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Das kritische Tagebuch

Brüderle: Wir leben Ideologie

Statt Opels Logo „Wir leben Autos“, gilt für Brüderle offenbar, wir leben Ideologie.
„Das Pendel muss wieder in Richtung Markt schwingen“, sagte Brüderle in seiner kurzen Erklärung, warum er „als Wirtschaftsminister“ eine Bürgschaft für Opel aus dem Deutschlandfonds ablehne. Zugegeben die Entscheidung für Opel eine staatliche Garantieerklärung über 1,1 Milliarden Euro abzugeben ist nicht einfach. Warum Opel retten und nicht Karstadt? Wolfgang Lieb

Rolf Dietrich Schwartz zum 70. Geburtstag

Wer die „Bonner Republik“ noch bewusst miterlebt hat, der kam an Rolf Dietrich Schwartz nicht vorbei. Der studierte Volkswirt – seit 1972 als Bonner Parlamentskorrespondent der damals noch wirklich „links-liberalen“ Frankfurter Rundschau – war über fast drei Jahrzehnte ein mutiger und von den Politikern gefürchteter Kämpfer für den Sozialstaat und gegen die damals schon vorangetriebene Umverteilungspolitik der schwarz-gelben Koalition unter Helmut Kohl. Und er war einer der wenigen Wirtschaftsjournalisten, die schon vor langer Zeit der herrschenden neoliberalen Wirtschaftslehre theoretisch fundiert und faktenreich ihr Scheitern vorhersagte. Wolfgang Lieb

Wulff – ein Konservativer mit freundlichem Lächeln

In den NachDenkSeiten finden sich nur ganz wenige Einträge über Christian Wulff. Er wurde allenfalls nebenbei erwähnt, wenn er dem konservativen Mainstream folgend etwa Einsparungen bei der Rente forderte oder wenn er die Politik der Großen Koalition oder von Schwarz-Gelb verteidigte. Es ist bezeichnend, dass Wulff nie mit einer Idee aufwartete, die Anstoß war oder Anstoß erregte.
Wulff lächelt eigentlich immer und ist ständig ordentlich frisiert. Wenn er sich nicht hätte scheiden lassen, wäre er der Wunsch-Schwiegersohn deutscher Mütter. Auch als Ministerpräsident von Niedersachsen war er dem „Präsident“ in seiner Amtsbezeichnung immer näher als dem „Minister“. Viele haben seine Zukunft eher in einem Job in der Wirtschaft gesehen als auf dem Posten des Bundespräsidenten. Wolfgang Lieb

Das Amt des Bundespräsidenten als Ehrenvorsitz für die CDU?

„Die CSU und die FDP warten auf einen geeigneten Vorschlag der CDU“, „Westerwelle und Seehofer wollen auf einen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten verzichten“. „Union und FDP verfügen über eine komfortable Mehrheit in der Bundesversammlung“. Das sind die Eckdaten in der Debatte bei der Suche nach einer geeigneten Persönlichkeit für das Staatsoberhaupt. Es muss der Eindruck entstehen, als wäre die Bundesversammlung nur dazu da, quasi eine/n Ehrenvorsitzende/n der CDU zu wählen.
Schon Horst Köhler wurde sozusagen in der Wohnküche von Westerwelle ausgekungelt. Auch bei der Suche nach einem Nachfolger wahrt man nicht einmal den Anschein als ginge es darum, eine Persönlichkeit zu finden, die die gesamte Bevölkerung repräsentieren könnte. Das Auswahlverfahren hinterlässt den fatalen Beigeschmack, als ginge es darum, das Amt einem passenden Parteigänger der CDU zuzuschanzen. Wolfgang Lieb

Bundespräsident Köhler tritt zurück

Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Ein Bundespräsident tritt aus seinem Amt zurück, nicht etwa aus Alters- oder Gesundheitsgründen sondern offenbar aus politischen Gründen. Die Kritik an seinen Äußerungen zum Bundeswehreinsatz zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen lasse „den notwendigen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vermissen“, gab Köhler zur Begründung an. Die Gründe dürften jedoch ganz andere sein. Wolfgang Lieb

Kauder-welsch über die Wurzel des Übels

Die Wurzel des Übels und die „wahre Ursache der Krise“ liegen nach Meinung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien darin, dass „wir“ über unsere Verhältnisse gelebt haben und deshalb in der Schuldenfalle stecken. Deshalb mussten „wir Schutzschirme für Sparer, Arbeitnehmer und den Mittelstand aufspannen“. In dieser Logik ist dann auch selbstverständlich, dass „die Sparer, Arbeitnehmer und der Mittelstand“ die „hohe Staatsverschuldung“ auch wieder abtragen müssen. Ein Textbeleg aus der gestrigen Sitzung des Bundestags von unserem Leser G.G.

Rezension zu: Götz Eisenberg „ …… damit mich kein Mensch mehr vergisst! Warum Amok und Gewalt kein Zufall sind.“

Über das Phänomen Amok ist immer noch wenig bekannt. Dabei häufen sich seit den 90er Jahren die Fälle von Amokläufen an Schulen und in anderen Bereichen der Gesellschaft. Warum verüben Menschen, die es mit sich und der Welt nicht länger aushalten, derartige Verzweiflungstaten, deren Spezifikum darin besteht, nicht nur sich selbst, sondern noch möglichst viele Andere mit ins Verderben zu reißen? Wir neigen dazu, derartige Gewaltexzesse als Wahnsinnstat eines Einzelnen abzutun, als etwas Unvorstellbares, Außergewöhnliches und letztlich Unerklärliches.
Der Gefängnispsychologe und Sozialwissenschaftler Götz Eisenberg weist uns darauf hin, dass Amokläufer und Gewalttäter keineswegs „Wesen von einem fremden Stern“ sind, sondern meist aus der sog. Mitte der Gesellschaft stammen. Von Joke Frerichs

Billig-Discounter und Freihandel

In letzter Zeit häufen sich die Meldungen, dass einige Billig-Discounter sich nicht an ihre Zusagen halten, faire Arbeitsbedingungen für Beschäftigte bei ihren Lieferanten sicherzustellen. Orlando Pascheit meint, dass an einer generellen Regelung des globalen Handels im Sinne des Arbeiter- und Umweltschutzes kein Weg vorbeiführt.

NachDenkTreff

ver.di lädt zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung ein:
Die Rolle der Bertelsmann Stiftung beim Abbau des Sozialstaates und der Demokratie oder: Wenn ein Konzern Politik stiftet – zum gemeinen Nutzen?
Ref.: Dr. Wolfgang Lieb / Köln Dienstag, den 13. April 2010, 19.00 Uhr ver.di-Haus Dortmund, Königswall 36 (2.Etage – Sitzungsraum A/B)
Quelle: ver.di [PDF – 100 KB]

Arbeitskosten steigen – Was heißt das eigentlich?

Zufall oder nicht, mitten hinein in die Debatte um die Exportlastigkeit der deutschen Wirtschaft und um die Folgen der Leistungsbilanzungleichgewichte kommt die Mitteilung des Statistischen Bundesamtes, dass die Arbeitskosten im Jahre mit 4,1 Prozent auf durchschnittlich 35,60 Euro deutlich angestiegen sind.
„Arbeitskosten in Deutschland steigen massiv“, so oder so ähnlich lauten die Schlagzeilen. Verliert die deutsche Wirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit? Sind die Sorgen unserer Nachbarn, dass sie durch unser Lohndumping niederkonkurriert werden, damit unbegründet? Wolfgang Lieb

Pleisweiler Gespräch am 25.4. fällt aus

Ein Krankheitsfall in der Familie zwingt Albrecht Müller dazu, das für den 25.4. vorgesehene Pleisweiler Gespräch abzusagen. Ob er die anderen Termine wahrnehmen kann, ist noch offen. Bitte schauen Sie dort nach Korrekturen und Anmerkungen, wenn Sie sich für die Veranstaltungen interessieren.

Fortsetzung: SPD-Arbeitsmarktkonzept: Eiertanz in der Sackgasse

Olaf Scholz nannte das Arbeitsmarktkonzept [PDF – 106KB] „eine konsequente Weiterentwicklung unserer Politik“. Die einzelnen Vorschläge des SPD-Arbeitsmarktkonzepts stellen also keinen Neuanfang dar, mit dem die Enttäuschung vieler früheren Anhänger und Sympathisanten der SPD wieder aufgefangen werden könnte. Solange der „Consigliere“ von Schröder, Frank-Walter Steinmeier, in der SPD etwas zu sagen hat, wäre eine Abkehr vom Agenda-Kurs ein Schlag gegen das eigene Führungspersonal.
Weil keine Abrechnung mit dem bisherigen Kurs erfolgt und kein neues Leitbild zugrunde gelegt wird, stehen alle Vorschläge des Arbeitsmarktkonzepts unter dem Verdacht der politischen Kosmetik – um sich etwa gegenüber den Gewerkschaften aufzuhübschen, um die innerparteilichen Narben zu verdecken, um sich gegenüber der Linkspartei etwas Rouge aufzulegen oder gegenüber den Vorstößen von CDU und FDP (etwa im Hinblick auf das Schonvermögen) nicht all zu blass auszusehen.
Wenn man überhaupt ein Umdenken erkennen will, so vielleicht an der Erkenntnis, dass der Sozialstaat nicht mehr durch weiteres zurückschneiden erhalten werden kann. Doch was durch die Hartz-Gesetze schon völlig kahl geschnitten wurde, kann nicht durch das Aufpfropfen einiger neuen Triebe wieder zum Blühen gebracht werden. Wolfgang Lieb