Nochmals „Hochschulfreiheitsgesetz“: Karl-Heinz Heinemann: Der „Innovationsminister“ als „Yes Minister“

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Der „Innovationsminister“ legt ein „Hochschulfreiheitsgesetz“ vor. Ein Name, so innovativ wie „Studienbeiträge“ statt Gebühren, Innovationsministerium anstelle eines piefigen Wissenschaftsressorts. Dieses neue Gesetzesvorhaben soll Nordrhein-Westfalen an die Spitze der bundesweiten Befreiungsbewegung katapultieren – der Bewegung, die die Hochschulen aus den Zwängen staatlicher Reglementierung an die freie Luft des unternehmerischen Wettbewerbs führt.

Die Hochschulen bekommen neue Strukturen – da wird nicht nur der Muff von 1000 Jahren vertrieben, sondern auch der sozialdemokratische Mief der Gruppenuniversität. Oberstes Beschluss- und Kontrollorgan wird ein Hochschulrat, der mehrheitlich aus Nicht-Hochschulmitgliedern besteht, auch der Vorsitzende soll von außen kommen. Dort, wo man diese Hochschulräte schon eingeführt hat, in Baden-Württemberg und Hessen beispielsweise, nimmt man gern führende Banker für diese Posten, denn die kennen sich ja bestens aus mit dem Wettbewerb. Dieser Banker wird dann der Dienstvorgesetzte des Rektors. Die Ratsmitglieder werden vom Minister ernannt, sind dann aber an keine Weisung gebunden. Sie beschließen, welche Orchideenfächer geschlossen werden und welche Fachbereiche man ausbauen kann, weil man dort mit geringen Kosten viel output an Studenten produzieren kann – bei den Betriebswirten beispielsweise.
Dem Hochschulrat fehlt jegliche demokratische Legitimation. Wer in den Rat berufen wird, bestimmt der Minister. Doch dafür, was dieser Hochschulrat dann treibt, muss er nicht mehr Rechenschaft ablegen. Die alte Hochschulselbstverwaltung, einst als Ordinarienherrschaft bekämpft, hatte da noch eine breitere Legitimationsgrundlage.

In den sechziger und siebziger Jahren galt die Autonomie der Hochschule und die Freiheit der Wissenschaft den kritischen Studenten als ein ideologisches Schutzschild, hinter dem die Ordinarien ihre Süppchen kochten und frei von gesellschaftlicher Verantwortung ihren Hobbies frönten. Damit ist nun Schluss: Autonomie ist nicht mehr die Freiheit der Wissenschaft, sondern die des Unternehmens Hochschule, mit seinen Einnahmen aus Staatszuschüssen, Studiengebühren und Drittmitteln einen möglichst hohen Output zu produzieren. Dem haben sich die Professoren unterzuordnen.
In der Verwendung ihrer Mittel ist die Hochschule frei. Sie soll eigenverantwortlich auf den Zukunftsmärkten agieren können, erläutert Pinkwart sein Vorhaben. Ja, Hochschulen, die nicht geschickt auf den Zukunftsmärkten agieren, können auch pleite gehen.
Bei den Hochschulrektoren herrscht nur gedämpfte Freude über die versprochenen Freiheiten. Als Unternehmer kommen ganz neue Lasten auf sie zu – sie müssen sich gegen alle möglichen Risiken versichern, beispielsweise. Noch zahlt der Staat den Hochschulen soviel, wie bisher. Wenn nun aber beispielsweise Tariferhöhungen für die Beschäftigten fällig werden, wenn die Hochschule ein Institut ausbauen will oder einen Hörsaal, dann muss sie sehen, woher sie das Geld nimmt. Der Staat hat seine Verantwortung abgegeben.
Versprochen wird der Abbau von Bürokratie. Tatsächlich werden sich kleine Hochschulen wie die Fachhochschule Rhein Sieg beispielsweise den Verwaltungsapparat gar nicht mehr leisten können, den sie als eigenständige Unternehmen brauchen. Andreas Pinkwart hat recht mit seiner Ankündigung, hier werde ein Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik vorbereitet. Der Staat entledigt sich seiner Verantwortung für Bildung und Wissenschaft. Die Hochschullandschaft wird zum Markt – völlig problemlos werden sich private Anbieter darin einfügen lassen, die dann an die Stelle der heruntergewirtschafteten Staatsbetriebe treten können.
So erfüllt sich auf paradoxe Weise, was kritische Studenten in den sechziger Jahren gefordert hatten: Wissenschaft müsse heraus kommen aus dem Elfenbeinturm. Nun wird sie den rauen Winden des Marktes ausgesetzt – ein Weichei, wem es dabei fröstelt.

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