Laut Medien führt Assad einen „Eroberungskrieg“ – im eigenen Land

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Wenn der syrische Präsident mit russischer Hilfe syrisches Territorium gegen islamistische Söldner verteidigt, wirken zuverlässig die eingespielten Medien-Reflexe bei dem Thema: Eine Verteidigung gegen vom Westen unterstützte Kämpfer wird zu einer Attacke gegen „die eigene Bevölkerung“ umgedeutet. In den letzten Tagen nahm das einmal mehr kampagnenhafte Züge an. Hier soll beispielhaft für weite Teile der deutschen Medienlandschaft die Berichterstattung von „taz“ und „Spiegel“ untersucht werden. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die „taz“ eröffnet einen aktuellen Artikel zu Syrien mit diesem Satz: „Wieder führt Syriens Regime einen erbarmungslosen Eroberungskrieg, und wieder sieht die internationale Gemeinschaft tatenlos zu.“ An diesen Worten sind mehrere Aspekte nicht korrekt: Die rechtmäßige Regierung Syriens „erobert“ kein fremdes Terrain, sondern bekämpft islamistische Besatzer. Und auch die „internationale Gemeinschaft“, womit die „taz“ mutmaßlich die EU, die USA und ihre verbündeten Golfstaaten meint, sieht keineswegs „tatenlos zu“ – im Gegenteil mischen sich diese Länder seit sieben Jahren mit Söldnern und Waffenlieferungen in dem Land ein. Man hätte sich gewünscht, diese „Gemeinschaft“ wäre tatsächlich tatenlos geblieben. Der syrischen Bevölkerung wäre viel Leid erspart geblieben.

Wie jedes Mal, wenn der syrische Präsident mit russischer Hilfe syrisches Territorium gegen islamistische Söldner verteidigt, wirken die eingespielten Medien-Reflexe: Eine offensichtliche Verteidigung gegen vom Westen unterstützte Kämpfer wird zu einer Attacke gegen „die eigene Bevölkerung“ umgedeutet. Man kennt diese medialen Strategien zur Genüge, auch die verwendeten Begriffe („Rebellen“, „Machthaber“, „Opposition“) sind so gewohnt wie die Praxis, parteiische oder namenlose Quellen zu unabhängigen Beobachtern zu erklären, etwa in diesem Satz: „Am Donnerstag meldeten Aktivisten den Tod von 22 Zivilisten bei russischen Angriffen auf Al-Museifra, darunter fünf Kleinkinder in einem Keller.“

Ein Zurückweichen der Medien käme einem Schuldeingeständnis gleich

Das Interessante ist darum nicht mehr nur die Berichterstattung selber, sondern zusätzlich die Hartnäckigkeit, mit der an höchst zweifelhaften Deutungen festgehalten wird, etwa in der „taz“, die immer noch eine „Revolution“ als den angeblichen Auslöser des Kriegs gegen Syrien benennt: „In Daraa hatten im März 2011, nach den Revolutionen in Tunesien und Ägypten, die ersten Proteste gegen die syrische Diktatur begonnen, deren brutale Niederschlagung durch das Regime später in den Bürgerkrieg führte.“

Aber Journalisten wie Dominik Peters („Spiegel“) oder der auf den NachDenkSeiten hier und hier bereits thematisierte Dominic Johnson („taz“) haben wohl kaum eine andere Wahl: Sie müssen ihre vor sieben Jahren eingeführte Erzählung vom „niedergeschlagenen Volksaufstand“ beibehalten – andernfalls würden sie indirekt eingestehen, dass sie in dieser langen Zeit zum einen den westlichen Krieg gegen Syrien tendenziös dargestellt und zum anderen die Kritiker an dieser Berichterstattung unredlich diffamiert haben. Ein Zurückweichen bei der Meinungsmache zu Syrien würde einem Schuldeingeständnis der Redakteure gleichkommen.

„Beobachtungsstelle“, „Aktivisten“, „Rebellen“, „Opposition“

Beim einem aktuellen Syrien-Artikel des „Spiegel“ mit dem seriösen Titel „Assads grausame Sommeroffensive“ lassen schon die Quellen aufhorchen: Die Informationen beruhen zum Großteil auf Äußerungen der „Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“, auf Mitteilungen von „Aktivisten“ und auf namenlosen „Oppositionsmedien“. Laut diesen Aktivisten „soll“ Assad Fassbomben geworfen haben und drei Krankenhäuser seien „außer Betrieb“.

Auch der „Spiegel“ bezieht sich auf Daraa als die Stadt, in der 2011 angeblich „die Revolution“ gegen die syrische Regierung begann. Und im folgenden Absatz verbindet das Magazin eine unverhohlene Anerkennung der Islamisten mit der erstaunlich offenen Benennung von deren Gönnern: „Die Rebellengruppen in Südsyrien zählten lange zu den schlagkräftigsten. Das lag auch daran, dass sie über die jordanische Grenze hinweg Unterstützung bekamen aus dem Westen und von den Golfstaaten.“ Diese Sätze stehen unter der Zwischenüberschrift „USA lassen Rebellen im Stich“ – das könnte man auch als eine kaum verhohlene Aufforderung zur (fortgesetzten) Terrorunterstützung durch die USA in Syrien deuten.

Hätten Islamisten Berlin-Spandau besetzt…

Es ist auch scheinbar nicht so, als würden Syrer und Russen nun „aus heiterem Himmel“ angreifen, wie die „Deutsche Welle“ (DW) im Gegensatz zu zahlreichen anderen Medien festhält. Die DW erwähnt auch – im Gegensatz zu „taz“ und „Spiegel“ – immerhin die islamistische Ideologie dieser „Rebellen“: „Sie (die syrische Regierung) verhandelt über ihren Verbündeten Russland seit Wochen mit den Islamisten in den Provinzen Daraa und Kuneitra über die Übergabe der Gebiete unter deren Kontrolle.“

Halten wir fest: Ausländisch finanzierte islamistische Söldner besetzen Gebiete in Syrien. Die rechtmäßige Regierung verhandelt wochenlang mit ihnen über eine friedliche Lösung, der sich die islamistische „Opposition“ aber widersetzt. Welche Reaktion der syrischen Regierung erwarten nun die Redaktionen von „taz“ und „Spiegel“, die etwa die Befreiung des irakischen Mossul von Islamisten unter ganz anderen Vorzeichen eingeordnet haben, und die den moralischen Vorsprung offensichtlich nicht bei der rechtmäßigen Regierung sehen?

Man muss bei dieser Frage immer wieder die andere Perspektive bemühen: Wäre Berlin-Spandau von durch Russland bezahlte Islamisten besetzt – wie würde sich die Bundeswehr verhalten, wenn wochenlange Verhandlungen scheitern? Würde sie die Besatzung dulden, wie es Medien nun von Syrien verlangen? Und würden die Medien die unausweichlichen und blutigen Folgen einer militärischen Befreiung Spandaus, bei der zwangsläufig Menschen und auch Kinder sterben, ebenfalls der deutschen Regierung anlasten?

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