisch wirksam geworden ist. Es gibt keine diesbezügliche Debatte in meiner Partei. Ich bin 1957 in die SPD eingetreten, Mitglied geworden.

Erich Vad: … als ich geboren wurde.

Klaus von Dohnanyi: Warum bin ich in die SPD eingetreten? Weil Adenauer eine absolute Mehrheit gewonnen hatte. Ich hatte immer das Gefühl – aus meiner Erziehung heraus, auch aus meiner Erfahrung heraus – dass Frieden und die Herstellung von Frieden Arbeit ist. Mein Vater hat dafür sein Leben riskiert und letztlich gegeben. Frieden ist Arbeit, wirkliche Arbeit. Frieden fällt nicht vom Himmel. Frieden wird uns nicht geschenkt. Frieden ist kein Geschenk des lieben Gottes. Frieden ist ein Produkt von sorgfältiger politischer Arbeit. Das hat mich auch Willy Brandt gelehrt, seitdem ich mit ihm gearbeitet habe – seit 1961. Immer war er bewegt und getrieben von dem Gedanken der Aussöhnung, des Friedens und der Verständigung. Ich finde, das war auch ein Rückgriff auf die Geschichte der SPD, das war ein Versuch, diese beiden Wurzeln gleichermaßen zu pflegen, die Sozialpolitik und die Friedenspolitik. Das haben wir verloren. Daran ist auch – das sage ich ungerne – Olaf Scholz Schuld. Er war in der Ampel-Koalition der Bundeskanzler. Er hätte in ganz anderer Weise wenigstens an diese Friedenspolitik erinnern können, die ja auch ohne Russland nicht gemacht werden konnte. Und dann hätte Scholz sagen müssen, wir können dies und jenes nicht tun aus Kenntnis russischer Sicherheitsinteressen, zum Beispiel die Ukraine in die NATO aufnehmen. Wir müssen immer am Frieden arbeiten! Und das ist nicht von Scholz gekommen.

Erich Vad: Er war immer noch eine moderate Stimme, eine mäßigende.

Klaus von Dohnanyi: Aber nur eine aufhaltende Stimme, keine strategische. Er hätte ja damals leicht sagen können, Russland ist heute nicht das, was wir uns gewünscht haben, aber – füge ich jetzt hinzu – das war es auch nicht unter Leonid Breschnew, und trotzdem hat Brandt mit Breschnew gesprochen und verhandelt.

Erich Vad: Und wir hatten auch unseren Anteil daran. Ronald Reagen hat die Sowjetunion mal als das »Land des Bösen« bezeichnet, aber er war auch 1985 derjenige, der sich mit Michail Gorbatschow in Genf getroffen und Frieden geschlossen hat.

Klaus von Dohnanyi: Natürlich. Übrigens war auch Margaret Thatcher von Gorbatschow sehr beeindruckt. Aber jetzt füge ich hinzu: Auch Gorbatschow war das Ergebnis brandtscher Entspannungspolitik: Wenn wir nämlich nicht Vertrauen geschaffen hätten auf der Ebene von Breschnew und seinen Nachfolgern, dann wäre Gorbatschow nie der Nachfolger von Breschnew geworden. Das heißt, wir haben natürlich auch zur Innenpolitik in Russland beigetragen durch diese vertrauensbildenden Maßnahmen, die wir versucht haben. Ich erinnere an die strategische Formulierung von Willy Brandt und Egon Bahr »Wandel durch Annäherung«. Ich will nicht behaupten, dass die Wiedervereinigung Deutschlands und Europas allein die Frucht der Politik von Willy Brandt war. Aber sie ist auch von der Politik Willy Brandts mit herbeigeführt worden, weil wir versucht haben, auf sowjetischer Seite eine Vertrauenssituation herzustellen, die auf der anderen Seite eine innere Veränderung möglich machen würde. Und ich sage, bei Putin schaffen wir gegenwärtig ja nur die Situation, dass seine Nachfolger härter sein werden als er. Ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass das, was auf Putin folgt, viel härter sein wird als Putin selbst, der ja wenigstens noch die deutsche Sprache spricht und sich als Europäer fühlt. Ich habe in diesen Tagen gerade in Vorbereitung unseres Gesprächs noch einmal die Rede von Putin aus dem Jahr 2001 im Deutschen Bundestag nachgelesen, sorgfältig nachgelesen. Das ist, wenn Sie so wollen, ein einziger Schrei nach Zusammenarbeit.

Transparenzhinweis: Unsere Redakteurin Maike Gosch hat das Gespräch im Juli 2025 moderiert.

Klaus von Dohnanyi, Erich Vad: Krieg oder Frieden – Deutschland vor der Entscheidung. Neu-Isenburg 2025, Westend Verlag, gebundene Ausgabe, 144 Seiten, ISBN 978-3-98791-336-5, 20 Euro, 18. August 2025. Erhältlich im Buchhandel oder online.

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