„Rassismus und Sexismus gehen meist Hand in Hand“

Ein Artikel von:
Farid Hafez

Ob Anschläge auf Moscheen, oft mit den beliebten Schweineköpfen, ab und an jedoch auch mit Handgranaten, Angriffe auf Kopftuch tragende Frauen oder Proteste gegen den Verkauf von Halal-Fleisch – das Phänomen namens Islamophobie, auch bekannt als antimuslimischer Rassismus, gehört mittlerweile zum europäischen Alltag. Dementsprechend ist auch die Stimmung innerhalb der Gesellschaft. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung sind etwa 61 Prozent der Deutschen der Meinung, dass der Islam nicht zur westlichen Gesellschaft passe. Währenddessen meinen 46 Prozent der Briten, dass es „schwierig“ sei, in Großbritannien muslimisch zu sein. Derartige Zahlen passen zur gegenwärtigen politischen Landschaft Europas, die zunehmend von Rechtspopulisten und Rechtsextremen dominiert wird. Um dieser Realität entgegenzuwirken, wurde vor Kurzem der erste Islamophobie-Bericht zu Europa, der European Islamophobia Report (EIR), veröffentlicht. In diesem Kontext wurde die Entwicklung antimuslimischer Ressentiments in 25 europäischen Staaten empirisch untersucht. Die Ergebnisse sind zu einem Großteil schockierend. Über sie sprach Emran Feroz mit dem Politologen und Islamophobie-Forscher Farid Hafez [*], Mitautor und Initiator des EIR.

Das Phänomen Islamophobie ist im Grunde genommen nichts Neues. Wie kommt es, dass der erste europäische Bericht dazu erst im Jahr 2016 erschienen ist?

Es gab bereits in der Vergangenheit einzelne Berichte. Nur waren diese nicht regelmäßig und deckten auch nur einzelne wenige Länder ab. Genau hier will unser Bericht einen Beitrag leisten. Es geht um eine jährliche Analyse, die möglichst viele Länder umfasst.

Einige im Bericht dargestellte Zahlen sind sehr besorgniserregend, etwa der Anstieg islamfeindlicher Vorfälle in Frankreich, die allein im Halbjahr 2015 um 500 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind. Wie kommt es zu derartigen Ausschreitungen?

Der Anstieg von Übergriffen in Frankreich ist mit der Eskalation nach Charlie Hebdo zu erklären. Da es einen politischen und medialen Diskurs gegeben hat, der wenig differenziert war, scheint es mir, als fühlten sich die Menschen dazu ermächtigt, die Gleichsetzung von Islam und Terrorismus mit einer Handlung zu beantworten.

Stimmung machende Medien greifen auch immer wieder die Unterdrückung der Frau im Islam sowie in muslimisch geprägten Gesellschaften auf. Nun fällt in Ihrem Bericht auf, dass besonders viele Frauen, teils sogar 75 Prozent, Opfer von Islamophobie oder antimuslimischem Rassismus werden. Wie lässt sich das erklären?

Zum einen lässt sich sagen, dass jene Frauen, die als Musliminnen wahrgenommen werden – etwa durch die Haarbedeckung – leichter angefeindet werden, als Männer, die ihre muslimische Identität leichter „unsichtbar“ machen können. Zum anderen gehen generell Sexismus und Rassismus meist Hand in Hand. Das rassistische Patriarchat ist keine Neuheit.

Inwieweit hat Ihrer Meinung nach die sogenannte Flüchtlingskrise zum Anstieg der Islamophobie beigetragen?

Die Flüchtlingskrise hat besonders in den östlicheren Ländern Europas zu einem Anstieg an islamophoben Diskursen geführt. Dort funktioniert Islamophobie weitgehend ohne Muslime. Die Debatte über geflüchtete Menschen und eine Gefahr, die importiert werden würde, wurde von vielen politischen Kräften aufgenommen.

Wie kann Islamophobie ohne Muslime funktionieren? Wie erklären Sie das?

Das bestätigt nur eine der wichtigsten theoretischen Annahmen von Rassismus. Denn Antisemitismus, Islamophobie und andere Formen von Rassismus sagen uns mehr über die Vorstellungen der Antisemiten, Islamophoben, und Rassisten aus, als dass sie uns etwas über das Judentum, den Islam, oder den rassifizierten „Anderen“ aussagen würden.

Sie sind Österreicher. Der nächste Bundespräsident Ihres Landes könnte Norbert Hofer von der rechten FPÖ werden. Abgesehen davon ist die Partei schon seit einigen Jahren erfolgreich. Inwiefern hat der Aufstieg rechtsextremer sowie rechtspopulistischer Parteien mit Islamophobie zu tun?

Sehr viel. Denn die rechtspopulistischen Parteien haben erfolgreich einen strategischen Schwenk eingeleitet. Die FPÖ hat sich wie auch die französische Front National oder die Schwedendemokraten und viele andere in Europa programmatisch vom Antisemitismus verabschiedet. Das neue Feindbild ist im Wesentlichen das Alte in einem neuen Gewand. Dadurch, dass Islamophobie der gesellschaftsfähige Rassismus von heute ist, hat sich die Neue Rechte erfolgreich auf dieses Ticket gesetzt und das macht sie akzeptabler für die Wählerschaft.

Der EIR wurde unter anderem auch von SETA, einem konservativen, türkischen Think Thank, dem nachgesagt wird, der Regierung in Ankara nahezustehen, gefördert. Inwiefern hat dieser Umstand Ihre Forschung und Datenerhebung beeinträchtigt?

Der Bericht wurde von 37 Kollegen und Kolleginnen aus den 25 untersuchten Ländern verfasst, die zumeist wie ich selbst in einer akademischen Einrichtung tätig sind. Ich bin kein Angestellter des Think Tanks und mir wurde als Mitherausgeber freie Hand gegeben. Niemand hat sich inhaltlich in unsere Arbeit eingemischt. Ich habe SETA hier als sehr professionell erleben dürfen.

Deutschland will nun Straftaten mit antimuslimischem Hintergrund dezidiert erfassen. Ist das – wenn auch ein später – Schritt in die richtige Richtung?

Sicherlich. Das ist ein gutes Zeichen. Man wird die konkrete Umsetzung dieser Ankündigung verfolgen müssen. Gleichzeitig braucht diese staatliche Initiative auch eine gesellschaftliche Unterstützung. Dazu muss noch viel Bewusstseinsarbeit gemacht werden, insbesondere was die Muslime selbst angeht. Für viele ist die Islamophobie so normal geworden, dass sie nicht einmal noch erkennen, dass es sich hierbei um eine rassistische Straftat handelt. Zudem gilt es, im Bereich der Polizei auch Aufklärungsarbeit zu machen.


[«*] Dr. Farid Hafez ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung Politikwissenschaft an der Universität Salzburg. Hafez promovierte am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien und studierte zudem am Institut für Bildungswissenschaft an den Universitäten Krems und Klagenfurt. Er lehrt am Studiengang für das Lehramt für Islamische Religion in Wien und an der Universität Klagenfurt. Im Frühjahr 2014 war er Visiting Scholar an der Columbia University in New York City. Seit 2010 ist er Herausgeber des Jahrbuchs für Islamophobieforschung. 2009 erhielt er gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler John Bunzl den Bruno-Kreisky-Anerkennungspreis für „Islamophobie in Österreich“ für das politische Buch des Jahres. Hafez hat bis dato insgesamt 11 Bücher veröffentlicht und publiziert regelmäßig in führenden internationalen Journalen.

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