Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. IMK: Positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat Ungleichheit bei Einkommen kaum korrigiert
  2. Staatlicher Ausgleich fehlt
  3. Warum es so schwer zu verstehen ist, dass in einer Währungsunion die Reallöhne immer der Produktivität folgen müssen
  4. Was machen Sie da eigentlich, Herr Rehn?
  5. Solidarisch mit Blockupy
  6. Was sich Europa nicht leisten kann: Politiker wie Alexander Graf Lambsdorff
  7. Wachstumsrhetorik und Lohn-Dumping – Die deutsch-französische Initiative
  8. DIW: Höhere „Reichensteuern“: Möglichkeiten und Grenzen
  9. Erfolgsfall Lettland?
  10. Austerity – The History of a Dangerous Idea
  11. Die gefährlichste Wette der Wall Street kehrt zurück
  12. Widersprüche gegen Entscheidungen von SGB-II-Behörden
  13. Mindestlohn läuft dem Sozialstaatsprinzip zuwider
  14. Stuttgart 21: Fatal schiefgelaufen
  15. SPD will Eigenständigkeit des Kultur- und Mediensektors bei Verhandlungen zu transatlantischem Handelsabkommen stärken
  16. Rankings der Wettbewerbsfähigkeit: Lobbyismus in Nadelstreif und Sportgewand
  17. Die blamable Demokratie
  18. Air Merkel
  19. Stephan Hebel – Wahlkampf ohne Sinn
  20. Kleber vergleicht “Tagesschau” mit Nordkorea

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. IMK: Positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat Ungleichheit bei Einkommen kaum korrigiert
    Die Ungleichheit der Einkommen ist seit 2005 nicht weiter angestiegen, besagen einige Statistiken. Angesichts der starken Beschäftigungszunahme wäre dies keine Überraschung, analysiert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung – und kein Indiz dafür, dass sich problematische Verteilungstrends in Deutschland von selber korrigieren. “Es ist zwar erfreulich, wenn sich die Einkommensschere nicht weiter öffnet. Aber damit können wir uns unmöglich zufrieden geben”, sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK. “Denn erstens sind die Daten nicht ganz eindeutig. Daher gibt es Indizien dafür, dass dieser Zustand bestenfalls kurzfristig ist. Und zweitens hat Deutschland in den letzten beiden Jahrzehnten ein Maß an Ungleichheit erreicht, das sowohl sozial als auch wirtschaftlich hoch problematisch ist. Das gilt für die Einkommensverteilung und noch viel stärker bei den Vermögen. Daran ändert die zuletzt etwas ausgewogenere Tendenz wenig.”
    Vor dem Hintergrund der “enorm guten Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt” wäre für die letzten Jahre “ein deutlich sichtbarer Rückgang” bei der Einkommens-Ungleichheit das erwartbare Ergebnis gewesen, konstatieren Ulrike Stein, PhD, und Dr. Kai Daniel Schmid. Die beiden Forscher am IMK haben den neuen Verteilungsmonitor des Instituts aufgebaut. Weil viele Arbeitslose eine bezahlte Beschäftigung gefunden haben, hätten die Einkommensdifferenzen in Deutschland erheblich abnehmen müssen, so die Wissenschaftler. Nach Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), einer von vielen Forschern genutzten, jährlich wiederholten Befragung von rund 12.000 Haushalten, hat die Ungleichheit seit 2005 nicht weiter zugenommen. Der zuletzt beobachtete Rückgang sei statistisch aber nicht signifikant, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung festgestellt.
    Als einen wichtigen Indikator für die Einkommensunterschiede verwendet das IMK, das ebenfalls mit dem SOEP arbeitet, den so genannten Gini-Koeffizienten. Er kann Werte zwischen Null und Eins annehmen, wobei Null für eine vollständig egalitäre Verteilung steht und Eins für maximale Ungleichheit – in diesem Fall entfallen alle Einkommen auf eine Person. In Deutschland ist der Gini-Koeffizient der bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommen von 1992 bis 2005 von 0,25 auf 0,29 gestiegen. Bis zum Jahr 2010 ist er wieder um ein Hundertstel gesunken – gemessen an der Verschiebung der Einkommensrelationen in den 15 Jahren zuvor eine bescheidene Korrektur, so die Verteilungsexperten (siehe auch die Infografik; Link unten).
    Zudem weist das IMK darauf hin, dass ein anderer Trend nicht gebrochen ist: Die Umverteilung durch Sozial- und Steuerpolitik geht zurück. Seit Ende der 1990er-Jahre lässt der soziale Ausgleich nach, “besonders deutlich seit 2003”. Im Jahrzehnt vor der Jahrtausendwende war dies noch anders. Die zunehmende Ungleichheit der Markteinkommen schlug damals dank Umverteilung nicht wesentlich auf die Differenzen der Nettoeinkommen durch (siehe Grafik).
    Dass die Ungleichheit der Markteinkommen hierzulande zwischen 2007 und 2010 nicht weiter zugenommen hat, liegt OECD-Statistiken zufolge auch daran, dass die Summe der Lohneinkommen in den Krisenjahren deutlich stärker gewachsen ist als die der Kapitaleinkünfte. Langfristig, so Stein und Schmid, spreche jedoch einiges für eine Verfestigung der Einkommensungleichheit. So verharrt die Armutsrisikoquote seit Jahren auf einem hohen Niveau und die Tendenz einer sinkenden Lohnquote hält an. Daneben nimmt die Lohnspreizung nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das sich auf die Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit stützt, bei Vollzeitbeschäftigten weiter zu. Zudem ist der Niedriglohnsektor laut Arbeitsagentur von 1999 bis ins Jahr 2010 – mit nur einer einzigen Ausnahme im Krisenjahr 2009 – kontinuierlich gewachsen.
    Quelle 1: Kai Daniel Schmid, Ulrike Stein, Rudolf Zwiener: IMK Verteilungsmonitor, Einkommensverteilung in Deutschland 1991-2010 [PDF – 117 KB]
  2. Staatlicher Ausgleich fehlt

    Bei der Entwicklung der Ungleichheit ist keine nachhaltige Wende in Sicht.
    Quelle: Infografik zum Download im Böckler Impuls 10/2013

  3. Warum es so schwer zu verstehen ist, dass in einer Währungsunion die Reallöhne immer der Produktivität folgen müssen
    Viele argumentieren gegen die von uns hier vertretene Lohnregel (Reallöhne müssen wie die Produktivität steigen), auch in einer Währungsunion müsse es doch möglich sein, eine nationale Lohnpolitik im Sinne der Neoklassik zu betreiben (also durch Lohnzurückhaltung oder anders geartete „Flexibilisierung” des Arbeitsmarktes), wenn die Arbeitslosigkeit in den Ländern der Währungsunion unterschiedlich hoch sei. Wäre das nicht so, sei doch die ganze Idee einer Währungsunion (oder absolut fester Wechselkurse) von vorne herein hinfällig und dann sei nur ein System flexibler Wechselkurse geeignet, eine nationale Beschäftigungspolitik zu erlauben. Das klingt auf den ersten Blick einleuchtend, aber die Dinge sind leider nicht so einfach.
    Quelle: Flassbeck Economics
  4. Was machen Sie da eigentlich, Herr Rehn?
    Disziplin und Sparen: Das Rezept, das der Eurozone seit Beginn der Krise verschrieben wurde, halten viele nicht mehr für richtig. Doch leider können die Wähler nicht mitentscheiden. In dieser Frage haben nach wie vor nicht gewählte Vertreter das Wort, allen voran EU Wirtschafts- und Währungs-Kommissar Olli Rehn. […]
    Der Tenor der Debatte ist sowohl sehr technisch als auch sehr politisch. Im Grunde handelt es sich darum, herauszufinden, um wie viele Punkte das Bruttoinlandsprodukt eines Landes mit jeder Haushaltskürzung sinkt. Das kann sehr kompliziert anmuten, ist es aber eigentlich nicht: Je nach dem Wert des sogenannten Fiskalmultiplikators können Haushaltskürzungen eine Volkswirtschaft retten oder ruinieren […]
    Was können wir dieser Auseinandersetzung entnehmen? Wenn wir davon ausgehen, dass alle Experten in gutem Glauben handeln, und berücksichtigen, dass der Wirtschaftswissenschaft, die keine harte Naturwissenschaft ist wie die Physik oder die Chemie, Grenzen gesetzt sind, kommen wir zwingend zum Schluss, dass es berechtigte Zweifel an der Angemessenheit der von Brüssel (Europäische Kommission, Eurogruppe und Zentralbank) diktierten Politik gibt. […]
    Unsere Verwirrung wird noch größer, wenn wir zusehen, wie die Europäische Kommission und der IWF, die beide zur Troika gehören, in aller Öffentlichkeit immer wieder über die Sparpolitik streiten. Wir haben eine Organisation geschaffen und an deren Spitze nicht demokratisch gewählte technokratische Behörden gestellt, weil wir dachten, dass sie Fachkenntnisse besitzen und wissen, wie das Wirtschaftswachstum gefördert und Arbeitsplätze geschaffen werden können […]
    Rehn ist nicht wirklich ein Technokrat, sondern ein aktiver Politiker (Abgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der finnischen Zentrumspartei von 1988 bis 1994 und dann Abgeordneter der liberalen ELDR im Europäischen Parlament von1995 bis 1998). Der EU-Kommissar promovierte an der Universität Oxford in Politwissenschaften, was sehr löblich ist, ihm allerdings nicht mehr statistische oder empirische Gewissheit über Fiskalmultiplikatoren verschafft, als Sie und ich besitzen.
    Dennoch liegt die Zukunft eines Landes (Spanien) mit mehr als 6 Millionen Arbeitssuchenden und einer Arbeitslosenquote von bald 27 Prozent in seinen Händen.
    Quelle: El Pais via Presseurop
  5. Solidarisch mit Blockupy
    Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht, heißt es in einem Aufruf zur Demo am Samstag. DGB, SPD, Grüne und Linke solidarisieren sich.
    Sozialdemokraten, Grüne, Linke und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) rufen zur Teilnahme an der Solidaritätsdemonstration für Blockupy am Samstag, 8. Juni, auf. Der DGB-Vorsitzende für Frankfurt und Rhein-Main, Harald Fiedler, hat der Blockupy-Bewegung auch angeboten, zu sprechen.
    Die Demo beginnt um 11.30 Uhr auf dem Baseler Platz. Sie folgt der Route, die am vergangenen Samstag geplant war, bevor die Polizei den Zug stoppte. Auf Facebook haben sich unter dem Namen Sündenblock bereits 1200 Unterstützer zur Demonstration bekannt. Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht, heißt es in diesem Aufruf. Die Mitnahme von politischem Regenschutz wie beschrifteten Regenschirmen wird begrüßt.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  6. Was sich Europa nicht leisten kann: Politiker wie Alexander Graf Lambsdorff
    Gerade hat der IWF das Scheitern seiner Krisenpolitik und das der EU-Kommission und der EZB eindrucksvoll unter Beweis gestellt, freilich ohne die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, da meldet sich der Adel aus Brüssel auf Spiegel online zu Wort, womit der Spiegel einmal mehr beweist, dass für ihn nicht der Inhalt, sondern der Name zählt.
    Lambsdorff erweist sich gleich im ersten Absatz als maßloser Zyniker. Er nennt die drastischen Ausgaben- und Lohnkürzungen, die er den Krisenländern mit verordnet hat, “maßvolle Sparpolitik”. Allein dafür sollte man ihn auf die Straße setzen.
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  7. Wachstumsrhetorik und Lohn-Dumping – Die deutsch-französische Initiative
    Wahrgenommen werden Angela Merkel und der französische Staatspräsident seither als die beiden Pole verschiedener Strategien. Die eine will Haushaltskonsolidierung, der andere will Wachstum…
    Die Kernbotschaft des ersten Abschnittes des Konzeptes lautet: »Wir werden aktiv für Wachstum und Beschäftigung.« Gefordert werden eine Jugendbeschäftigungsgarantie, für die 6 Mrd. Euro EU-Mittel bereitgestellt werden sollen, eine Förderung privater Investitionen durch Strukturfondsmittel und die Europäische Investitionsbank und ein »Pakt für Wachstum und Beschäftigung« mit einem Volumen von 120 Mrd. Euro. All das ist längst beschlossen und zudem chancenlos. Es wird nichts nutzen, allen Jugendlichen eine Stelle zu garantieren, wenn mehr als 60% arbeitslos sind und die wirtschaftlichen Perspektiven mau aussehen. Die EU-Mittel sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Bei den Investitionen handelt es sich in vielen Fällen um schlichte buchhalterische Umwidmungen bereits bestehender, wirkungsarmer Mittel und Konzepte.
    Es geht also um schlichte Symbolpolitik…
    Alles in allem bleibt festzuhalten, dass die deutsch-französische Initiative zwar wenig neues auf den Tisch bringt, wohl aber eine Art Interessensausgleich beinhaltet, der beide Regierungen stärken könnte. Die VerliererInnen der Initiative sind die ArbeitnehmerInnen der Eurozone.
    Quelle: Axel Troost
  8. DIW: Höhere „Reichensteuern“: Möglichkeiten und Grenzen
    …Vermögensbezogene Steuern weisen in beiden Ländern ein im internationalen Vergleich weit unterdurchschnittliches Gewicht auf, das gegen den internationalen Trend gesunken ist: Während im Durchschnitt der OECD (EU-15) vermögensbezogene Steuern 2010 1,8 Prozent (1,9 Prozent) des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachten, waren es in Deutschland lediglich 0,8 Prozent und in Österreich gar nur 0,5 Prozent. Dass Deutschland wie Österreich im OECD-Vergleich auf den hinteren Rängen rangieren, ist Ergebnis der Abschaffung beziehungsweise langfristigen Erosion vermögensbezogener Steuern. Eine allgemeine Vermögensteuer wird in Österreich seit 1994 und in Deutschland seit 1997 nicht mehr erhoben. Die Wertpapiersteuer wurde in Deutschland 1965, in Österreich 1995 abgeschafft; die Börsenumsatzsteuer folgte 1991 beziehungsweise 2000. Seit Mitte 2008 werden in Österreich Erbschaften und Schenkungen nicht mehr besteuert. Die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde nach mehreren Anläufen 2009 grundlegend reformiert. Die sehr großzügigen Ausnahmen vor allem für betriebliche Vermögen stellen jedoch die Legitimität und Verfassungskonformität dieser Steuer in Frage und erlauben nur ein moderates Aufkommen. In beiden Ländern speist sich daher inzwischen das Aufkommen an vermögensbezogenen Steuern hauptsächlich aus Grund- und Grunderwerbsteuer, wobei die Grundsteuerbelastung aufgrund von veralteten Einheitswerten gering ist. Dazu erheben beide Länder seit 2011 eine Bankenabgabe.
    Quelle 1: DIW Einleitung
    Quelle 2: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung,1 / 2013, Höhere “Reichensteuern”: Möglichkeiten und Grenzen
  9. Erfolgsfall Lettland?
    Hier einige Indizien. Wir haben den Zeitpunkt vor Ausbruch der Krise (2007) gleich 100 gesetzt, um erkennen zu können, wie “eindrucksvoll” die Austeritätspolitik der lettischen Regierung tatsächlich war.
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft

    Anmerkung WL: Die in Thorsten Hilds Artikel angebotenen Schaubilder sagen mehr als tausend Worte.

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Zudem ist zu bedenken, daß neben Deutschland auch Lettland seit vielen Jahren seine Arbeitsmarktprobleme durch den Export von Arbeitslosigkeit auf Kosten seiner Handelspartner (sprich: durch hohe Außenhandelsüberschüsse) zu lösen versucht. Im Blog Annotazioni heißt es hierzu ergänzend:
    “Von linker Seite wurde dem „Vorbild Lettland“-Argument zumeist entgegnet, dass Lettland als kleines Land sehr stark auf Export setzen könne und sein Wirtschaftsaufschwung vor, aber gerade auch nach der Krise (immerhin wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 5,5 Prozent in 2011 und 5,6 Prozent in 2012) daher auf Kosten anderer Volkswirtschaften erzielt werde. Dieses Argument ist durchaus richtig – übersieht allerdings, dass insbesondere der jüngste Rückgang der Arbeitslosigkeit in Lettland keineswegs auf der exportgetriebenen Erholung der Wirtschaft beruht. Es ist dies zudem eine Erholung, die nach einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um 17,7 Prozent in 2009 ohnehin von einem sehr niedrigen Niveau ausgeht.”
    Die offizielle Arbeitslosenquote Lettlands hat sich in den Jahren 2011 und 2012 zwar reduziert, befindet sich jedoch noch immer deutlich oberhalb des Niveaus der Vorkrisenzeit (2007). Als eigentlichen Grund für den Rückgang der offiziell ausgewiesenen lettischen Arbeitslosigkeit in den Jahren 2011 und 2012 verweist der Blog Annotazioni auf die dortige Auswanderungswelle:
    “Tatsächlich lässt sich mittlerweile kaum mehr leugnen, dass nicht Wachstum, Exportorientierung und wirtschaftlicher Aufschwung, sondern die massenhafte Auswanderung von Arbeitskräften die Arbeitslosenzahlen in Lettland nach unten drückten. Lettland hatte 2012 insgesamt 340.000 Einwohner weniger als im Jahr 2000. Bei einer Bevölkerungszahl von knapp 2,4 Mio. Menschen in 2000 und etwas mehr als 2 Mio. in 2012 entspricht dies einem Rückgang der Bevölkerung um 14,2 Prozent (alle Zahlen: Eurostat). Das Gros dessen erfolgte nach 2009, also nach Beginn der Krise und der Austeritäts- und Kürzungspolitik.”

  10. Austerity – The History of a Dangerous Idea
    Governments today in both Europe and the United States have succeeded in casting government spending as reckless wastefulness that has made the economy worse. In contrast, they have advanced a policy of draconian budget cuts – austerity – to solve the financial crisis. We are told that we have all lived beyond our means and now need to tighten our belts. This view conveniently forgets where all that debt came from. Not from an orgy of government spending, but as the direct result of bailing out, recapitalizing, and adding liquidity to the broken banking system. Watch Professor Mark Blyth disucss the main themes of his latest book at Google Talks: Austerity – The History of a Dangerous Idea
    Quelle: Social Europe Journal
  11. Die gefährlichste Wette der Wall Street kehrt zurück
    Die Wall Street hat wieder Lust auf ein Risikoinvestment, das maßgeblich zur massiven Finanzkrise vor fünf Jahren beigetragen hat: den synthetischen CDO. Angesichts der mauen Zinsen, die mit anderen Finanzprodukten zu erwirtschaften sind, suchen renditehungrige Investoren nun nach Risiken. J.P. Morgan Chase und Morgan Stanley wollen in London das Geschäft mit den sogenannten synthetischen Collateralized Debt Obligations wieder aufleben lassen.
    Quelle: Wall Street Journal
  12. Widersprüche gegen Entscheidungen von SGB-II-Behörden
    Im Oktober 2012 lagen den Jobcentern circa 186.000 Widersprüche gegen Entscheidungen von SGB-II-Behörden vor. Zu selben Zeit wurde ein Bestand von ungefähr 202.000 Klagen aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende ermittelt. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/13449) auf eine Kleine Anfrage (17/13232) der Fraktion Die Linke. Daraus geht auch hervor, dass 53 Prozent der im Oktober 2012 abschließend bearbeiteten Widersprüche zurückgewiesen und zehn Prozent der Klagen abgewiesen wurden.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  13. Mindestlohn läuft dem Sozialstaatsprinzip zuwider
    Was in der Debatte um den Mindestlohn übersehen wird: Mit dem Grundgesetz ist er schwer vereinbar, weil er dem Sozialstaatsprinzip widerspricht. Wie soll man einem Arbeitnehmer erklären, dass er seinen Job verliert, weil der Arbeitgeber keine 8,50 Euro in der Stunde bezahlen kann. Der Staat darf die Sicherung menschenwürdiger Existenzen nicht auf die Unternehmer abwälzen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers O.L.: Wenn der Verfasser meint, Arbeitnehmer seien dem Lohndumping nicht schutzlos ausgeliefert, weil es gebe ja das Verbot des Lohnwuchers und Gewerkschaften, die für einen angemessenen Lohn eintreten würden, so ist das realitätsfremd und nicht geeignet, einer Verfassungswidrigkeit des Mindestlohns das Wort zu reden. Der Lohnwucher wird angesichts der allenthalben niedrigen Löhne selten in praxi nicht vorkommen. Und die Gewerkschaften? Sie können den Beschäftigten schon deshalb nicht helfen, weil im Niedriglohnbereich der entsprechende Organisationsgrad sehr dürftig ausfallen wird. Wenn der Verfasser zudem meint, das Sozialstaatsprinzip richte sich nur an den Staat, so verkennt er, dass der Grundrechtekanon auch auf privatrechtliche Beziehungen mittelbar im Wege der Auslegung durchschlagen kann. Freilich ist die Privatautonomie und die daraus resultierende Vertragsfreiheit ein sehr hohes Rechtsgut, allerdings gilt sie nicht absolut. Im Gegenteil: Man denke nur an die Regelungen im Bürgerlichen Recht oder Arbeitsrecht, wo mitunter im Interesse des gegenseitigen Ausgleichs die Privatautonomie Rechte der einzelnen Vertragspartner mehr oder weniger beschnitten oder zumindest begradigt werden. Kurzum: Jedes juristische Argument kann je nach Interessenlage, Parteipräferenz und Staatsauffassung unterschiedlich betrachtet werden. Der hiesige Versuch aber, den Mindestlohn mit dem Verfassungsrecht zu attackieren, reiht sich unverhohlen in die neoliberale Phalanx derer ein, die einig im Chor rufen: „Der Markt wird’s schon richten!“

  14. Stuttgart 21: Fatal schiefgelaufen
    Mit großem Eifer feiert die SPD ihre 150-jährige Geschichte. Edzard Reuter (85) hat sie ein Leben lang begleitet. Ein Fazit lautet: Altbackene Traditionen wie der blinde Glaube an den Fortschritt, siehe Stuttgart 21, dürfen ihren Weg nicht mehr bestimmen. Sein Grußwort überschreibt er selbst mit “Verspätete Gedanken”.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  15. SPD will Eigenständigkeit des Kultur- und Mediensektors bei Verhandlungen zu transatlantischem Handelsabkommen stärken
    Die SPD begrüßt die Einrichtung eines Handelsabkommens zwischen den USA, der EU und den europäischen Mitgliedstaaten. Audiovisuelle und kulturelle Dienstleistungen sollen dabei jedoch ausgenommen werden. In einem Antrag (17/13732) begründen die Abgeordneten dies damit, dass diese Dienstleistungen nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Kulturgüter seien, die die Identität eines jeden einzelnen Mitgliedstaates widerspiegeln würden. Die Sozialdemokraten kritisieren, dass sich der bisherige Mandatsentwurf allein auf die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) stütze. Dabei würde nicht berücksichtigt werden, dass mit der Unterzeichnung des UNESCO-Abkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen bereits entsprechende Verpflichtungen eingegangen worden seien. Es bestünde daher die Gefahr, dass Verpflichtungen aus beiden Verträgen miteinander kollidieren würden und dass der europäische Konsens, Kulturgüter nicht allein der Macht des Marktes zu überlassen, nicht ausreichend berücksichtigt werden würde.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  16. Rankings der Wettbewerbsfähigkeit: Lobbyismus in Nadelstreif und Sportgewand
    Jedes Jahr machen Wettbewerbs-Rankings Schlagzeilen und lösen politische Debatten um die Sicherung des Standortes aus. Der seriöse Nadelstreif der Organisationen, die Rankings durchführen, gemeinsam mit dem sportlichen Gewand der Länderlisten täuschen allzu leicht darüber hinweg, dass sie mehr von Willkür als von wissenschaftlicher Seriosität geprägt sind.
    Die Rankings basieren auf willkürlichen Annahmen, einer intransparenten Auswahl sowie Gewichtung der Maßzahlen, und mangelhafter statistischer Methodologie. Dennoch spielen sie in der politischen Debatte immer wieder eine Rolle. So führen die politischen Wunschlisten von ManagerInnen und statistische Fehlanalysen zu politischen Argumenten gegen Sozialpartnerschaft und das Sozialsystem. Was stattdessen benötigt wird, ist eine sachliche Debatte über die Ziele der Wirtschaftpolitik, eine Abwägung von Zielkonflikten, und eine kritische Analyse von empirisch sauber erhobenen Fakten zu den jeweiligen Fragen.
    Quelle: Arbeit & Wirtschaft
  17. Die blamable Demokratie
    Wenn sich Ausschüsse, Konferenzen oder Parteitage nicht einigen können, spricht der Journalismus häufig unbedacht von einer Blamage. Das ist jedoch nicht weniger als die Sprache der Postdemokratie.
    Zuletzt sprachen einige Radio- und Fernsehanstalten von einer Blamage für die europäischen Außenminister, weil sie keine Einigung im Hinblick auf das Waffenembargo gegen Syrien erzielen konnten. Und schon vor vielen Jahren schrieb die taz mal, dass sich die Linke blamiert hätte, weil es ihr nicht gelänge, die Positionen von WASG und PDS zu vereinigen. Der Spiegel schreibt indes regelmäßig zu SPD-Parteitagen, dass sich diese Partei nachhaltig blamiere, weil sie die Forderungen des linken Flügels nicht mit den Seeheimern zu einer Einheit verschmelze, sprich: mundtot macht.
    „Keine Einigung gleich Blamage“ ist eine journalistische Formel und Schlussfolgerung, die das Wesen eines demokratischen Diskurses nicht erfasst hat. Sie ist ein sensationslüsterner Ausspruch, der das demokratische Gepräge hinter sich gelassen hat, der also nach-, der postdemokratisch greift.
    Quelle: Neues Deutschland
  18. Air Merkel
    Als Bundeskanzlerin darf Angela Merkel auf Kosten des Steuerzahlers mit dem Regierungsflieger abheben. Geht sie als CDU-Vorsitzende in die Luft, um etwa im Stuttgarter OB-Wahlkampf ihren Kandidaten Sebastian Turner zu unterstützen, muss ihre Partei den Trip bezahlen. Tut sie aber nicht. Für Kritiker ein Fall von illegaler Parteienfinanzierung.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  19. Stephan Hebel – Wahlkampf ohne Sinn
    Merkels “Wahlgeschenke” sind nicht nur teuer und unglaubwürdig, wie die Opposition nun klagt. Sie sind auch ungerecht. Fragt sich nur, warum SPD und Grüne das nicht lauter sagen. […]
    ie CDU-Vorsitzende möchte Kindergeld und steuerlichen Kinderfreibetrag gleichermaßen erhöhen. Das heißt: Wer gut verdient, profitiert über seine Steuererklärung mindestens so stark wie der geringer verdienende Empfänger von Kindergeld, eher stärker. Die SPD dagegen konzentriert die eingesetzten Mittel ganz auf das Kindergeld. Mit anderen Worten: Sie hat sich für genau jene Umverteilung von oben nach unten entschieden, also für die Schaffung von etwas mehr Gerechtigkeit, die Union und FDP verweigern.
    Warum prangern SPD und Grüne nicht oder nur im Vorübergehen die soziale Schieflage an, die bei Merkel selbst dort noch herrscht, wo sie Sozialleistungen verspricht?
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  20. Kleber vergleicht “Tagesschau” mit Nordkorea
    Nachdem Claus Kleber die “Tagesschau” bereits in der Zeit als “gerade überlebt” kritisiert hatte, legt der “heute-journal”-Anchor jetzt nach: “Aber ich sage auch, das trockene Nachrichtenablesen gibt es heutzutage nur noch um 20 Uhr und im koreanischen Fernsehen”, sagte Kleber bei einer Veranstaltung der Kreissparkasse Waiblingen. Auch Sat.1-News-Anchor Marc Bator kritisiert das Konzept seines ehemaligen Arbeitgebers “Tagesschau”. Manche Meldungen seien schlicht unverständlich.
    Quelle: Meedia

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Es soll in diesen Anmerkungen nicht um die Frage gehen, ob die Aufmachung der “Tagesschau” noch zeitgemäß ist, sondern um die Art der Kritik des “heute-journal”-Sprechers Claus Kleber am Nachrichtenformat des Konkurrenzsenders. Für die Qualität einer Nachrichtensendung sollte es entscheidend sein, die Fernsehzuschauer möglichst sachgerecht und objektiv zu informieren. Erst nachgelagert dürfte es eine Rolle spielen, die Nachrichtensendung in einem ansprechenden Rahmen zu präsentieren. Ob bei der “Tagesschau” bzw. den “Tagesthemen” das Hauptkriterium – die möglichst sachgerechte und objektive Information – erfüllt ist, sei dahin gestellt. Zahlreiche Moderationen etwa des bisherigen “Tagesthemen”-Sprechers Tom Buhrow lassen diesbezüglich eher Zweifel aufkommen. Was nun jedoch die Moderationen des “heute-journal”-Sprechers Claus Kleber anbelangt, so sind diese ein recht eindeutiger Beleg dafür, daß selbst das ansprechendste Styling einer Nachrichtensendung inhaltliche Defizite nicht wettmachen kann. Denn das smarte Auftreten Klebers kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieser sich häufig als Propagandist zu Gunsten des schwarz-gelben Lagers bzw. der neoliberalen Ideologen betätigt. Beispiele hierfür lassen sich über die Suchfunktion der NachDenkSeiten finden. Claus Kleber sollte daher achtgeben, daß der von ihm gezogene Nordkorea-Vergleich nicht auf ihn selbst zurückfällt. Im übrigen zeigt auch der Veranstaltungsrahmen, in dem er seine Äußerung getätigt hat (eine Sparkassen-Veranstaltung), welchen Interessen Claus Kleber sich vor allem verpflichtet fühlt: den Interessen der wirtschaftsnahen Institutionen.

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