Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

  1. SPD und Union einigen sich (mal wieder) auf letzte Details der Gesundheitsreform: Gewinner nach Punkten sind alles in allem die Union und die hinter ihr stehenden Interessenverbände
    • Die Veränderungen für die PKV werden um ein Jahr auf 2009 verschoben – ein Stich für die Union. Von dann an müssen die Privatunternehmen all ihren Versicherten und denen, die es werden könnten, eine Police zu bezahlbarem Preis und ohne Gesundheitscheck anbieten, den so genannten Basistarif. Aber nur sechs Monate lang, dann wird der Basistarif praktisch wieder geschlossen – noch ein Stich für die Union. Der Wettbewerb, den sich die SPD so sehnlichst für die Privaten wünschte, bleibt so auf ein halbes Jahr beschränkt. Als Gegenleistung für ihr Einknicken bei den privaten Versicherungsunternehmen durfte Schmidt eine Versicherungspflicht präsentieren.
      Quelle: taz
    • Karl Lauterbach: Gewinner sind klar die privaten Krankenversicherungen, die PKV also, weil sie nicht in den Gesundheitsfonds einzahlen, weil es bei der Zweiklassenfinanzierung bleibt und weil der Basistarif innerhalb der PKV nur sechs Monat offen bleibt und danach eher die gesetzlichen Krankenversicherungen geschwächt werden.
      Quelle: taz
  2. Sonntagsgespräch mit der Kanzlerin im DLF: Fetisch „Veränderungen“
    Merkel: „Wir hatten eine Klausurtagung des Kabinetts und wir sind ganz entschieden der Meinung, dass 2007 wieder ein Jahr von Veränderungen sein muss. Die Veränderungen sind aus unserer Sicht wesentliche Voraussetzungen dafür, dass die Arbeitslosigkeit weiter sinken kann. Und ich bitte einfach auch die Menschen im Lande, nicht jede Veränderung immer nur als Zumutung zu begreifen.“
    Quelle: DLF

    Anmerkung: „Veränderungen“ als inhaltsloser Fetisch. Wie sollten die „Menschen im Lande“ angesichts der bisherigen „Veränderungen“ die Ankündigung weiterer Veränderungen nicht als Zumutung begreifen. Siehe „Die Reformen greifen! Aber wo greifen sie hin?“

  3. DGB-Experte Reinhard Dombre über den Boom der Zeitarbeit und Grenzen der Tarifverträge
    Die Entwicklung ist zum Teil Besorgnis erregend. Wir sehen, dass billige Zeitarbeiter in den Unternehmen immer häufiger Stammkräfte verdrängen. Auf Dauer wird dies das gesamte Tarifgefüge in Industrie, Handwerk und Dienstleistungen kaputt machen. In vielen Betrieben gibt es längst eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Hier die Kernbelegschaft, die den Branchentarifverträgen unterliegt und zum Beispiel Zugang zur Qualifizierung hat. Und da die wachsende Zahl derer, die im Dienste von Zeitarbeitsfirmen stehen, deutlich weniger verdienen und von denen sich die Entleihbetriebe jederzeit geräuschlos trennen können.
    Quelle: Berliner Zeitung
  4. Über Korruption, Bestechung und das Verschwindenlassen von unerwünschten Studienergebnissen in der Pharmaindustrie
    Ein Pharmamanager packt aus
    Quelle 1: taz
    Quelle 2: taz
  5. Korruptionsverdacht gegen Manager von Aldi, Tengelmann und Metro
    Vertreter namhafter Handelsketten sind unter Korruptionsverdacht in Zusammenhang mit der Einführung des Dosenpfands geraten. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat vor wenigen Wochen Ermittlungen gegen vier langjährige Manager der Handelskonzerne Aldi, Tengelmann und Metro wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung eingeleitet. Die Unternehmen waren bis Januar 2005 Gesellschafter des Müllkonzerns Duales System Deutschland (DSD). Das Unternehmen, bekannt als “Grüner Punkt”, opponierte jahrelang gegen das Dosenpfand. Den Beschuldigten wird zur Last gelegt, im November 2001 dem damaligen sächsischen Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU), einem erklärten Gegner des Dosenpfands, einen DSD-Beratervertrag zugeschanzt zu haben.
    Quelle: Spiegel Online
  6. Die Großindustrie ist seit Jahren in deutschen Ministerien vertreten und hat dort Einfluss auf die Gesetzgebung
    Sie arbeiten in den meisten Bundesministerien; sie haben eigene Schreibtische und Telefone wie Beamte; sie schreiben an Gesetzen mit; sie bringen durch ihre Einflussnahme die Souveränität in Gefahr. Die dauerhafte Präsenz von Industrie- und Wirtschaftsvertretern in Ministerien sorgt in Deutschland seit Jahren für immer neue Skandale und Diskussionen. Geändert hat sich dadurch aber wenig, wie zwei Anfragen im Bundestag aus den vergangenen Wochen belegen.
    Quelle: Telepolis
  7. Buchbesprechung: Magnus-Sebastian Kutz: “Public Relations oder Propaganda? Die Öffentlichkeitsarbeit der US-Administration zum Krieg gegen den Irak 2003”
    Die Täuschung der Welt ging also mit der Selbsttäuschung der Handelnden einher. Denn letztlich regierten die künstlich geschaffenen Bilder, Argumentationszusammenhänge und Sachzwänge die Realität. Sie wurden wahr dadurch, dass sie in den Kreislauf der öffentlichen Kommunikation gepumpt wurden, fortan Bestandteil des Diskurses waren und irgendwann als “Fakten” selbst zu ihren Urhebern zurückflossen.
    Quelle: taz
  8. Die eindimensionale ökonomische Welt des Professor Sinn
    Dass die Löhne durch die Einführung der negativen Einkommensteuer sinken, ist ja gewünscht und notwendig, denn nur so entstehen zusätzliche Jobs. Und wenn die Löhne allgemein sinken, dann müssen eben die Lohnersatzleistungen (Alg II) für diejenigen, die arbeitsfähig sind, aber nicht arbeiten, obwohl es Jobs gibt (?), gesenkt werden. Denn das Arbeitslosengeld II sei bereits eine negative Einkommensteuer, nur eine sehr schlechte. Man muss den Tarifverlauf verändern, um die von ihm implizierten Mindestlohnansprüche zu senken.
    Als Notanker will Sinn die Möglichkeit bieten, das Arbeitslosengeld II in heutiger Höhe weiter zu beziehen, wenn der Arbeitslose dafür acht Stunden am Tag für die Gemeinde arbeitet oder sich über Zeitarbeitsfirmen zu einem frei aushandelbaren Honorarsatz an die Privatwirtschaft vermitteln lässt.
    Quelle: wiwo.de

    Anmerkung: „Wenn man ein solches Programm realisiert, wird die Arbeitslosigkeit in Deutschland verschwinden, und zwar überall, nicht nur bei den gering Qualifizierten“, meint Sinn. Es ist halt die alte neoliberale Leier: Arbeitslosigkeit sei das Ergebnis zu hoher Entgeltansprüche. Dies gelte insbesondere für die Arbeitslosigkeit von gering Qualifizierten. Die Angebotstheoretiker haben auf die Arbeitslosigkeit immer nur eine Antwort: Senkung der Lohnkosten. Einmal abgesehen von der Dürftigkeit des theoretischen Gehalts dieser These hat auch die Empirie diese Behauptung in den letzten zehn Jahren längst widerlegt. Denn in diesem Zeitraum sind gerade in Deutschland die Löhne im unteren Bereich drastisch gesunken, und es gibt immer mehr Niedriglöhne. Und dennoch ist die Arbeitslosigkeit der gering Qualifizierten am stärksten angestiegen. Die besonders hohe Arbeitslosigkeit von gering Qualifizierten liegt daran, dass sie bei anhaltender Massenarbeitslosigkeit und Überangebot an Arbeitskräften von den Qualifizierteren und Leistungsfähigeren auch aus den Jobs verdrängt werden, für die sie grundsätzlich geeignet sind. Tatsächlich liegt die Massenarbeitslosigkeit an der anhaltenden Wachstumsschwäche und der zu schwachen Entwicklung der Binnennachfrage. Die Löhne sind nicht zu stark, sondern sie zu wenig gestiegen – wegen des Drucks der Arbeitslosigkeit und einer immensen Ausweitung der Niedriglöhne. Die negative Einkommensteuer, d.h. die Befreiung der Minijobs von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung und von der Lohnsteuer, ist in Wirklichkeit hauptsächlich eine Subventionierung der Arbeitgeber. Denn weil sie geringere Abzüge haben, akzeptieren Minijobber niedrigere Bruttolöhne als andere Beschäftigte. Das Ergebnis wäre mehr Beschäftigung im Niedriglohnsektor durch noch niedrigere Löhne. Die Abwärtsspirale beim Lohn würde nicht gestoppt, sondern noch beschleunigt werden, sie führte zu einem verstärkten Druck auf die Löhne im unteren Bereich, der bis in mittlere Einkommensbereiche ausstrahlen würde. Aber das ist nach Sinn ja gerade „gewünscht“.
    Siehe dagegen auch die Studie des IAT [PDF – 1.2 MB] und die Argumente von ver.di [PDF – 144 KB].

  9. Michael Hartmann zur Exzellenzinitiative: Die meisten Unis werden verlieren
    Die staatliche Förderung der einzelnen Eliteunis wird auch eine Umverteilung anderer Gelder wie vor allem der Drittmittel zugunsten der Gewinner nach sich ziehen. Die meisten Hochschulen werden dadurch aber ins finanzielle Abseits gedrängt. Sie übernehmen dann nur noch die schnelle Ausbildung der großen Studierendenmehrheit und verlieren ihre Bedeutung für die Forschung.
    Quelle: taz
  10. UN-Studie liefert Daten zum Verhältnis von Armut und Reichtum in der Welt von heute.
    Das World Institute for Development Economics Research (WIDER) der UN-Universität in Helsinki hat die globale Verteilung des Reichtums für die erwachsene Weltbevölkerung im Blick auf Haushaltsvermögen (netto, nach Abzug der Schulden) untersucht. Danach gehören den obersten zehn Prozent gut 85 Prozent des Weltvermögens. Wer sich zu dieser Gruppe rechnen darf, besitzt im Durchschnitt 40 mal mehr als der Weltdurchschnittsbürger. In der unteren Hälfte dieser Pyramide muss sich die Hälfte der erwachsenen Weltbevölkerung hingegen mit gerade einmal einem Prozent des Weltvermögens begnügen.
    Quelle: Freitag
  11. Die Legende von der chinesischen Bedrohung
    Untergangsszenarien erfreuen sich in den deutschen Medien großer Beliebtheit. Waren es zu Beginn der 1980er Jahre noch die Japaner, die nach Ansicht des ehemaligen Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff und anderer den Standort Deutschland massiv unter Druck setzten, so wechselte die Bedrohung zehn Jahre später auf die „kleinen asiatischen Tiger“ Südkorea, Singapur und Malaysia und wiederum zehn Jahre danach auf Indien und vor allem China über, die nach Meinung des „Spiegel“ zu den neuen „Masters of the Universe“ heranreifen.
    Quelle: PAUKOS 02/2006 [PDF – 140 KB]
  12. Pro und contra: Wird Venezuela zur Diktatur?
    Quelle: taz

    Anmerkungen von Volker Bahl: Ich tue mich erst einmal schwer, auf diese südamerikanischen Verhältnisse das Wort “Diktatur” anzuwenden. “Altdemokratische” Traditionen findet man dort kaum irgendwo. Von Chavez habe ich – anders als etwa von manchem vom Westen hofierten Demokraten à la Pinochet – noch nicht gehört, dass er politische Gegner einsperren, foltern und “verschwinden” lässt (eine bisher sehr übliche Praxis auch bei sog. “Demokratien” in Südamerika). Eine stark ausgeprägte katholische Kultur stärkt auch sicher dieses “Autoritäts”-Geprotze. Aber wieso soll man jetzt diese Tradition allein diesem Chavez anlasten.
    Chavez tut vielerlei Gutes und Richtiges – wie auch Stiglitz bemerkt – mit in unseren Augen nicht immer ganz feinen Mitteln.
    Das Rückgängigmachen der ganzen Privatisierungen per Staatsdekret halte ich für kein gravierendes Problem – außer dass man das Parlament der Mühe enthebt, überhaupt über so etwas nachzudenken (die meisten Parlamentarier sind eh alle “chavinistisch”, weil die Opposition die letzten Wahlen boykottiert hat ). Gerade deshalb halte ich es aber nicht für “sauber”, dass er den populärsten Sender, weil er auf kritischen Kurs zu ihm bleibt, abstellen lassen will. Wenn schon keine vernünftige politische Opposition mehr funktioniert, sollte dieses “Ventil” erhalten bleiben.
    Chavez macht – verglichen mit südamerikanischen „Verhältnissen“ – eine ziemlich gute Politik, aber man muss ihn bei einzelnen Maßnahmen durchaus kritisieren.
    Als „Diktator“ o.ä. würde ich ihn nicht bezeichnen, aber man sollte und muss gewisse autoritäre Züge an ihm kritisieren.
    Wo gibt es in Europa ein Vorbild für mehr soziale Gerechtigkeit, das wir ihm glaubhaft anbieten könnten?

  13. RTL-Moderator Günther Jauch wird in der ARD keinen Polittalk übernehmen. Gut für die ARD: Denn andere Nachfolger sind längst im Gespräch
    Da die ARD darauf gedrungen habe, er solle “journalistisch exklusiv” im Ersten tätig sein und noch eine weitere Sendung übernehmen, zog der RTL-Moderator zurück. Über seine in der ARD stets umstrittenen Werbeverträge (SKL-Lotterie, Krombacher Bier, Telekom) hatte man zwar offenbar Einigung erzielen können – Jauch wollte sie überwiegend ruhen lassen. Aber für die ARD sein Engagement bei RTL ruhen zu lassen (“Wer wird Millionär?”, “stern tv”), das ging dann doch zu weit.
    Quelle: taz

    Anmerkung: Im Gespräch sind wieder mal nur die „üblichen Verdächtigen“ Plasberg oder der Werbefachmann Beckmann. Warum denkt man eigentlich in der ARD nicht einmal auch an einen kritischeren, politischen Journalisten oder eine Journalistin etwa vom Magazin Monitor, die sich beruflich mit Politik und weniger mit Show beschäftigen?

  14. Ein Gespräch über die Krise im Blätterwald und den Arbeitskampf in der FR
    Die »gute alte Tante« Rundschau kreiselt vor sich hin, unübersehbar auf der Suche nach Konzept und Profil, das ihr aus der Krise helfen könnte: Geneigte LeserInnen bedauern den sinkenden Umfang eigenständiger Recherche in der FR und befürchten, dass ihr »Alleinstellungsmerkmal« als linksliberale Tageszeitung im Zuge der immer kurzlebigeren ›Modellwechsel‹ verloren gehen könnte, frei nach dem Motto: mehr Luft – weniger Text = weniger Substanz.
    Quelle: LabourNet.de
  15. Widerstand bei den österreichischen Sozialdemokraten gegen den Koalitionsvertrag: Wir sind die SPÖ

    Es gibt

    • keine Rücknahme der Pensionskürzungsreform,
    • keine abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren,
    • keine Abschaffung der Studiengebühren,
    • kein neues Geld für Kindergärten,
    • keine Anhebung der Gewinn- und Vermögenssteuern,
    • keine Abbestellung der Eurofighter

    Die ÖVP hat dafür durchgesetzt

    • eine Verlängerung der Höchstarbeitszeiten auf 12 Stunden/Tag,
    • Ausweitung der Ladenöffnungszeiten,
    • eine Aufweichung des Lehrlingsschutzes,
    • die verschärfte Schikanierung von Arbeitslosen und
    • kein Kurswechsel in der fremdenfeindlichen schwarzen Asylpolitik

    Quelle: Wir sind SPÖ