Mal wieder die totale Manipulation bei Spiegel online zum Thema Aufschwung

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Heute erschien wieder einer der typischen Propaganda-Artikel von Spiegel online („Deutsche Wirtschaft ist so stark wie vor der Krise“) zu einer Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes das Wachstum der deutschen Wirtschaft betreffend. Diese Artikel werden geschrieben, um das Kommentarecho und die Berichterstattung in anderen deutschen Medien zu bestimmen. Sie werden das heute in den elektronischen Medien und Morgen in den gedruckten Medien wiederfinden. Deshalb ein paar Anmerkungen im Text von Spiegel online, jeweils in Klammern und versehen mit „AM“. Albrecht Müller

13. Mai 2011, 08:26 Uhr
Quartalswachstum
Deutsche Wirtschaft ist so stark wie vor der Krise

(AM: Eigentlich hätten wir nach der bisherigen XXL-Aufschwungs- und Boompropaganda erwartet, dass wir das Niveau der Krise schon lange und weit hinter uns gelassen haben. Aber das stört Spiegel online nicht. Die Redakteure gehen davon aus, dass wir vergesslich sind.)

Der Aufschwung in Deutschland zeigt sich wieder mit voller Wucht: Im ersten Quartal wuchs die Wirtschaft um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal. (AM: Spiegel online verschweigt hier, was drei Absätze später notiert wird, dass nämlich das Bezugs-Quartal, das letzte Quartal des Jahres 2010, ein „schwächeres Quartals plus“ von 0,4 % hatte. Deshalb kann man nicht davon sprechen, dass sich der Aufschwung in voller Wucht zeige. Aber das stört nicht. Die Redakteure von Spiegel online gehen davon aus, dass ihre Leser die Bezüge nicht herstellen.) Damit sind die Unternehmen so stark wie in der Vorkrisenzeit Anfang 2008. (AM: über die Unternehmen allgemein sagt die Wachstumsziffer wenig)

Wiesbaden – Diese Zahlen sind überraschend und erfreulich zugleich: Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal deutlich stärker gewachsen als erwartet. (AM: das ist der übliche Trick, man setzt die Erwartungen niedrig an und kann dann behaupten, die deutsche Wirtschaft wachse stärker als erwartet.) Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im Vergleich zum Vorquartal um 1,5 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mit. Damit wurde das Vorkrisenniveau von Anfang 2008 bereits jetzt wieder überschritten. (AM: beachten Sie die Sprache. „bereits jetzt wieder überschritten.“ Das soll den Regierenden einen Erfolg bescheinigen. Spiegel online gebärdet sich wie ein Wurmfortsatz des Bundespresseamtes und der Presseabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums)

Auf Jahressicht legte die Wirtschaftsleistung sogar so stark zu wie noch nie seit der Wiedervereinigung: Die Statistiker berechneten ein Plus von preisbereinigt 5,2 Prozent. Im Krisenjahr 2009 war die Konjunktur um 4,7 Prozent abgestürzt, 2010 um 3,6 Prozent gewachsen. (AM: Erstens ist anzumerken, dass hier nicht erklärt wird, wie die 5,2 % zu Stande kommen. Diese Ziffer steht auch im Widerspruch zu dem, was einige Absätze später verlautbart wird, nämlich 2,6 % und 2,8 % und vielleicht eine Drei vor dem Komma als erwartete Wachstumsraten. Zweitens: dass die Wirtschaftsleistung noch nie so hoch gewesen sei seit der Wiedervereinigung ist zum einen falsch und wäre zum andern kein Wunder. Es gab anfangs der Neunzigerjahre eine Wachstumsrate von über 5%. Und außerdem ist die Konjunktur seit 1992 immer wieder so kräftig abgewürgt worden, dass die Wirtschaftsleistung in der gesamten Periode seit 1992 weit unterdurchschnittlich gestiegen ist.)

Wachstumstreiber sei zum Jahresauftakt vor allem die Binnenwirtschaft gewesen: Besonders dynamisch stiegen die Investitionen von Industrie und Baubranche, aber auch der Konsum. Die Exporte kletterten ebenfalls weiter. Insgesamt sei der Außenbeitrag aber geringer gewesen als der inländische Anteil am Wachstum.

Volkswirte hatten nur ein Plus der Wirtschaftsleistung von bis zu einem Prozent im Vergleich zum Vorquartal erwartet. (AM: wieder die übliche Tour, irgendwelche Volkswirte zu zitieren, die ihre Erwartungen tief gehängt haben.) Die Bundesregierung ging sogar nur von einem Wachstum von 0,8 Prozent aus. Die Wirtschaft zog auch wegen starker Nachholeffekte etwa am Bau an, nach dem witterungsbedingt etwas schwächeren Quartalsplus von 0,4 Prozent Ende 2010. (AM: diese Informationen hätten wir eigentlich gerne schon ganz zu Anfang gehabt)

Wirtschaftsweiser: Jahresplus vielleicht über drei Prozent (AM: wie verhält sich diese Angabe zu den 5,2 % von oben?)

Fachleute rechnen damit, dass sich das deutsche Wachstum im zweiten Quartal verlangsamen wird. Die Gründe sind vielfältig: Die Weltwirtschaft verliert an Schwung, zudem belasten die steigenden Preise. (AM: wie die steigenden Preise die Wirtschaftsleistung beeinflussen sollen, erklären uns die famosen Redakteure nicht) Um die Inflation in den Griff zu bekommen, hatte die Europäische Zentralbank bereits im April die Zinsen erstmals seit der Finanzkrise angehoben.

Die Bundesregierung rechnet im laufenden Jahr mit einem Wachstum von 2,6 Prozent, die führenden Forschungsinstitute mit einem Plus von 2,8 Prozent. Der neue Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) rechnet sogar damit, dass sich das Wachstum beschleunigt. “Der Einstieg ins Jahr 2011 ist hervorragend gelungen”, sagte Rösler. Die Zahlen belegten, dass die deutsche Wirtschaft weiter an Fahrt gewinnt. “Deutschland ist der Wachstumsmotor unter den Industrieländern – und das nicht nur in Europa.” (AM: Das ist reine Propaganda des neuen Wirtschaftsministers, die an uns von Spiegel online treuherzig weitergegeben wird. Was sind das für Journalisten! PR Journalisten!)

Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz hält jetzt sogar ein Wachstum von mehr als drei Prozent für möglich. (AM: 3 % sind nicht viel, wenn man tief im Loch sitzt) “Wir sind sehr schnell aus der Krise des Jahres 2009 herausgekommen – unerwartet schnell, unerwartet kräftig. Und so geht es in diesem Jahr weiter”, sagte Franz im ARD-Morgenmagazin. So hätten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute das deutsche Wachstum in diesem Jahr jüngst auf 2,8 Prozent geschätzt. “Vielleicht, mit ein bisschen Glück, können wir sogar eine drei vor dem Komma haben”, sagte er. (AM: Auch hier wieder die Methode der Niedrigschätzung, um dann umso begeisterter kommentieren zu können. Auch die Redakteure von Spiegel online müssten eigentlich wissen, dass der zitierte Professor kein unabhängiger kritischer Kopf ist.)

Fraglich ist jedoch, wie sehr sich die Euro-Krise noch ausweitet – und womöglich das deutsche Wachstum belastet. Der Internationale Währungsfonds hatte am Donnerstag vor einer Ausweitung der Schuldenkrise gewarnt und eine gemeinsame Finanzpolitik der Partner gefordert.

yes/dpa/Reuters

P.S. 14:00 Uhr, ein ergänzender Hinweis von G.K.:

Worauf in den Medien nicht hingewiesen wird: Nicht nur im Vergleich zum 4. Quartal 2010 wird das BIP-Wachstum (+1,5%) witterungsbedingt (winterliches Wetter im 4. Quartel 2010) überzeichnet. Der Spiegel schreibt in seiner heutigen Meldung zum Vorjahresvergleich:

“Auf Jahressicht legte die Wirtschaftsleistung sogar so stark zu wie noch nie seit der Wiedervereinigung: Die Statistiker berechneten ein Plus von preisbereinigt 5,2 Prozent.”

Im Mai des vergangenen Jahres schrieb Handelsblatt zur Entwicklung des BIP im 1. Quartal 2010:

“Ein stärkeres Wachstum verhinderten schrumpfende Bauinvestitionen: Grund dafür ist der strenge Winter. Schnee und Frost hatten wochenlang viele Baustellen lahmgelegt und viele weitere Branchen behindert.”

Demgegenüber war der Winter im 1. Quartal 2011 ausgesprochen mild, so daß der BIP-Anstieg (5,2% gegenüber dem 1. Quartal 2010) auch im Vorjahresvergleich deutlich überzeichnet ist.

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