Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Merkel
  2. Grundrechte sind kein abstrakter Kokolores
  3. G20-Krawalle
  4. Endlich sind die Linken wieder die Bösen
  5. Wie es in Facebooks Echokammern aussieht – von links bis rechts
  6. Kolonial-Recht für Griechenland
  7. Deutsche Exporte wachsen unerwartet deutlich
  8. Deutsche Arbeitskosten steigen schneller als im EU-Schnitt
  9. Wirtschaftswissenschaftler gegen Schulz’ Ideen
  10. Für die Rentner geht es aufwärts
  11. Zwischen Erwerbsarmut und Erbschaftsfreuden. Zwei Schlaglichter auf die fortschreitende Polarisierung in Deutschland
  12. Minijobs sind eine Rutschbahn Richtung Altersarmut
  13. Theorie und Praxis der Inneren Sicherheit
  14. America First! Neue Sanktionen aus den USA – Der Kampf um Erdgas aus Russland
  15. Journalisten beim G20-Gipfel – “Der hat mir einen auf die Zwölf gegeben”
  16. 30.000 Meldungen in 30 Tagen: Google unterstützt Roboterjournalismus
  17. Nach „Hetzjagd“-Vorwürfen beim G20: Zeit Online trennt sich von „Störungsmelder“-Autor Sören Kohlhuber
  18. Von wegen „Rock gegen Links“: So tappte Heiko Maas beim Facebook-Talk mit Bild in die Boulevardfalle

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Merkel
    1. Schwere Schäden in Hamburg, kein Schaden für Merkel
      Eine Stadt in Scherben, keine schönen Bilder für den Wahlkampf, kaum politische Erfolge – das ist die Bilanz von G20. An Merkel prallt das alles wieder einmal ab. Wieso?
      In Hamburg ist Regierungschef Olaf Scholz (SPD) schwer angeschlagen. Die CDU in der Bürgerschaft fordert seinen Rücktritt, einigen Medien gilt er als Versager. Weil es, anders als Scholz versprochen hatte, nicht gelungen ist, die Sicherheit der Hamburger zu garantieren. Weil sich – wenig überraschend – herausstellte, dass die Lage eben nicht mit einem Hafengeburtstag vergleichbar ist, wie Scholz vor dem Gipfel suggeriert hatte.
      Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen scheint das G20-Desaster trotz der nahenden Bundestagswahl nichts anzuhaben. “Der Gipfel konnte abgehalten werden”, resümierte die Kanzlerin lapidar. Sie wird am Abend bei einer CSU-Klausur in Bad Staffelstein am Kloster Banz sprechen. Sie wird wohl Erklärungen zur Stärke der Union im Wahlkampf abgeben. Alles ist gut, dürfte dieser Auftritt ausstrahlen.
      Aber ist wirklich alles gut? […]
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Albrecht Müller: Mal etwas einigermaßen Interessantes von Spiegel Online

    2. Merkels G20-Kindergarten
      War dieser G20-Gipfel in Hamburg überhaupt nötig? Viele sagen nein, zum einen wegen der erwartbar mageren politischen Ergebnisse, über die schon keiner mehr redet (dazu unten mehr), und zum anderen angesichts des Krawalls, der auf den Straßen herrschte. Kanzlerin Merkel wollte den Gipfel unbedingt in Hamburg haben, direkt neben dem Schanzenviertel in den Messehallen. Ein Wahnsinn, schon auf dem Papier, aber Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz erfüllte der Kanzlerin dennoch ihren Wunsch, sprach lieber von einem Fest der Demokratie und wollte wohl das Signal aussenden, besonders staatstragend und verlässlich zu sein. Doch den schwarzen Peter hat er trotzdem. (…)
      Nicht Merkel, nicht Einsatzleiter Dudde müssen um ihre Posten bangen. Es ist der SPD-Bürgermeister, der die meiste Kritik sowie den Spott ertragen muss und die Suppe nun allein auslöffeln darf. Der tage- und nächtelange Hubschrauberlärm, den die Hamburger über ihren Wohnhäusern und Köpfen ertragen mussten, die Sperrungen und Kontrollen und nicht zuletzt die Krawalle und die Sachbeschädigungen, das alles landet auf dem virtuellen Kerbholz des Bürgermeisters, der schon mal planen kann, welches Amt er in der nächsten Berliner Großen Koalition übernimmt. Hamburg und „Hafengeburtstag“ hat sich für ihn wohl erledigt.
      Es ist wie immer: Die SPD hat den Schaden, obwohl sie sich brav an das Protokoll hielt und artig erfüllte, was das konservative Establishment von ihr erwartete. Zur Belohnung gab es zum Abschluss noch ein Foto mit der Kanzlerin, die – ohne selbst Schaden zu nehmen – das Desaster als Erfolg bezeichnen konnte und schnelle Wiederaufbauhilfe versprach. Dank ihres Prügelknaben von der SPD, der von den CDU-Truppen vor Ort ordentlich bearbeitet wird, kann sich die Kanzlerin auch noch als barmherzige Samariterin mit Herz für den bedauernswerten Olaf Scholz inszenieren.
      Quelle: TauBlog
  2. Grundrechte sind kein abstrakter Kokolores
    Bei sogenannten Großlagen muss die Polizei zweierlei schaffen: Sie muss Gewalttätigkeiten verhindern und sie muss das Demonstrationsgrundrecht schützen. In Hamburg, beim G 20-Gipfel, hat sie leider beides nicht geschafft. Sie hat Gewalttätigkeiten nicht verhindert und sie hat das Demonstrationsgrundrecht nicht geschützt. Die vergangenen Hamburger Tage waren daher ein doppeltes Desaster; die politischen Ergebnisse des Gipfels sind da noch nicht eingerechnet. Die Aufarbeitung der Ereignisse wird die nächsten Tage prägen.
    Wäre es ein Ziel des Hamburger Gipfels gewesen, das Demonstrationsrecht zu diskreditieren, ja diesem Grundrecht nachhaltig zu schaden – eine makabre Addition des Terrors des Schwarzen Blocks und der Strategien der Polizei hätte genau dies erreicht. Die Friedensinitiativen, die Flüchtlingshilfegruppen, die Trump- und Putinkritiker, die engagierten Leute von Pax Christi und Pro Asyl, die Kapitalismusgegner und die Werber für eine gerechtere Welt wurden und werden von der Polizei und von einem Teil der kommentierenden Öffentlichkeit in einen Topf geworfen mit den gewalttätigen Volldeppen vom Schwarzen Block. Man tat und tut so, als handele es sich bei den Gipfelkritikern um blauäugige Nahesteher der schwarzen Vermummten. So wurde und wird berechtigter Protest angeschwärzt. Danke, Herr Einsatzleiter! Danke, Herr Innensenator! Und ein Dank an die in Hamburg mitregierenden Grünen, die es in diesen Tagen geschafft haben, so abzutauchen, als ginge sie das alles nichts an.
    Zu einem Gipfel gehört auch der friedliche Protest dagegen. Er gehört so geschützt und so geachtet, wie die Sicherheit der Staatschefs. Zu diesem Zweck hat die Polizei in den vergangenen Jahrzehnten kluge Deeskalationsstrategien entwickelt. Das meint keinen Schmusekurs mit Gewalttätern, sondern einen intelligenten und präventiven Einsatz polizeilicher Stärke. Deeskalation ist die Lehre aus Brokdorf, Wackersdorf, Startbahn-West und diversen Chaostagen. Die Hamburger Polizei hat diese Lehren weggeschoben, sie hat die Demonstranten in toto als Gegner betrachtet, die man wegschieben muss, so wie sie auch die versammlungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts weggeschoben hat; die Hamburger Polizei – gemeint ist die politische Führung und die Einsatzleitung, nicht die zwanzigtausend Einsatzkräfte – hat schon im Vorfeld allein auf paramilitärische Taktiken gesetzt. Das war, das ist so von gestern wie die Politik von Herrn Trump.
    Quelle: Heribert Prantl in der SZ

    Anmerkung JK: Ein sehr guter Kommentar von Heribert Prandtl. Vor der, durch die CDU/CSU und den konservativ-neoliberalen Medien (FAZ, Welt, Bild) angezettelten hysterischen Diskussion über “linke Gewalt” treten die massiven Grundrechtsverletzungen durch die Polizei völlig in den Hintergrund, wie etwa der gezielte und völlig unbegründete Polizeiangriff auf den “Welcome to Hell”-Demonstrationszug. Woran man auch erkennt, dass die Randale im Schanzenviertel einigen politischen Kräften wie gerufen kam.

  3. G20-Krawalle
    1. Provozierte Eskalation
      Es waren Bilder wie aus einem Bürgerkrieg: Schwerbewaffnete Angehörige paramilitärischer Sondereinheiten beteiligten sich mit Schnellfeuergewehren an der Erstürmung eines Stadtviertels. Tausende Menschen wurden von der Außenwelt abgeschnitten, weil Straßen gesperrt und Bahnverbindungen eingestellt waren. Räumpanzer und Wasserwerfer sowie Tausende für den Straßenkampf ausgerüstete Polizisten bezogen Stellung. Das Schanzenviertel in Hamburg wurde am Wochenende zum Schauplatz einer Machtdemonstration des Polizeistaates.
      Zwei Nächte in Folge stürmten die Einsatzkräfte Straßen und Häuser in dem für sein alternatives und multikulturelles Ambiente bekannten und beliebten Stadtteil. Auslöser dafür war nach Darstellung der Polizei vom Freitag, dass »Störer« – in den Medien wurde das gleichgesetzt mit »militanten Autonomen« – in dem Viertel randaliert und Drogeriemärkte geplündert hätten. Die Rede war davon, dass auf den Dächern Molotowcocktails und Gehwegplatten deponiert worden sein sollen, um sie auf Polizisten zu werfen – vorgeführt wurden diese von der Polizei jedoch bislang nicht. »Ich bin fassungslos, dass linksradikale Straftäter offenkundig keine Hemmung haben, sehenden Auges das Leben von Polizeibeamten zu gefährden«, wetterte trotzdem der CSU-Innenexperte Stephan Mayer. Bild schlagzeilte am Sonnabend: »Keiner stoppt den linken Hass!«
      Quelle: Junge Welt
    2. Die Strategie der Polizei ist kolossal gescheitert
      Der Soziologe Simon Teune, 40, von der TU Berlin, beschäftigt sich mit der Kultur des Protests. Er arbeitet auch im Institut für Protest und Bewegungsforschung, das die Demonstrationen und Veranstaltungen rund um den G-20-Gipfel in Hamburg beobachtet hat.[…]
      Sind die Menschen im Schwarzen Block grundsätzlich gewaltbereit?
      In Hamburg muss man sagen: die Menschen, die da Autos angezündet und Läden geplündert haben, würden bei einer Demonstration sehr wahrscheinlich im Schwarzen Block mitlaufen. Aber umgekehrt findet nicht jeder aus dem Schwarzen Block gut, was da passiert ist. Die Leute aus der Roten Flora zum Beispiel haben ein großes Problem damit, dass ihr Viertel auseinandergenommen wurde. Die Vielfalt innerhalb des Blockes ist größer als man denkt.
      Wer läuft im Schwarzen Block mit?
      Das sind die klassischen, an autonomen Prinzipien orientierten Gruppen, anarchistische Gruppen, aber je nach Anlass auch Gruppen aus der Interventionistischen Linken, die sich gerade nach einer Kritik an der konfrontativen autonomen Politik gebildet haben.
      Worin lag der Sinn, in Hamburg einen Schwarzen Block zu bilden? Man wusste doch, dass die Polizei nur darauf gewartet hat.
      Die Ausschreitungen in Hamburg kann man ohne die Vorgeschichte nicht verstehen. Die Polizei hat von Anfang an Signale ausgesendet, dass Proteste in Hamburg keinen Raum haben. Sie hat die Übernachtungscamps nicht zugelassen. Sie hat eine Verbotszone eingerichtet, in der Protest nicht möglich sein sollte und am Donnerstag dann als Höhepunkt zerschlägt sie eine genehmigte Demonstration – aus nichtigen Gründen und in einer Form, die wahllos Menschen verletzt und gefährdet hat. Diese Vorgeschichte hat dazu geführt, dass die Leute, die die Polizei als Gegner sehen und ein Zeichen des Widerstands setzen wollen, angespitzt wurden.

      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung JK: Ein äußerst erhellendes Interview. Das zeigt wie wichtig die Eskalation im Schanzenviertel war um den öffentlichen politischen Diskurs in eine bestimmte Richtung zu lenken und, dass die Initialzündung für die Randale die völlig unverhältnismäßige Auflösung der genehmigten „Welcome to Hell“ Demo war. Die Polizeistrategie in Hamburg scheint darauf ausgelegt gewesen zu sein durch Provokation die Situation eskalieren zulassen um den linken Protest zu desavouieren. Auch der Einsatz von agents provocateurs sollte dabei jedenfalls nicht völlig in das Reich der Phantasie verbannt werden. Die Frage ist, wer dafür die politische Verantwortung trägt?

      dazu auch: Einfach eine völlig unkontrollierbare Konstellation”
      Auch wenn er nach Ende des G20-Gipfels mit Rücktrittsforderungen rechne, die eigentliche Verantwortung für die Krawalle liege bei Bundeskanzlerin Angela Merkel und Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz, sagte Protestforscher Wolfgang Kraushaar im Dlf. G20 in einer solchen Hochburg der Autonomen abzuhalten, sei eine “sehr zweifelhafte politische Entscheidung”.
      Barenberg: Und wenn Sie das so deutlich sagen, eine unkontrollierbare, absehbare Situation, was bedeutet das dann für die Politiker, für die Gerichte, für die Polizei, wenn es eben um solche Großveranstaltungen geht?
      Kraushaar: Also ich glaube, dass die Politik wirklich in sich gehen muss. Ich denke auch, wenn diese Tage vorüber sind, dann wird es Rücktrittsforderungen geben gegenüber dem Hamburger Innensenator Grote, gegenüber dem Polizeichef Meyer, aber das sind natürlich gar nicht die entscheidenden Personen. Die haben ja versucht, etwas umzusetzen, was ihnen vorgelegt worden war, und ich glaube, die Verantwortung dafür liegt bei Bundeskanzlerin Angela Merkel, beim Ersten Bürgermeister Olaf Scholz, und diese Entscheidung ist von Anfang an mit so großen Risiken behaftet gewesen, dass man diese nicht in dieser Form hätte fällen sollen.
      Nachher saßen sozusagen die Polizisten, die Sicherheit garantieren wollten, in der Falle, ebenso wie die Bewohner dieser Stadtteile, und dann hat sich sozusagen ein Muster abgespielt, nur sehr viel potenzierter als man das bereits in der Vergangenheit gekannt hat, und insofern wird es im Anschluss daran eines erheblichen Nachdenkens darüber bedürfen, ob man so etwas noch veranstalten kann. Ich will in diesem Zusammenhang auch den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair erwähnen, der gesagt hat, grundsätzlich dürfe man G-Treffen, also Gipfeltreffen, ob sieben oder acht oder 20, nicht in Großstädten veranstalten, weil nämlich anschließend durch die Proteste und durch die Militanz bei den Protesten das Gesamtbild ruiniert werden würde, und ich befürchte, dass das auch diesmal der Fall ist.
      Quelle: Deutschlandfunk

  4. Endlich sind die Linken wieder die Bösen
    Nach den Krawallen beim Hamburger G20-Gipfel setzen Politiker wie Peter Altmaier linken Extremismus mit rechtem und islamistischem Terror gleich. Das ist völlig absurd. (…)
    Auch Politiker springen auf diesen Zug auf und führen den Vergleich von linker und rechter Gewalt völlig ad absurdum. So twitterte CDU-Mann Peter Altmaier, Chef des Bundeskanzleramts, am Samstagnachmittag: „Linksextremer Terror in Hamburg war widerwärtig und so schlimm wie Terror von Rechtsextremen und Islamisten.“
    Geplünderte Geschäfte und brennende Autos sind also genauso schlimm wie Mord an Menschen mit Migrationshintergrund und Laster, die in Menschenmengen rasen.
    Für die Hinterbliebenen der Opfer des NSU und der Opfer von Nizza, Paris, Brüssel und Berlin ist das ein Schlag ins Gesicht. Altmaiers Tweet wird von der halben CDU fleißig geteilt und gefeiert. Endlich sagt es wieder jemand, Linksextremismus ist genauso schlimm wie Rechtsextremismus.
    Was ist das vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse überhaupt für ein Vergleich? Rechtsextreme und Islamisten wollen Leben auslöschen. Sie wollen Menschen tot sehen. Linksextreme zerstören Waren und Besitz.
    Das Verhalten der linken Krawallmacher von Hamburg ist völlig daneben. Die Ausschreitungen im Schanzenviertel, wo Flaschen fliegen, Scheiben eingeschlagen und Autos angezündet wurden, werden zu Recht von allen Seiten verurteilt. Gewaltbereite Extremisten sind zu verachten und wählen den falschen Weg für ihre Sache. Immer.
    Aber die Sache, um die es dabei geht, ist auch ein wichtiger Punkt: Das Ziel der radikalen Rechten ist die Dominanz der „weißen Rasse“. Radikale Islamisten bekämpfen Freiheit und Offenheit. Radikalen Linken geht es um die Aufhebung von Ungleichheit. Schon die Ideologie dahinter macht einen Unterschied.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  5. Wie es in Facebooks Echokammern aussieht – von links bis rechts
    • Politische Meinungsbildung findet mehr und mehr in den Echokammern der sozialen Netzwerke statt. Die Frage ist: Wie beeinflussen sie Wahlentscheidungen?
    • Von der SZ zusammengestellte Timelines ermöglichen einen Einblick in mögliche, auf Datenanalysen basierende Facebook-Welten von Parteianhängern.
    • Die Auswertung zeigt, dass Unterstützer von SPD bis AfD auf Facebook vor allem Nachrichten konsumieren.
    • Außerdem gibt es einen Mitte-links-Ballungsraum – und die AfD. Bei Facebook zeigt sich bei deren Anhängern ein relativ geschlossenes Weltbild.

    Unterschiedlicher könnte der Blick auf die Krawalle von Hamburg nicht sein. In der Nacht zum 7. Juli haben sich Anhänger des sogenannten Schwarzen Blocks eine Straßenschlacht mit der Polizei geliefert. Kurz vor dem offiziellen Beginn des G-20-Gipfels. Am Morgen danach schreibt die linke Zeitschrift Junge Welt von einer “Orgie staatlicher Gewalt”. Der Beitrag ist bei Facebook besonders bei Anhängern der Linken beliebt. Genauso wie das Foto eines knutschenden Pärchens. Sie trägt grüne Haare und Nietenweste. Auf seinem Arm steht: “Eat the Rich”. Beide sind klatschnass vom Wasserwerfer. Demo-Romantik, der die CSU ein recht martialisches Bild von Polizisten in Kampfmontur entgegensetzt: Dunkle Uniform, Handschuhe, Helm mit Visier. Dazu der Kommentar: “Für Recht und Ordnung. Gegen linke Gewalt.” Das gefällt auch Anhängern der AfD. Die Fronten sind rund um den G-20-Gipfel eindeutig, Linke stehen Konservativen und Rechten gegenüber. Auch in den sozialen Netzwerken.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung Jens Berger: Spannend zu lesen. Auch wir von den NachDenkSeiten werden uns in nächster Zeit noch ausgiebig mit den Phänomenen „Echokammer“ und „Filterblase“ beschäftigen.

  6. Kolonial-Recht für Griechenland
    Deutsche Medien hatten Zweifel geweckt und Griechenland Versagen vorgeworfen. Doch nun ist der Weg für die Auszahlung des nächsten Hilfskredits frei. Allerdings muß Athen seinen Geldgebern Immunität gewähren – und den Rechtsstaat beugen.
    Am Montag soll Griechenland rund 7,7 Mrd. Euro erhalten, meldet der “EUObserver”. Fast das gesamte Geld fließt sofort wieder in den Schuldendienst, also zurück an die Gläubiger. In der Staatskasse bleibt nichts hängen.
    Die “Hilfe” kommt also nicht bei den griechischen Bürgern an, wie seit Jahren üblich. Es geht einzig und allein darum, Schulden umzuwälzen – alte werden abgezahlt, dafür neue aufgenommen. Ein absurdes Procedere.
    Ebenfalls seit Jahren verlangen die Gläubiger als “Gegenleistung” harte Reformen und Kürzungen. Diese haben das Lands bisher aber nicht – wie erwartet – voran gebracht, sondern nur noch tiefer abstürzen lassen.
    Diesmal geht es um neue harte Rentenkürzungen und um höhere Steuern auch für Geringverdiener. Die Reichen werden verschont, wie üblich. Allerdings kam zuletzt noch eine ganz spezielle Auflage hinzu.
    Damit Geld fließt, musste sich die Regierung nämlich bereit erklären, den “Helfern” strafrechtliche Immunität zu gewähren. Darauf bestand vor allem Spanien, es geht um Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung.
    Die unabhängige griechische Justiz hatte die Helfer belangt, Spanien daraufhin mit Blockade der Auszahlung gedroht. Der Streit wurde hinter den Kulissen gelöst, offenbar auf Kosten der Justiz.
    Und dabei waren die “Retter” doch mit der Maxime angetreten, den Griechen endlich einmal beizubringen, wie ein moderner Rechtsstaat funktioniert. Oder?
    Über den schmutzigen Deal haben die deutschen Medien übrigens nicht berichtet. Vermutlich erinnert er zu sehr an die Vorgänge in der Treuhand-Anstalt nach der Wiedervereinigung!?
    Quelle: lost in europe
  7. Deutsche Exporte wachsen unerwartet deutlich
    Unternehmen haben im Mai Waren im Wert von mehr als 110 Milliarden Euro ins Ausland geliefert. Das könnte den Vorwürfen von Donald Trump neue Nahrung geben.
    Die deutschen Exporte sind im Mai den fünften Monat in Folge gestiegen. Sie nahmen um 1,4 Prozent zum Vormonat zu, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Ökonomen hatten lediglich mit einem Anstieg von 0,3 Prozent gerechnet, nachdem es im April ein Plus von 0,9 Prozent gegeben hatte. Die Importe kletterten mit 1,2 Prozent ebenfalls kräftiger als erwartet und bereits zum dritten Mal hintereinander.
    Insgesamt verkauften die Unternehmen Waren im Wert von 110,6 Milliarden Euro ins Ausland, was einer Zunahme von 14,1 Prozent im Vergleich zum Mai 2016 entspricht. Gut liefen die Geschäfte mit den anderen Euro-Ländern, die um 13,4 Prozent zulegten. Viele Länder – darunter der nach den Vereinigten Staaten größte Exportkunde Frankreich – befinden sich in einem Aufschwung.
    Die Ausfuhren in die nicht zur Währungsunion zählenden EU-Staaten nahmen mit 9,2 Prozent unterdurchschnittlich zu. Dagegen wuchsen die in den Rest der Welt – von Amerika bis China – mit 17,3 Prozent besonders stark. Die Importe aus Ländern außerhalb der Europäischen Union legten um 22,3 Prozent zu.
    Unter dem Strich ergibt sich für Mai ein Überschuss in der deutschen Handelsbilanz von bereinigt 20,3 Milliarden Euro. Bei der Leistungsbilanz meldete das Bundesamt für Mai einen Überschuss von 17,3 Milliarden Euro. Deutschland steht wegen seines enormen Leistungsbilanzüberschusses international am Pranger. Vor allem der amerikanische Präsident Donald Trump hatte mehrfach scharfe Vorwürfe formuliert. Fachleute wie die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) sehen in dem hohen Überschuss auch einen Hinweis darauf, dass Deutschland zu Hause zu wenig investiert, was langfristig das Wachstum dämpfen könne.
    Quelle: FAZ
  8. Deutsche Arbeitskosten steigen schneller als im EU-Schnitt
    Die Kosten pro geleisteter Arbeitsstunde sind für Firmen in Deutschland deutlich stärker gestiegen als im EU-Ausland.
    Höhere Lohnzuwächse als zuletzt haben die Arbeitskosten in Deutschland im vergangenen Jahr in die Höhe getrieben. Im Schnitt kostete eine Arbeitsstunde Arbeitgeber in der deutschen Privatwirtschaft 33,60 Euro. Das waren 2,5 Prozent mehr als 2015. EU-weit legten die Arbeitskosten hingegen um durchschnittlich 1,6 Prozent zu.
    Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Die Zuwächse stellten aber “noch längst keine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit oder die Preisstabilität dar”, so die Forscher. Im Gegenteil: Das Plus reiche nicht einmal aus, um die insgesamt schwächere Entwicklung der Arbeitskosten in Deutschland seit dem Jahr 2000 auszugleichen. EU-weit sind die Arbeitskosten seit der Jahrtausendwende im Schnitt um 2,4 Prozent pro Jahr gestiegen, in Deutschland aber nur um 2,0 Prozent.
    In absoluten Zahlen liegt die Bundesrepublik bei den Arbeitskosten im europäischen Mittelfeld. Höher waren die Arbeitskosten mit bis zu 43,80 Euro nur in Dänemark, Schweden, Finnland, Belgien, Luxemburg und Frankreich.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Mit anderen Worten (wie auch in der Studie selber betont), die Löhne steigen weiterhin EU-weit und auch in Deutschland viel zu langsam. Alleine die Zusammenstellung hier im Artikel von (relativen) Lohnsteigerungen und (absoluten) Kosten der Arbeitsstunden ist ein einziges Ärgernis, weil die absoluten Kosten relativ zur Produktivität keine Aussagekraft haben. (Im Originalartikel wird positiv darauf abgestellt, daß Deutschland immerhin einen Platz im Lohnranking gut gemacht hat.) Sehr richtig ist auch der Hinweis, daß die Minilohnzuwächse im Kriechgang lange nicht genügen, um den hohen Lohnrückstand seit dem Jahr 2000 wettzumachen. Dennoch ist auch die IMK-Studie selber ein Ärgernis, wenn beschwichtigend darauf hingewiesen wird, daß die Lohnzuwächse “noch längst keine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit oder die Preisstabilität dar[stellen]”. Inhaltlich schlicht falsch, weil die Preisstabilität, also die Zielinflationsrate der EZB von 2 Prozent pro Jahr, weiterhin weit unterschritten wird; und es gibt keine “Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit”, sondern die viel zu hohe deutsche Wettbewerbsfähigkeit *ist die Gefahr*. Daß das IMK weiterhin einen Schmusekurs fährt, anstatt endlich offensiv den Abbau der deutsche Über-Wettbewerbsfähigkeit zu fordern, liegt wahrscheinlich an Vorgaben des DBG, entwertet die Studie aber erheblich.

  9. Wirtschaftswissenschaftler gegen Schulz’ Ideen
    Der deutschen Wirtschaft geht es blendend, insbesondere dem Arbeitsmarkt. Deutschlands führende Wirtschaftsprofessoren sind sich einig, woran das liegt.
    Finger weg von den Reformen des Arbeitsmarktes durch die „Agenda 2010“ – das sagt die große Mehrheit der deutschen Volkswirte. Fast 90 Prozent der Ökonomieprofessoren schreiben diesen Reformen eine starke oder sehr starke Wirkung auf die günstige Entwicklung der Arbeitslosigkeit und die Zunahme der Beschäftigung zu. Das ergibt das Ökonomenpanel, eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts in Zusammenarbeit mit der F.A.Z., unter den Wirtschaftsprofessoren an deutschen Universitäten. Rund 130 Professoren nahmen an der Umfrage teil. Die Agenda 2010 war ein Reformpaket der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) vor fast anderthalb Jahrzehnten. Der aktuelle SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will diese Reformen in Teilen rückgängig machen. Das stößt auf Ablehnung unter den Wirtschaftsprofessoren.
    Die arbeitsmarktpolitischen Versprechen des SPD-Kanzlerkandidaten werden abgelehnt. Während Schulz fordert, die Möglichkeit der „sachgrundlosen Befristung“ von Arbeitsverhältnissen aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz zu streichen, was eine befristete Einstellung schwieriger machen würde, hält die große Mehrheit der Ökonomen das für eine schlechte Idee. 74 Prozent sagen Nein zu diesem Vorstoß. Auch Schulz‘ Vorschlag, das Arbeitslosengeld I für Bezieher unter 50 Jahren über die bisherigen 12 Monate auszuweiten, stößt auf Ablehnung. 81 Prozent der Ökonomen halten die 12 Monate für „genau richtig“.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Das “Panel deutscher Ökonomen” ist gegen die auch nur teilweise Rückabwicklung der Agenda 2010, die FAZ auch: Informationsgehalt Null. Aber es zeigt sich, wie sehr sich Schulz selber matt gesetzt hat, indem er nur kosmetische Änderungen fordert und beim ersten Hauch von Gegenwind umfällt.

    Anmerkung JK: Ein erschütterndes Bild der deutschen „Wirtschaftswissenschaften“. Diese sind weiter gefangen in blindem, neoliberalen Dogmatismus.

  10. Für die Rentner geht es aufwärts
    Die Wahlkämpfer warnen vor Altersarmut und umsorgen die Rentner: Dabei steigt die Durchschnittsrente bei Neurentnern wieder, wie aktuelle Zahlen der deutschen Rentenversicherung zeigen. Grund sind steigende Löhne.
    Alles redet von der Altersarmut, die in Zukunft droht. Die SPD führt ihren Rentenwahlkampf mit dem Versprechen, das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent des bisherigen Einkommens sinken zu lassen – das ist der heutige Wert. Doch so schlecht wie die aktuelle Debatte vermuten lässt, geht es den Rentnern derzeit gar nicht. Dies belegen aktuelle Zahlen der deutschen Rentenversicherung. Zwar ist das Rentenniveau seit Anfang des Jahrtausends von 53 Prozent auf aktuell etwas über 48 Prozent gesunken.
    Trotzdem hatten Versicherte, die 2016 erstmals Rente bekamen, am Ende mehr Geld in der Tasche als jemand der 2000, im Jahr vor den großen Sparreformen im deutschen Rentenrecht, in den Ruhestand ging.
    In Zahlen: Die Rente ist durchschnittlich von 943 Euro auf 1013 Euro pro Monat gestiegen. Jedoch bezieht sich diese Summe nur auf männliche Rentner in den alten Bundesländern. Aber auch in den neuen Ländern erhielt der durchschnittliche Neurentner von 2016 satte 989 Euro statt 916 Euro pro Monat.
    Zwischendurch gingen die Renten auf Talfahrt: Ihren Tiefststand erreichten die Ostrenten 2006 mit unter 820 Euro und in Westdeutschland 2011 in Höhe von 870 Euro monatlich. Die Renten der Frauen sind insgesamt auf einem deutlich niedrigem Niveau, weil sie vor allem im Westen nicht durchgängig gearbeitet haben. Im Westen stieg hier die Durchschnittsrente von 436 Euro auf 631 Euro und im Osten von 682 Euro auf 887 Euro. Ein wichtiger Grund für die positive Entwicklung in den vergangenen Jahren sind die wieder steigenden Löhne.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Hält das Handelsblatt seine Leser wirklich für so blöd??? “Trotzdem hatten Versicherte, die 2016 erstmals Rente bekamen, […] mehr Geld [als ein Neurenter im Jahr 2000]. In Zahlen: Die Rente ist durchschnittlich von 943 Euro auf 1013 Euro pro Monat gestiegen.” Das sind 7,5 Prozent mehr bzw. eine durchschnittliche Steigerung von satten 0,45 Prozent pro Jahr. Kaum meßbar und weit unter der Steigerung nach der goldenen Lohnregel (Zielinflation plus Produktivitätszuwachs = 3 Prozent pro Jahr), sogar weit unter der durchschnittlichen Inflationsrate, d. h. jedes Jahr ein satter Kaufkraftverlust. Was an dem von 53 auf 48 Prozent gesunkenen Rentenniveau sowieso sofort erkennbar wird. Aber “Für die Rentner geht es aufwärts”, obwohl es permanent abwärts geht. Genau so und genau mit derselben Lügerei ist die DDR zugrunde gegangen. Und dann beschwert man sich über angebliche Alternative Fakten und beschwört den angeblichen Qualitätsjournalismus.

  11. Zwischen Erwerbsarmut und Erbschaftsfreuden. Zwei Schlaglichter auf die fortschreitende Polarisierung in Deutschland
    Studien können immer wieder Schlaglichter werfen auf gesellschaftliche Prozesse, beispielsweise die bieldiskutierte und damit an sich nicht unumstrittene fortschreitende Polarisierung zwischen “oben” und “unten”. In dieser Woche wurden parallel zwei solcher Studien veröffentlicht, die zum Nachdenken anregen können. Aktivierungspolitik und Erwerbsarmut in Europa und Deutschland, so ist die Arbeit von Dorothee Spannagel, Daniel Seikel, Karin Schulze Buschoff und Helge Baumann überschrieben, die vom gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) publiziert wurde. Was genau untersucht die WSI-Studie?
    Der Anteil der Working Poor in der EU betrug im Jahr 2014 rund zehn Prozent – gemessen an den Erwerbstätigen zwischen 18 und 64 Jahren. Obwohl sie regelmäßig arbeiten, müssen diese Menschen mit weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens in ihrem Land auskommen. Am höchsten war der Anteil in Rumänien mit 18,6 Prozent, gefolgt von Griechenland mit 13,4 Prozent und Spanien mit 13,2 Prozent. Mit 4,5 Prozent oder weniger hatten Belgien, die Tschechische Republik und Finnland die geringsten Erwerbsarmutsquoten. Deutschland lag mit 9,6 Prozent genau im Durchschnitt der EU-Länder. Aber: Für Deutschland zeigt sich dieses „besonders bemerkenswerte“ Phänomen, wie die Forscher schreiben: Einerseits stieg die Beschäftigungsrate zwischen 2004 und 2014 stärker als in den meisten europäischen Ländern, andererseits verzeichnete Deutschland den höchsten Zuwachs an Erwerbsarmut – nämlich schlichtweg eine Verdoppelung seit 2004.
    Wie interpretieren die Wissenschaftler das? Mehr Arbeit sei keine Garantie für weniger Armut – zumindest dann nicht, wenn die neuen Jobs nicht angemessen entlohnt werden oder die Stundenzahl gering ist. Die positive Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt beruhe zu einem großen Teil auf einer Zunahme atypischer Beschäftigung, vor allem Teilzeit, häufig im Dienstleistungsbereich und im Niedriglohnsektor. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors sei durch weitgehende Deregulierungen des Arbeitsmarktes, die Kürzung von Transferleistungen und verschärfte Zumutbarkeitsregelungen beschleunigt worden.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  12. Minijobs sind eine Rutschbahn Richtung Altersarmut
    Wenig Sicherheit und ein Einkommen, von dem man weder leben noch fürs Alter vorsorgen kann: Für Millionen Minijobber in Deutschland ist das Realität. Doch statt die Minijobs endlich in den Schutz der Sozialversicherung zu holen, wollen CDU/CSU diese prekäre Beschäftigungsform offenbar noch ausbauen, indem sie die Einkommensgrenze anheben, kritisiert DGB-Vorstand Annelie Buntenbach.
    Rund 7,7 Millionen Menschen in Deutschland sind als geringfügig entlohnte Beschäftigte registriert. Davon arbeiten 5 Millionen Beschäftigte ausschließlich in sogenannten Minijobs. Sie erzielen im Monat also maximal ein Einkommen von 450 Euro. Eigenständige Existenzsicherung für die Beschäftigten? Fehlanzeige! Von dem Einkommen kann man weder leben noch für das Alter vorsorgen.
    Der DGB fordert deshalb eine Reform, die Minijobs in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umwandelt – und zwar ab dem ersten Euro. Die Union sieht das jedoch offenbar anders: In ihrem Programm zur Bundestagswahl schreibt sie: “Geringfügig Beschäftigte sollen an der allgemeinen Lohnsteigerung teilhaben. Wir realisieren den mitwachsenden Minijob”. Heißt konkret: die Einkommensgrenzen sollen steigen und die Minijobs dadurch noch attraktiver werden.
    Damit schlagen CDU/CSU genau den falschen Weg ein, kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach: “Anstatt Minijobs, wie es dringend nötig wäre, endlich in den Schutz der Sozialversicherung zu holen, sollen sie offensichtlich ausgeweitet werden, indem die Einkommensgrenze weiter angehoben wird. Damit werden noch mehr Frauen auf die Rutschbahn Richtung Altersarmut geschoben.”
    Quelle: DGB
  13. Theorie und Praxis der Inneren Sicherheit
    Die „vollkommen unerwarteten“ Gewaltexzesse von Hamburg sind geradezu ein Segen für Politiker, die mit dem Thema ‚Innere Sicherheit‘ auf Stimmenfang gehen. Nicht verhinderte Brandstiftungen, Plünderungen und Sachbeschädigungen einerseits und die massive Beeinträchtigung weitgehend friedlicher Demonstrationen andererseits machen deutlich, dass Politik, Polizei und Bürger sehr unterschiedliche Auffassungen haben, was ‚Innere Sicherheit‘ ist. Und was die Aufgaben der Polizei sind – bzw. sein sollten …
    Der Schutz von Privateigentum, die Verhütung von Straftaten oder die Sicherung der Versammlungsfreiheit zählte allerdings ersichtlich nicht zu den obersten Prioritäten der Polizei in Hamburg.
    Zum Verhindern anarchistischer Randale sah sich die Polizei in Hamburg nicht in der Lage. Anscheinend sind rund zwanzigtausend Polizeibeamte nicht genug, um Sachbeschädigungen, Brandstiftung und Plünderungen durch mehrere hundert durchgeknallte Chaoten im Keim zu ersticken. Dazu mag auch die geniale Taktik der Polizeiführung vom Donnerstagabend beigetragen haben. Da fand nämlich die erste große Demonstration statt, besser gesagt: Sie sollte stattfinden. Die Polizeiführung sah darin eine willkommene Gelegenheit, deutlich zu machen, dass dieser Anspruch auf das ‚Demonstrationsrecht‘ in Hamburg nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich willkürlich ausgesetzt werden kann.
    Sie brachte die taktische Meisterleistung fertig, in einem Zug von rund zwölftausend, in der großen Mehrheit friedlichen Demonstranten, die Erinnerung an die Bilder von der Love Parade in Duisburg lebendig werden zu lassen. Man braucht dazu als Polizei mehrere Meter hohe Mauern rechts und links des Demonstrationszuges, blockiert den vorderen Ausgang durch mehrere Wasserwerfer und Räumfahrzeuge und wartet darauf, bis der Zug dort aufläuft. Dann zieht man eine Begründung für die so hergestellte Blockade aus dem Hut: Sie bestand in Hamburg darin, dass das innere Sicherheitsgefühl des verantwortlichen Polizeiführers massiv dadurch bedroht war, dass nicht sämtliche schwarz Gekleideten binnen weniger Minuten ihre ‚Vermummung‘ abgelegt hatten. Was vermutlich daran lag, dass man in der großen Masse der Menschen und einem hunderte Meter langen Demonstrationszug gar nicht zeitnah auch den letzten Kapuzenträger erreichen konnte. Anstatt in dieser Situation eine gewisse Souveränität zu beweisen, setzte der Polizeiführer um, was allem Anschein nach schon wesentlich früher auf politischer Ebene beschlossen worden war: Die Spitze der Demonstration wurde mit den Wasserwerfern angegriffen, Sturmtrupps drangen von mehreren Seiten in den schwarzen Block an der Spitze der Demonstration ein und es machte sich, wie zu erwarten war, Panik breit. Hunderte von Menschen versuchten, an der linken Seite über eine hohe Balustrade rauszukommen aus dieser gemauerten und vorne blockierten Falle. Die Demonstration war damit gesprengt, sie war am Ende, bevor sie noch richtig begonnen hatte.
    Quelle: Cives

    Anmerkung JK: Der Beitrag beleuchtet einen interessanten Aspekt. Man kann sich nicht erinnern, dass jemals eine Pegida-Demo von der Polizei aufgelöst wurde.

  14. America First! Neue Sanktionen aus den USA – Der Kampf um Erdgas aus Russland
    Eine neue Sanktionsinitiative des US-Senates gegen Russland beabsichtigt, russische Lieferungen für den europäischen Erdgasmarkt einzudämmen und durch eigenes Flüssiggas zu ersetzen. Dabei sollen auch europäische Firmen sanktioniert werden können, die an Infrastrukturprojekten, wie Leitungssysteme, maßgeblich beteiligt sind. Vor allem betroffen ist das geplante Pipelineprojekt Nord Stream 2, welches ab 2019 ein Volumen von 55 Milliarden Kubikmetern Gas aus Westsibirien über die Ostsee nach Lubmin und von dort auf den EU-Markt bringen soll. Während die national-konservative Regierung in Polen die US-amerikanischen Maßnahmen aus voller Kraft unterstützt, gibt es scharfe Reaktionen und Widerstand von EU-Spitzenpolitikern, hauptsächlich aus Österreich und Deutschland. Überraschenderweise kam es auf dem G20 Gipfel nicht zu Kontroversen zwischen Trump und Putin zu US-Sanktionsandrohungen im Erdgasbereich.
    Als am 15. Juni der US-Senat mit 98 gegen 2 Stimmen (Senator Rand Paul und Bernie Sanders) für neue Sanktionen gegen Russland votierte, spielte der europäische Erdgasmarkt, einer der lukrativsten Absatzgebiete für diesen Energieträger weltweit, eine nicht unwesentliche Rolle. Zur Begründung für den Gesetzesentwurf mit der Bezeichnung „Countering Iran´s Destabilizing Activities Act“, der hauptsächlich die Islamische Republik Iran ins Visier nimmt, wurden Russlands angebliche Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl 2016, Moskaus Unterstützung der Regierung von Präsident Baschar al-Assad im innersyrischen Konflikt sowie die Inkorporation der Halbinsel Krim in die Rußländische Föderation angeführt.
    Allerdings muss die Vorlage aus dem Senat, um Gesetzeskraft zu erlangen, noch das Repräsentantenhaus passieren und von Präsident Trump ausgefertigt werden. Ob er das tut, steht noch auf einem anderen Blatt geschrieben. Schließlich richtet sich diese Initiative, die maßgeblich von den Demokraten und ihren Senatoren initiiert wurde, auch gegen den Chef im Weißen Haus und sein Team. Grund sind die bisher intransparenten Beziehungen zum Kreml. Seine außenpolitischen Spielräume gegenüber Russland sowie der Ukraine engt der Senatsentwurf ein. Es ist damit zu rechnen, dass der Kongress Änderungswünsche des Präsidialamtes in der Frist von 30-60 Tagen prüfen und abblocken wird.
    Dieser Entwurf beabsichtigt, russische Erdgaslieferungen nach Europa durch Bevorzugung von US-amerikanischem Flüssiggas einzudämmen und neue Pipelineprojekte in Bezug auf Russland zu verhindern. Betroffen werden auch europäische Firmen sein, die sich an solchen Projekten beteiligen.
    Quelle: Russland Kontrovers
  15. Journalisten beim G20-Gipfel – “Der hat mir einen auf die Zwölf gegeben”
    “Mir hätte vielleicht noch klarer sein sollen, dass es vielleicht auch ein Risiko ist, da mit der Kamera unterwegs zu sein”, meint Martin Kaul im Dlf. Für die taz berichtete er von den G20-Protesten und wurde körperlich angegriffen. Für ihn steht dennoch fest: Wegschauen wäre keine Option gewesen.
    Quelle: Deutschlandfunk
  16. 30.000 Meldungen in 30 Tagen: Google unterstützt Roboterjournalismus
    Sie werden in der Industrie, der Forschung und mittlerweile auch in den Medien eingesetzt: Künstliche Intelligenzen. Für eine britische Nachrichtenagentur sollen Bots nun bis zu 30.000 Meldungen pro Monat verfassen. Finanziert wird das Projekt von Google.
    Durchschnittlich rund 1000 Berichte pro Tag sollen Künstliche Intelligenzen schon bald für die britische Nachrichtenagentur Press Association (PA) produzieren. Im Monat summiert sich das auf etwa 30.000 Texte. Würde dieser extrem hohe Output von menschlichen Journalisten gefordert werden, müsste die Angestelltenzahl der Agentur utopisch hoch sein. Doch PA setzt darauf, dass es auch ohne geht: Künstliche Intelligenzen durchsuchen präzise und schnell enorm große Datenmengen und verfassen basierend auf Vorlagen und Keywords Meldungen. Für sehr grundlegende Nachrichten und einen Schreibstil, der jeder persönlichen Note entbehrt, scheint das offensichtlich machbar.
    PA hat gemeinsam mit dem datengetriebenen News-Startup Urbs Media das Konzept für RADAR – Reporters And Data And Robots entwickelt. Ein Projekt, bei dem Bots 360.000 Berichte jährlich für lokale Medien und Blogger in England und Irland produzieren sollen. Google scheint die Idee des Roboterjournalismus zu gefallen. Denn laut Angaben der PA finanziert das US-Unternehmen ihr Projekt mit 706.000 Euro im Rahmen der Digital News Initiative (DNI).
    Dabei handelt es sich um eine Initiative, mit der Google europäische Medienhäuser unterstützt und innovative Projekte mit insgesamt 150 Millionen Euro fördert. Vor allem auch deutsche Medienhäuser profitieren von der Initiative: 3,7 Millionen Euro hat Google in der aktuellen dritten Förderrunde an deutsche Verlage ausgeschüttet – mehr als in allen anderen Ländern.
    „Die Förderung von 706.000 Euro ist eine der bisher höchsten Summen, die die DNI für ein einzelnes Projekt zur Verfügung gestellt hat“, schreibt die PA. Auf der Webseite der Initiative taucht zwar das Projekt RADAR auf, aber bis Redaktionsschluss noch ohne weitere Angaben oder Hinweise auf die Höhe eines möglichen Gewinns.
    Quelle: Wired
  17. Nach „Hetzjagd“-Vorwürfen beim G20: Zeit Online trennt sich von „Störungsmelder“-Autor Sören Kohlhuber
    Zeit Online beendet die Zusammenarbeit mit zwei seiner Autoren, die für das Watchblog Störungsmelder tätig gewesen sind – darunter Links-Aktivist Sören Kohlhuber. Hintergrund: Der beim G20 offenbar als Journalist akkreditierte Autor hatte bei Demos andere Berichterstatter fotografiert und die Bilder bei Twitter veröffentlicht – mit dem Hinweis, es handele sich um Anhänger der Identitären Bewegung. Gewalttäter hatten die Betroffenen daraufhin attackiert und geschlagen. Kohlhuber wurde deshalb vorgeworfen, eine “Hetzjagd” iniitiiert zu haben.
    Die Spuren der G20-Ausschreitungen in der Hamburger Innenstadt sind noch nicht ganz beseitigt, der Schock über die Zerstörungswut zahlreicher gewaltbereiter Anhänger des schwarzen Blocks ist noch lange nicht überwunden, da erschüttert ein weiterer, schwer zu begreifender Vorfall zumindest die Medienbranche.
    Quelle: Meedia
  18. Von wegen „Rock gegen Links“: So tappte Heiko Maas beim Facebook-Talk mit Bild in die Boulevardfalle
    So kann man einen Shitstorm provozieren: In der montäglichen Bild-Talkshow “Die richtigen Fragen”, die bei Facebook gezeigt wird, legte Moderatorin Anna von Bayern Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) den Begriff “Rock gegen links” in den Mund. Maas war so unvorsichtig, den Begriff aufzugreifen. Die bestellte Empörung ließ nicht lange auf sich warten. […]
    An dieser Stelle fiel ihm Bild-Moderatorin Anna von Bayern ins Wort und sagte: „Also Sie wünschen sich ein ‚Rock gegen links‘?“
    Maas‘ spontane Reaktion: „Ja, ein ‚Rock gegen links‘ oder was auch immer. Das werden diejenigen entscheiden müssen, die das dann auf die Beine stellen. Aber so etwas kann doch nicht ohne gesellschaftliche Reaktion bleiben. Wir sind viel zu oft die schweigende Mehrheit, die ein tolerantes und respektvolles Land will, die dann aber auch glaubt, dass es reicht, die schweigende Mehrheit zu sein. Das reicht eben nicht mehr, wie wir permanent sehen.“
    Eigentlich eine harmlose Aussage von Heiko Maas. Wer den Ausschnitt sieht, erkennt klar, dass Maas den Begriff „Rock gegen links“ nur wiederholt, weil er ihm von der Moderatorin vorgesagt wurde. In dem begleitenden Artikel bei Bild.de zur Talkshow wurde die Aussage dann ein wenig zugespitzt:
    Über die Täter, die in den vergangenen Tagen ganze Straßen der Hansestadt regelrecht verwüsteten, sagte Mass: „Das sind asoziale Schwerstkriminelle.“ Es seien in Hamburg „schwere Straftaten begangen worden – bis hin zum versuchten Mord“.
    Er wünschte sich, „dass das nicht ohne gesellschaftliche Reaktion bleibt. Wir sind viel zu oft die schweigende Mehrheit“, sagte der Justizminister. Vielleicht müsse „es auch ein ’Rock gegen Links’ geben“.
    Quelle: Meedia

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