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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JW/WL/RS)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.

  1. Afghanistan: das tödliche Erbe der NATO
  2. US-Präsident Obama beharrt auf russischer Aggression
  3. Ein UN-Mandat ist nicht erforderlich, wenn Syrien das Vorgehen der USA akzeptiert
  4. CETA
  5. Verfluchtes Schiedsgericht
  6. Ausschuss für Wirtschaft und Energie
  7. Tarif-Ranking: Stromkonzerne halten Preise künstlich hoch
  8. Illegale Medikamente im Handel
  9. Rohstoffe: Die geplatzte Blase
  10. Die kommenden Alternativen
  11. Der Ton macht die Marschmusik
  12. IMK: Pause beim Anstieg der Einkommensungleichheit war nur Episode
  13. Abbau der Arbeitslosigkeit kommt nicht voran
  14. Flexible Übergänge in den Ruhestand – Teilrenten sind für den Rentenzugang bislang bedeutungslos
  15. Pflegeheimchef reicht Beschwerde gegen Staat ein
  16. So überraschend viel verdienen Dax-Vorstände
  17. Deutsche Bürokratie: Zahlen für die eigene Abschiebung
  18. Kinderfreundliche Bildung: Plädoyer für eine Befreiung aller Schüler von seelischen und geistigen Konditionierungen
  19. Expertensegen für Elitewettbewerb? Exzellenzinitiative wird evaluiert
  20. Ware Bildung – Tendenzen der Privatisierung öffentlicher Bildung
  21. „Zivilklausel-Zukunftskongress 2014: Für eine Wissenschaft und Kultur des Friedens“ vom 24.-26. Oktober in Hamburg
  22. Stabile Ergebnisse bei Betriebsratswahlen 2014

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Afghanistan: das tödliche Erbe der NATO
    Am 25. Februar 2014 spielen die Brüder Sher Mohamad und Abdel Hadi mit ihrem Cousin Mir Hamza auf einem Feld – irgendwo nördlich von Kabul, Afghanistan. Sie finden einen Blindgänger und spielen damit, er detoniert. Die beiden Brüder, neun und 14 Jahre alt, sterben bei der Explosion; ihr Cousin überlebt verletzt.
    Den Blindgänger hatten NATO-Truppen beim Training in Afghanistan zurückgelassen. Sie entschädigten die Eltern mit 2.500 Dollar pro Kind. Es gibt Dutzende solcher Geschichten. Die ISAF-Truppen, die unter Führung der NATO operieren, ziehen ab und hinterlassen ein tödliches Erbe.
    Laut UN sind in den letzten Jahren über 30 Menschen durch Blindgänger getötet und über 80 verletzt worden. Vier von fünf Opfern sind Kinder und Jugendliche. Der Großteil der Unfälle geschieht auf früheren Trainingsgeländen des US-Militärs. Unstrittig ist, dass NATO-Truppen Trainingsgelände räumen müssen, die nicht mehr genutzt werden. Eine NATO-Richtlinie schreibt vor, in einem dreistufigen Verfahren zunächst die Oberfläche abzusuchen, dann oberflächlich Munition aufzuräumen und zu prüfen, ob und welche Teile der Schießbahn auch im Untergrund geräumt werden müssen.
    Quelle: NDR
  2. US-Präsident Obama beharrt auf russischer Aggression
    … das Misstrauen auf beiden Seiten ist groß. Von außen wird Kiew nicht offen gedrängt, Zugeständnisse zu machen, vielmehr wird trotz der Erfolge der von der OSZE geleiteten Verhandlungen in Minsk und der einsetzenden Deeskalierung der Druck weiterhin einseitig gegen Russland gerichtet. Zwar wird selbst von ukrainischer Seite nicht mehr berichtet, dass von russischer Seite Stellungen der ukrainischen Streitkräfte beschossen werden, es heißt auch, dass die meisten russischen Soldaten, Söldner oder Freiwilligen, wie immer man es nennt, abgezogen worden seien, aber im Westen wird zwar verkündet, man könne die Sanktionen einstellen, wenn Russland mitspiele, Kriterien werden dafür aber nicht genannt.
    Vor den Vereinten Nationen stellte US-Präsident Obama erneut die USA als Bewahrer der Freiheit und der internationalen Normen dar, während er die “russische Aggression” und die “Brutalität” des IS, den “Krebs des Terrorismus”, als die beiden großen Bedrohungen bezeichnete, denen man sich entgegenstellen müsse. Dabei bekämpft Obama den “Krebs” in Syrien wie schon die Hussein-Diktatur im Irak unter Verletzung der internationalen Normen. Und er erzählte eine sehr einseitige Darstellung des Ukraine-Konflikt, die nur Gut und Böse kennt, was aber als Tatsachen, also als reine Wahrheit, herausgestellt wird. Dass nicht alle Menschen in der Ukraine hinter der Maidan-Bewegung standen und stehen, dass dort auch rechtsextreme und gewalttätige Gruppen aktiv waren und sind, dass die Janukowitsch-Regierung nach einer Vereinbarung aufgrund des Drucks der extremistischen Kräfte des Maidan gestürzt wurde, dass Kiew ohne Versuch von Verhandlungen mit den Kiew-skeptischen Menschen im Donbass militärisch unter dem Deckmantel einer “Antiterroroperation” gegen die Aufständischen vorgingen, dass völlig ungeklärt ist, wer MH17 abgeschossen hat, alles egal, solange das geopolitische Weltbild der USA und deren Image als Weltretter bewahrt wird…
    Quelle: Telepolis
  3. Ein UN-Mandat ist nicht erforderlich, wenn Syrien das Vorgehen der USA akzeptiert
    Auf den ersten Blick verstoßen die Luftangriffe der USA gegen das Völkerrecht. Syrien hat weder ausdrücklich zugestimmt, noch gibt es ein Mandat des UN-Sicherheitsrats. Wenn Syrien jedoch die Angriffe stillschweigend billigt, liegt kein Verstoß vor.
    Die UN-Charta von 1945 verbietet grundsätzlich jede militärische Gewalt gegen einen anderen Staat. Der Angriff richtete sich zwar nicht gegen das syrische Regime von Baschar al-Assad, sondern gegen die Guerilla des Islamischen Staats (IS). Da der Angriff jedoch auf syrischem Gebiet stattfand, liegt ein Eingriff in die syrische Souveränität vor. Der IS ist trotz seines Namens bisher jedenfalls kein eigenständiger Staat.
    Eine ausdrückliche syrische Aufforderung zum militärischen Eingreifen liegt nicht vor – anders als im Irak, wo die USA ebenfalls IS-Stellungen bombardieren. Nicht ausreichend ist auch die vorherige Information der USA gegenüber Syrien. Es geht nicht darum, ob Syrien von den Luftschlägen wusste, sondern ob es sie billigte. Die Billigung muss nicht öffentlich erfolgen. In Pakistan ist es üblich, dass die dortige Regierung US-Drohnenangriffe auf Dschihadisten öffentlich missbilligt, ihnen vertraulich jedoch zustimmt.
    Da die USA mit Syrien nicht zusammenarbeiten wollen, gibt es möglicherweise nicht einmal eine geheime Zustimmung. Allerdings dürfte auch eine stillschweigende Billigung der US-Luftschläge genügen. Hierzu passen auch allgemeine Aussagen der syrischen Regierung zur Unterstützung von Aktionen gegen den Terrorismus (siehe oben).
    Möglicherweise berufen sich die USA aber lieber auf ein angebliches Recht auf humanitäre Interventionen. Solche Interventionen – ohne Zustimmung des betroffene Staates und ohne UN-Mandat – sind bisher aber nirgends geregelt und nicht allgemein anerkannt.  
    Quelle: taz

    Anmerkung WL: Eine merkwürdige Interpretation des Völkerrechts: Zuerst verletzt man die Souveränität eines Landes mit militärischen Angriffen und wenn dieses Land sich nicht dagegen wehrt, dann soll es völkerrechtlich in Ordnung sein.
    Natürlich akzeptiert das Assad-Regime die Bombardierung, wird doch damit auch ein Gegner geschwächt und es kann sich wieder als handlungsfähige Regierung darstellen.

  4. CETA
    1. Kein Verzicht auf Schiedsverfahren
      Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch gegen einen Verzicht auf Investor-Staat-Schiedsverfahren in den geplanten Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) ausgesprochen. Der Ausschuss lehnte mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Für einen fairen Handel ohne Klageprivilegien für Konzerne“ (18/1458 ) ab. Neben der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmte die Fraktion Die Linke für den Antrag. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete TTIP und CETA als „gefährliches Instrument, das wir aus rechtsstaatlichen Gründen ablehnen“.
      Quelle: Bundestag

      Anmerkung unseres Lesers P.S.: Das sollte nun wieder niemanden überraschen. Mich würde die Reaktion des Vizekanzlers und Fachministers dafür brennend interessieren. Plädieren die SPD-Ausschussmitglieder nun für die von ihm geforderte Geschlossenheit, indem sie die Komplexität aus den Verhandlungen herausnehmen, oder schießen sie ganz konkret gegen das Paper von Wirtschaftsministerium und Deutschem Gewerkschaftsbund, in dem es unter Punkt 8 heißt: »In jedem Fall sind Investor-Staat-Schiedsverfahren […] abzulehnen.«?

    2. Attac: CETA nicht verharmlosen – keine Entwarnung beim Investorenschutz
      Zwei Tage vor dem EU-Kanada-Gipfel in Ottawa warnt Attac davor, die Gefahren durch das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) zu verharmlosen. “Es bleibt dabei: CETA darf nicht unterzeichnet werden”, sagt Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. “Insbesondere beim geplanten Investorenschutz gibt es keinen Anlass für Entwarnung. Der Vertragstext strotzt nur so vor unklaren Formulierungen, die viel Spielraum für Interpretationen im Sinne der Konzerne lassen. Mit CETA würde eine intransparente Paralleljustiz mit Sonderrechten für Konzerne etabliert. Das ist und bleibt inakzeptabel.”
      Laut CETA-Text könnten Konzerne vor einem internationalen Schiedsgericht klagen, wenn sie ihre “legitimen Erwartungen” auf Gewinne geschmälert sehen. Weitere unpräzise Definitionen wie “faire und gerechte Behandlung” oder “legitime öffentliche Interessen” bieten ebenfalls ein weites Feld von Klagemöglichkeiten. Auch die Klausel, die Klagen von Briefkastenfirmen mit kanadischer Adresse verhindern soll, ist weitgehend wirkungslos: Verlangt werden lediglich “substanzielle Geschäftsaktivitäten” in dem beklagten Land. Zudem sieht der CETA-Vertrag keine verbindliche Revisionsmöglichkeit vor. Ein “Komitee für Dienstleistungen und Investitionen” soll nur prüfen, ob ein Berufungsmechanismus als notwendig erachtet wird.
      Quelle: Attac
    3. CETA: Gauck wirbt für Handelsabkommen mit Kanada
      Bundespräsident Joachim Gauck hat zum Auftakt seines Staatsbesuchs in Kanada eine offene Diskussion über die Konsequenzen der Globalisierung und das Ceta-Abkommen gefordert. Demokratien müssten die Globalisierung gestalten und nicht nur auf sie reagieren, sagte Gauck bei einem Staatsbankett in der kanadischen Hauptstadt Ottawa. “Gestalten heißt beispielsweise auch, dafür zu sorgen, dass rechtsstaatliche, soziale und Umweltstandards gefördert werden.”
      Das geplante europäisch-kanadische Handelsabkommen Ceta gilt als Vorbild für das umstrittene TTIP-Abkommen mit den USA. In der deutschen Öffentlichkeit gebe es Fragen und Kritik an Teilen des Ceta-Abkommens, sagte Gauck laut Redemanuskript. “Diese Debatte muss geführt werden”, betonte er.
      Gauck machte klar, dass er das Abkommen grundsätzlich für sinnvoll hält. “Nur indem man intensiv erklärt, was der Vorteil ist, gelingt es auch, die Öffentlichkeit zu überzeugen”, sagte er vor Journalisten. Ceta soll auf einem EU-Kanada-Gipfel am 26. September 2014 in Ottawa vorgestellt werden.
      Quelle: Zeit
  5. Verfluchtes Schiedsgericht
    Seit gut acht Jahren streitet der Bund mit dem Lkw-Mautbetreiber Toll Collect. Geführt wird die Verhandlung vor einem privaten Schiedsgericht – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Verfahren zeigt, warum die staatliche Justiz nicht ersetzbar ist.
    Es geht bei dem Streit zwischen dem Bund und der Toll Collect GmbH (Hauptgesellschafter sind Daimler und die Telekom) um ungeheuer viel Geld: Der Bund hat Toll Collect auf insgesamt sieben Milliarden Euro verklagt. Der Grund: Das Mauterfassungssystem ist bekanntlich erst Anfang 2005 in Betrieb gegangen, 16 Monate später als vereinbart. Daraus errechnet der Bund die Streitsumme; sie setzt sich zusammen aus Schadenersatz für den Mautausfall, aus Vertragsstrafen und den Zinsen.
    Darüber wird nun seit acht Jahren gestritten: nicht vor den ordentlichen Gerichten, also nicht vor der staatlichen deutschen Justiz, weil die angeblich viel zu langsam und mit ihrem Instanzenzug viel zu umständlich ist – sondern vor einem privaten Schiedsgericht. Dieses Verfahren ist wie ein Bandwurm, es zieht sich elend.
    Es mag gut sein, dass die Verlängerung des Toll Collect-Vertrags das Verhandlungsklima positiv beeinflussen soll – um zu einer gütlichen Einigung zu kommen. Die nächste Verhandlungsrunde des in München tagenden geheimen Schiedsgerichts steht bevor. Und es geht dabei nicht nur um die sieben Milliarden Euro, die der Bund von Toll Collect haben will; das ist das Schiedsverfahren Nummer 1.
    Es gibt auch noch ein Schiedsverfahren Nummer 2. In diesem zweiten Verfahren klagt nicht der Bund gegen Toll Collect, sondern Toll Collect klagt gegen den Bund. Der Bund behält nämlich seit Jahren Teile der Vergütung aus den Mauteinnahmen zurück, welche eigentlich Toll Collect gebühren.
    Auf diese Weise versucht der Bund, die Vertragsstrafe zu kassieren, die ihm seiner Meinung nach zusteht. Das Ganze ist ein hochkompliziertes Rechtsverfahren, das den Namen “Komplex” wirklich verdient – mir Schränken voller Akten. Und das Ganze ist auch ein Exempel dafür, dass ein privates Schiedsgerichtsverfahren der staatlichen Justiz mitnichten überlegen ist. Das aber wird derzeit gern und laut behauptet, zum Beispiel bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten.
    Quelle: SZ

    Anmerkung JK: Wer hätte es gewußt, dass jetzt bereits geheime Schiedsgerichte ihr Unwesen in Deutschland treiben? Prantl hat wieder einmal absolut recht. Welche Notwendigkeit besteht in einem demokratischen Rechtsstaat geheime Schiedsgerichte einzurichten? Das interessante an den Schiedsgerichten ist auch, dass die Investoren die Staaten, nicht aber die Staaten die Investoren verklagen können. Dies wirft ein bezeichendes Schlaglicht auf das Rechtsverstädniss aller an den Verhandlungen zum TTIP beteiligten Parteien, explizit auf das der EU-Kommission, da diese daran rein gar nichts auszusetzen haben, dass transnationale Großkonzerne sich ihren eigen Rechtsraum schaffen dürfen.

  6. Ausschuss für Wirtschaft und Energie
    Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch gegen einen Verzicht auf Investor-Staat-Schiedsverfahren in den geplanten Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) ausgesprochen. Der Ausschuss lehnte mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Für einen fairen Handel ohne Klageprivilegien für Konzerne“ (18/1458) ab. Neben der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmte die Fraktion Die Linke für den Antrag. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete TTIP und CETA als „gefährliches Instrument, das wir aus rechtsstaatlichen Gründen ablehnen“.
    Die CDU/CSU Fraktion warf den Grünen den Versuch der Diskreditierung von internationalen Schiedsverfahren vor, obwohl diese Verfahren Bestandteil von vielen internationalen Verträgen seien. Transparenz bei diesen Schiedsverfahren wolle die Union aber auch. Die SPD-Fraktion sprach sich dafür aus, die Regelungen zur Schiedsgerichtsbarkeit und zum Investitionsschutz aus beiden Abkommen heraus zu verhandeln. Ein Sprecher der Fraktion warnte vor Extrempositionen und verlangte, man müsse auch die Vorteile der Freihandelsabkommen sehen. Danach könne man darüber sprechen, wo die roten Linien seien. Eine Befassung des Bundestages mit beiden Verträgen werde frühestens Mitte 2015 erwartet. Die Fraktion Die Linke warf den Sozialdemokraten vor, ihre eigene Beschlusslage nicht ernst zu nehmen. Auch wandte sich die Fraktion Die Linke gegen Investitionsschutzbestimmungen: Wenn es um die Frage gehe, ob Blinker von Kraftfahrzeugen rot oder grün zu sein hätten, dann brauche man keinen Investitionsschutz.
    In ihrem Antrag fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung auf, sich im Rat der Europäischen Union dafür einsetzen, dass in die beiden geplanten Freihandelsabkommen kein Mechanismus zu außergerichtlichen Schiedsverfahren zwischen Investoren und Staaten aufgenommen wird. TTIP und CETA könne nicht zugestimmt werden, wenn sie Schiedsverfahren jenseits der staatlichen Gerichtsbarkeit vorsehen würden: „Wer den Rechtsstaat stärken will, darf diesen nicht zur Disposition stellen“, schreiben die Abgeordneten.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: Was denn nun eigentlich, da zieht der Parteikonvent der SPD am 20. September rote Linie für die Zustimmung zu TTIP ein [PDF]:

    „Prinzipiell ist auszuschließen, dass das demokratische Recht, Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen zu schaffen, gefährdet, ausgehebelt oderumgangen wird oder dass ein Marktzugang, der solchen Regeln widerspricht, einklagbar wird. Die Fähigkeit von Parlamenten und Regierungen Gesetze und Regeln zum Schutz und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu erlassen, darf auch nicht durch die Schaffung eines „Regulierungsrates“ im Kontext regulatorischer Kooperation oder durch weitgehende Investitionsschutzvorschriften erschwert werden.
    Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU grundsätzlich nicht erforderlich und sollten nicht mit TTIP eingeführt werden. In jedem Fall sind Investor- Staat-Schiedsverfahren und unklare Definitionen von Rechtsbegriffen, wie „Faire und Gerechte Behandlung“oder „Indirekte Enteignung“ abzulehnen.“

    Aber dann spricht sich die SPD im Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch gegen einen Verzicht auf Investor-Staat- Schiedsverfahren aus.
    Dass sich die SPD-Fraktion dafür aussprach, die Regelungen zur Schiedsgerichtsbarkeit und zum Investitionsschutz aus beiden Abkommen heraus zu verhandeln, dafür kann man sich nicht viel kaufen: Weder die SPD-Fraktion noch der SPD-Wirtschaftsminister sitzen am Verhandlungstisch. Und wenn sich das Investor-Staat- Schiedsverfahren nicht weg verhandeln lässt, dann ist das vielleicht bedauerlich, aber man konnte sich halt nicht durchsetzen.

  7. Tarif-Ranking: Stromkonzerne halten Preise künstlich hoch
    Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen wirft den Energieversorgern vor, die sinkenden Einkaufspreise für Strom nicht an ihre Kunden weiterzugeben. Grundlage dafür ist eine Langzeitanalyse aller 106 Grundversorger in NRW von Dezember 2010 bis Juni 2014.
    Haushalte, die in NRW in der sogenannten Grundversorgung sind, mussten demnach im Juni 2014 durchschnittlich 23 Prozent mehr für Strom zahlen als im Dezember 2010. Und das, obwohl die Bezugskosten für Strom im selben Zeitraum deutlich gesunken sind. Eine Untersuchung anderer Bundesländer dürfte ein ähnliches Ergebnis haben, schätzen die Verbraucherschützer.
    Die Energieversorger begründen Preiserhöhungen mit den Kosten der Energiewende. In ihren Anschreiben an Kunden heißt es oft, Ökostromumlage und Netzentgelte seien gestiegen, sie hätten den Gesamtpreis in die Höhe getrieben und damit auch die Steuern auf den Strompreis. Der Branchenverband BDEW wiederholte diese Aussage erst Mitte September in einer Pressemitteilung.
    Um die Argumentation der Konzerne zu widerlegen, haben die Verbraucherschützer den Preis für Endkunden aufgedröselt. Bei jedem einzelnen der 106 Grundversorger haben sie Abgaben, Umlagen und Netzentgelte – sprich: jene Kosten, die vom Staat vorgegeben sind – vom Endkundenpreis abgezogen. Übrig bleibt die sogenannte Unternehmensspanne: jener Teil, den die Versorger durch unternehmerische Entscheidungen selbst steuern können.
    Quelle: Spiegel Online
  8. Illegale Medikamente im Handel
    Elke Baden war krebskrank. Immer wieder muss sie sich in der Tagesklinik des Schwabinger Krankenhauses in München einer Therapie unterziehen. Die Mittel haben gut angeschlagen: »Die Medikamente braucht man schon. Und da kann man wirklich nur hoffen, dass das auch wirklich die richtigen Medikamente sind und dass sie nicht gepanscht sind oder gefälscht oder sonst irgendwas. Weil wir sind leider Gottes darauf angewiesen.«
    Ihr behandelnder Arzt, Dr. Christof Fischer, betont: »Das sind Medikamente, die sehr viel Gutes tun können, sehr teuer sind und die Therapie deutlich verbessert haben und insofern legen die Ärzte natürlich, aber vor allem auch die Patienten sehr großen Wert darauf, dass das Originale sind.«
    Um jeglicher Gefahr durch gefälschte Medikamente zu entgehen, bezieht das Schwabinger Krankenhaus die Medikamente nicht beim Großhandel, sondern direkt beim Hersteller. Die Vorsichtsmaßnahme ist berechtigt! Nie zuvor hat es in Deutschland so viele Rückrufe von Medikamenten gegeben. Ein Teil des Netzwerks der Pharma Mafia ist nun aufgeflogen. Italienische Behörden haben einen illegalen Handel mit teuren Medikamenten, insbesondere für Krankenhäuser aufgedeckt. Bestimmungsort der Präparate: Fast ausschließlich Deutschland.
    Quelle: ARD
  9. Rohstoffe: Die geplatzte Blase
    Kein Blut für Öl – so lauteten Anfang der 1990er-Jahre die Rufe der Demonstranten, die gegen einen Krieg der USA im Irak protestierten. Sie erinnerten daran, dass es bei den militärischen Interventionen immer auch um den Zugriff auf das Erdöl des Nahen Ostens ging. Es war die Zeit des Zweiten Golfkriegs. Jetzt scheint alles anders zu sein. Die Amerikaner fliegen wieder Einsätze im Irak und seit einigen Tagen auch in Syrien. Aber über Öl spricht keiner mehr. Warum eigentlich?
    Darauf gibt es eine politische und eine ökonomische Antwort: Angesichts der monströsen Taten der Terrormiliz, die sich „Islamischer Staat“ nennt, werden die Einsätze der Amerikaner in weiten Teilen der Welt als gerecht angesehen, auch wenn sie völkerrechtlich betrachtet nicht unbedingt rechtens sind. Gleichzeitig hat sich aber auch die Lage an den Rohstoffmärkten grundlegend verändert.
    Quelle: Handelsblatt
  10. Die kommenden Alternativen
    Frank Schirrmacher hat gesagt: „Ein Jahrzehnt enthemmter Finanzmarktökonomie entpuppt sich als das erfolgreichste Resozialisierungsprogramm linker Gesellschaftskritik.“ Ja, man darf das Wort „Kapitalismus“ wieder gebrauchen, auch außerhalb linker Nischen. Immerhin, der Sache kann wieder ein Name gegeben werden. Plötzlich erinnern sich alle, dass schon Marx gelehrt hat, die Geschichte des Kapitalismus sei die Geschichte seiner Krisen.
    Hätte sich jemand vor Jahren auf den Marktplatz gestellt und gerufen: So geht es nicht weiter mit dem Kapitalismus, dann wären die Leute kopfschüttelnd weitergegangen oder der Staatsschutz wäre gekommen, je nachdem, wie laut das Rufen erklungen wäre. Und heute, wer würde heute einem solchen Redner widersprechen?
    Aber der Widerspruch wird achselzuckend zur Kenntnis genommen und dann geht man zur Tagesordnung über – und die ist nach wie vor neoliberal.
    Quelle: der Freitag
  11. Der Ton macht die Marschmusik
    Als der französische Premierminister Manuel Valls zu Wochenbeginn nach Deutschland kam, ereiferten sich deutsche Politiker aus den Reihen der Regierungskoalition: Frankreich kranke an einem Reformstau, wolle nicht sparen und müsse nun endlich etwas tun. Genau dieser Tonfall ist es, den Europa Deutschland übelnimmt.
    Quelle: Neues Deutschland
  12. IMK: Pause beim Anstieg der Einkommensungleichheit war nur Episode
    Die Ungleichheit der Einkommen in Deutschland hat sich Ende der 2000er Jahre zeitweilig nicht weiter erhöht. Das lag vor allem am Einbruch der Kapitaleinkommen während der Finanzkrise – und war keine Trendwende, sondern nur eine vorübergehende Episode, zeigt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.*
    Über anderthalb Jahrzehnte, seit Beginn der 1990er-Jahre, hat sich die Schere zwischen hohen und niedrigen Einkommen in der Bundesrepublik stetig weiter geöffnet. Der Gini-Koeffizient, das verbreitetste Maß für Ungleichheit, stieg bis 2005 um rund 18 Prozent an. Deutschland, lange Zeit ein Staat mit relativ ausgeglichener Einkommensverteilung, rutschte auf das durchschnittliche Niveau der OECD-Länder ab. Nach 2005 ging der Gini-Wert wieder etwas zurück. 2010 lag er dennoch 13 Prozent höher als 1991. 2011, das letzte Jahr, für das bislang Zahlen vorliegen, hat nach Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wieder einen Anstieg gebracht. Bedeutet das, dass sich der Trend zu steigender Einkommensungleichheit fortsetzt?
    Um die weitere Entwicklung abschätzen zu können, ist ein Blick auf den Zusammenhang zwischen Konjunktur und Einkommensverteilung hilfreich. Das IMK hat deshalb gemeinsam mit Forschern der Arbeiterkammer Wien und der Universität Tübingen untersucht, in welchem Maß die Markteinkommen aus Vollzeit- und aus atypischer Beschäftigung sowie aus Kapitaleinkommen zu Veränderungen der Einkommensungleichheit beigetragen haben. Basis ihrer Analysen ist das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), eine jährliche Wiederholungsbefragung von mehreren tausend Haushalten. Die Forscher fassen für ihre Untersuchung Teilzeitbeschäftigung und geringfügige Beschäftigung zu atypischer Arbeit zusammen. Zu den Kapitaleinkommen zählen Zinseinkünfte, ausgeschüttete Gewinne und Mieteinnahmen.
    Das Ergebnis der IMK-Analysen stellt eine verbreitete Annahme infrage: Danach hat ab 2005 vor allem die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt, insbesondere die erfolgreiche Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 bis 2010, eine weitere Zunahme der Ungleichheit verhindert. Doch die SOEP-Daten weisen in eine andere Richtung: Die Arbeitseinkommen haben sich von 2005 bis 2010 weiterhin auseinanderbewegt, wenn auch in schwächerem Umfang als zuvor. Die Zunahme der gesamten Ungleichheit durch die Ausbreitung schlechter bezahlter atypischer Beschäftigung, die zu Beginn der 2000er Jahre stark ausgeprägt war, kam zwar mit dem Aufschwung ab 2006 kurzzeitig zum Erliegen. Nach 2008 gingen von der Entwicklung der atypischen Beschäftigung jedoch wieder spürbar ungleichheitserhöhende Effekte aus. Daneben stieg mit dem Ausbruch der Krise auch der bis dahin moderate Beitrag der Vollzeiteinkommen zur gesamten Ungleichheit leicht an.
    Dass sich die Ungleichheit zwischen 2005 und 2010 insgesamt nicht weiter erhöhte, lag nach den Analysen des IMK in erster Linie an den Kapitaleinkommen. Diese gingen in der Finanzkrise ab 2008 nämlich stark zurück. Überproportional steigende Einkünfte aus Zinsen, Unternehmensgewinnen oder Immobilien hatten seit der Wiedervereinigung die Ungleichheit vergrößert, weil Kapitaleinkommen überwiegend einer relativ kleinen Gruppe in der Bevölkerung zufließen. Der krisenbedingte Wirtschaftseinbruch ließ den Anteil und die Konzentration der Kapitaleinkommen hingegen stark sinken, so dass die zunehmende Ungleichheit der Arbeitseinkommen zeitweise überkompensiert wurde.  
    Nach Einschätzung der Wissenschaftler dürfte die vermeintliche Entspannung bei der Verteilungsentwicklung daher nur eine Episode gewesen sein. Mittlerweile haben sich die gesamtwirtschaftliche Situation und mit ihr die Unternehmensgewinne und die Einkommen aus Vermögen in Deutschland wieder erholt. “Für die Jahre 2012-2014 muss daher wieder mit einem Anstieg der Einkommensungleichheit gerechnet werden”, konstatieren die Forscher des IMK. Ein politisches Gegensteuern sei deshalb angebracht. Die Wissenschaftler empfehlen, zweigleisig vorzugehen: In der Arbeitsmarktpolitik sei es sinnvoll, atypische zugunsten regulärer Beschäftigung zurückzudrängen. Die Steuerpolitik könne gegen den Trend zu wachsender Ungleichheit vorgehen, indem sie die pauschale Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkommen abschaffe und die Vermögensteuer reaktiviere.
    Quelle: Gustav A. Horn, Sebastian Gechert, Miriam Rehm, Kai D. Schmid: Wirtschaftskrise unterbricht Anstieg der Ungleichheit. IMK Report 97, September 2014 [PDF]
  13. Abbau der Arbeitslosigkeit kommt nicht voran
    Das IAB-Arbeitsmarktbarometer sank im September gegenüber dem Vormonat leicht um 0,3 Punkte. Damit liegt der Frühindikator des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nun bei 99,7 Punkten. Das signalisiert für die nächsten drei Monate eine gleichbleibende saisonbereinigte Arbeitslosigkeit.
    „Nach der Einschätzung der Arbeitsagenturen wird es bis Jahresende keine größeren Änderungen bei der saisonbereinigten Arbeitslosigkeit geben“, sagte Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungsbereichs „Prognosen und Strukturanalysen”. „Die weltwirtschaftliche Lage ist durchwachsen, wie auch die konjunkturelle Situation in Deutschland“, erläuterte Weber. Für den Arbeitsmarkt gebe es so keine entscheidenden Impulse: „Der deutsche Arbeitsmarkt ist zwar robust, für einen Abbau der Arbeitslosigkeit reicht es derzeit aber nicht.“
    Das bedeute aber keineswegs Stillstand auf dem Arbeitsmarkt, betonte Weber: „Jeden Monat finden mehr als 200.000 Arbeitslose eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt, allerdings werden auch etwa ebenso so viele Beschäftigte arbeitslos.“ Das Entlassungsrisiko liege dabei momentan sogar relativ niedrig. „Vor allem kommt es darauf an, die Jobchancen der Arbeitslosen zu verbessern“, so Weber.
    Das IAB-Arbeitsmarktbarometer beruht auf einer monatlichen Befragung aller lokalen Arbeitsagenturen zu der von ihnen erwarteten Arbeitsmarktentwicklung in den nächsten drei Monaten. Der Indikator bezieht sich auf die saisonbereinigte Entwicklung der Arbeitslosigkeit, also unter Herausrechnung der üblichen jahreszeitlichen Schwankungen. Die Skala des IAB-Arbeitsmarktbarometers reicht von 90 (stark steigende Arbeitslosigkeit) bis 110 (stark sinkende Arbeitslosigkeit).

    Zum Download stehen bereit:

  14. Flexible Übergänge in den Ruhestand – Teilrenten sind für den Rentenzugang bislang bedeutungslos
    In der gegenwärtigen Debatte um die Flexibilisierung von Altersübergängen spielt die Teilrente eine herausgehobene Rolle. Insbesondere SPD und DGB drängen hier auf Erleichterungen. Ältere sollen so verbesserte Möglichkeiten erhalten, Rente und Weiterarbeit in Teilzeit miteinander zu kombinieren. Erlebt da womöglich ein Instrument, das es bereits seit 1992 gibt, nach mehr als zwanzig Jahren Siechtum eine Renaissance? Und woran liegt es, dass die Teilrente bislang auf so wenig Gegenliebe bei den Versicherten stößt?…
    Sowohl die älteren Beschäftigten als auch die Betriebe favorisieren – aus unterschiedlichen Gründen – die verblockte Altersteilzeit und weniger den gleitenden Übergang in Form von durchgehender Teilzeitarbeit. Die derzeit diskutierte Erhöhung und flexiblere Gestaltung von Hinzuverdienstmöglichkeiten oder auch eine auf beispielsweise 60 Jahre vorverlegte Möglichkeit des Teilrentenbezugs mit entsprechend höheren Abschlägen werden die Zurückhaltung bei deren Inanspruchnahme kaum auflösen. Derzeit gibt es also wenig Anzeichen, die für eine Renaissance der Teilrente sprechen.
    Quelle: Portal Sozialpolitik
  15. Pflegeheimchef reicht Beschwerde gegen Staat ein
    Der Text, den Armin Rieger an das Bundesverfassungsgericht geschickt hat, ist 21 Seiten lang. Sein Vorwurf darin lautet: “Weil der Staat systematisch wegschaut, kommt er seiner Schutzpflicht gegenüber alten, pflegebedürftigen Menschen nicht nach.” Der Heimbetreiber hatte bereits in der Vergangenheit das Pflegesystem scharf kritisiert, nun ist er nach Karlsruhe gegangen. Das höchste Gericht hat zwar Bedenken, dass die Verfassungsbeschwerde des 56-Jährigen rechtmäßig ist, doch Rieger will noch nicht aufgeben. Unterstützung bekommt er vom Sozialverband VdK, der seine Beschwerde in wenigen Wochen auf den Weg bringen will.
    Mit seiner Initiative will Rieger erreichen, dass der Staat dafür sorgt, dass es in deutschen Heimen menschenwürdig zugeht – was seiner Meinung nach derzeit nicht der Fall ist. Seine Forderungen sind unter anderem: Mehr Personal und mehr Geld für die Pflege. Dabei geht es ihm nicht um Einzelfälle, sondern um das System als Ganzes.
    Das Bundesverfassungsgericht hat relativ schnell auf Riegers Eingabe regiert und Bedenken gegen die Zulässigkeit angebracht. Das Gericht bemängele, dass er selbst nicht Betroffener sei, sagt Rieger. Das sieht der Chef des Augsburger Seniorenheims “Haus Marie” anders. Auch potenziell künftig Betroffene könnten Verfassungsbeschwerde einlegen, sagt Rieger. Er selbst könne auch schnell ein Pflegefall werden: “Mit meinen inzwischen 56 Jahren zähle ich mich sehr wohl zu diesem Personenkreis.” Noch in dieser Woche will Rieger seinen Widerspruch gegen die Ablehnung der Beschwerde nach Karlsruhe schicken.
    Rieger nennt zahlreiche Beispiele für die tägliche Verletzung der Menschenwürde in der Pflege: Personalmangel, Zeitdruck oder schwere körperliche Arbeit bei zu geringer Bezahlung würden zu einer unzulänglichen Pflege führen. “Oft werden geistig verwirrte und geistig fitte Menschen gemeinsam untergebracht. Das ist Folter”, kritisiert Rieger. Und weil es nicht genug Mitarbeiter gebe, müssten die alten Menschen auf Spaziergänge verzichten – und noch schlimmer: “Es ist an der Tagesordnung, dass Bewohner warten müssen, bis sie zur Toilette gebracht werden.”
    Das Bundesgesundheitsministerium weist die Kritik des Augsburgers zurück: “Die große Mehrheit unserer Pflegeheime und Pflegekräfte leisten Tag für Tag eine unverzichtbare Arbeit”, betont Ministeriumssprecher Sebastian Gülde. Es gebe eine funktionierende Heimaufsicht, der Medizinische Dienst der Krankenversicherer prüfe regelmäßig die stationären Einrichtungen. “Werden dabei Mängel aufgezeigt, besteht nach geltendem Recht ein abgestuftes Instrumentarium für Sanktionsmöglichkeiten”, sagt Gülde.
    Quelle: in Franken
  16. So überraschend viel verdienen Dax-Vorstände
    Die Deutschen denken, dass der Chef eines Dax-Konzerns 17 Mal so viel verdient wie ein ungelernter Hilfsarbeiter. Im Schnitt wünschen sie sich, dass das Verhältnis nur beim 6-fachen liegen sollte. Tatsächlich ist der Wert noch viel höher – und beträgt 147.
    Im Dax sind die 30 größten und umsatzstärksten deutschen Aktiengesellschaften versammelt. Ihre Vorstände verdienen gut – das glauben viele Deutsche und schätzen im Durchschnitt, dass die Konzernlenker 16,7 Mal so viel verdienen wie ein ungelernter Hilfsarbeiter. Zu dem Ergebnis sind zwei Forscher gekommen, die eine entsprechende Umfrage ausgewertet haben (hier als PDF). Insgesamt wurden mehr als 55 000 Antworten aus 40 Ländern berücksichtigt. Die Befragten in Deutschland wünschten sich im Schnitt, dass das ideale Gehalt eines Konzernchefs nur das 6,3-fache des Lohns beträgt, den der ungelernte Mitarbeiter bekommt.
    Die Fachzeitung Harvard Business Review hat ausgerechnet, wie viel den deutschen Top-Managern bleiben würde, wenn ihre Gehälter sich am allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl orientieren würden. Von den 5,9 Millionen Dollar, die sie tatsächlich bekommen, würden noch 950 000 Dollar bleiben. Die Werte sind in Dollar, damit sie mit denen aus anderen Ländern vergleichbar sind.
    Quelle: SZ
  17. Deutsche Bürokratie: Zahlen für die eigene Abschiebung
    Es war wie ein Gruß aus einer anderen Zeit, von einem Amt, das nichts vergisst: Anfang 2012 zog Branka aus Serbien in die Bundesrepublik und heiratete einen Deutschen, zwei Monate später lag das Schreiben der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen in ihrem Briefkasten. Es war kein Willkommensgruß, sondern eine Rechnung.
    Gut 600 Euro soll die heute 28 Jahre alte Frau zahlen, weil sie zwölf Jahre zuvor samt Familie abgeschoben worden war. Damals war Branka 16 Jahre alt, also noch nicht einmal volljährig. Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen entscheidet an diesem Donnerstag, ob diese Praxis vieler Behörden zulässig ist.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung unseres Leser D.F.: Wer noch meint, dass der deutsche Staat humanitär handelt, sollte das lesen. Es reiht sich ein mit anderen Berichten, die eine völlig verfehlte Politik aufzeigen – eine Politik, übrigens, die nicht erst jetzt aufgekommen ist.

  18. Kinderfreundliche Bildung: Plädoyer für eine Befreiung aller Schüler von seelischen und geistigen Konditionierungen
    Vor einigen Jahren habe ich damit begonnen, intensiver über meine in und mit der Schule gesammelten Erfahrungen nachzudenken. Bei der Suche nach den für das allgemeine Unbehagen verantwortlichen Gründen stellte ich so nach und nach fest, dass die üblichen (aber durchaus nicht falschen!) Erklärungsmuster (Schulstruktur, schlechte Rahmenbedingungen, Unterfinanzierung, praxisferne Lehrerausbildung oder sog. bildungsferne Elternhäuser) nicht weit genug reichen.
    Diese Erkenntnis ließ deshalb so lange auf sich warten, weil mich die schiere Menge der zu den genannten Bereichen publizierten Forschungsergebnisse zu der Annahme verleitet hat, dass – mit Ausnahme einer adäquaten Beachtung des Schulalltags – alle wesentlichen Bildungsfragen längst beantwortet worden seien. Erste Zweifel ergaben sich aus den teilweise doch sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen (z.B. hinsichtlich der Rolle des Lehrers oder der Bedeutung der Klassengröße), aber noch entscheidender war die Erkenntnis, dass es sich bei der vergleichsweise geringen Beachtung des Schulalltags um eine logische Konsequenz einer auf Leistungsmaximierung fokussierten Betrachtungsweise handelte.
    Seither versuche ich auf die eine oder andere Art, die Dinge unter einem radikal anderen Blickwinkel zu sehen. Hierzu gehören Fragen wie: Was brauchen Kinder? Woran fehlt es ihnen? Wie wird mit ihnen umgegangen? etc. Fragen wie diese führen schnell zu der Erkenntnis, dass die Grundbedürfnisse von Kindern auch in unseren Schulen weitgehend missachtet werden und wir vor allem deshalb noch himmelweit von einer “Wohlfühlschule” entfernt sind, in der Kinder gern und viel lernen.
    Stattdessen haben wir es mit einer Schule zu tun, in der Kinder nicht nur seelisch, sondern – in scheinbarem Gegensatz zum bislang getriebenen Aufwand zur Maximierung der Leistungsfähigkeit – auch geistig konditioniert werden. Mit anderen Worten werden meines Erachtens nicht nur behinderte Schüler, sondern alle Schüler an der vollen Entfaltung ihrer Potenziale gehindert und somit auch in dieser Hinsicht nur unzureichend darauf vorbereitet, einen gewaltfreien und ihren individuellen Fähigkeiten entsprechenden Weg ins Leben zu finden.
    Angesichts des Umstandes, dass in unserem derzeitigen Schulsystem alle Kinder “ausgebremst” bzw. in einem sehr einseitigen Sinne konditioniert werden, kann Inklusion als (vielleicht nie wiederkehrende) Chance verstanden werden, die anstehenden Reformen im Sinne einer guten Schule für alle zu gestalten. Vor diesem Hintergrund habe ich mich veranlasst gefühlt, konzeptionelle Denkanstöße zu entwickeln, bei denen es vor allem um Grundzüge und (etwas detaillierter) um Vorschläge zur inhaltlichen Gestaltung eines inklusiven Unterrichts gehen soll.
    Quelle: Magda von Garrel [PDF]
  19. Expertensegen für Elitewettbewerb? Exzellenzinitiative wird evaluiert
    Fast schon zehn Jahre lang gibt es die „Exzellenzinitiative für Spitzenförderung“. Jetzt kommt sie auf den Prüfstand. Eine internationale Kommission soll das Programm und seine Auswirkungen auf das deutsche Wissenschaftssystem unter die Lupe nehmen. Für seine Kritiker ist der Wettkampf der Eliteunis Wegbereiter eines akademischen Zweiklassensystems. Die berufenen Experten dürften das nicht so verbissen sehen.
    Quelle: Studis Online
  20. Ware Bildung – Tendenzen der Privatisierung öffentlicher Bildung
    Vortragsmaterialien:

    • Thomas Höhne: Autonomie als Herrschaftsstrategie zur Durchsetzung wettbewerblicher Steuerung
    • Tobias Kaphegyi: Widersprüchlichkeiten des Bildungsprivatisierungsprozesses in Deutschland und Erklärungsansätze – Pfadabhängigkeiten, Profite und „innere Landnahme“
    • Ansgar Klinger: Markt und Wettbewerb – Prekäre Arbeitsbedingungen in der öffentlich finanzierten Weiterbildung
    • Christina Gericke: Public Private Partnership im Bildungsbereich – eine Einführung
    • Klaus-Peter Börtzler: Das PPP-Projekt „School Turnaround“ – eine Wende für Berliner Schulen?
    • Cornelia Heintze: Vermarktlichung und Privatisierung von Bildung im skandinavischen Kontext

    Laut Berechnungen von Experten fehlen dem öffentlichen deutschen Bildungssystem jährlich 56 Milliarden Euro, wenn Deutschland bei den Bildungsausgaben nur auf ein mittleres Niveau der OECD-Länder aufrücken will. Das ist zunächst eine Folge des Kostensenkungsdrucks, der in der neoliberalen Ära auf den Staatsausgaben lastet. Andererseits versprechen alle Parteien mehr für die Bildung zu tun. Statt jedoch die Investitionen in das System deutlich zu steigern, wird eine Agenda verfolgt, nach der vor allem die “Effizienz” von Bildungseinrichtungen durch Privatisierung, Private-Public-Partnership-Modelle (PPP) und neue managerialistische Steuerungsformen erhöht werden soll. Politische Schlüsselbegriffe dafür sind “Autonomie” und “Wettbewerb”. In der Tat steigert sich so der Privatisierungs- und Wettbewerbsdruck, der auf Bildungsinstitutionen lastet. Das ist zwar keine materielle Privatisierung der Finanzierungsquellen, bei der “staatlich” durch “privat” ersetzt wird, aber eine funktionale Privatisierung. Sie bedeutet, dass immer größere Anteile öffentlicher Gelder konkurrenz- und wettbewerbsgetrieben verteilt werden ohne dass insgesamt mehr Geld ins System kommt. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass die Ungleichheit zunimmt – sowohl der finanziellen Ausstattungen wie der Bildungschancen. Statt möglichst vielen Menschen eine möglichst gute Bildung anzubieten, geht die Schere zwischen Bildungselite und Bildungsverlierern weiter auseinander.
    Quelle: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

  21. „Zivilklausel-Zukunftskongress 2014: Für eine Wissenschaft und Kultur des Friedens“ vom 24.-26. Oktober in Hamburg
    Als Teil dessen [des Widerstands von Friedenskräften gegen Kriegspolitik] bildet das Engagement der Zivilklauselbewegung für eine zivile, friedenschaffende Wissenschaft einen relevanten Faktor gesellschaftlicher Aufklärung und Veränderung, damit „das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern“ (Bertolt Brecht).
    Das forschende Lernen und die gemeinsame Arbeit für eine zivile und friedliche Entwicklung hat den aufrichtenden Gehalt, die Geschichte wieder gemeinsam in die Hände zu nehmen – gegen das Prinzip der gewalttätigen Durchsetzung der skrupellosen Ökonomie der Geschäftemacherei. Es kommt dabei wesentlich auf uns an: Wir wollen daher als Studierendenbewegung, Friedensbewegung und Gewerkschaftsbewegung auf einem Kongress zusammenkommen, um aus dem gemeinsamen Engagement gegen Krieg und Rüstungsforschung die Perspektive und Praxis einer friedenschaffenden Wissenschaft und Kultur zu erweitern. […] An den Hochschulen müssen wir dafür das Leitbild der „unternehmerischen Hochschule“ sowie die BWL als aktuelle Leitwissenschaft („alles für den Standort“) überschreiten durch eine lebendige Praxis friedensfördernder Wissenschaft.
    Dafür wollen wir […] fachspezifisch den emanzipatorischen Charakter der jeweiligen Fächer ergrün­den, ihn uns in Gegnerschaft zu ihrer Zurichtung für Profit und Krieg aneignen und zur Geltung bringen. Außerdem wollen wir auswerten und reflektieren, was wir als Zivilklauselbewegung gesellschaftlich erreicht haben und was dabei überzeugend war – mit dem Ziel, eine neue Qualität gemeinsamer Offensivität und Organisierung zu entwickeln.
    Quelle: Uni Köln [PDF]
  22. Stabile Ergebnisse bei Betriebsratswahlen 2014
    Bei den Betriebsratswahlen bleibt die Beteiligung auf hohem Niveau. Die große Mehrheit der Gewählten ist gewerkschaftlich organisiert und erfahren, beim Frauenanteil besteht zum Teil noch Nachholbedarf. Das sind erste Ergebnisse einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Untersuchung.
    Von März bis Ende Mai 2014 hatten Beschäftigte in zahlreichen Unternehmen Gelegenheit, über die Zusammensetzung ihrer Betriebsräte zu entscheiden. Nach Berechnungen von Ralph Greifenstein, Prof. Dr. Dr. Leo Kißler und Hendrik Lange machten im Schnitt etwa vier Fünftel von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Diese hohe Beteiligung spreche für eine ausgeprägte Verankerung der betrieblichen Interessenvertretungen in den Belegschaften, urteilen die Soziologen von der Universität Marburg. Ihre von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Analyse basiert auf Daten von knapp 15.000 Betrieben aus den Organisationsbereichen von IG Metall, ver.di, IG BCE und NGG.
    Stabile Beteiligung: Die durchschnittliche betriebliche Wahlbeteiligung lag 2014 insgesamt bei 79 Prozent. Um Aussagen über Trends ableiten zu können, haben Greifenstein, Kißler und Lange die Zahlen mit Ergebnissen aus dem Jahr 2010 verglichen. Damals lag die Wahlbeteiligung auf vergleichbarem Niveau. Das ausgeprägte Interesse dürfte nach Einschätzung der Wissenschaftler zu einer wirksamen Mitbestimmung beitragen: “Die Wahlbereitschaft der Beschäftigten stärkt in der betrieblichen Verhandlungsarena die betriebliche Schutz- und Gestaltungsfunktion der Betriebsräte auch nach den Betriebsratswahlen 2014.”
    Überwiegend Gewerkschaftsmitglieder: Eine tiefgreifende Veränderung im gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Betriebsräte zeigten die Wahlergebnisse nicht, so die Forscher. Etwa drei Viertel der Mandate entfielen auf Kandidaten aus DGB-Gewerkschaften. Im Vergleich zu 2010 blieb der Anteil weitgehend gleich.
    Frauenanteil stagniert: Auch was die Vertretung von Frauen angeht, scheint es keine gravierenden Veränderungen gegeben zu haben. Der Anteil der Mandatsträgerinnen in den neu gewählten Betriebsräten beträgt der Auswertung zufolge 30 Prozent und ist im Trendvergleich nahezu identisch geblieben. Ähnlich sieht es bei den Vorsitzenden und ihren Stellvertretern aus. “Im Vergleich zu anderen Führungskräften in vielen Unternehmen ist der Anteil von Frauen an der Spitze von Betriebsräten relativ hoch”, sagt Dr. Stefan Lücking, Experte in der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. Deutliche Unterschiede gibt es zwischen verschiedenen Branchen: Im Dienstleistungsbereich könne mit 46 Prozent Frauenanteil von einer nahezu “paritätischen Genderbesetzung” gesprochen werden, so die Forscher. Einen grundlegenden Umbruch in der geschlechtsspezifischen Zusammensetzung der Betriebsratsgremien können sie allerdings nicht erkennen. Sie empfehlen daher eine genderorientierte Strategie sowohl bei der Nachwuchsförderung als auch bei der Besetzung von Vorsitzenden-Positionen.
    Quelle 1: Ralph Greifenstein, Leo Kißler, Hendrik Lange: Trendreport Betriebsrätewahlen 2014, Zwischenbericht, September 2014 [PDF]
    Quelle 2: Infografik zum Download im Böckler Impuls 14/2014

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