Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Pflegenotstand … dann klappts auch mit dem Nachwuchs
  2. Erster Schritt zur automatischen Killerwaffe – SPD knickt ein
  3. Der kosmopolitische Irrweg
  4. Wie man weltpolitikfähig wird
  5. Scharf nach rechts
  6. Lohnentwicklung: Wie der MDR per Faktencheck Verwirrung statt Aufklärung betreibt
  7. Nur noch 53 Prozent werden in Bayern nach Tarif bezahlt – Tarifbindung im Freistaat besonders stark gesunken
  8. Familien entgehen fast 50 Milliarden Euro durch Kindergeldanrechnung
  9. Konzerngewinne landen zu 40 Prozent in Steueroasen
  10. EU-Budget: Geld für die Reichsten
  11. Verfassungsgerichtsurteil zur Kettenbefristung ist Etappensieg für Beschäftigte
  12. Glaubst du noch an die Mietpreisbremse?
  13. Kriminaltango in der Baugrube
  14. Presserat-Entscheidung: Netanjahu-Karikatur der Süddeutschen Zeitung ist von Meinungsfreiheit gedeckt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Pflegenotstand … dann klappts auch mit dem Nachwuchs
    Als Jens Spahn vor Wochen großkotzig verkündete, er gehe jetzt den Pflegenotstand an, indem er 8000 neue Stellen schaffe, erntete er – wie immer, wenn er den Mund aufmacht – rege Kritik. 8000 neue Pfleger_innen seien viel zu wenig. Ebenso sollten die neuen Stellen mit ausländischen Arbeitnehmer_innen besetzt werden. Dies gefiel nicht allen. Schließlich tut sich mancher betagte Patient schwer mit kostengünstigen Krankenschwestern, die nicht richtig Deutsch können. Das ist nicht mal aus der Luft gegriffen, fehlende Ansprache ist besonders in der Altenpflege ein häufiges Problem.
    Gleichwohl sieht die Realität in deutschen Einrichtungen aber bereits so aus, dass dort eine Internationale am Werk ist. Besonders Leute aus Niedriglohn- und Krisenländern werden gerne genommen. Ob nun Kasach_innen, Thais oder Spanier_innen: Sie machen den Job, den Deutsche offenbar immer seltener machen wollen. Jedenfalls nicht als erste Berufswahl. Daher ist die beliebteste Forderung: Man solle doch bitte einfach mal besser bezahlen, damit auch der deutsche Nachwuchs wieder verstärkt in die Branche drängt. Gegen bessere Bezahlung spricht freilich nichts, aber das ist nur ein Punkt, der berücksichtigt werden muss. Es sind vielmehr die Rahmenbedingungen, die junge Leute zurückschrecken lassen.
    Wer in die Pflege geht, der weiß eines ziemlich sicher: Es ist ein 24/7-Job. Ohne Schichtarbeit wird es nicht abgehen. Freie Wochenenden oder Feiertage werden rar. Besonders diese Arbeitszeiten machen die Pflege unattraktiv für Berufseinsteiger_innen.
    Quelle: Heppenheimer Hiob

    Anmerkung Jens Berger: Roberto De Lapuentes Ansatz ist richtig. Man darf die „Pflege-Debatte“ wirklich nicht auf die Bezahlung reduzieren. Sicherlich müssen Pflegekräfte besser bezahlt werden, aber dies ist nicht der wichtigste Kritikpunkt der allermeisten Beschäftigten. Es geht um die Arbeitsbedingungen, die wiederum eine direkte Folge der Unterbesetzung sind. Wenn diese Defizite nicht durch Neueinstellungen beseitigt werden, kann man das Berufsbild der Kranken-/Altenpflege auch nicht aufpolieren.

    Ergänzende Anmerkung André Tautenhahn: Wobei natürlich auch der Aspekt der Ausbildung interessant ist. Da hat sich die Große Koalition bekanntlich auf die generalistische Ausbildung verständigt, die alle drei Berufszweige Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege zu einer einheitlichen Pflegeausbildung zusammenfassen sollte. Der Auszubildende hätte sich dann nach dem Abschluss entscheiden können, wohin er geht. Da die Bezahlung im Krankenhaus in der Regel aber besser ist als in den privat betriebenen Altenpflegeeinrichtungen, hätte das für letztere bedeutet, mit den Löhnen nach oben gehen zu müssen.

    Das wollten die privaten Altenheimbetreiber natürlich verhindern und haben entsprechend Druck auf die Politik ausgeübt. Jetzt ist das Gesetz verwässert, worauf Stefan Sell bereits im April hinwies. Die Altenpflege-Ausbildung als Sondersystem bleibe demnach erhalten.

    Gestern ist das Reformwerk im Bundeskabinett beschlossen worden. In den Ländern ist derweil parteiübergreifend Protest zu vernehmen.

  2. Erster Schritt zur automatischen Killerwaffe – SPD knickt ein
    „Von der CDU/CSU erwartet man nichts anderes, aber die SPD nimmt abermals eine opportunistische Kehrtwende. Die Bestückung der ‚Heron TP‘ mit Waffen soll der Bundestag zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. Mit der Bewaffnungsfähigkeit der Drohne wird jedoch ein Druck zur tatsächlichen Bewaffnung erzeugt. Deshalb ist das Taktieren der SPD in dieser Frage eine Nebelkerze, um die eigenen Wähler zu besänftigen. Drohneneinsätze der USA fordern regelmäßig viele zivile Opfer und die Bundeswehr ist seit heute auf dem besten Wege dorthin“, erklärt Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der LINKEN im Bundestag, anlässlich der heute mit den Stimmen der SPD erfolgten Zustimmung des Verteidigungsausschuss zur Anschaffung der bewaffnungsfähigen Drohne „Heron TP“ aus Israel.
    Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko erklärt dazu: „Mit dem Beschluss zur Beschaffung von Kampfdrohnen übergeht die Bundesregierung den Willen der Bevölkerung, die sich in Umfragen mit deutlicher Mehrheit dagegen aussprach. Bewaffnete Drohnen sind Offensivwaffen und senken die politische Hemmschwelle bei der Entscheidung über Militäreinsätze. Sie fliegen und feuern mit ‚Assistenzsystemen‘, die zwangsläufig zu einer weiteren Automatisierung des Krieges führen. Ein Wettrüsten, wer über die ‚automatischere‘ Waffe verfügt, ist damit unausweichlich. Mit der Anschaffung von Kampfdrohnen beschreitet die Bundesregierung also den Weg zu einer am Ende weitgehend automatischen Killerwaffe.“
    Quelle: die Linke im Bundestag

    dazu: Rüsten für den Drohnenkrieg
    In einer kurzen Erklärung sprach auch Karl-Heinz Brunner, SPD-Abgeordneter und Mitglied im Verteidigungsausschuss, zu den Friedensaktivisten. Die bisherige Erfahrung mit den Einsätzen von Kampfdrohnen zeige zwar, dass diese entweder völkerrechtswidrig oder mindestens an der Schwelle dazu stehen. Drohnen könnten aber auch für Sicherheit und Schutz der Zivilbevölkerung eingesetzt werden, so seine Rechtfertigung für die sozialdemokratische Zustimmung. Die meisten der Anwesenden verfielen bei Brunners Worten in eine Mischung aus grummelnden Unmutsbekundungen und gehässigem Spott.
    Vor erst einem Jahr hatte die SPD-Fraktion einen ähnlichen Vertrag noch mit der Begründung abgelehnt, dieser beinhalte eine »gesonderte Herstellung der Bewaffnungsfähigkeit«. Nur zwölf Monate – und eine Bundestagswahl – später hat sich die Meinung der Sozialdemokraten geändert.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung André Tautenhahn: Hier drängt sich mal wieder der Verdacht eines Tauschgeschäfts auf. Für die Zustimmung der SPD zu einem Rüstungsprojekt bekommt Hubertus Heil die Brückenteilzeit, die jedoch kaum jemandem hilft.

    Der Deal innerhalb der Großen Koalition zeichnete sich bereits vor zwei Wochen ab. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Gesetzesvorschlag des Arbeitsministers eigentlich vom Kabinett beschlossen werden, doch auf Drängen der Union (Beratungsbedarf) verschwand der entsprechende Punkt kurzfristig wieder von der Tagesordnung. Insofern könnte man auch sagen, teures Militär gegen billige PR.

    dazu auch: Gutachten geht von neuen Kriegen und Konflikten weltweit aus
    Von einer stabilen und gerechten Friedensordnung ist die Welt weit entfernt. So lässt sich das „Friedensgutachten 2018“ zusammenfassen. Experten fordern Deutschland auf, weniger Waffen zu exportieren. Deutsche Rüstungsgüter spielten in aktuellen Kriegen eine wesentliche Rolle.
    Die internationale Gemeinschaft ist Friedensforschern zufolge immer weniger in der Lage, weltweit für Frieden und Sicherheit zu sorgen. „Von einer stabilen und gerechten Friedensordnung ist die Welt gegenwärtig weit entfernt“, heißt es in dem am Dienstag in Berlin vorgestellten Friedensgutachten 2018 mit dem Titel „Kriege ohne Ende. Mehr Diplomatie, weniger Rüstungsexporte“. Demnach ist zwischen 2012 und 2015 die Zahl der Bürgerkriege von 32 auf 51 gestiegen – auf das höchste Niveau seit 1945. Die Wissenschaftler fordern die Bundesregierung auf, Waffenexporte zu reduzieren und sich diplomatisch stärker einzubringen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
    Das Gutachten, das von führenden deutschen Instituten gemeinsam erstellt wird, zeichnet für 2018 ein düsteres Bild mit „neuen Konfliktlinien und -akteuren in Syrien und Afghanistan sowie neu aufflammenden Konflikten, unter anderem auf der Arabischen Halbinsel, in Myanmar, Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik“. Den Angaben zufolge gab es 2016 noch 47 Bürgerkriege. Rund 102.000 Menschen seien bei Kampfhandlungen getötet worden und mehr als zehn Millionen vor Kriegen geflohen.
    Quelle: Migazin

  3. Der kosmopolitische Irrweg
    Mit Ausnahme der Grünen stehen Parteien links der Mitte vor einem Dilemma. Einerseits sind weite Teile ihrer traditionellen Wählerschaft kommunitaristisch eingestellt. Andererseits rekrutieren sich ihre Funktionäre mehrheitlich aus dem kosmopolitischen Milieu. […]
    Der Konflikt zwischen Kommunitaristen und Kosmopoliten durchzieht nicht nur die politische Linke, sondern die gesamte Gesellschaft. Wolfgang Merkel beschreibt ihn als neue gesellschaftliche Konfliktlinie (Cleavage). Mit diesem Begriff bezeichnen Politikwissenschaftler Widersprüche, die die Parteienlandschaft strukturieren. [4] Archetypisch stehen auf der einen Seite der neuen Konfliktlinie die Kosmopoliten, die gebildeten, urbanen „frequent travellers“,[5] die der Globalisierung aufgeschlossen gegenüberstehen und überdurchschnittlich verdienen. Auf der anderen Seite stehen die Kommunitaristen, die weniger gebildet sind, weniger verdienen und nicht so mobil sind. Sie haben „ein besonderes ökonomisches wie kulturelles Interesse an der Erhaltung nationalstaatlich eng kontrollierter Grenzen“. [6]
    Mit Ausnahme der Grünen stehen Parteien links der Mitte vor einem Dilemma. Einerseits sind weite Teile ihrer traditionellen Wählerschaft kommunitaristisch eingestellt. Andererseits rekrutieren sich ihre Funktionäre mehrheitlich aus dem kosmopolitischen Milieu. Diese orientieren sich spontan an ihrer kosmopolitischen Lebenserfahrung. [7] Doch damit entfernen sie ihre Parteien von ihrer traditionellen Wählerschaft. Linke Parteien müssen mit diesem Spannungsverhältnis umgehen. Das scheinen nicht alle in der Linken so zu sehen. Denn vorerst konnte DIE LINKE den Verlust im traditionellen Wählersegment durch kosmopolitische Wähler ausgleichen. Doch kann diese Strategie längerfristig gut gehen?
    Quelle: Lev Lhommeau auf Makroskop
  4. Wie man weltpolitikfähig wird
    Nach dem offenen Zerwürfnis mit den USA auf dem jüngsten G7-Gipfel verstärkt Berlin seine Bemühungen um die Einführung von Mehrheitsentscheidungen in der EU-Außenpolitik. Hintergrund sind die anhaltenden Differenzen zwischen Ländern wie Polen, die sich eng an die Vereinigten Staaten binden, und Ländern wie Italien, die eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland anstreben. Die EU sei in auswärtigen Angelegenheiten “zu einstimmigen Beschlüssen nicht fähig”, hat schon vor geraumer Zeit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker resümiert; die Union müsse, um “weltpolitikfähig” zu werden, das bislang bestehende Vetorecht in ihrer Außenpolitik abschaffen. “Integrationswillige EU-Staaten” sollten “wie in einem Gänseflug vorangehen und sich für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen” stark machen, heißt es etwa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Sollte dies nicht möglich sein, müsse man für außenpolitische Themen ein “Kerneuropa inklusive Großbritannien” anstreben – “außerhalb der Verträge” und jenseits der EU.
    Quelle: german-foreign-policy
  5. Scharf nach rechts
    Nicht links, dafür scharf nach rechts – ein starker Führer mit absoluter Mehrheit im Parlament und dem Finanzkapital im Rücken. Was der französische Präsident Emmanuel Macron den Deutschen und Europäern in einem einzigen Amtsjahr vorgeführt hat, erschreckt inzwischen sogar die eigenen Wähler und einige Abgeordnete seiner in Rekordzeit aus dem Boden gestampften Partei »La République en marche« (LREM). »Macron der Moderne, Zerstörer des Sozialstaats«, titelte in der vergangenen Woche die Tageszeitung Libération. Macrons Modell für Europa sei er persönlich, mutmaßte neulich wohl nicht zu Unrecht die Pariser Philosophin und Soziologin Dominique Meda.
    Wie Macron, »der Moderne«, das »Wunderkind«, der »Messias« wirklich denkt und wie er funktioniert, wissen vermutlich nicht einmal seine eigenen Leute. Beredt ist aber sein Schweigen. »Was sagt der Präsident zu den Schiffbrüchigen auf der Aquarius?« fragte am Mittwoch die Satirezeitung Le Canard enchainé. »Nichts, er hält das Maul.« Was unternimmt er, um den in der italienischen Regierung angekommenen Faschisten den Wind aus den Segeln zu nehmen? Nichts, er schließt sich der Meinung des Brüsseler Finanzkommissars, des Deutschen Günther Oettinger an: »Die Märkte werden die Italiener lehren, richtig zu wählen.« So wie in Frankreich?
    Was Macron, der Millionär und frühere Investmentbanker des Geldhauses Rothschild, in Europa will, erklärte er bezeichnenderweise bei einem seiner seltenen Besuche in den verarmten Pariser Vorstädten im Norden der Metropole. »Bewegt euch«, empfahl er dort jungen Arbeitslosen, »macht etwas, niemand wird es an eurer Stelle tun!« Macrons Lobreden auf die »Méritocratie«, die Gesellschaft, in der diejenigen gewinnen, »die es sich verdient haben«, erinnern an das Programm zweier sozialdemokratischer Strategen, die der faschistischen Rechten in Europa den Weg bereiteten: des Briten Anthony Blair und des Deutschen Gerhard Schröder. Den von ihnen geforderten und durchgesetzten Abschied vom »Wohlfahrtsstaat« in Europa hatten die Franzosen zunächst schlicht verweigert. Weder ein Jacques Chirac noch ein Nicolas Sarkozy hatten es gewagt, ihrer Bevölkerung das totale neoliberale Konzept aufzuzwingen.
    Quelle: junge Welt
  6. Lohnentwicklung: Wie der MDR per Faktencheck Verwirrung statt Aufklärung betreibt
    War die Lohnentwicklung in der Gruppe der Geringverdienenden in der Vergangenheit wirklich so katastrophal? Der MDR will per Faktencheck für Aufklärung sorgen, argumentiert aber sehr einseitig. Dabei wäre eine ausgewogenere Antwort kein Hexenwerk gewesen.
    Nicht alle Erwerbstätigen profitieren gleichermaßen vom Aufschwung, einige auch gar nicht. Das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Aber kann es denn sein, dass die Reallöhne für viele Beschäftigte in den vergangenen Jahren sogar gesunken sind? Das muss aufgeklärt werden, dachte sich wohl der MDR und machte sich an den Faktencheck. Der aber sorgt nicht für Durchblick.
    »In Deutschland verdienen 40 Prozent der Beschäftigten heute weniger als noch Mitte der 90er Jahre. Das behauptet die Linkspartei«, so umreisst der MDR die Ausgangslage. Ja, kann das denn stimmen? Anscheinend denkt man beim MDR, dass bei »Behauptungen« von Mitgliedern der Linkspartei höchste Vorsicht geboten ist. Das muss also aufgeklärt werden – am Besten mit Fakten, denn Fakten sind wichtig, sie entlarven Behauptungen.
    Bevor nun der interessierten Leserschaft überhaupt Fakten zur Kenntnis gegeben werden, schreibt der MDR jedoch vorweg: »Um es gleich zu sagen: Die Behauptung ist irreführend.« Und setzt damit einen beeinflussenden Grundton.
    Quelle: Blickpunkt WiSo
  7. Nur noch 53 Prozent werden in Bayern nach Tarif bezahlt – Tarifbindung im Freistaat besonders stark gesunken
    In Bayern werden nur noch 53 Prozent aller Beschäftigten durch einen Tarifvertrag geschützt. Damit ist der Freistaat das Schlusslicht unter den westdeutschen Bundesländern, die im Durchschnitt nach wie vor eine Tarifbindung von 59 Prozent aufweisen. Lediglich in Ostdeutschland liegt die Tarifbindung zumeist noch niedriger. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie über „Tarifverträge und Tarifflucht in Bayern“ des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung auf der Grundlage von Daten des IAB-Betriebspanels aus dem Jahr 2016. Sie wird heute auf einer Pressekonferenz in München vorgestellt.
    „Die Tarifbindung in Bayern ist im Vergleich zu den anderen westdeutschen Bundesländern in den letzten Jahren besonders stark zurückgegangen“, erklären die Autoren der WSI-Studie, Prof. Dr. Thorsten Schulten, Dr. Malte Lübker und Dr. Reinhard Bispinck. „Während seit den 1990er Jahren die Tarifbindung in ganz Deutschland eine rückläufige Tendenz aufweist, war dieser Trend in Bayern zuletzt besonders ausgeprägt“ (Abbildung 2). Die besonders geringe bayerische Tarifbindung kann dabei nicht auf bestimmte Struktureffekte wie z.B. Branchenzusammensetzung oder Betriebsgrößen zurückgeführt werden. Im Gegenteil: Die bayerische Wirtschaftsstruktur sollte die Verbreitung von Tarifverträgen eigentlich begünstigen.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung
  8. Familien entgehen fast 50 Milliarden Euro durch Kindergeldanrechnung
    49,5 Milliarden Euro – das ist der Betrag, der armen Familien in Deutschland durch die Anrechnung des Kindergeldes auf die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Hartz IV) in den Jahren 2007 bis 2017 entgangen ist. 4,9 Milliarden Euro waren es allein im Jahr 2017. 1,2 Millionen Familien waren betroffen. Das belegen Zahlen aus der Antwort der Bundesregierung (PDF) auf eine Mündliche Frage von Sabine Zimmermann.
    Sabine Zimmermann, Sozialexpertin der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag, die auch Vorsitzende des Familienausschusses ist, erklärt dazu: „Die Anrechnung des Kindergeldes auf Hartz IV ist ein Dauerskandal. Die Bundesregierung verfährt nach dem Motto: ‚Wer hat, dem wird gegeben.‘ Kinder Gutverdienender profitieren vom Kinderfreibetrag. Kinder aus Familien, die nicht auf Hartz IV angewiesen sind, bekommen das Kindergeld. Die Ärmsten aber bekommen gar nichts. Das ist das Gegenteil vorausschauender Familienpolitik.“
    Zimmermann weiter: „Erwerbslosigkeit kann jeden treffen. Davor ist niemand gefeit. Kinder können am allerwenigsten etwas dafür. Auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist es wichtig, dass sie und ihre Familien sich im Ernstfall darauf verlassen können, dass der Staat sie vor Armut schützt. Das Kindergeld würde in dieser Situation eine echte Entlastung bedeuten.“
    Der Einnahmenverlust für die Familien durch die Kindergeldanrechnung lässt sich konkret beziffern: Das Kindergeld beträgt 194 Euro für das erste und zweite, 200 Euro für das dritte und 225 Euro für das vierte und jedes weitere Kind. Entsprechend mindern sich das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld. Die Bundesregierung vertritt den Standpunkt, dass sowohl das Kindergeld als auch der Regelbedarf der Existenzsicherung dienen. Doch bei den Familien, die nicht auf Hartz IV angewiesen sind, ist die Existenz – jedenfalls nach der Definition der Bundesregierung – schon durch das eigene Einkommen gesichert. Rein faktisch ist eine Doppelabsicherung also in der Natur des Kindergeldes angelegt.
    Dazu Zimmermann: „Gerade die ärmsten Familien sind auf Unterstützung angewiesen. Bei ihnen geht jede Erhöhung des Kindergeldes ins Leere. Vom Kindergeld müssen endlich alle Kinder profitieren. Perspektivisch fordert DIE LINKE. eine eigenständige Kindergrundsicherung. Jedes Kind in Deutschland hat in dieser Gesellschaft ein Recht auf Teilhabe. Das muss finanziell unterfüttert sein. Die Bundesregierung steht in der Pflicht, Kinderarmut wirksam zu bekämpfen.“
    Quelle: Linksfraktion
  9. Konzerngewinne landen zu 40 Prozent in Steueroasen
    Ökonomen haben errechnet, wie viel Gewinn multinationale Konzerne in Steueroasen verschieben. Österreich könnten bis zu 900 Millionen Euro an Steuereinnahmen im Jahr entgehen Schulen und Kindergärten, ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz, moderne Spitäler und eine gut ausgerüstete Polizei: Damit Staaten ihre vielfältigen Aufgaben wahrnehmen können, brauchen sie von ihren Bürgern und Unternehmen Steuergeld. Eine Reihe spektakulärer Enthüllungen in den vergangenen Monaten – etwa Panama Papers oder Lux Leaks – hat gezeigt, wie multinationale Konzerne und wohlhabende Privatleute mit aggressivsten Methoden darum kämpfen, Steuern zu sparen. Doch wie viel entgeht Gesellschaften weltweit durch solche Optimierungsstrategien? Der Ökonom Gabriel Zucman hat gemeinsam mit zwei Doktoranden von der Universität Kopenhagen einen neuen Anlauf unternommen, um das herauszufinden. Die drei haben dabei einige neue Erkenntnisse und imposantes Zahlenmaterial zutage gefördert.
    Im Jahr 2015, auf das sich die Untersuchung bezieht, haben Multis wie Google, Amazon, Nike und Co insgesamt 620 Milliarden US-Dollar an Gewinnen in Steueroasen verlagert (570 Milliarden Euro). Das entspricht 40 Prozent der gesamten Gewinne, die multinationale Unternehmen weltweit in diesem Jahr erwirtschaftet haben. Durch diesen Vorgang entgehen Industrieländern, insbesondere in der EU, aber auch Schwellen- und Entwicklungsländern, Einnahmen im großen Stil.
    Quelle: der Standard

    dazu: The Missing Profits of Nations
    Quelle: Gabriel Zucman

  10. EU-Budget: Geld für die Reichsten
    Luxemburg ist das reichste Land der Europäischen Union. Trotzdem erhielt das Großherzogtum zuletzt mehr Geld aus dem EU-Topf, als es einzahlte. Wie kann das sein?
    Auf den ersten Blick möchte man sich verwundert die Augen reiben. Doch die Zahlen sind offiziell, die Europäische Kommission hat sie selbst zusammengestellt. Demnach hat Luxemburg im Jahr 2016 – neuere Zahlen gibt es noch nicht – mehr Geld von der Europäischen Union erhalten, als es in den gemeinsamen Topf eingezahlt hat. Im EU-Jargon ist das Land damit ein Netto-Empfänger.
    Das ist keine Schande, die meisten EU-Länder sind Netto-Empfänger. So finanzieren sie Investitionen in Infrastruktur oder Bildung, um langfristig bessere Chance zu haben. Dafür zahlen reichere Länder, darunter auch Deutschland, mehr ein, als sie herausbekommen. Luxemburg aber ist das mit Abstand reichste Land der gesamten EU. Jeder Einwohner erwirtschaftet rund 90.000 Euro pro Jahr. Damit ist das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland, und fast dreimal so hoch wie im EU-Durchschnitt.
    Quelle: Deutsche Welle
  11. Verfassungsgerichtsurteil zur Kettenbefristung ist Etappensieg für Beschäftigte
    Das Urteil ist ein Etappensieg für die Beschäftigten, denn jetzt gibt es ein Schlupfloch weniger für Arbeitgeber“, kommentiert Susanne Ferschl, Sprecherin für Gute Arbeit und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot von Kettenbefristungen, in dem es die bisherige Rechtsauslegung durch das Bundesarbeitsgericht korrigiert hat. Ferschl weiter:
    „Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige gerichtliche Auslegung der Frage, wann eine Kettenbefristung vorliegt, erfreulicherweise zugunsten von Beschäftigten korrigiert und mit dem Grundgesetz als unvereinbar definiert. Ich danke den obersten Richterinnen und Richtern ausdrücklich für diese Nachhilfe in Sachen Rechtsauslegung bei so wichtigen Schutzgesetzen für die Beschäftigten. An diesem Urteil zeigt sich aber auch, dass Bundesarbeitsminister Heil bei den anstehenden Gesetzesentwürfen besonders auf mögliche Schlupflöcher für Arbeitgeber achten muss. Es darf nicht sein, dass durch eine schlechte Gesetzgebung die Beschäftigten erst nach jahrelangen Klagen zu ihrem Recht kommen.
    DIE LINKE fordert analog zur Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts, dass es die Pflicht des Staates zum Schutz der Beschäftigten sein muss, die unbefristete Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform zu sichern und fordert Bundesarbeitsminister Heil auf, bei dem angekündigten Gesetzentwurf zur Einschränkung von sachgrundloser Befristung und Sachgründen, diesem Gebot gerecht zu werden.“
    Quelle: Linksfraktion
  12. Glaubst du noch an die Mietpreisbremse?
    Durch die Mietpreisbremse und andere Maßnahmen soll die Explosion der Mieten gestoppt werden. Doch nichts davon wird ausreichen. […]
    Nach drei Dekaden der Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung versucht sich die Politik sowohl im Bund als auch in den Ländern inzwischen mit verschiedenen Formen des Gegensteuerns. Das Finanzvolumen für die Wohnraumförderung wurde aufgestockt, städtebauliche Instrumente wie Milieuschutzsatzungen und Umwandlungsverordnungen finden verstärkt Anwendung und mit der Mietpreisbremse soll der beständige Anstieg der Neuvermietungsmieten gebändigt werden. Doch die zu erwartenden Effekte der wiederentdeckten Wohnungspolitik sind gering. Die aufgestockten Fördermittel werden keinen nachhaltigen Beitrag für die Wohnungsversorgung schaffen, weil sie die Förderfehler der Vergangenheit reproduzieren.
    Wie in den früheren Förderprogrammen des sozialen Wohnungsbaus werden Fördermittel auch heute mit befristeten Mietpreis- und Belegungsbindungen vergeben. Das bedeutet: Zu Beginn sind die Mieten relativ günstig. Nach Rückzahlung der öffentlichen Darlehen – in der Regel nach etwa 20 Jahren – werden die Wohnungen aber aus den Bindungen entlassen und können nach marktwirtschaftlichen Kriterien bewirtschaftet werden. Diese Förderpolitik wird deshalb als eine „Wirtschaftsförderung mit sozialer Zwischennutzung“ beschrieben. Die so dringend benötigten dauerhaft günstigen Mietwohnungsangebote werden so – trotz milliardenschwerer Förderung – nicht aufgebaut.
    Auch der aktuelle Mengenansatz der Wohnraumförderung ist ernüchternd. Die etwa 25.000 geförderten Neubauwohnungen reichen nicht einmal aus, die jährlichen Abgänge aus den früheren Förderperioden zu kompensieren.
    Allein zwischen 1990 und heute hat sich die Zahl der Sozialwohnungen von über vier Millionen auf etwa eine Million Wohnungen reduziert. Dieses Abschmelzen wird mit den heutigen Programmen nicht gestoppt, sondern allenfalls verlangsamt. Am Ende der aktuellen Förderperiode wird sich trotz der jährlichen Ausgabe von zwei Milliarden Euro die Anzahl der mietpreisgebundenen Sozialwohnungen weiter verringert haben. Zudem sind die Einstiegsmieten im geförderten Wohnungsbau mit Mietpreisen um die 6,50 Euro pro Quadratmeter kalt für die Haushalte mit dem größten Unterstützungsbedarf bei der Wohnungsversorgung zu teuer. Haushalte mit geringem Einkommen müssen so weiterhin Mietkostenbelastungen von deutlich über 30 Prozent tragen. Selbst in einer Sozialwohnung bleibt dann nur wenig zum Leben.
    Quelle: Andrej Holm auf adamag
  13. Kriminaltango in der Baugrube
    Stuttgart 21 entwickelt sich zu einem gigantischen Fall von Wirtschaftskriminalität, wie die Anhörung im Verkehrsausschuss des Bundestags verdeutlicht. Der grüne Ausschussvorsitzende Cem Özdemir faselt was von Katzen auf Bäumen. Und die Staatsanwaltschaft Berlin weigert sich, zu ermitteln.
    Im Nachhinein betrachtet war Thilo Sarrazins Statement, das er bereits vorab verbreitet hatte, das Aufregendste an der Anhörung des Verkehrsausschusses im Bundestag am vergangenen Montag. Mit Möglichkeiten eines “Ausstiegs und Umstiegs bei dem Bahnprojekt Stuttgart 21” sollten sich die Ausschussmitglieder auf Antrag der Linken-Fraktion befassen, am Ende blieb es vor allem ein Austausch von altbekannten Argumenten für und wider den Tiefbahnhof (hier die Video-Aufzeichnung der Anhörung). Der Ausschussvorsitzende Cem Özdemir (Grüne) bekundete zwar, dass er dem Projekt nach wie vor kritisch gegenüberstehe. Aber “wie die meisten hier” sei er bei S 21 der Meinung: “Jetz’ isch die Katz dr Baum nauf”. Der Schwabe, lernten die Ausschussteilnehmer, kennt für die Einschätzung eines Zustandes als nicht mehr änderbar also noch mehr Wendungen als “Der Käs isch gessa” (Winfried Kretschmann).
    Rechtlich gesehen könnte weder die Katze auf dem Baum noch der Käse gegessen sein. Denn Sarrazins Aussagen, wie das umstrittene Bahnprojekt 2001 aus der Versenkung geholt wurde, bergen juristische Sprengkraft, die eine Reihe honoriger Manager und ehrbarer Kaufleute noch zum Verhängnis werden könnte. Sein Insiderwissen über Stuttgart 21 hat der 73-jährige Noch-Immer-Sozialdemokrat, von der AfD als Experte in der Anhörung benannt und in den vergangenen Jahren vor allem durch rechtspopulistische und rassistische Äußerungen bekannt, aus seiner Zeit als Netzvorstand der Bahn in den Jahren 2000 und 2001. In dieser Funktion war er auch zuständig für das Tiefbahnhofprojekt, das zu dieser Zeit auf Wunsch des damaligen Bahnchefs Hartmut Mehdorn wiederbelebt wurde.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  14. Presserat-Entscheidung: Netanjahu-Karikatur der Süddeutschen Zeitung ist von Meinungsfreiheit gedeckt
    Die Karikatur von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in der Süddeutschen Zeitung ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Grenze zur Diskriminierung von Juden sei nicht überschritten worden, teilte der Deutsche Presserat mit. In der Karikatur war unter anderem eine Rakete mit Davidstern zu sehen. Die SZ hatte sich nach Antisemitismusvorwürfen vom Zeichner Dieter Hanitzsch getrennt.
    Quelle: Meedia

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!