Vergessen Sie Fletcher Prouty nicht, wenn es um die eigentlich Mächtigen geht

Vergessen Sie Fletcher Prouty nicht, wenn es um die eigentlich Mächtigen geht

Vergessen Sie Fletcher Prouty nicht, wenn es um die eigentlich Mächtigen geht

Ein Artikel von: Redaktion

Der Beitrag über Talbot („Das Schachbrett des Teufels“. Oder: die Morde der CIA. Auch ein Markenzeichen der „freiheitlichen westlichen Demokratie“) und sein Schachbrett des Teufels und die Macht der Dienste im Hintergrund hat einige Reaktionen ausgelöst, darunter eine lange Mail von Florian Linse. Er weist auf den Autor Fletcher Prouty hin. Von ihm kann man offensichtlich auch viel darüber lernen, wer wirklich regiert. Mit der Wiedergabe der Reaktion von Florian Linse setzen wir diese kleine Serie fort. Auf Linse hatte ich reagiert und er hatte erneut geantwortet. Beide Mails sind im Folgenden wiedergegeben. Interessant für alle, die nicht an den Weihnachtsmann glauben, die nicht glauben, die Staatsgewalt gehe vom Volke aus. Albrecht Müller.

Lieber Herr Müller,

das Buch „Schachbrett des Teufels“ werde ich mir ansehen. Vergessen Sie dabei Fletcher Prouty nicht. Er war ganz nah an den obersten Macht-Zirkeln dran und beschreibt das dortige Treiben in seinen Büchern „The Secret Team“ und „JFK”. Und an Dulles war er ebenfalls ganz nah dran. Er beschreibt in seinen Büchern ausführlich, wie Dulles aus dem CIA – eigentlich ein Nachrichtendienst – eine unkontrollierbare, operative Einheit gemacht hat.

Talbot erwähnt Prouty mehrmals in seinem Buch. Z.B. in der Passage über den Abschuss des U-2 Spionageflugzeugs, wodurch womöglich die geplante Friedenskonferenz in Paris zwischen Chruschtschow und Eisenhower platzte:

„Die Beziehung zwischen den beiden Männern erlitt im Mai 1960 einen schweren Bruch, als ein hoch fliegendes U-2-Spionageflugzeug der CIA über der Sowjetunion abgeschossen wurde – was ein bevorstehendes Gipfeltreffen mit Chruschtschow sabotierte und Eisenhowers letzte Chance auf einen Durchbruch im Kalten Krieg zunichtemachte. Eisenhower war sich des politischen Risikos schmerzlich bewusst, das er mit der Autorisierung der U-2-Spionagemissionen über sowjetischem Territorium einging. Die immer wieder suspendierte und neu erteilte Genehmigung für die Überwachungsflüge nannte er eine der »schwersten Gewissensprüfungen, die ein Präsident erleben kann«. Doch Dulles hatte Eisenhower wiederholt versichert, dass die große Höhe der Spionageflugzeuge sie vor russischen Boden-Luft-Raketen schütze.

Am 1. Mai, als eine sowjetische Rakete in ein über das Uralgebirge fliegendes U-2-Flugzeug schlug, was zum Absturz der Maschine und zur Gefangennahme des CIA-Piloten Francis Gary Powers führte, fand der Präsident heraus, dass die Versicherungen des CIA-Direktors leer waren. Der Spionageflug am Vorabend des Pariser Gipfeltreffens schien zeitlich so schlecht abgepasst, dass mindestens ein Beobachter, Luftwaffenoberst L. Fletcher Prouty, den Verdacht hegte, „dass die CIA den Zwischenfall absichtlich provoziert hatte, um die „Friedenskonferenz zu torpedieren und die fortgesetzte Herrschaft des Dogmatismus der Dulles-Brüder sicherzustellen. Prouty, Verbindungsoffizier zwischen Pentagon und CIA, der von Dulles stets gerufen wurde, wenn die CIA-Spionageflüge in Schwierigkeiten gerieten, schrieb später, der Beschuss der U-2 sei »ein höchst ungewöhnliches Ereignis«, entstanden aus einem »ungeheuren verborgenen Kampf [zwischen] den von Präsident Eisenhower angeführten Friedensstiftern« und dem »inneren Zirkel« von Dulles.“ (Aus „Schachbrett des Teufels“)

Prouty geht auf diesen Zwischenfall in Kapitel 20 von „The Secret Team“ sehr genau ein. Auf Grund seines außergewöhnlichen Detailwissens über die Geheimdienste und gleichzeitig seine Kenntnisse des politischen Betriebs in Washington, kann er präzise schildern, wie es ohne eine Manipulation seitens höchster Kreise im CIA praktisch unmöglich war, dass das Flugzeug eine derart die UDSSR provozierende Flugroute einschlug und dann auch noch abstürzte. Zudem wurden bei dem Piloten dessen Ausweisdokumente gefunden, ebenfalls ein Ding der Unmöglichkeit, da bei solchen Operationen peinlichst darauf geachtet wurde, dass die Identität des Agenten nicht festgestellt werden konnte (drei Piloten wissen bis kurz vor dem Start nicht, wer fliegt. Der Pilot wird vor dem Flug komplett entkleidet, einer Leibesvisite unterzogen und bekommt einen für in bereitgestellten Anzug. Derart genau, weiss Prouty, wie solche Operationen ablaufen; und das ist nur ein Beispiel, er beschreibt es im Buch mit vielen weiteren Details.)

Prouty selbst war übrigens daran beteiligt, Reinhard Gehlen und andere hohe Nazispione aus Syrien auszufliegen:

„…That night [September 1944!], after returning from Aleppo, I arranged for about thirty transport aircraft to fly on the following day, to that same landing ground north of Aleppo and close to the Turkish border where the railroad track enters Syria. We flew to Syria, met the freight train from Bucharest, loaded the POWs [Kriegsgefangene] onto our aircraft, and began the flight back to Cairo. Among the 750 American POWs there were perhaps a hundred Nazi intelligence agents, along with scores of Nazi-sympathetic Balkan agents. They had been hidden in this shipment by the OSS [Vorgängerorganisation der CIA] to get them out of the way of the Soviet army that had marched into Romania on September 1.

This September 1944 operation was the first major pro-German, anti-Soviet activity of its kind of the Cold War. With OSS assistance, many followed in quick succession, including the escape and carefully planned flight of General Reinhart Gehlen, the German army’s chief intelligence officer, to Washington on September 20, 1945.“

Auszug aus: L. Fletcher Prouty. „JFK  – The CIA, Vietnam and the Plot to Assassinate John F. Kennedy.“ 

Was Dr. Hans Bleibinhaus als Kurzfassung für den Lehrstuhl in “Applied Efforts In Regime Change“ veröffentlicht, hat eine grosse Ähnlichkeit mit Proutys Veröffentlichung des MAP (Military Assistant Program) im Anhang 3 von „The Secrete Team“. Das unter dem relativ unscheinbaren Begriff Military Assistant Program firmierende Dokument von 1959 ist eine Anleitung dazu, wie man die gesellschaftlichen Eliten anderer Länder, insbesondere die der sogenannten Dritten Welt, für die Interessen der USA gefügig macht. Dies soll vorwiegend durch Soft Power geschehen, indem man Gedanken der Menschen manipuliert, so dass sie dem US-Lebensgefühl stärker anhängen als dem ihres eigenen Landes. Dies ist auch einer der Zwecke der US-Militärakademien, zu denen die Sprösslinge ausländischer Eliten per Stipendien eingeladen und dort mit der US-Amerikanischen Sicht der Dinge „vertraut” gemacht werden.

Aufgrund seines umfangreichen Insider-Wissens wagt Prouty es sogar, die Theorie aufzustellen, dass die Veröffentlichung der berühmten Pentagon-Papers sehr wahrscheinliche eine Aktion der CIA war. Es wäre zu viel, darauf hier genauer einzugehen. Um Ihnen ein Gefühl zu geben, um was es sich handeln könnte, hier nur zwei kleine Ausschnitte aus Proutys Ausführungen dazu:

„One aspect of the Pentagon Papers that makes them suspect of not being exactly what they are purported to be, that is, an expose of the role of the Pentagon in the United States’ involvement in Vietnam (this is an oversimplified definition of them, but it will serve here) is that they laud the role of the CIA and the overall intelligence community while they disparage the rest of the Government, especially the Pentagon…“

(Man muss dazu wissen, dass der Vietnamkrieg überhaupt erst ab zweite Hälfte des Jahres 1964 ein Krieg unter dem Kommando des US-Militärs war. Alles vorher lief als Special Operations bzw. unter dem Begriff Military Advisors (bis zu über 20.000 Personen!) ab – also unter dem Kommando der CIA. Erst ab diesem Zeitpunkt wurde Nord-Vietnam der Krieg erklärt.)

„As you may recall, this treasure trove of TOP SECRET papers was delivered to The New York Times, and other newspapers in mid-June, 1971, by a then-unknown “Hippie” of that period. His name was Daniel Ellsberg. What few people have learned since that time is the fact that both Daniel Ellsberg, who pirated these highly classified papers, and Leslie Gelb the Director of that Task Force, had worked in that same office of International Security Affairs (ISA).

The “misappropriation” of those documents was not the work of some “true patriots” as Noam Chomsky wrote in 1972. Rather it was an inside job. That ISA office had been the home of many of the “big names” of the Vietnam War period, among them Paul H. Nitze, John T. McNaughton, Paul C. Warnke and William Bundy, among others. The fact that I had many of them in my office, that I had worked with them, and that I had written parts of some of them proves that they were not genuine Pentagon papers, because my work at that time was devoted to support of the CIA. The same is true of General Krulak, William Bundy, and to a degree, Maxwell Taylor among others.“

Derartige Offenbarungen gibt es in Proutys Texten zu Hauff. Sie zeigen einem, wie extrem die politische Arbeit in den USA durch den sogenannten „Deep State“ – Prouty nannte das damals „The Secret Team“ – unterwandert ist. Talbots Buch „Schachbrett des Teufels“ habe ich noch nicht gelesen, aber es werden vermutlich viele weitere Beispiele des Deep State – vielleicht auch aus anderen Perspektiven – zu denen Proutys hinzukommen. Leider gibt es Proutys Bücher nur auf Englisch. Ich kann nur jedem empfehlen, sofern man des Englischen einigermassen mächtig ist, diese neben Talbots Buch ebenfalls zu lesen. 

Beste Grüsse, Florian Linse

Der folgende Brief, nach kurzem Dialog:

Lieber Herr Müller,

bei meinem Beispiel über Prouty und seiner Darstellung, dass durch die Erfindung der Atombombe „Panik“ in den US-Machtzirkeln ausbrach, weil man befürchtete, keinen „ordentlichen“ konventionellen Krieg mehr führen zu können, habe ich die argumentative Kurve nicht ganz bekommen. Prouty sagt natürlich nicht, dass dies der Grund der kommenden Konflikte war. 

Wir sprachen davor über Allen Dulles und um ihn ging es mir eigentlich. Er war zusammen mit anderen die wesentliche Persönlichkeit, die der im Aufbau begriffenen CIA seinen Stempel aufdrückte. In diesem Zusammenhang war das erwähnte Problem mit der Atombombe ein wichtiger Faktor für die strategische Ausrichtung der CIA. Man sah sich gezwungen in verstärktem Masse auf verdeckte Kriegsführung zu setzen. Den Statuten nach war die CIA ein Nachrichtendienst. Operativ tätig zu werden, war ihr nicht erlaubt. Es gab eine kleine Ausnahme, nämlich in sehr begrenztem Ausmass Operationen zur Beschaffung von nachrichtendienstlichem Material durchzuführen. Diese Ausnahme nutzten Dulles und seine Leute geschickt und bauten diese aus bis zu gigantischen Operationen wie den Vietnam-Konflikt.

Diese Entscheidung zur Notwendigkeit der verdeckten Kriegsführung (Covert- oder auch Special Operations), die eigene Beteiligung immer abstreitend (Plausible Deniability), um überall auf der Welt nach eigenem gut Dünken in die Angelegenheiten souveräner Nationen eingreifen zu können, wurde stark durch das Atombombenparadox beeinflusst.

Es war Dulles Verdienst, die CIA am Willen der damaligen Präsidenten vorbei zu einer gigantischen operativen Institution auszubauen und doch weiter den Schein eines Nachrichtendienstes zu wahren. Die politischen Entscheidungsträger sind in der Folge immer wieder daran gescheitert, diesen „Dienst“ zu kontrollieren. Im Gegenteil – der „Dienst“ war fähig sie zu kontrollieren und sogar zu steuern. Das ist eine der perfidesten und gleichzeitig effektivsten Wirkweisen des Deep State.

Hier mit Bezug auf unser Telefongespräch noch der Link zu Es begann mit einer Lüge – 2001 – Jugoslawien – Deutschlands Weg in den Kosovo Krieg

Liebe Grüsse, Florian Linse

Titelbild: jgolby / Shutterstock

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