Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Gaucks Rede auf der MSC
  2. Putin-Berater ruft zur Niederschlagung der ukrainischen Proteste auf
  3. Dirk Hirschel – Die dürren Jahre sind vorbei
  4. Orwell 2.0
  5. Wirtschaftsmacht Deutschland: Studie entzaubert Hartz-Mythos
  6. Selbstanzeige: Alice Schwarzer beichtet Schweizer Steuergeheimnis
  7. Kurswechsel der US-Notenbank und die Schwellenländer
  8. Steigender Wohlstand für wen?
  9. Arbeitslosigkeit sinkt – aber bemerkenswert ist nur die Ideologie der Bundesagentur
  10. »Armutsimport«: Wer betrügt hier wen?
  11. Schavan soll deutsche Botschafterin im Vatikan werden
  12. ADAC in der Krise – Akt der Selbstzerstörung
  13. Paul Krugman – Über die Nöte der Türkei
  14. SPD-Politiker für »progressiv-linkes Reformbündnis«
  15. George Lakoff: ‘Conservatives don’t follow the polls, they want to change them … Liberals do everything wrong’
  16. Durch die Nacht mit Günter Wallraff und Daniel Domscheit-Berg
  17. Willy Brandt und die Sozialdemokratie
  18. Warnung vor einer “Kristallnacht” für die reichen 1 Prozent

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Gaucks Rede auf der MSC
    1. Gauck predigt gegen “Drückebergerei”
      Der Bundespräsident ermuntert Deutschland, Weltmachtpolitik zu betreiben
      Die Kanzel war geschickt gewählt: Vor globaler Politikprominenz sprach Joachim Gauck zur Eröffnung des “wehrkundlichen” Events in München, und er nutzte die Gelegenheit, um seine Richtlinien für eine deutsche Geopolitik zu verkünden, die militärischen Einsatz nicht scheuen soll.
      “Endlich spricht er Tacheles”, kommentierte in der “Welt” Michael Stürmer, der als Historiker und Politikberater immer zur Stelle ist, wenn es deutsches Selbstbewusstsein zu kräftigen gilt. (…)
      Es leuchtet ein, dass da gelegentlich militärisch nachgeholfen werden muss, denn mitunter gibt es Territorien auf der Welt, in denen die Befürchtung aufkommt, bei solchem Handel und Tausch könnten sich dann Gewinner und Verlierer herausbilden.
      Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan? Da ist Gauck ganz glaubensfest: Der war “notwendig”, sagt er, mehr nicht. Kein Wort über die Motive und Folgen dieses militärischen Zugriffs, nichts darüber, welche Nöte denn dort gewendet wurden.
      Wo geopolitisch gehobelt wird, da fliegen Späne – so ließe sich das gedankliche Muster dieser Politik “globaler Verantwortung” formulieren. Freilich nicht in einer bundespräsidialen Predigt, so unverblümt kann da nicht gesprochen werden. Redete Gauck “Tacheles”? Das schon, aber für Kenner. Und die anwesenden Sponsoren der “Sicherheits”-Konferenz aus der Rüstungsbranche werden den Bundespräsidenten verstanden haben, ganz wertebasiert.
      Quelle: Telepolis
    2. Wort und Tat
      Endlich wird Deutschland erwachsen, so die hoffnungsvolle Reaktion, endlich ist Berlin bereit, die Verantwortung zu übernehmen, die seinem Gewicht in der Welt entspricht. Und endlich hat der Bundespräsident das Thema seiner Amtszeit gefunden. Die große Ruck-Rede des Präsidenten – “früher, entschiedener, substantieller” – wurde gar in die Nähe von Weizsäckers berühmter Rede von 1987 gerückt.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung unseres Lesers O.R.: Der Spiegel-Artikel ist nur einer in einer ganzen Reihe, die bramarbasierend von der deutschen Verantwortung in der Welt schwadronieren und dabei doch nichts anderes als Krieg meinen. Aber das unsägliche Gauck-Geschwätz mit der historisch bedeutsamen Rede Weizsäckers gleichzusetzen ist unentschuldbar. Wie geschichtsvergessen und intellektuell unterbelichtet muss eine Journalistin sein, die so ein Machwerk produziert.
      Diese Kampagne von Medien, Bundespräsident und führenden Regierungsvertretern benötigen diesmal fast gar nicht die – sonst so aufschluss- und hilfreiche – Analyse der NachDenkSeiten, so offensichtlich kommt sie daher.
      Grundgesetz und Völkerrecht werden von unseren Eliten ignoriert, während das “gemeine” Volk noch einen guten Kompass hat, was in dieser Frage richtig oder falsch ist. Zumindest sind die Kommentare unter zahlreichen Artikeln dieser Schlagrichtung sehr eindeutig. Aber wer kann diesen gefährlichen Geisterfahrern kontra geben? Ich fühle mich mittlerweile hilflos.

    3. Die Freiheit Deutschlands in der Sahelzone verteidigen?
      In Frankreich spricht der Chef des Generalstabes von einem Krieg, der im Süden Libyens nötig sein könnte. In Deutschland mahnen der Außenminister und die Verteidigungsministerin zu “mehr Verantwortung” und meinen Militäreinsätze in Afrika
      Geht es nach dem aktuellen ARD-DeutschlandTrend, so ist die Haltung der Bevölkerung mehrheitlich deutlich gegen eine Politik ausgerichtet, die mehr Bundeswehr-Auslandseinsätze fordert. 61 Prozent der Befragten sprachen sich demnach gegen einen Ausbau solcher Einsätze in internationalen Krisengebieten aus. Nur 30 Prozent, so die Umfrage, würden das “Vorhaben” der Verteidigungsministerin von der Leyen befürworten.
      Quelle: Telepolis
    4. So viel Geld steckt in der Sicherheitskonferenz
      Als “unabhängiges Forum” sieht sich die Münchner Sicherheitskonferenz. Das ist nur ein Teil der Wahrheit. Tatsächlich wird sie mit viel Geld unterstützt. Von der Bundesregierung – und der Rüstungsindustrie.
      Wenn an diesem Freitag die Münchner Sicherheitskonferenz beginnt, wird sich deren Chef Wolfgang Ischinger bei der Bundesregierung bedanken. Er hat dazu einigen Grund. Ohne die Regierung gäbe es nämlich die Konferenz nicht, die am Wochenende zum 50. Mal die bayerische Landeshauptstadt in Schach halten wird.
      Die Konferenz stellt sich selbst als unabhängig dar. Aber das stimmt wohl nur zum Teil. Denn die Konferenz selbst, die als “Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz (gemeinnützige) GmbH” fimiert, profitiert maßgeblich vom Geld der Bundesregierung.
      Eine Million Euro etwa. Soviel lässt sich der Bund die Konferenz kosten, deren Chef Ischinger seit 2008 ist. 350.000 Euro werden vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung überwiesen – ein Drittel der Kosten der Veranstaltung (ohne Personal), die von der Regierung mit etwa 1,1 Millionen beziffert werden. Das sei Teil der Öffentlichkeitsarbeit, schreibt die Bundesregierung in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke. Die Antwort vom 28. Januar liegt SZ.de vor.
      Quelle: Süddeutsche.de

      Anmerkung C.R.: Bei dieser Stiftung -aber z.B. auch bei der Bertelsmann Stiftung – stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Gemeinnützigkeit. Nützt diese Konferenz der Gemeinschaft oder der Rüstungs- und Sicherheitsindustrie?

  2. Putin-Berater ruft zur Niederschlagung der ukrainischen Proteste auf
    Ein Vertrauter des russischen Präsidenten fordert harte Schritte gegen die Demonstranten in Kiew. Um das Chaos im Land zu beenden, müsse die Rebellion vernichtet werden.
    Der Druck auf den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch nimmt zu. Ein Berater von Russlands Präsident Wladimir Putin hat Janukowitsch indirekt zur Niederschlagung der Proteste in seinem Land aufgefordert. “Entweder er verteidigt den ukrainischen Staat und vernichtet die Rebellion, die von Kräften aus der Finanzwelt und aus dem Ausland provoziert wird. Oder er riskiert den Machtverlust, zunehmendes Chaos und einen internen Konflikt, aus dem kein Ausweg zu sehen ist”, sagte Putins Wirtschaftsberater Sergej Glasjew in einem Interview mit dem Firmenmagazin des Energieriesen Gazprom.
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung JB.: Die korrekte Übersetzung der Passage, auf die die ZEIT sich bezieht, lautet: „Entweder er verteidigt das ukrainische Staatswesen und unterdrückt die Rebellion, die von ausländischen Kräften finanziert und provoziert wird, oder er riskiert den Machtverlust, und dann erwartet die Ukraine das zunehmende Chaos und ein interner Konflikt, aus dem kein Ausweg zu sehen ist.“
    Zwischen dem „Unterdrücken einer Rebellion (Glasjew) und der „Vernichtung einer Rebellion (ZEIT) besteht ein großer Unterschied. Da stellt sich natürlich die Frage, ob die ZEIT niemanden hat, der die russische Sprache ausreichend beherrscht, um einen Artikel korrekt zu übersetzen, oder ob sie die Passage vorsätzlich falsch übersetzt hat, um eine „schöne“ Schlagzeile zu produzieren? Im ersten Fall dies ein Armutszeugnis für die selbsternannte Qualitätszeitung „ZEIT“, im letzteren Fall ein Armutszeugnis für die gesamte deutsche Presselandschaft.

  3. Dirk Hirschel – Die dürren Jahre sind vorbei
    Kaum arbeitet die große Koalition, setzt es schon Prügel. Die Rentenpläne werden von allen Seiten heftig kritisiert. Die Sozialverbände klagen, dass das Rentenpaket der roten Arbeitsministerin nicht vor Altersarmut schützt und ungerecht finanziert ist. Die Arbeitgeberverbände und die ökonomische Zunft verunglimpfen die Rente mit 63 und die sogenannte Mütterrente als unsinnige milliardenschwere Geschenke. Ungerecht gegenüber der jungen Generation, die angeblich allein die Zeche zahlt. Und wirtschaftlich schädlich, da später steigende Beiträge und Steuern angeblich Jobs kosten. Die Motive der Kritiker könnten nicht unterschiedlicher sein. Die Sozialverbände ringen um eine armutsfeste und lebensstandardsichernde gesetzliche Rente. BDI, BDA und ihre wissenschaftlichen Mietmäuler wollen hingegen verhindern, dass die Rentenkürzungen des letzten Jahrzehnts korrigiert werden. […]
    Die Politik verkaufte die Rentenkürzungen als alternativlos. Wider besseres Wissen wurde der demografische Wandel dramatisiert. Dabei liegen die größten Verschiebungen der Altersstruktur längst hinter uns: Der Altersquotient stieg zwischen 1900 und 1960 stärker als in den nachfolgenden 60 Jahren.
    Doch damit nicht genug. Ein längeres Leben und weniger Kinder machen die Rente nicht unbezahlbar. Ob die demografische Belastung tragbar ist, hängt wesentlich von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft ab. Dieser grundlegende ökonomische Zusammenhang wird von den meisten „Rentenexperten“ systematisch ausgeblendet. Wenn die Produktivität je Beschäftigten nur um ein Prozent jährlich wachsen würde, wäre das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im Jahr 2060 um ein Drittel größer als heute. Damit hätte der Produktivitätszuwachs den geschätzten Rückgang der arbeitenden Bevölkerung wettgemacht. Produktivität schlägt Demografie.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  4. Orwell 2.0
    1. Die App für Diktatoren
      Ein Handyprogramm, das den Sicherheitsbehörden meldet, wo sich Menschen versammeln: Was Google gerade zum Patent anmeldet, klingt wie von Potentaten ersonnen.
      Wie wäre das: Auf der Demo kurz das Handy in die Höhe gereckt und ein Video aufgenommen, schon werden die Sicherheitsbehörden alarmiert. Die könnten dann auch gleich Zugriff auf den Datenspeicher haben, in den die Videos und vielleicht auch Fotos automatisch hochgeladen wurden. Nicht nur die eigenen, sondern die aller anderen Smartphone-Fotografierer drum herum gleich mit. Doch keine Sorge, die Leute von – sagen wir mal – der NSA oder des weißrussischen Autokraten Lukaschenka bekämen keine in trauter Zweisamkeit gedrehten Videos zu Gesicht. Das kleine Programm auf dem Mobiltelefon würde nur anspringen, wenn viele Menschen gleichzeitig ihre Handykameras zücken. Und während draußen schon Polizeieinheiten in die Wagen sprängen, liefe im Rechenzentrum der Behörden längst die Gesichtserkennungssoftware über das reiche Datenmaterial.
      Viele Handyvideos vom selben Ort, dann gibt es Alarm
      Was nach Überwachungsparanoia oder Schurkenstaat-Thriller klingt, ist nur eine mögliche künftige Anwendung für ein Programm, das Google gerade zum Patent angemeldet hat. Es soll, so heißt es im US-Patentantrag 20140025755, geeignet sein „herauszufinden, dass wahrscheinlich ein Ereignis von Interesse stattgefunden hat“. Eine öffentliche Versammlung etwa, eine Popkonzert oder auch ein Unfall. Wann immer Menschen in großer Zahl zusammenkommen, soll das Programm Meldung an Dritte geben. Potentielle Empfänger? Strafverfolgungsbehörden. Sie nennt Google an erster Stelle, um noch Zeitschriftenverlage und Blogs nachzuschieben. Dabei dürfte die Idee vor allem für Sicherheitsdienste interessant sein.
      Quelle: Frankfurter Allgemeine
    2. Snowden: Der kanadische Geheimdienst trackt Fluggäste über kostenloses W-LAN
      Durch ein von CBC News veröffentlichtes Dokument des kanadischen Geheimdienstes CSEC wurde bekannt, dass 2012 im großen Stil Gerätedaten von Passagieren an einem großen kanadischen Flughafen systematisch gesammelt wurden. Diese wurden dazu genutzt um Bewegungsprofile der betreffenden Personen über einen Zeitraum von insgesamt einem Monat zu erstellen. Dazu hatte sich das CSEC Zugang zum kostenlosen W-LAN des Flughafens verschafft und die Geräte-Identifikatoren aller angemeldeten Geräte gesammelt.
      Aus dem Dokument heraus wird nicht einwandfrei ersichtlich, mit welchen Methoden CSEC Zugriff auf W-LAN des unbekannten Flughafens erhalten hat, noch wie sie Geräte auch zwei Wochen später in den W-LANs von Hotels, Bibliotheke, Coffee-Shops oder auch US-amerikanischen Flughäfen orten konnten. Sowohl die Sprecher des Flughaven Vancouvers wie des Hardwareliferanten Boingo, der für die W-LAN–Infrastruktur an mehreren kanadischen Flughäfen verantwortlich ist, sprechen jede Kooperation mit den Geheimdiensten ab. Aber wie wir wissen, hat der NSA schon seit geraumer Zeit die technische Infrastruktur, auf W-LANs in der Entfernung zuzugreifen. Zur Not auch per Drohne.
      Nach Einschätzung von Ronald Deibert, dem Direktor des Canada Centre for Global Security Studies spricht jedoch einiges dafür, dass CSEC einen direkten Zugriff auf die Haupttelefonkabel und Internetkabel in Kanada haben muss. Diese Aktion selbst war ein Testlauf für gemeinsam mit der NSA entwickelte Software zur Personenverfolgung via IP Profiling. Ein “game-changer”, wie die interne Präsentation es nennt. Mögliche Anwendungsbereiche skizziert das Dokument zum Beispiel auch, wie vollautomatisiertes Alarmschlagen, sobald ein “Terrorist” ein Flugzeug oder ein Hotel betreten will, oder das Rückverfolgen der Position von auffälligen Personen. In beiden Fällen greift der Geheimdienst auf öffentliche W-Lan-Zugänge zurück und überwacht sie in Echtzeit (zwar wird angemerkt, dass das Programm in der Praxis noch viel zu langsam laufen würde, nach Informationen des CBC ist das Programm aber mittlerweile lauffähig und nutzbar).
      Quelle: Netzpolitik.org
    3. Mehrere deutsche Beteiligte bei EU-Forschungsprojekten zum Anhalten von “nicht kooperativen Fahrzeugen” aus der Ferne
      Viele Medien hatten sich diese Woche auf die Meldung gestürzt, dass in einer EU-Arbeitsgruppe das Stoppen von Kraftfahrzeugen aus der Distanz vorangetrieben wird. “Die Polizei von morgen hält Diebe oder Raser per Knopfdruck an: An einem Schaltpult auf der Wache fährt ein Beamter den Motor des Wagens herunter wie abends seinen Computer”, beschreibt die Tageszeitung Welt die Technologie zum ferngesteuerten Abwürgen der Motoren.
      Hintergrund der Berichte war ein Posting der britischen Bürgerrechtsorganisation Statewatch über das “European Network of Law Enforcement Technology Services” (ENLETS), einem in den letzten Jahren immer wichtiger werdenden Netzwerk von Polizeibehörden der EU-Mitgliedstaaten. Statewatch veröffentlichte auch das bis 2020 währende Arbeitsprogramm von ENLETS. So neu ist das aber gar nicht; bei Netzpolitik war das Papier schon vor vier Wochen zu lesen. Auch auf Telepolis wurde schon vor über einem Jahr über die ENLETS-Pläne berichtet.
      Quelle: Netzpolitik.org
  5. Wirtschaftsmacht Deutschland: Studie entzaubert Hartz-Mythos
    Das deutsche Jobwunder machte die Hartz-Reformen zum Vorbild für die Krisenländer Europas. Eine neue Studie räumt mit diesem Mythos auf: Nicht die Agenda 2010 habe Deutschland zum ökonomischen Superstar gemacht, sondern die Unabhängigkeit der Betriebe und der Gewerkschaften vom Staat.
    So einig wie bei der Agenda 2010 hat man Europa selten erlebt. Die vor gut einem Jahrzehnt gestartete Reform – besser bekannt unter dem Namen Hartz – habe Deutschland zu dem gemacht, was es heute ist: eine wirtschaftliche Supermacht mit niedrigen Arbeitslosenzahlen und einem starken Selbstbewusstsein.
    Doch so einmütig Kanzlerin Angela Merkel, ihr Vorgänger Gerhard Schröder oder etwa der französische Ex-Präsident Nicolas Sarkozy auch sind – sie alle haben unrecht. Das zumindest behaupten die vier Autoren einer neuen Untersuchung*, die in der kommenden Woche im renommierten “Journal of Economic Perspectives” erscheint.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JB: Bemerkenswert finde ich folgenden Satz:
    „So einig wie bei der Agenda 2010 hat man Europa selten erlebt. Die vor gut einem Jahrzehnt gestartete Reform – besser bekannt unter dem Namen Hartz – habe Deutschland zu dem gemacht, was es heute ist: eine wirtschaftliche Supermacht mit niedrigen Arbeitslosenzahlen und einem starken Selbstbewusstsein.“
    Nicht nur Leser der NachDenkSeiten wissen, dass es keinesfalls Einigkeit über die vermeintlich segensreichen Wirkungen der Hartz-Reformen gibt. Mit diesem Satz beweist SPIEGEL Online – höchstwahrscheinlich sogar unbewusst – einmal mehr seinen eingeschränkten geistigen Horizont.
    Aber auch die genannte Studie ist keinesfalls besser, auch wenn sie laut SPIEGEL den „Hartz-Mythos“ entzaubert. Die Schlagrichtung ist eindeutig, hier soll der Staat wieder einmal als schädlicher Einfluss für die wirtschaftliche Entwicklung hingestellt werden. Auf die nahe liegende Erklärung, dass das exportstarke Deutschland vor allem von der damals ungemein starken Weltkonjunktur profitiert hat, kommt erstaunlicherweise niemand. Dabei wäre es schon ein Wunder gewesen, wenn die deutsche Wirtschaft in einem Umfeld, in dem die USA, Osteuropa, China und nahezu alle Schwellenländer kräftig wuchsen, nicht auch gewachsen wäre.

  6. Selbstanzeige: Alice Schwarzer beichtet Schweizer Steuergeheimnis
    Jahrelang soll Alice Schwarzer eine erhebliche Geldsumme in der Schweiz gebunkert haben, ohne dass der deutsche Fiskus davon wusste. Nach SPIEGEL-Informationen hat die Feministin Selbstanzeige erstattet und eine sechsstellige Summe nachgezahlt. (…)
    Nach SPIEGEL-Informationen hat Alice Schwarzer, Herausgeberin der Frauenzeitschrift “Emma” und streitbare Feministin, den Steuerbehörden gegenüber aufgedeckt, dass sie über viele Jahre eine erhebliche Summe in der Schweiz gebunkert und die dort angefallenen Zinsen nicht, wie vorgeschrieben, dem deutschen Fiskus zur Besteuerung angegeben hatte.
    Schwarzer erstattete die Selbstanzeige dem Vernehmen nach im vergangenen Jahr, in dem es immer wieder Medienberichte über neue Steuer-CDs und Schwarzgeldkonten im Ausland gegeben hatte. Dadurch waren auch zahlreiche Anleger mit Konten in der Schweiz aufgeschreckt worden.
    Wie es heißt, soll Schwarzer nun eine sechsstellige Summe nachgezahlt haben, um ihre Steuerpflicht zu erfüllen. Darin enthalten soll auch ein Sicherheitspuffer gewesen sein, den Steuersünder in solchen Fällen in der Regel vorsichtshalber zahlen, damit die Selbstanzeige nicht wegen einer möglicherweise falschen Berechnung der Steuerschuld unwirksam wird.
    Quelle: Spiegel Online

    Passend dazu: Schmerzhaft peinlich
    Alice Schwarzer ist eine Täterin, die ihre Eigeninteressen maximiert hat. Und dennoch versucht sie sich als ein von der Gesellschaft verfolgtes Opfert reinzuwaschen.
    Alice Schwarzer hat Steuern hinterzogen. Finanziell war dies für sie ein bombiges Geschäft – auch nachdem sie sich im vergangenen Jahr selbst angezeigt hat. Denn Steuersünden verjähren nach spätestens zehn Jahren, und daher hat sie auch nur die Steuern für die vergangenen zehn Jahre nachgezahlt. Ihr Schweizer Konto besteht aber seit den 1980er Jahren, wie Schwarzer selbst einräumt.
    Alice Schwarzer ist also eine Täterin, die knallhart ihre Eigeninteressen maximiert hat. Dennoch wäre sie nicht Alice Schwarzer, wenn sie sich nicht zum Opfer stilisieren würde. „In eigener Sache“ hat sie sich in ihrem Blog geäußert, und dieser Eintrag ist bisweilen schmerzhaft peinlich.
    Besonders schlimm: Schwarzer dichtet ihre Steuerflucht in eine Flucht aus politischen Gründen um. Die „Hatz“ gegen sie hätte damals „solche Ausmaße“ angenommen, dass sie „ernsthaft“ dachte, dass sie vielleicht ins Ausland gehen „muss“. Daher hätte sie ihr Geld vorsorglich über die Grenze geschafft.
    Schwarzer schreckt also nicht davor zurück, sich als politisch Verfolgte aufzuplustern – und sich damit implizit mit den Opfern im Dritten Reich zu vergleichen.
    Quelle: taz.de

    Anmerkung C.R.: Ohne Frau Schwarzer persönlich zu nahe treten zu wollen: Hochmut kommt vor dem Fall, heißt es volksmundartig. Sie hat ihren (auch moralischen) Zenit längst überschritten und ist in Steuerangelegenheiten offensichtlich mit einigen reicheren Männern, für die eine Steuerflucht überhaupt erst infrage kommen könnte, gleichgezogen.

  7. Kurswechsel der US-Notenbank und die Schwellenländer
    Im Zentrum der Globalökonomie stehen aktuell die Turbulenzen der Währungen von wichtigen Schwellenländern. Schon in den letzten Monaten hatten Anleger aus den Hauptländern kurzfristige Kapitalanlagen und Währungsdevisen in großem Stil abgestoßen.
    Besonders der argentinische Peso, der russische Rubel und die türkische Lira mussten starke Kursverluste hinnehmen. Die Währungen werten deutlich ab, die Kurse von Anleihen und Aktien sinken.
    Seit der Finanzkrise haben sich die Gewichte in der Weltwirtschaft verschoben. Europa und die USA schwächelten – Schwellenländer wie die Türkei, China oder Brasilien boomten. Um die wirtschaftliche Stagnation zu überwinden, griffen die Währungshüter der kapitalistischen Hauptländer zu unkonventionellen Maßnahmen: Sie senkten die Zinsen – und begünstigten die Kreditversorgung der Wirtschaft. Allein die Federal Reserve (FED) spendierte mehr als drei Bio. US-Dollar für den Ankauf von Staatsanleihen und Immobilienpapieren. Ein Teil des Geldes floss direkt in die so genannten Emerging Markets, wo die Zinsen deutlich höher lagen. Nach Schätzungen sind seit 2009 rund vier Bio. US-Dollar in die Schwellenländer geströmt.
    Verstärkt wird diese Abwärtstendenz sowohl in den Währungen als auch an den Wertpapierbörsen durch die aktuelle Entscheidung der US-Notenbank, an ihrem Programm der schrittweisen Drosselung ihres Ankaufprogramms festzuhalten. Die Notenbank kauft von Februar an nur noch Staatsanleihen für 35 Mrd. US-Dollar und Hypothekenwertpapiere für 30 Mrd. US-Dollar im Monat. Die FED betonte, dass sie damit immer noch Anleihen zu ihrem in den letzten Jahren stark angewachsenen Portfolio hinzufüge, was die langfristigen Zinssätze senken und die Hypothekenmärkte stützen solle. Die FED legt sich für die weitere Zukunft nicht fest und macht künftige Maßnahmen allein von der Wirtschaftsentwicklung abhängig.
    In manchen Ländern versuchen Zentralbanken, durch Erhöhungen der Leitzinsen ihre Währungen zu stabilisieren. In den Hauptländern wächst die Sorge, die Schwellenländer würden zum Epizentrum einer neuen und schweren Finanzkrise. Gerade die deutsche Wirtschaft mit ihrer starken internationalen Ausrichtung wird von einer anhaltenden Abwärtstendenz erheblich tangiert. Stockt der Kapitalfluss in die Schwellenländer, würde auch der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands und des Eurogebiets letztlich davon betroffen.
    Quelle: Sozialismus aktuell
  8. Steigender Wohlstand für wen?
    Ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt wird häufig als Indikator für steigenden Wohlstand herangezogen. Durch die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität ist die Menge an Gütern und Dienstleistungen, die pro erwerbstätiger Person in Österreich hergestellt wird, in den letzten Jahrzehnte erheblich gestiegen. Von dieser Produktionssteigerung profitierten allerdings nicht alle Personen im gleichen Ausmaß. Seit Beginn der 1990er Jahre blieben die preisbereinigten ArbeitnehmerInnenentgelte deutlich hinter dem gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs zurück. Überproportional profitiert haben spiegelbildlich die BezieherInnen von Gewinn- und Besitzeinkommen. Europaweit koordinierte Reallohnsteigerungen, Arbeitszeitverkürzung und staatliche Umverteilung könnten eine Trendwende bringen.
    Während z. B. Marx im 19. Jahrhundert noch davon ausging, dass sich der Anteil der ArbeiterInnen am Gesamtprodukt aufgrund der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse auf Dauer nur verringern könne, gelang es den Gewerkschaften in den 1960er und 70er Jahren durchzusetzen, dass die Lohnabhängigen am Produktivitätsfortschritt in Form von höherer Entlohnung (und mehr Freizeit) beteiligt wurden. Somit war der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in dieser Zeit konstant oder stieg sogar leicht an. Seitdem prägte die als Benya-Formel bekanntgewordene lohnpolitische Forderung, dass die realen Einkommen der Lohnabhängigen entsprechend des langfristigen Produktivitätswachstums steigen sollen, die österreichische Lohnentwicklung. Dies änderte sich aber ab Mitte der neunziger Jahre. Während das erzielte Output pro Erwerbstätigen weiter zulegte, stagnierten die realen ArbeitnehmerInnenentgelte beinahe.
    Quelle: Arbeit & Wirtschaft
  9. Arbeitslosigkeit sinkt – aber bemerkenswert ist nur die Ideologie der Bundesagentur
    Die Bundesagentur für Arbeit meldet, dass die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt im Januar deutlich, nämlich um 28 000 Personen gesunken ist. Das wäre beachtlich, wenn nicht gleichzeitig gemeldet würde, dass die Unterbeschäftigung nur um 7000 Personen abgenommen hat (weil laut Bundesagentur der Einsatz entlastender Arbeitsmarktpolitik weniger gesunken ist als sonst saisonal üblich) und die Zahl der offenen Stellen praktisch unverändert geblieben ist. Wenn man noch hinzunimmt, dass es im Januar eine ungewöhnlich milde Witterung gab, ist es vollkommen offen, ob die Zahlen eine Bedeutung für die Frage nach einer Wende in der konjunkturellen Entwicklung haben.
    Die Art und Weise jedoch, wie die Bundesagentur in ihrem Monatsbericht den Duktus und die Darstellungsweise des Statistischen Bundesamtes übernimmt, die wir hier vergangene Woche kritisiert haben, ist schon bezeichnend für den Geist, der in Nürnberg in gleicher Weise wie in Wiesbaden an der Spitze dieser Ämter zu herrschen scheint. Da wird der private Konsum als „starke Stütze der Konjunktur“ bezeichnet (S.8) und von einem sehr hohen Niveau der „Konsumneigung“ der privaten Haushalte gesprochen. Damit ist wohl die geringe Sparneigung, also die geringe bzw. sinkende Sparquote der privaten Haushalte gemeint. Deswegen seien die Konsumaussichten weiterhin gut, sagt die Bundesagentur. Das ist also das, worauf man mehr und mehr in Deutschland setzt: auf ein Sinken der Sparquote. Kein Hinweis darauf, dass die nahe liegendste Stütze des privaten Verbrauchs, nämlich die realen Arbeitseinkommen, nicht vernünftig steigt, und daher die Konsumaussichten auf tönernen Füßen stehen. Auch wundert sich der Leser über den merkwürdigen Kontrast zwischen dem von der Bundesagentur positiv gewerteten Rückgang der Sparquote einerseits und den Sparempfehlungen und erst recht der staatlichen Sparförderung für die private Rente andererseits.
    Quelle: flassbeck-economics

    Passend dazu: Die FAZ und ihr Kampf gegen gesetzliche Mindestlöhne
    Die Gegner des von der Großen Regierungskoalition vereinbarten gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro in der Stunde wittern Morgenluft. Auf Initiative der FAZ wird ein neues Aufregerthema durch die Medien getrieben:
    Wieder einmal geht es um die Korrektur der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Diesmal musste die Zahl der Aufstocker mit Vollerwerbstätigkeit erheblich nach unten korrigiert werden. Damit – so die FAZ- seien die Argumente für den von der Großen Koalition vereinbarten gesetzlichen Mindestlohn umso fragwürdiger. Der Versuch einer Neuauflage des politisch und medial hochgespielten Skandals um die Vermittlungsstatistik der BA von 2002 kann allerdings auch diesmal nicht gelingen – so auch die Selbsterkenntnis der FAZ.
    Es reicht weder für den “Traum” einer Agenda 2020 oder sogar einer verschärften Neuauflage der Hartz-Gesetze. Außerdem fallen die notwendigen Korrekturen bei der Anzahl der Aufstocker mit Vollzeittätigkeit vor allem in die Verantwortung der Betriebe und ihrer Meldungen an die Beschäftigtenstatistik.
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft

    Zum Thema: Wisse, wo dein Platz in der Gesellschaft ist
    Über die Festschreibung des Niedriglohnsektors.
    Die Fläche, die der flächendeckende Mindestlohn abdecken wird, ist nur eine sehr kleine. Ein Ausschnitt der Gesamtfläche gewissermaßen. Es gibt so viele Ausnahmeregelungen, dass Millionen Menschen davon ausgeschlossen sein werden. Diese Arbeitsmarktpolitik bedient sich des Mittels der Exklusion und schafft die Grundlagen eines Zwei-Klassen-Arbeitsmarktes.
    Quelle: ad sinistram

  10. »Armutsimport«: Wer betrügt hier wen?
    „Wer betrügt, der fliegt“ – was klingt, als ob es auf einen bekannten Münchner Fußballklub und seine beiden Spitzenfunktionäre Hoeneß und Rummenigge oder einen CSU-Generalsekretär mit „Dr.“-Titel gemünzt wäre, ist der schändliche Auftakt zum Wahljahr 2014. Vor den Kommunal- und Europawahlen im März und Mai haben die „Christsozialen“ eine antiziganistische Kampagne gestartet, die Wasser auf ihre Wahlkampfmühlen leiten soll. Einmal mehr wird auf dem Rücken einer Minderheit, deren Mitglieder angeblich stehlen, lügen und betrügen, rassistische Stimmungsmache betrieben.
    Infamer hätte die CSU die seit dem 1. Januar geltende Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen wohl nicht begrüßen können. Schlagzeilen wie „Osteuropäer sitzen auf gepackten Koffern“ oder „Europas Ärmste auf dem Weg nach Deutschland“ taten ein Übriges, um Ängste vor massiven Wohlstandsverlusten zu schüren. Denn, so wird insinuiert, viele Hunderttausende seien bereits auf dem Sprung, um Transferleistungen des deutschen Sozialstaates abzugreifen. Innerhalb der Mehrheitsgesellschaft bestehende Ressentiments gegenüber Roma werden so aufgegriffen und verstärkt, deren soziale Probleme kurzerhand ethnisiert und damit Menschen kriminalisiert, die auf der Suche nach Arbeit sind und hier auf ein besseres Leben hoffen.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  11. Schavan soll deutsche Botschafterin im Vatikan werden
    Neue Aufgaben für Annette Schavan: Die ehemalige Bildungsministerin soll neue “Botschafterin beim Heiligen Stuhl” werden. Der derzeitige Vertreter im Vatikan geht im Sommer in den Ruhestand – dann wäre der Weg frei für die CDU-Politikerin.
    Es gibt deutlich unattraktivere Posten als die deutsche Vertretung im Vatikan. Man residiert im schönen Rom. Der Titel ist einzigartig: “Botschafter beim Heiligen Stuhl”. Und in Franziskus hat man es mit einem der interessantesten Staatschefs der Welt zu tun. Dieser Papst schmückt inzwischen ja sogar das Cover des Rolling Stone. Annette Schavan hat also allen Grund zur Freude.
    Die ehemalige Bildungsministerin soll nach Informationen der Süddeutschen Zeitung neue Botschafterin beim Vatikan werden. Der derzeitige Vertreter Deutschlands, Reinhard Schweppe, wird im April 65. Er soll im Sommer in den Ruhestand versetzt werden. Dann ist der Weg frei für Schavan. Ein Jahr nach ihrem Rücktritt wegen der Plagiatsaffäre hätte sie eine neue Aufgabe.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: Eine studierte Theologin, die als Betrügerin entlarvt wurde, wird als Botschafterin in den Kirchenstaat geschickt. Das muss einem erst einmal einfallen! Der Kommentar in der Süddeutschen ist ein Paradebeispiel dafür, wie kritiklos mögliche Entscheidungen der Politik durch unsere Mainstream-Medien hingenommen werden. Dass Schavan wegen der Plagiatsaffäre zurücktreten musste, wird gerade mal in einem einzigen Satz erwähnt. Im Übrigen gibt es nur Lob, besonders ihr “gehöriges Maß an Diplomatie” wird hervor gehoben. Klar, die Frau ist es gewohnt, nicht mit offenen Karten zu spielen.

  12. ADAC in der Krise – Akt der Selbstzerstörung
    Erstaunlich, wie lange die Republik nur zugeschaut hat: ADAC-Präsident Meyer schließt bei seinem Automobilclub nichts mehr aus. Doch wenn Unkorrektheiten systemimmanent sind, muss man das System radikal ändern.
    Skandalgeschichten haben, wie Krimis, ihre eigene Dramaturgie: Meist gibt es ein paar Verdächtige – am besten vertraute Gesichter, die man kennt. In der Regel geht es um Sudeleien von ein paar Leuten. Der tiefe Fall des ADAC mit seinem überforderten Präsidenten Peter Meyer liegt anders.
    Das eigentliche Problem sind nicht die Regelverletzungen von Absahnern – das eigentliche Problem ist die Kultur dieses seltsamen Gebildes, das sich aus einem blasenhaften Verein und einem unübersichtlichen Konzern zusammensetzt.
    Die das Unternehmen führen, sind normale Kaufleute. Gute und weniger gute vermutlich. Das Sagen haben aber die “Ehrenämtler”. Bei denen ragen manchmal, wie sich zeigt, Ehrenamt und Lebensunterhalt ineinander. Aber schlimmer ist noch ihr Geltungsdrang mit all dem Getue ihrer angeblichen Bedeutsamkeit.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  13. Paul Krugman – Über die Nöte der Türkei
    Also wer hat das bloß bestellt? Bei all unseren anderen Problemen brauchten wir nun wirklich nicht noch eine Wirtschaftskrise in einem Land, das obendrein noch von politischen Unruhen geplagt ist. Es stimmt zwar, dass die Türkei mit ihrer Wirtschaft in der Größenordnung derer von Los Angeles die Welt als Ganzes nicht direkt erheblich beeinflussen wird. Aber man hört das gefürchtete Wort „Ansteckung“ – Ansteckung der Art, die einst eine Krise in Thailand auf ganz Asien und unlängst eine in Griechenland auf ganz Europa ausgeweitet hat, und die jetzt, so fürchtet man, die türkischen Probleme auf die Märkte der anderen Schwellenländer überschwappen lassen könnte.
    In vielerlei Hinsicht ist das eine altbekannte Geschichte. Aber gerade deshalb ist die Lage auch so gefährlich: Warum gibt es diese Krisen immer wieder? Und vor allem: Die Abstände zwischen den Krisen scheinen immer kürzer zu werden, und die Nachwirkungen jeder neuen Krise scheinen die der vorigen zu übertreffen. Was geschieht hier?
    Quelle: New York Times
  14. SPD-Politiker für »progressiv-linkes Reformbündnis«
    Papier: Für »Machtperspektive 2017« sollen »inhaltliche und strategische Differenzen« links der Union überwunden werden
    Führende Politiker der SPD, die zum linken Flügel der Partei gerechnet werden, wollen sich verstärkt für eine künftige Kooperation mit Grünen und Linkspartei auf Bundesebene engagieren. Für ein »progressiv-linkes Reformbündnis mit einer Machtperspektive 2017« müsse man »die bestehenden inhaltlichen und strategischen Differenzen zwischen allen Parteien links der Union« beseitigen, heißt es in einem Positionspapier, aus dem zuerst die »Süddeutsche Zeitung« zitiert hatte.
    Quelle: neues deutschland

    Anmerkung C.R.: Das Papier ist ein Fortschritt. Doch längst scheint die Zeit des Papiereschreibens und der Theorie abgelaufen zu sein. Es ist endlich an der Zeit zum Handeln: Ein Bündnis mit der Linkspartei ist lange überfällig (und scheiterte bisher an der SPD-Spitze) und die Grünen schielen inzwischen schon längst zu den Unionsparteien.
    Es stellt sich allerdings die Frage nach dem Einfluss der SPD-Linken innerhalb ihrer Partei: Können sie sich gegen die derzeitige Partei-Spitze, die außenpolitisch auf Rüstungsverkäufe sowie NATO und Militäreinsätze und innenpolitisch auf Sozialabbau setzt, durchsetzen?
    Auch ist so manche Unterschrift zumindest irritierend: Insbesondere Unterzeichner mit US-Hochschulabschluss lassen zuweilen jede sozialdemokratische Handschrift vermissen und ihre linke Rhetorik scheint lediglich ihrem eigenen Interesse nützlich.

  15. George Lakoff: ‘Conservatives don’t follow the polls, they want to change them … Liberals do everything wrong’
    How the progressives have got it wrong and if they don’t start to get it right, the conservatives will maintain the upperhand
    “The progressive mindset is screwing up the world. The progressive mindset is guaranteeing no progress on global warming. The progressive mindset is saying, ‘Yes, fracking is fine.’ The progressive mindset is saying, ‘Yes, genetically modified organisms are OK’, when, in fact, they’re horrible, and the progressive mindset doesn’t know how to describe how horrible they are. There’s a difference between progressive morality, which is great, and the progressive mindset, which is half OK and half awful.”
    Quelle: The Guardian
  16. Durch die Nacht mit Günter Wallraff und Daniel Domscheit-Berg
    In dieser Folge treffen sich zwei Männer in Schweden, die wissen, was passiert, wenn man sich mit den Mächtigen anlegt. ‘Im Grunde macht er ja sowas Ähnliches, wie wir bei Wikileaks gemacht haben’, sagt der einstige Sprecher dieser Plattform und Informatiker Daniel Domscheit-Berg über den Journalisten Günter Wallraff.
    Quelle: arte
  17. Willy Brandt und die Sozialdemokratie
    Zielperson des rechtskonservativen Lagers – eine Buchrezension von Wolfgang Bittner
    Vielen Älteren ist die kurze Epoche des Politikwechsels nach der bleiernen Zeit mit den Bundeskanzlern Adenauer, Erhard und Kiesinger noch in Erinnerung. Exponent dieses politischen Frühlings in Deutschland war zweifellos Willy Brandt, Kanzler der Bundesrepublik von 1969 bis 1974, der am 18. Dezember 2013 hundert Jahre alt geworden wäre. Unehelich als Herbert Frahm geboren und schon früh politisch aktiv, flüchtete er 1933 vor dem Hitler-Faschismus nach Norwegen, wo er sich neben einem Studium der Geschichte und journalistischer Tätigkeit weiterhin politisch betätigte, jetzt unter dem angenommenen Namen Willy Brandt.
    Quelle: Hintergrund
  18. Warnung vor einer “Kristallnacht” für die reichen 1 Prozent
    Im Wall Street Journal machte ein Venturekapitalist auf die “Dämonisierung der Reichen” aufmerksam und wird von der Murdoch-Zeitung unterstützt
    Beginnen sich die Superreichen in den USA allmählich unwohl zu fühlen? Oder ist es nur individuelle Paranoia oder Kokettieren, wenn der bekannte Venturekapitalist Tom Perkins in einem Brief an das Wall Street Journal geschrieben hat, dass er einen “wachsenden Hass auf die erfolgreichen 1 Prozent” wahrnimmt.
    Für ihn ist das “eine sehr gefährliche Tendenz im amerikanischen Denken”. Und er langt auch gleich mal in die Nazi-Kiste, um die Kritiker der in ihren Augen ungerechten Vermögenverteilung zwischen dem reichsten 1 Prozent und dem Rest der 99 Prozent in eine übliche Ecke zu stellen: “Kristallnacht war unvorstellbar in den 1930er Jahren. Ist ihr Nachkomme, der ‘progressive’ Radikalismus heute unvorstellbar?”
    “Kommt eine progressive Kristallnacht?”, schreibt er und sieht: “Parallelen zum Nazideutschland im Krieg gegen sein ‘1 Prozent’, also die Juden, mit dem progressiven Krieg gegen das amerikanische 1 Prozent, also die ‘Reichen’.” Die Reichen würden – siehe Occupy-Bewegung – “dämonisiert”, das könne man jedem Wort entnehmen, das im San Francisco Chronicle, seiner Lokalzeitung, geschrieben werde. (…)
    Der Hintergrund ist die Sorge, dass die Diskussion über Einkommensungleichheit zu einer höheren Besteuerung der Superreichen führen könnte. Das soll auf diese Weise dämonisiert und als Klassenkampf gegeißelt werden.
    Quelle: Telepolis

    Passend dazu: Reiche Deutsche sollen zahlen: Der miese Enteignungstrick mit den Zwangsanleihen
    Die Deutsche Bundesbank unterstützt einen Vorschlag des IWF, bei Bankenrettungen eine einmalige Vermögensabgabe von zehn Prozent vorzunehmen. Diese könnte nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung einmalig 230 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen.
    Vor wenigen Wochen klang es noch wie ein schlechter Witz. Anfang November brachte der Internationale Währungsfonds (IWF) erstmals eine Sonderabgabe auf Großvermögen ins Spiel, um damit Staaten aus Schieflagen zu retten. Nun hat die Bundesbank den Vorschlag in ihrem Monatsbericht aufgegriffen – und steht ihm positiv gegenüber. Vor allem dann, wenn damit Banken gerettet werden sollen. Müssen sich in Deutschland jetzt Unternehmer, Erbengemeinschaften und andere Vermögende auf eine kalte Enteignung einstellen, damit sich der Staat aus seiner Schuldenmisere befreit?
    Quelle: Focus Online

    Anmerkung unseres Lesers M.G.: Typisch Focus: Kaum wird über eine Vermögensabgabe nachgedacht, schon springt der Focus seiner Klientel bei. Allein die aufmachende Abbildung einer Zwangsanleihe des deutschen Reiches von 1922 ist schon allerhand. Danach wird das klassische Schreckensszenario der kalten Enteignung aufgemacht wie es reißerischer kaum noch geht. Da wird von einem schlechten Witz geredet, von einem miesen Trick. Das ganze gipfelt dann in der Panikmache, die Reichen würden dann wohl fluchtartig das Land verlassen.
    Dieses Argument brachte mich dann aber auf einen ganz anderen Gedanken. Endlich verstehe ich die Angst von Horst Seehofer vor der massenhaften Einwanderung aus Bulgarien und Rumänien in unsere Sozialsysteme. Bisher argumentierte ich immer, dass nur wenige Menschen rein aus finanziellen Gründen ihre Heimat verlassen würden, um dann in Deutschland zu leben, schon gar nicht von Hartz 4. Aber Seehofer schließt ja von seiner eigenen Klientel, die dem Focus zufolge beim ersten Anzeichen von Mehrbelastung ohne mit der Wimper zu zucken ihre Heimat verlassen würden.

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