NSA-Ermittler mit Maulkorb

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Das Verfahren bei der Einsetzung eines Sonderermittlers für den NSA-Untersuchungsausschuss und vor allem die Tatsache, dass er seine Erkenntnisse nur in enger Absprache mit der Regierung den Parlamentariern erläutern darf, ist ein Beispiel dafür, wie CSU/CDU und SPD freiwillig ihre parlamentarischen Kontrollrechte beschneiden. Zu Recht bereitet die Linke eine Verfassungsklage vor.
Die Art und Weise, wie die Regierung bislang mit den Ausspähaktionen der Geheimdienste, zumal der NSA umgegangen ist, lässt sich nur noch mit den Begriffen „tarnen“ und „täuschen“ beschreiben, um vor den misstrauischen und überwachungsfreudigen „Freunden“ zu Kreuze zu kriechen. Einen „Ermittler“, der nur das ermitteln und dem Parlament mitteilen darf, was die Regierung erlaubt, kann man sich nach deren bisherigen Vertuschungs- und Beschwichtigungsverhalten ersparen.
Man kann nur darauf hoffen, dass der Rechercheverbund aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung weiteres Wikileak-Material auswertet. Von Wolfgang Lieb

Vor knapp zwei Jahren erklärte der damals für die Geheimdienstüberwachung zuständige Chef des Bundeskanzleramtes und heutige Generalbevollmächtigte der Deutschen Bahn, Roland Pofalla, vor der Parlamentarischen Kontrollkommission:

„Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland ist nach den Angaben der NSA, des britischen Dienstes und unser Nachrichtendienste vom Tisch.“ Deutsche Gesetze und Bestimmungen seien eingehalten worden. Die NSA habe schriftlich versichert, dass sie Recht und Gesetz in Deutschland einhalte.
Washington habe den Abschluss eines „No-Spy“-Abkommens angeboten.

Die zwischenzeitlich bekanntgewordenen Enthüllungen, haben diese regierungsamtlichen Äußerungen als Falschaussagen, halbe Wahrheiten oder ganze Lügen bloßgelegt.

Es gab (und gibt wohl noch immer) die „Totalüberwachung“. Wie ist die Lieferung von „500 Millionen Datensätze“ durch den BND an die NSA denn anders zu nennen? Wurden beim Abhören des Handys der Kanzlerin oder der Überwachung der jüngst bekannt gewordenen ministeriellen Telefonanschlüssen, die die National Security Agency als sogenannte “Selektoren” in ihren Computern führte, etwa deutsche Gesetze und Bestimmungen eingehalten? Handelt die NSA etwa nicht eklatant gegen ihre angebliche schriftliche Zusicherung Recht und Gesetz in Deutschland einzuhalten? Hat es überhaupt eine solche schriftliche Versicherung gegeben?

War diese Behauptung genauso erfunden, wie die Täuschung der Öffentlichkeit, dass die USA ein „No-Spy“-Abkommen angeboten hätten? Nicht nur Pofalla, auch Regierungssprecher Steffen Seibert und der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich hatten behauptet, es werde ein solches Abkommen geben. Auch die Kanzlerin selbst sagte, dass die Amerikaner bereit seien „mit uns ein sogenanntes No-Spy-Abkommen zu verhandeln“. Nach „bestem Wissen und Gewissen“ habe man diese Aussagen über das Zustandekommen eines solchen Abkommens gemacht, dabei war die Kanzlerin schon vor zwei Jahren informiert, dass die US-Regierung keinerlei Zusage zu einem No-Spay-Abkommen gegeben hatte.
Merkel hat nicht nur nichts getan, sondern auch noch vorgegaukelt, etwas zu tun (Heribert Prantl).

Stets wurde behauptet das Abhören diene dem Kampf gegen Terrorismus. Dass das eine reine Schutzbehauptung ist, wurde spätestens mit dem Anzapfen von Merkels Handy klar. Der jetzt bekannt gewordene, jahrzehntelange „große Lauschangriff“ (Hans-Christian Ströbele) auf das Wirtschafts-, Finanz- und Landwirtschaftsministerium hinunter bis zum Referatsleiter macht endgültig klar, dass es eher um einen ganz anderen Kampf geht, nämlich den zwischen Wirtschaftsinteressen. Aber auch das ist für den Bundeswirtschaftsminister kein ernsthaftes Problem, er hat dazu ein „irgendwie ironisches Verhältnis“ und er schießt noch gleich ein Eigentor indem er hinzufügt, dass er am Telefon ohnehin nichts sage, was man nicht im Morgenmagazin gucken oder in der Zeitung lesen könne.
Weil das Abhören seines Telefons für ihn nur ein „absurdes Theater“ ist, tritt Gabriel wohl auch für die Vorratsdatenspeicherung ein.

Schon beim Abhören von Merkels Handy ergab sich ein Lügen-Dilemma.
Da habe doch der amerikanische Präsident in einem Telefonat mit Merkel erklärt, dass er von dieser Abhöraktion nichts gewusst habe, sonst hätte er sie sofort abgestellt. Er habe sich dafür sogar entschuldigt. Das wurde jedenfalls vom Kanzleramt gesagt. Dann stellte sich allerdings heraus, dass Obama mindestens seit 2010 vom Abhören der Kanzlerin gewusst hat. Wer hat den nun gelogen: Obama oder die Kanzlerin bzw. das Kanzleramt?

Auch das Ausspähen ausländischer Regierungsmitglieder mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes (BND), wird vom Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung erst eingeräumt, als diese Tatsache nicht mehr zu bestreiten war.

Vor wenigen Tagen noch stellt Generalbundesanwalt Harald Range die Ermittlungen zur Überwachung von Merkels Handy ein, weil sich „der Vorwurf mit den Mitteln des Strafprozessrechts nicht gerichtsfest beweisen lässt“. Selbst das Eingeständnis des amerikanischen Präsidenten, dass dabei gegen deutsches Recht verstoßen wurde, reichte also als Anfangsverdacht für eine Straftat nicht aus.

Nun muss man wissen, dass der Generalbundesanwalt nicht unabhängig ist, wie ein Richter, er ist gegenüber dem Bundesjustizminister und damit gegenüber der Bundesregierung weisungsgebunden. Und dass der Bundesregierung weder an einem gerichtlichen Ermittlungsverfahren gegen deutsche „Schlapphüte“, geschweige denn gegen amerikanische Geheimdienste, noch an einer parlamentarischen Aufklärung gelegen ist, das wird einmal mehr dadurch belegt, dass die Listen mit bis zu 40.000 E-Mails und Telefonnummern weder von der Parlamentarischen Kontrollkommission noch von Parlamentariern des NSA-Untersuchungsausschuss eingesehen werden dürfen.

Es ist schon eine Selbstpreisgabe des parlamentarischen Kontrollrechts, wenn sich die Großkoalitionäre im NSA-Untersuchungsausschuss damit begnügen einen Personalvorschlag machen zu dürfen, die Ernennung des Sonderbeauftragten aber durch die Bundesregierung erfolgt. Kurt Graulich ist weisungsgebunden. Es ist schon bemerkenswert, dass sich ein ehemals unabhängiger Bundesverwaltungsrichter von vorneherein von der Regierung einen Maulkorb umbinden lässt.

Einen „Ermittler“ der nur das ermitteln und dem Parlament mitteilen darf, was die Regierung erlaubt, den kann man sich nach deren bisherigen Vertuschungs- und Beschwichtigungsverhalten ersparen. Da brächte es mehr Aufklärung, wenn der Rechercheverbund aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung weiteres Wikileak-Material auswertete.

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