Allmählich wächst der Widerstand der Hochschullehrer gegen die „unternehmerische“ Freiheit

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Mit harscher Kritik an der hessischen Hochschulpolitik haben sich die Professoren des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Frankfurter Uni an die Öffentlichkeit gewandt, berichtet die FAZ vom 2. August 2007 auf Seite 4: Die den Hochschulen vom Wissenschaftsministerium zugewiesene Autonomie sei nicht bei den Professoren angekommen. Moderne Wissenschaftspolitik sehe in den Universitäten Wirtschaftsunternehmen und verabschiede sich aus der Verantwortung für die Ausstattung der Hochschulen mit der Empfehlung, sich Drittmittel zu beschaffen. Wolfgang Lieb.

Drittmittelforschung sei zwar grundsätzlich nichts Neues, sie jedoch zum Prinzip zu erheben, berge die Gefahr, dass Gelder in die Hochleistungsforschung gelenkt würden, die universitäre Grundversorgung jedoch gleichzeitig ausgehungert werde, heißt es in der Erklärung der Juristen des Fachbereichs Rechtswissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Es bestehe außerdem die Gefahr, dass Projekte nur in Angriff genommen würden, um sich eine karge Grundausstattung zu erhalten. Private Drittmittel seien nur akzeptabel, wenn damit nicht gleichzeitig Forschungslenkung verbunden sei oder Gegenleistungen erwartet würden.

Allgemein wird kritisiert, dass Bund und Länder aus der finanziellen Mängellage den falschen Schluss gezogen hätten: Nur wenigen Eliten werde gegeben, was an Grundausstattung allen Universitäten hätte zukommen müssen. Gute Wissenschaft erhalte damit Ausnahmecharakter, eine breite Bildung sei nicht mehr gewährleistet. Angesichts der Finanzknappheit sei im Fachbereich Rechtswissenschaft an der Uni Frankfurt „produktive, freie Wissenschaft und Lehre…nicht zu gewährleisten.“

Auch die neuen sog. „Governance“-Strukturen der Hochschule werden scharf kritisiert: Hierarchische Strukturen innerhalb der Universitäten verstärkten die Schieflage: „Der Wissenschaftsbetrieb ist aber kein Befehlsprodukt entscheidungsfroher Präsidenten und Dekane, sondern ein dezentraler Suchprozess hochqualifizierter Individuen“, wissenschaftliche Leistung lasse sich nicht obrigkeitlich anordnen.

Zum Umbau der Hochschulen zu unternehmensähnlichen Gebilden zählten auch die Hochschulräte. Sie übten ohne universitäre Sachkompetenz eine Aufsichtsratsfunktion aus: „Hier werden externe Bewertungskriterien eingeführt, die mit dem Prozess universitärer Forschung und Lehre nichts zu tun haben“, heißt es in der bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung verabschiedeten Erklärung.

Leistungskriterien, also eine bürokratische Quantifzierung von Qualität, als Maßstab für eine leistungsgerechte Besoldung begünstige Opportunismus und trügen nichts zur Qualität von Forschung und Lehre bei. Das führe zum Gegenteil autonomer wissenschaftlicher Persönlichkeitsbildung.
Externe Evaluationen bestätigten nur, was auch durch eigene Leistungsbilder erhoben worden sei. Es sei unerfindlich, dass man trotz längst erkannter Mängellagen kostspielige Evaluationen bei Meinungsforschungsagenturen in Auftrag gebe. Solche Bewertungen von außen und Rankings lenkten nur von den realen Problemen ab und verschleierten die Nöte der Hochschulen.

Ich fühle mich durch diese Erklärung der Professoren des Fachbereichs Rechtswissenschaft in meinen kritischen Analysen über den Paradigmenwechsel zur „unternehmerischen“ Hochschule bestätigt.

Mir ist bewusst, dass die Juristen an der Frankfurter Uni vermutlich eher konservativ denken, aber wo sie Recht haben, haben sie Recht. Man muss allerdings nicht zur alten Ordinarienuniversität und zum „Elfenbeinturm“ zurück wollen, wenn man die Übertragung von Unternehmensstrukturen, mit Top-Down Management und Aufsichtsräten, und die Steuerung der Hochschulen durch den Wettbewerb auf dem Wissenschafts- und Ausbildungsmarkt als wissenschaftsfremd kritisiert.
Traurig stimmt mich allerdings, dass eine eher konservative Professorenschaft als erste gemeinsam ihre Stimme gegen den Systemwechsel an den Hochschulen erhebt. Fortschrittlichere Hochschullehre bleiben leider meist einsame Rufer in der Wüste.

Wo waren eigentlich die Stimmen der Frankfurter Juristen bei der Umwandlung der Johann Wolfgang Goethe-Universität in eine Stiftungsuniversität? Auch bei diesem Rechtsformwechsel geht es doch um nichts anderes als um die Ausdehnung der privaten institutionellen Macht des Reichtums auf die Hochschule.

Geradezu heuchlerisch empfinde ich den Kommentar der für Bildungspolitik zuständigen Redakteurin der FAZ, Heike Schmoll, zu der Kritik der Frankfurter Juristen: „Dieser Prozess lässt sich nur aufhalten, wenn Professoren den Mut besitzen, sich bestimmten Entwicklungen zu widersetzen, selbst wenn sie dabei einige Schrammen an der eigenen Karriere in Kauf nehmen müssen. Denn e wird sich herumsprechen, wo für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung gekämpft wird.“
Solche Tränen, gerade in einer Zeitung, die sich als Bannerträger der „unternehmerischen“ marktgesteuerten Hochschule betätigt hat, sind bestenfalls Krokodilstränen.