Meinungsmache zur privaten Altersvorsorge mit Aktien – Beteiligungskultur

Meinungsmache zur privaten Altersvorsorge mit Aktien – Beteiligungskultur

Meinungsmache zur privaten Altersvorsorge mit Aktien – Beteiligungskultur

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Die Kampagne zur Förderung der privaten Altersvorsorge mit Aktien nimmt mehr und mehr an Fahrt auf. Die NachDenkSeiten werden sich in dieser Woche noch ausführlich mit der Kampagne beschäftigen. Ein Argument, das bei der Kampagne immer wieder ins Feld geführt wird, ist besonders abstrus. Demnach soll ein „Investment“ in Aktien der Wirtschaft benötigtes Kapital zuführen und somit die Konjunktur stärken. Das ist jedoch schlichtweg falsch. Während klassische Formen des Sparens indirekt in der Tat die Wirtschaft mit Kapital versorgen, ist dies beim Erwerb von Aktien nicht der Fall. Von Jens Berger.

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Geht es nach der ARD-„Börsenfachfrau“ Anja Kohl, ist die Sache klar. Deutschland fehlt eine Aktionärs- und damit Beteiligungskultur. In ihren zahlreichen TV-Auftritten beklagt die studierte Germanistin dabei auch in steter Regelmäßigkeit die wirtschaftlichen Nachteile der deutschen Aktienzurückhaltung. Schließlich sei es ja auch für die Konjunktur positiv, wenn über den Erwerb von Aktien mehr Geld in die Unternehmen fließen würde, das diese dann investieren könnten. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.

Wenn ein Bürger eine Aktie kauft, dann hat das Unternehmen, an dem er sich mit dieser Aktie beteiligt, strenggenommen überhaupt nichts davon. Schließlich kauft man an der Börse die Aktien nicht von diesen Unternehmen, sondern von einem anderen Aktionär. Die Ausnahmen, die diese Regel bestätigen, sind der Börsengang und eine Kapitalerhöhung der betreffenden Aktiengesellschaften, die jedoch nur einen sehr kleinen Teil des Aktienhandels ausmachen. Wenn Frau Mustermann also über ihre Bank eine BMW-Aktie kauft, bekommt nicht die BMW AG, sondern der Verkäufer dieser Aktie das Geld – natürlich abzüglich der Gebühren, die Banken und Handelsplattformen für ihre Dienstleistungen bei diesem Handel veranschlagen. Ob der Kurs der BMW-Aktie nun bei 10 oder 100 Euro steht, hat auf die Finanzmittel der BMW AG also keinen direkten Einfluss. Für mögliche Investitionen steht kein Euro mehr oder weniger zur Verfügung. Frau Mustermann beteiligt sich zwar an der BMW AG, im gleichen Maße verringert jedoch der Verkäufer der Aktie seine Beteiligung an diesem Unternehmen – ein Nullsummenspiel.

Strenggenommen entziehen Aktionäre Aktiengesellschaften sogar Kapital und zwar über die Dividende. Eine Dividende ist eine Art Gewinnbeteiligung, die an die Anteilseigner, also die Aktionäre, ausgeschüttet wird und damit zu einem Kapitalabfluss des Unternehmens führt.

Ein Nebeneffekt einer steigenden „Beteiligungskultur“ wäre indes, dass die Nachfrage nach Aktien steigt. Wie bei jedem anderen Gut führt auch bei Aktien eine Steigerung der Nachfrage, die hier ja nicht mit einer Steigerung des Angebots einhergeht, zu einem steigenden Preis. Je mehr Bürger direkt oder indirekt ihr Geld in Aktien anlegen, desto stärker steigt in der Tendenz der Preis dieser Aktien; und zwar ohne eine Änderung der wirtschaftlichen oder volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die eine Steigerung der Kurse rechtfertigen würden.

Die eigentlichen Profiteure einer gesteigerten „Beteiligungskultur“ sind somit weniger die Aktiengesellschaften selbst, sondern vielmehr die Banken, die an jedem Aktienhandel mitverdienen, und sämtliche Personen und Firmen, die ein Interesse an steigenden Kursen haben. Dazu zählen die einen oder anderen Altaktionäre, die die Papiere für überbewertet halten und diese nun zu einem guten Preis verkaufen können; dazu zählt aber vor allem das obere Management der Aktiengesellschaften, dessen Vergütung meist zu einem gehörigen Teil aus Aktienoptionen und Gewinnbeteiligungen besteht, die sich am Aktienkurs ausrichten. Nicht die Unternehmen, sondern deren Vorstände und natürlich der Finanzsektor haben daher ein klares Interesse an einer steigenden „Beteiligungskultur“. Die positiven volkswirtschaftlichen Effekte, mit denen in diesem Zusammenhang gerne argumentiert wird, sind indes Meinungsmache.

Interessant ist, dass es hierbei einen klaren Unterschied zum „klassischen“ Sparen gibt. Hierbei leiht man der Bank gegen Zinsen Geld, das die Bank gegen höhere Zinsen als Kredit an andere Haushalte und vor allem die Wirtschaft weitergibt[*]. In diesem Fall fließt das Geld – anders als bei einem Aktienkauf – tatsächlich indirekt in die Wirtschaft. Wenn der Kreditnehmer ein Haus baut, landet das Geld über Umwege beispielsweise bei den Handwerksfirmen, die am Hausbau beteiligt sind. Wenn ein Unternehmen einen Kredit aufnimmt, gibt es das Geld in der Regel für Investitionen aus. In beiden Fällen sorgt der Sparer so indirekt für einen konjunkturellen Effekt.

Der immer wieder behauptete konjunkturelle Nebeneffekt einer privaten Altersvorsorge über Aktien ist also ein Denkfehler; eine Nebelkerze, die gerne gezielt von denen eingesetzt wird, die ein Interesse an einem steigenden Umsatz mit Aktien und höheren Aktienkursen haben. Und dazu zählen vor allem die Finanzdienstleister, bei denen Anja Kohl ihre Bezüge vom Hessischen Rundfunk durch üppige Vortragshonorare aufbessert – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.


[«*] Diese Betrachtung ist gewollt vereinfacht und betrachtet das Banken- und Zentralbankensystem als „Black Box“. Technisch gesehen verleihen die Geschäftsbanken nicht die Einlagen der Sparer, sondern schöpfen Giralgeld. Der Umfang der möglichen Kreditvergabe ist jedoch von den Kapitalquoten abhängig und hier kommen die Kundeneinlagen ins Spiel, die von den Banken benötigt werden, um die Reserveanforderungen und die Kapitalquoten zu erfüllen. Für die grundsätzliche Betrachtung sind derlei technische Feinheiten jedoch zu vernachlässigen. Zur Vertiefung ist ein Beitrag von Günter Grunert auf Makroskop zu empfehlen.

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