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  1. Bundesnetzagentur: Verfahren zur Zertifizierung der Nord Stream 2 vorläufig ausgesetzt
  2. Gewagter Schachzug
  3. Hat Russland mit der Anerkennung des Donbass das Minsker Abkommen beerdigt?
  4. Koloniale Reflexe (III)
  5. Grün verpackter Deal
  6. Höherer Mindestlohn: FDP verhindert elektronische Arbeitszeiterfassung
  7. Hauptsache Arbeit
  8. EU-Lieferkettengesetz: Wie Lobbyisten “mitgearbeitet” haben
  9. Nachhaltiger Konsum, aber bitte alltagstauglich
  10. Chaos und Verzögerung beim Energiebonus – „Das geht sich finanziell nicht aus“
  11. Not der Wohnungslosen steigt in Corona-Pandemie
  12. Impfgegner misstrauen dem Rechtsstaat
  13. Ärzte schließen sich zusammen: „Die Impfpflicht bedroht unsere Existenz“
  14. Alltours hebt Impfpflicht für eigene Hotelkette wieder auf
  15. Spaniens Konjunkturprogramm beweist: Die EU hat aus der Eurokrise nichts gelernt
  16. ModifiedElephant: Digitale Überwachung und gefälschte Beweise aus einer Hand

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Bundesnetzagentur: Verfahren zur Zertifizierung der Nord Stream 2 vorläufig ausgesetzt
    Die Bundesnetzagentur hat das Verfahren zur Zertifizierung der Nord Stream 2 AG als Unabhängiger Transportnetzbetreiber heute vorläufig ausgesetzt.
    Die Bundesnetzagentur ist nach eingehender Prüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Zertifizierung eines Betreibers der Leitung Nord Stream 2 nur dann in Betracht kommt, wenn der Betreiber in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert ist.
    Die Nord Stream 2 AG, mit Sitz in Zug in der Schweiz, hat sich entschlossen, nicht die bestehende Gesellschaft umzuwandeln, sondern eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht nur für den deutschen Teil der Leitung zu gründen. Diese Tochtergesellschaft soll Eigentümerin des deutschen Teilstücks der Pipeline werden und dieses betreiben. Die Tochtergesellschaft muss dann selbst die Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes an einen Unabhängigen Transportnetzbetreiber erfüllen (§§ 4a, 4b, 10 bis 10e EnWG).
    Das Zertifizierungsverfahren bleibt so lange ausgesetzt, bis die Übertragung der wesentlichen Vermögenswerte und personellen Mittel auf die Tochtergesellschaft abgeschlossen ist und die Bundesnetzagentur in der Lage sein wird, die neu vorgelegten Unterlagen der Tochtergesellschaft als neuer Antragstellerin auf ihre Vollständigkeit hin zu prüfen.
    Quelle: Bundesnetzagentur vom 16. November 2021

    Anmerkung André Tautenhahn: Die zahlreichen, beinahe schon euphorisch klingenden Eilmeldungen von gestern, wonach Nord Stream 2 durch den Bundeskanzler und seine Regierung gestoppt oder ausgesetzt worden sei, unterscheiden sich inhaltlich nicht von dem, was seit rund drei Monaten Tatsache ist. Der vorrübergehende Stopp von Nord Stream 2, per Pressemitteilung verkündet am 16. November 2021. Mehr als das kann es auch jetzt nicht geben, da ein deutscher Wirtschaftsminister dem Vorhaben offiziell bescheinigte, die Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa eben nicht zu gefährden. Das heißt, dass die jüngste Sanktionsankündigung, je nachdem, wie sie denn nun gemeint ist, dann eben auch eine juristische Frage darstellt, begründete Schadenersatzforderungen inklusive, die sich nicht so einfach beiseite wischen lässt. Wir sind doch „die Guten“ und müssen uns an Recht und Gesetz halten.

    dazu: Um Nord Stream 2 zu verzögern, greift Habeck tief in die Trickkiste
    Der Bundeswirtschaftsminister kassiert die von seinem Amtsvorgänger ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung für Nord Stream 2 wieder ein. Der Verwaltungstrick steht juristisch auf unsicherem Grund. Verzögern lässt sich Nord Stream 2 damit auf jeden Fall, verhindern vermutlich nicht.
    Quelle: Welt Online

    dazu auch: Deutschlands Erdgasspeicher sind noch zu 31 Prozent gefüllt
    Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck rechnet wegen des Konflikts in der Ukraine mit weiter steigenden Gaspreisen. „Krieg treibt die Preise, die fossilen Preise nach oben“, sagte er in Düsseldorf. Dafür sei alleine Russlands Präsident Wladimir Putin verantwortlich. Mindestens kurzfristig sei mit steigenden Gaspreisen zu rechnen, nachdem die Ölpreise schon angezogen seien. „Wenn die Zukunft ungewisser ist, ist zu befürchten, dass die Preise nach oben gehen.“ Allerdings hänge dies beim Gas auch immer stark vom Angebot ab und die Menge an Flüssiggas LNG sei zuletzt ausgeweitet worden.
    Habeck ergänzte, Deutschland sei beim Gasverbrauch zu 55 Prozent von russischen Quellen abhängig. Dies sei eine zu starke Abhängigkeit von einem Anbieter. „Die gilt es zu überwinden.“ Ziel müsse es sein, so schnell wie möglich aus fossilen Energien auszusteigen, auch Erdgas.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Christian Reimann: Herr Habeck bemüht sich, Russland für höhere Gaspreise verantwortlich zu machen. Aber das russische Gas ist deutlich günstiger als das US-amerikanische Flüssiggas und jedes andere am Gasmarkt zu erwerbende Gas anderer Staaten. Die Wählerschaft des grünen Ministers Habeck dürfte damit weniger Probleme haben als finanzschwächere Wählerinnen und Wähler.

  2. Gewagter Schachzug
    Wladimir Putins Entscheidung, die autonomen Republiken im Donbass anzuerkennen, zeigt vor allem eines: Der Westen hat sich selbst ausmanövriert und ringt um Fassung […]
    Ein politischer, wohl kalkulierter Schachzug, der den Westen offenbar verblüfft und überrascht. Was in Moskau verkündet wurde, liegt weit unter dem Level dessen, was seit Wochen prophezeit wird und zu einer Überbietungswettbewerb bei angekündigten Einmarsch-Szenarien führt.
    Joe Biden rechnete mit einer „russischen Operation im D-Day-Maßstab“ und das von einem Tag zum nächsten. NATO-Analysten erwarteten, dass jeder Angriff schnell, verdeckt und asymmetrisch erfolgt, dass Spezialeinheiten eingesetzt würden, dass Sabotage und Cyberkrieg zu erwarten seien. Andere sahen russische Panzer vor Kiew.
    Verlierer der Entscheidung von Präsident Putin ist die ukrainische Führung, die sich einmal mehr selbst ausmanövriert hat und mit leeren Händen dasteht. Die zuletzt gehörig aufgepumpte Militärpräsenz der NATO in einigen Staaten Osteuropas wurde als Drohkulisse für den Fall eines massiven russischen Angriffs auf die Ukraine aufgezogen. Es war nie daran gedacht, in der Ostukraine für Kiew die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
    Es rächt sich, bei den Verhandlungsangeboten, die Moskau in der letzten Wochen unterbreitet hat, Russland bei der NATO- Osterweiterung und den geforderten Sicherheitsgarantien nicht substantiell entgegengekommen zu sein. Und es rächt sich, dass besonders Frankreich mit seiner diplomatischen Energie nie ein Verhandlungsmandat des Westens, wenigstens der EU, besaß, um Russland so entgegenzukommen, dass Kompromisse denkbar wurden. Putins Entscheidung ist ganz klar auch eine Reaktion auf diplomatische Sondierungen, die lediglich um ihrer selbst Willen stattfanden.
    Quelle: Lutz Herden in der Freitag

    dazu: Schmerzliche Erkenntnis: Der Westen und der Donbass
    Wie auch immer sich die Dinge entwickeln – zweierlei kann man schon jetzt festhalten. Das eine: Der Westen hatte alle Chancen, den Konflikt im Donbass zu lösen. Sieben Jahre lang gab die Bundesregierung vor, sich im »Normandie-Format« für eine Umsetzung des Minsker Abkommens stark zu machen. Sieben Jahre lang geschah nichts, weil die Ukraine sich der Umsetzung des Abkommens verweigerte und auch Berlin, im »Normandie-Format« führend, sie gewähren ließ: Es waren weder relevante Wirtschaftsinteressen betroffen, noch kamen Flüchtlinge an die Außengrenzen der EU. Der Krieg im Donbass war dem Westen also, ist man ehrlich, herzlich egal. Er schwärte vor sich hin wie die Kriege in Afghanistan und in Mali. Nur: Lässt man Konflikte allzu lange schwären, können sie sich anders entwickeln, als man es wünscht. Die Chance, sie im eigenen Interesse zu lösen, ist dann vertan. Genau das erlebt der Westen zur Zeit an mehreren Fronten.
    Und das zweite: Sind »die Anerkennung der separatistischen Gebiete in der Ukraine und der militärische Einmarsch auf das Territorium eines souveränen Staates« ein »klarer Bruch« des Völkerrechts, wie Grünen-Koparteichefin Ricarda Lang tönte? Nun, dann waren das auch die Anerkennung des separatistischen Gebiets Kosovo und der militärische Einmarsch der NATO auf das Territorium des souveränen Jugoslawien im Jahr 1999: Höchste Zeit, Sanktionen gegen die Verantwortlichen zu verhängen, zum Beispiel gegen die damalige Regierungspartei Bündnis 90/Die Grünen. Es gab damals gute Gründe, gegen den Überfall auf Jugoslawien scharf zu protestieren. Nur: Er hat einen Präzedenzfall geschaffen, und wer ihn billigt, kann das russische Vorgehen im Donbass nicht anprangern. Die Zahl der Menschen, die dort durch Waffengewalt zu Tode kamen – 14.000 in den vergangenen acht Jahren –, war höher als im Kosovo.
    Quelle: junge Welt

    dazu auch: »Kiew übt Staatsterror aus«
    Über den Kriegsalltag in der »Volksrepublik Donezk«, die Beziehungen zu Russland und die Lage der Kommunisten im Donbass. Ein Gespräch mit Boris Litwinow
    Quelle: junge Welt

  3. Hat Russland mit der Anerkennung des Donbass das Minsker Abkommen beerdigt?
    Westliche Medien und Politiker werfen Russland vor, mit der Anerkennung des Donbass das Minsker Abkommen beerdigt zu haben. Da stellt sich die Frage, wer das Abkommen wirklich beerdigt hat. […]
    Seit der Unterzeichnung des Minsker Abkommens haben Medien und Politik im Westen behauptet, Russland setze das Abkommen nicht um, deshalb könnten die Sanktionen nicht aufgehoben werden. Das war immer gelogen, denn Russland wird in dem Abkommen gar nicht erwähnt und es gibt in dem Abkommen auch keine Forderungen an Russland, die es umsetzen könnte.
    Es war all die Jahre Kiew, das – mit Rückendeckung des Westens – nicht einen Punkt des Abkommens umgesetzt hat.
    Seit kurzem kann man das auch in westlichen Medien erfahren. Der Grund ist, dass die Kiewer Regierung seit Monaten offen erklärt, sie wolle und werde das Minsker Abkommen nicht umsetzen. Das hat dazu geführt, dass die westlichen Medien inzwischen ihre „Argumentation“ geändert haben und nun schreiben, dass das Abkommen ein russisches Diktat sei, dessen Umsetzung man von Kiew eigentlich gar nicht verlangen könnte. Beispiele dafür gibt es viele, hier und hier finden Sie eine Auswahl.
    Was man in westlichen Medien nicht erfahren konnte, war, dass Deutschland und Frankreich sich Ende 2021 offen von dem Abkommen abgewendet haben. Sie haben das Abkommen de facto beerdigt, als sie plötzlich der Meinung waren, ein direkter Dialog zwischen Kiew und den Rebellen sei nicht nötig. Folgendes war passiert.
    Quelle: Anti-Spiegel

    Anmerkung Christian Goldbrunner: Das sind ganz wesentliche Informationen, welche zu einem differenzierteren Blick auf die Ereignisse in der Ukraine verhelfen. Der Mehrzahl der Leser der transatlantisch geprägten Leitmedien dürfte das weitgehend so nicht bekannt sein.

  4. Koloniale Reflexe (III)
    Die Bundeswehr gerät in Mali durch den französischen Truppenabzug und durch harte Reaktionen der malischen Militärregierung auf Frankreichs eigenmächtiges Vorgehen in zunehmendem Maß unter Druck. Die in Mali stationierten französischen Truppen werden, wie Präsident Emmanuel Macron vergangene Woche bekanntgab, aus Mali abgezogen, sollen sich dafür allerdings bis zu einem halben Jahr Zeit lassen. Die malische Regierung, empört, dass Paris es einmal mehr nicht für nötig gehalten hat, die Maßnahme angemessen mit ihr abzustimmen, fordert den sofortigen Abzug. Ohne die französischen Militärs fehlen den deutschen MINUSMA-Blauhelmsoldaten Unterstützung und unter Umständen auch medizinische Versorgung. In Berlin ist umstritten, ob die Bundeswehr in Mali bleiben soll: Einem möglichen Abzug an der Seite Frankreichs steht ein weiterer Einflussverlust im Sahel entgegen. Als grundsätzlich denkbar gilt eine Verlegung von Truppen in Malis Nachbarstaat Niger, dessen Regierung zur Kooperation mit den Staaten Europas bereit ist. Allerdings nimmt auch in der nigrischen Bevölkerung der Unmut über die ehemaligen Kolonialherren zu.
    Quelle: German Foreign Policy
  5. Grün verpackter Deal
    Die Website von Fridays for Future Deutschland öffnet mit dieser Aussage: »Die Klimakrise ist eine reale Bedrohung für die menschliche Zivilisation – die Bewältigung der Klimakrise ist die Hauptaufgabe des 21. Jahrhunderts.« Das Klima auf der Erde hängt auch damit zusammen, wie wir Menschen miteinander umgehen. Mangelnde Rücksicht aufeinander korrespondiert mit mangelnder Achtsamkeit im Umgang mit der Umwelt. Allein dieser Zusammenhang macht schon klar, dass sich die Bedrohung nicht isoliert mit Einzelmaßnahmen für Energieeffizienz, erneuerbare Energie und Sparsamkeit im Konsum lösen lässt.
    In der Ökologiebewegung debattieren Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen und Partei-Präferenzen über die Frage, wie fundamental gesellschaftliche Veränderungen ausfallen müssen, um nachhaltigen Klima- und Umweltschutz zu gewährleisten. (…)
    Die Klimakatastrophe ist nicht die einzige Zukunftsgefährdung. Sie überstrahlt allerdings alle anderen globalen Katastrophen. Ein Grund für die Gefahr liegt darin, dass einflussreiche Kreise so tun, als läge der Weg zum rettenden Ufer allein in der Ingenieurskunst und in der ungestörten Wirksamkeit des von ihnen »Markt« genannten Kapitalismus. Die Propagierung einer ökosozialen Marktwirtschaft kommt in der Programmatik der SPD, der Bündnisgrünen, der CSU, der rechten FPÖ vor, und selbst AfD-Führungskräften stimmen da mit ein. Der Begriff »Markt« schränkt den Blick in die Welt der Ökonomie auf die Prozesse des Verkaufs nach Fertigstellung der Waren ein, er lenkt also von einer genauen Analyse ab. Ein wichtiger Schritt zur nachhaltigen Rettung, und darum geht es, ist die Abkehr vom Dogma, unserer Gesellschaftsordnung sei, wie es die Propagandisten des Marktes behaupten, die bestmögliche Organisationsform für das Zusammenleben der Menschen. Gegenaufklärung muss alles radikal auf den Prüfstand stellen: Belebt Konkurrenz das Geschäft? Ist Sicherheitspolitik militärisch durchzuführen? Hilft Wachstum aus Krisen? Folgt Wohlstand, wenn alle egoistisch handeln?
    Quelle: Ossietzky
  6. Höherer Mindestlohn: FDP verhindert elektronische Arbeitszeiterfassung
    Eigentlich wollte Sozialminister Hubertus Heil mit der Erhöhung des Mindestlohns auch einführen, dass die Stundenzahl manipulationssicher festgehalten wird. Daraus wird nun nichts – wegen Einwänden der FDP.
    Mit dem allgemeinen Mindestlohn haben die Behörden bereits einige Erfahrung sammeln dürfen, er gilt schon seit Anfang 2015. Eine der Erfahrungen ist: Es gibt immer wieder dubiose Arbeitgeber, die versuchen, die Lohnuntergrenze zu umgehen, Tricks dazu kursieren im Internet. Eine der größeren Probleme ist die Art, wie die Arbeitszeit aufgezeichnet wird. Wenn ein Teil der geleisteten Stunden gar nicht erfasst oder später in der Tabelle Zahlen frisiert werden, dann erhalten die Beschäftigten doch wieder weniger als den Mindestlohn – während nach außen alles ganz legal aussieht.
    Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollte die anstehende Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro zum 1. Oktober und die parallele Erhöhung der Minijobs-Obergrenze von 450 auf 520 Euro nun dazu nutzen, auch die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit deutlich schärfer zu regeln.
    Quelle: Süddeutsche
  7. Hauptsache Arbeit
    Am 22. Februar 2002 wurde die »Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« einberufen (…)
    Die Kommission erarbeitete in ihrem Bericht 13 »Innovationsmodule«. Sie wurden mit sperrigen Begriffen wie »Bridge-System« oder »Personal – Transparentes Controlling« überschrieben. Die »neue Leitidee« des Moduls Arbeitsmarktpolitik war es, bei Arbeitslosen »Eigeninitiative« in Gang zu setzen. Sie schlug sich im Motto des »Förderns und Forderns« nieder. Dieser Fokus spiegelt das Weltbild der Mehrheit der Kommissionsmitglieder und den damals herrschenden neoliberalen Zeitgeist wider: Arbeitslose seien nur zu faul oder unflexibel. Bei mehr Engagement würden sie auch schnell einen neuen Job bekommen. In dem Bericht der Hartz-Kommission folgte dementsprechend eine Reihe von Vorschlägen für »aktivierende Maßnahmen«. (…)
    Obwohl die Vorschläge von der Regierung ein wenig abgeändert wurden, fußten sie im Wesentlichen auf dem Bericht der Kommission. Sie hatte vorgeschlagen, dass Erwerbslose künftig jeden »zumutbaren« Job annehmen sollten und dass von ihnen unter bestimmten Umständen auch verlangt werden sollte, dass sie für eine vorgeschlagene Arbeit umziehen. Jungen, ungebundenen Personen solle ein Wohnortwechsel schon nach spätestens drei Monaten Erwerbslosigkeit zugemutet werden. Darüber hinaus sollten Jobs auch dann zumutbar sein, wenn der Arbeitssuchende überqualifiziert ist. Wer einen angebotenen Job ablehnte, dem sollten die Leistungen gekürzt werden.
    Trotz der drastischen Verschlechterung der Position der Erwerbslosen zeigten sich zunächst auch die Gewerkschaften zufrieden mit dem Kommissionsbericht. Ein »gelungenes Gesamtkonzept« nannte ihn der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske. DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer sah positive Ansätze, meinte aber, es seien noch »eine Menge Fragen offen«. Isolde Kunkel-Weber vom Verdi-Bundesvorstand war als Mitglied der Kommission sogar an der Ausarbeitung des Konzepts beteiligt. Selbst nach Einführung des letzten und am stärksten kritisierten vierten Hartz-Gesetzes wurde sie erneut in den Verdi-Bundesvorstand gewählt.
    Ein im Sommer 2002 veröffentlichtes Gutachten des wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums fasst gut zusammen, was eine »Reform des Sozialstaates« erreichen sollte: die Schaffung eines riesigen staatlich geförderten Niedriglohnsektors. Mit den richtigen Maßnahmen könnten bis zu 2,7 Millionen Personen in diesem Bereich arbeiten. Dafür sollten Umfang und Dauer der Leistungen aus der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe »drastisch reduziert« werden. Mit den Hartz-Reformen wurde darüber hinaus die Zahlungsdauer des Arbeitslosengeldes I, für das Beiträge gezahlt werden, für die meisten Bezieher auf zwölf Monate verkürzt. Vorher war es je nach Alter 14 bis 26 Monate lang gezahlt worden. Für über 57-Jährige wurde die Bezugsdauer von 32 auf 18 Monate reduziert. Im Laufe der Zeit wurden die Zeiträume unter dem Druck von Gewerkschaften und Erwerbslosenbewegung indes nach und nach wieder verlängert.
    Quelle: nd
  8. EU-Lieferkettengesetz: Wie Lobbyisten “mitgearbeitet” haben
    Am Mittwoch will die EU-Kommission ihren Entwurf für ein Lieferkettengesetz vorlegen. Damit sollen Unternehmen verpflichtet werden, bei ihren ausländischen Lieferanten auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu achten. Wer dagegen verstößt, sollte dafür haftbar gemacht werden, so fordern es Organisationen für Menschenrechte und Umweltverbände schon seit vielen Jahren.
    Doch Lobbyverbände haben hinter den EU-Kulissen massiv gegen ein scharfes Lieferkettengesetz gearbeitet. Das geht aus internen EU-Dokumenten hervor, die Correctiv und SWR ausgewertet haben. Dabei hatten die Lobbyverbände vor allem ein erkennbares Ziel: das Lieferkettengesetz abzuschwächen. Nach Recherchen von Correctiv und SWR haben unter anderem die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BdA) und die CDU-nahe Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) gegen das Lieferkettengesetz lobbyiert.
    Quelle: tagesschau

    Anmerkung unseres Lesers M.H.: Wie sich Gesetzgebung doch wiederholt bei Lobbyinteressen.

  9. Nachhaltiger Konsum, aber bitte alltagstauglich
    Wie sieht es eigentlich aus mit dem Konsumverhalten österreichischer Haushalte und den Potenzialen und Hürden für Nachhaltigkeit? Antworten gibt es in einer aktuellen Studie entlang soziodemographischer Merkmale und den auftretenden Problemen im Verbraucheralltag. Dazu zählen etwa mangelnde Transparenz in der Verbraucherkennzeichnung, wo es – wie in anderen Bereichen ebenso – rechtliche Rahmenbedingungen braucht. Egal ob Lebensmittel, Haushaltsgeräte, Reisen oder Finanzprodukte – die Bereitschaft für nachhaltigen Konsum ist groß, es braucht aber echte Kostenwahrheit und den Mut zur politischen Gestaltung.
    Quelle: A&W blog
  10. Chaos und Verzögerung beim Energiebonus – „Das geht sich finanziell nicht aus“
    „Ich mache mir Sorgen um die Stromrechnung“, erzählt Linda B. einer Sozialarbeiterin der Volkshilfe. Sie ist Mutter von vier Kindern. Ihre Familie zählt zu jenen in Österreich, die in Armut leben müssen – und denen die steigenden Energiepreise Kopfzerbrechen bereiten. Der Energiekosten-Zuschuss der Regierung sorgt unterdessen für Kopfschütteln.
    Quelle: Kontrast.at
  11. Not der Wohnungslosen steigt in Corona-Pandemie
    Kein Dach über dem Kopf, weniger Rat vom Amt und kein Raum für das Gespräch mit der helfenden Hand: Die Corona-Pandemie trifft Menschen ohne Wohnung und in Wohnungsnot nach Ansicht der Hilfsorganisationen weiter mit Wucht. Ihre Zahl hat nach Angaben der Liga der freien Wohlfahrtspflege im zweiten Jahr der Pandemie zugenommen – wenngleich sie im Südwesten immer noch leicht unter dem Niveau der Vor-Corona-Zeit liegt. […]
    Demnach waren die weitaus meisten Hilfesuchenden im vergangenen Jahr Männer (72,7 Prozent), die Gruppe der 25- bis 49-Jährigen machte zudem mit 46,4 Prozent den größten Anteil aus. «Seit mehreren Jahren ist zu beobachten, dass die Altersgruppe der über 50-Jährigen stetig ansteigt», teilte die Liga weiter mit. Der demografische Wandel und die zunehmende Anzahl älterer Menschen in Deutschland beträfen auch immer mehr Wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen. «Das Risiko, im Alter arm zu sein, steigt für Teilgruppen unserer Gesellschaft an», warnte die Liga.
    Die strengen Corona-Auflagen hätten diese Gruppen stark getroffen, sagte Gabriele Kraft von der Diakonie Württemberg. «Im Lockdown hat man die wohnungslosen Menschen weitgehend vergessen.»
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung JK: Ein weiterer Hinwies auf die Folgen der plan- und konzeptlosen, nur auf die Impfung fixierte, Corona-Politik der Bundesregierung.

  12. Impfgegner misstrauen dem Rechtsstaat
    Die Polarisierung der Gesellschaft beim Thema Corona zeigt sich auch in der Bewertung des deutschen Rechtssystems. Wer sich nicht gegen das Covid-Virus impfen lassen möchte, hat deutlich weniger Vertrauen in Gesetze und Gerichte.
    70 Prozent der Deutschen vertrauen den Gesetzen und Gerichten. Allerdings: Unter den Impfverweigerern ist der Anteil mit 27 bzw. 34 Prozent signifikant geringer. Das geht aus dem am Dienstag vorgelegten Rechtsreport 2022 der Roland-Rechtsschutzversicherung hervor, mit dem diese seit 2010 jährlich die öffentliche Meinung zum deutschen Rechtssystem und zu aktuellen rechtspolitischen Schwerpunktthemen ermittelt.
    Einen Fokus legte die regelmäßig vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführte Untersuchung neben der Frage nach dem Vertrauen in das Rechtssystem diesmal auch auf die Themenkomplexe Fake News, Meinungsfreiheit und soziale Medien.
    Gefragt wurden im Dezember 2021 mehr als 1.000 repräsentativ ausgewählte Bürger:innen ab 16 Jahre, inwieweit sie den Eindruck haben, dass sie ihre Meinung in diesem Land frei äußern können und wie sehr sie den Medien, insbesondere den sozialen Netzwerken, vertrauen. Außerdem wollte man von ihnen wissen, ob Verschwörungstheorien eine ernsthafte Gefahr darstellen und ob Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken stärker kontrolliert und gegebenenfalls eingeschränkt werden müssen.
    Quelle: LTO
  13. Ärzte schließen sich zusammen: „Die Impfpflicht bedroht unsere Existenz“
    Mediziner befürchten, Praxen schließen zu müssen, Pflegekräfte fürchten die Impfung: 700 Ärzte und 6000 Pflegekräfte wollen die Teil-Impfpflicht stoppen.
    Es ist ein Hilferuf, sachlich in der Wortwahl, dramatisch in der Aussage: In einem offenen Brief richten sich 700 Ärzte, Zahnärzte und Therapeuten gegen die Covid-19-Impfpflicht für medizinisches Personal. Die Unterzeichner stammen aus dem gesamten Bundesgebiet und fordern Andreas Gassen auf, den Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, „sich für eine Aufhebung der nach Paragraf 20a geplanten Impfpflicht in Krankenhäusern, Praxen und Pflegeeinrichtungen und vielen weiteren Einrichtungen einzusetzen“. Der Paragraf soll ab 15. März greifen.
    „Wir befürchten, unsere Praxen schon in Kürze schließen oder unsere Tätigkeit in der Klinik beenden zu müssen“, heißt es in dem Brief der Initiative „Freie Ärzte Rhein-Main“ und weiter: „Entweder weil wir selbst uns dem Impfzwang nicht unterwerfen wollen oder weil unserem nicht geimpften oder nicht weiter impfwilligen, für uns unentbehrlichen Praxispersonal vom Gesundheitsamt ein Betreuungsverbot ausgesprochen wird.“ Die Sorge wächst, der Widerstand ebenfalls.
    Quelle: Berliner Zeitung
  14. Alltours hebt Impfpflicht für eigene Hotelkette wieder auf
    Der Aufschrei ungeimpfter Kundinnen und Kunden war Anfang 2021 groß: Als erster Reiseveranstalter überhaupt kündigte Alltours eine Impfpflicht in den hauseigenen Allsun-Hotels auf Mallorca, den Kanaren und Griechenland ab dem 31. Oktober 2021 an. Diese Pflicht galt unabhängig vom Infektionsgeschehen und den Regelungen in den Urlaubsländern. Nun schafft Alltours die 2G-Regel wieder ab.
    „Ein Impf- oder Genesenennachweis ist beim Einchecken in den Allsun Hotels auf Mallorca, den Kanaren und in Griechenland ab sofort nicht mehr erforderlich“, teilt das Unternehmen an diesem Montag mit. Denn mit der Omikron-Variante sei die Corona-Pandemie anders zu bewerten als noch vor einem Jahr. Da das Virus offensichtlich nicht mehr den gefährlichen Krankheitsverlauf wie noch bei den vorherigen Varianten auslöse und zahlreiche Länder wie Spanien, England und Dänemark die Corona-Regeln lockern oder sogar ganz aufheben, sei die Regelung nicht länger nötig.
    Quelle: RND
  15. Spaniens Konjunkturprogramm beweist: Die EU hat aus der Eurokrise nichts gelernt
    Der EU-Wiederaufbaufonds wurde als Abkehr von der neoliberalen Sparpolitik gefeiert. Doch in Spanien zeigt sich, dass die Mittel hauptsächlich in die Kassen der größten Konzerne des Landes fließen anstatt in öffentliche Dienstleistungen.
    Die Pandemie hat nicht nur viele Menschenleben gekostet, sondern auch zu einem historischen wirtschaftlichen Abschwung geführt – auch in Spanien. Im Jahr 2020 sank das BIP des Landes um 10,8 Prozent, die Arbeitslosigkeit stieg auf über 4 Millionen und die Staatsverschuldung erreichte 120 Prozent des BIP. Letzteres ist das Ergebnis der Bemühungen, die Wirtschaft zu stützen und die Sozialleistungen aufrechtzuerhalten.
    Dies wirft die Frage auf, ob hier, wie auch anderswo in der Europäischen Union, der EU-Wiederaufbaufonds (Next Generation EU, kurz NGEU), der im Zuge der Pandemie eingerichtet wurde, zur Lösung der Krise beitragen oder sie eher noch verschärfen wird. Schließlich sind die Krisenreaktionsmaßnahmen der EU in der Vergangenheit nicht aus erfreulichen Gründen in Erinnerung geblieben. Man denke nur an die unpopulären Sparmaßnahmen, die Griechenland auferlegt wurden, oder, im Falle Spaniens, an die Änderung von Artikel 135 der Verfassung, um die Zahlung von Schuldzinsen über soziale Investitionen zu stellen. […]
    Das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass die spezifischen Bedingungen für den Zugang zur Finanzierung nicht detailliert genug sind. Besorgniserregend ist vor allem auch der starke Einfluss des Großkapitals auf die Ausarbeitung und Umsetzung der Vorschläge.
    Laut einem NRO-Bericht mit dem Titel »Hijacking the Recovery through Hydrogen« (Den Aufschwung durch Wasserstoff kapern) waren die vier großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen – KPMG, Deloitte, PwC und EY (Ernst & Young) – an der Planung und Entscheidung über die Verteilung der Mittel beteiligt. Dies stellt einen »eklatanten Interessenkonflikt« dar, wenn man bedenkt, dass die großen Energiekonzerne, die Subventionen beantragen, Kunden eben dieser Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind.
    Abgesehen von diesen Problemen gibt es kein System zur Überwachung und Bewertung der sozialen und ökologischen Auswirkungen des Plans auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Indikatoren, was auch die Ausarbeitung eines Mechanismus zur Überwachung, Kontrolle und Bewertung der Projekte, denen diese Mittel zugute kommen, erfordern würde.
    Quelle: Jacobin
  16. ModifiedElephant: Digitale Überwachung und gefälschte Beweise aus einer Hand
    Überwachungssoftware auf Handys und PCs ist der feuchte Traum vieler Ermittler. Über 10 Jahre Trojanerpraxis in Indien zeigen die Gefahren der Spionagetechnik.
    Mehr als ein Jahrzehnt platzierten Unbekannte gefälschte Beweise auf den Geräten von Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Akademikern in Indien, erklärt die Sicherheitsfirma Sentinel. Diese Aktivitäten riechen geradezu nach staatlich gesteuerter Manipulation. Nach den Spionagefällen rund um die NSO-Software Pegasus, gibt das den Diskussionen um Staatstrojaner und Online-Durchsuchungen eine neue Dimension.
    Sentinel dokumentiert die Aktivitäten einer Gruppe, die sie ModifiedElephant nennt. Deren Aktivitäten reichen mehr als 10 Jahre zurück. Ihre Hauptaufgabe ist die Überwachung ihrer Opfer mit Spionagesoftware für PCs und Smartphones. Die bevorzugten Ziele: Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, Akademiker und Juristen in Indien.
    Quelle: Heise Online

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