Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Der „Pro-Europäer“ ist die Worthülse der Stunde
  2. Frankreich
  3. Europe’s youth don’t care to vote – but they’re ready to join a mass revolt
  4. Griechenland einigt sich mit Geldgebern: Bis zu 18 Prozent weniger Rente
  5. Memorandum 2017
  6. Der Schein am Arbeitsmarkt trügt
  7. So will die Koalition die Autohersteller reinwaschen
  8. Wie die syrische Zivilbevölkerung unter den EU-Sanktionen leidet
  9. Tiefer Staat? Gedanken zum Fall Franco A
  10. Die Tagesschau und ihre „Faktenfinder“

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Der „Pro-Europäer“ ist die Worthülse der Stunde
    Spüren Sie auch dieses erhebende Gefühl? Der „Pro-Europäer“ Macron hat in Frankreich den ersten Wahlgang gewonnen, tönt es auf allen Sendern, und jetzt müssen sich „die Pro-Europäer zusammenschließen“, damit er Präsident wird. Natürlich auch in Deutschland, wo „Pulse of Europe“ unverdrossen auf die Straße geht: „Die Pro-Europäer machen weiter.“
    Der „Pro-Europäer“ ist die Worthülse der Stunde. Und er erfüllt die Kriterien für das Phrasenschwein perfekt: ein Begriff, der irgendwie positive Stimmung macht (Pro!), ohne dass irgendjemand weiß, was damit gemeint ist.
    Im Moment ist jeder ein „Pro-Europäer“, der nicht sofort „Hier!“ schreit, wenn jemand Brexit sagt oder Frexit oder „Raus aus dem Euro“. Das kann einer sein, der zwar die EU retten will, aber nicht die herrschende ökonomische Wettbewerbspolitik, die das Bündnis gefährdet. Es kann aber auch einer sein, der mit der EU genau dieses Modell erhalten will. Oder einer, bei dem man das nicht so genau weiß, zum Beispiel Emmanuel Macron.
    Quelle: FR

    Dazu noch einmal auf den NachDenkSeiten: „Europagegner“ – ein neues Totschlagargument macht Karriere

  2. Frankreich
    1. Das Übel des kleineren Übels
      Dank Emmanuel Macron hat die Rechtspopulistin Marine Le Pen einen Rückschlag erlitten. Doch Frankreichs Linke muss sich nun zusammenraufen: Der Exbanker will ein neoliberales Regierungsprogramm umsetzen.
      Auf den Finanzmärkten war sofort Bewegung: Schon als vorläufige Zahlen kursierten, denen zufolge der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron in der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen vor der Rechtspopulistin Marine Le Pen liegen würde, zog der Kurs des Euro kräftig an – ein Beleg für die Erleichterung der bis dahin nervösen AnlegerInnen. Die Prognosen sollten sich bestätigen; die Gefahr, dass die Eurozone in dramatische Turbulenzen geraten würde, war damit erst einmal gebannt.
      Es waren aber auch ganz andere Szenarien denkbar gewesen. Nie zuvor in der Geschichte der Fünften Republik war das Rennen um den Einzug in die Stichwahl so offen wie in diesem Jahr; das lange die französische Politik bestimmende Kräftegleichgewicht zwischen den Konservativen und der Sozialdemokratie ist inzwischen Geschichte. Neben Macron und Le Pen hatten auch der konservative Kandidat François Fillon und der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon gute Chancen, auf den beiden vorderen Plätzen zu landen. Vor allem die Aussicht auf eine mögliche Entscheidung zwischen Le Pen und Mélenchon bereitete den wirtschaftlichen und politischen Eliten in Frankreich und darüber hinaus Bauchschmerzen: Beide KandidatInnen waren mit Programmen in den Wahlkampf gezogen, die der Europäischen Union (EU) den Kampf angesagt hatten. Ihr Erfolg hätte ähnliche Schockwellen über den Kontinent gejagt wie das Brexit-Votum der BritInnen im vergangenen Jahr.
      Quelle: WOZ
    2. Keine Stimme für den Ex-Banker
      Fabién Léondre verlegt seit Jahrzehnten Rohre in meiner südfranzösischen Heimat. Er ist einer jener Arbeiter, um den nun die Finalisten der französischen Präsidentschaftswahlen kämpfen: Emmanuel Macron fährt bislang die Stimmen von gut ausgebildeten und gut verdienenden Bürgern ein, Le Pen ist bei Menschen wie Léondre beliebt, Menschen, die hart arbeiten und dafür wenig bekommen.
      Léondre aber hat links gewählt, Jean-Luc Mélenchon, den überraschenden Aufsteiger im Wahlkampf der nur zwei Punkte weniger als Le Pen erhielt. „Ich bin tieftraurig, dass seine humanen Ideen nicht gewonnen haben“, sagt Léondre. Diesmal hätte es klappen können, eine ganz neue Vision zu entwerfen von einer Gesellschaft der Gleichen. Der Kanalarbeiter möchte ein Europa der Völker, ein gerechtes Europa ohne Wirtschaftslobby. „Stattdessen soll ich nun einen ehemaligen Banker – Macron – wählen, dessen einzige Leistung es bislang war, die Fernbusse zu privatisieren. Dabei brauchen wir das Gegenteil: auto- und busfreie Städte.“
      Früher hat Léondre die Grünen gewählt, er ist oft draußen in der Natur. Er ist für einen freien Austausch von Ideen und Menschen, aber nicht von Gütern. „Heute ist es andersrum: Menschen werden an der Grenze inhaftiert und wir importieren Äpfel aus Neuseeland. Absurd.“ An Europa hängt der 50-Jährige, allein schon aus familiären Gründen: „Mein Opa hat noch im Krieg gedient. Aber es ist wie auf der Arbeit: Zusammen sind wir stärker als alleine.“ Einige Kollegen auf dem Bau wollen beim entscheidenden Duell Le Pen wählen, um zu gucken, was passiert. Oder auch, weil sie glauben, die Rechtsextreme wäre nach dem nächsten Terroranschlag ohnehin erledigt.
      Léondre will sich enthalten. Er hofft, dass Macron weiterkommen wird, aber nicht mit einer hohen Quote. „2002 habe ich wie alle Linken Chirac gewählt, um Le Pen zu verhindern. Und anschließend hat er sich einen Dreck um uns geschert.“ Warum Macron in so kurzer Zeit so viel Erfolg hat, kann sich Léondre nicht erklären. „Keine Ahnung. Die Menschen sind verwirrt.“
      Quelle: Zeit
    3. Macron ist noch schlimmer als Le Pen
      Jean-Luc Mélenchon wurde bei den jungen Franzosen die stärkste Kraft. Ihnen bleiben jetzt zwei Kandidaten, die sie ablehnen. Und die Enthaltung. Was werden sie tun?
      Unter den jüngsten Franzosen war er der Sieger: 30 Prozent der Wähler unter 35 stimmten für den linken Kandidaten Jean-Luc Mélenchon, er wurde in dieser Altersgruppe stärkste Kraft. Aber sie wurden überstimmt: Mélenchon schaffte es nicht in die Stichwahl. Im Mai treten stattdessen der parteilose Mitte-Links-Kandidat Emmanuel Macron und die rechtsextreme Marine Le Pen gegeneinander an.
      Die Anhänger von Mélenchons France-Insoumise-Bewegung müssen sich nun entscheiden, wen sie wählen wollen oder ob sie ihre Stimme gar nicht abgeben werden. Anders als die anderen Verlierer des ersten Wahlgangs rief Mélenchon seine Wähler nicht dazu auf, für Macron zu stimmen. Drei seiner jungen Anhänger erzählen, wie sie sich bei der Stichwahl entscheiden werden.
      Quelle: Zeit

      Passend dazu: Präsidentschaftswahl in Frankreich: Eine Muslimin, die vielleicht Le Pen wählt
      Marine Le Pen ist aus Sicht von Soumia Montcoudial zwar rechtsextrem, aber das Programm von Macron fürchtet die gebürtige Marokkanerin noch mehr.
      „Ich habe mehr Angst vor Macron als vor Le Pen“
      Soumia Montcoudial kann in diesem Jahr zum ersten Mal ihr Staatsoberhaupt wählen: Die gebürtige Marokkanerin hat erst kürzlich die französische Staatsbürgerschaft erlangt. „Und nun bin ich ausgerechnet in das schwierigste Wahlduell aller Zeiten gerutscht“, sagt die 30-Jährige. Als Einwanderin verabscheut sie die ausländerfeindliche Hetze der rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen. Als Krankenpflegerin kann sie nichts mit dem Programm des liberalen Emmanuel Macron anfangen: Er will, dass sie später als mit 62 Jahren in Rente gehen kann, und Macron will, so fürchtet Montcoudial, ihre Überstunden nicht mehr bezahlen. „Wir machen im Krankenhaus einen harten Job für wenig Geld, wir können keine Stunde verschenken.“ So wird die Mutter zweier Kinder wahrscheinlich ungültig wählen. Oder doch für Marine Le Pen. […] Macrons Arbeitsreformen machen Montcoudial mehr Angst als ein Sieg des rechtsextremen Front National.
      Quelle: Zeit Online

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Darüber sollte das angeblich linksliberale (offenbar eher neoliberale) Milieu einmal nachdenken.

    4. Einmal Banker, immer Banker?
      Emmanuel Macron will französischer Präsident werden. Seinen Kritikern gilt er als Handlanger der Bankenbranche – ein Image, das schon Hillary Clinton zum Verhängnis wurde. Kann er trotzdem gewinnen? […]
      Als Macron 2008 bei der Rothschild-Bank anheuerte, soll ihn ein damaliger Freund gewarnt haben, welche Konsequenzen das für eine von Macron eigentlich angestrebte politische Karriere haben könnte: „Bist du dir bewusst, dass Banker nicht irgendein Job ist? Und Rothschild nicht irgendeine Bank?“, so zitiert die britische „Financial Times“ („FT“) den Freund von damals. Doch Macron schien das ebenso wenig zu stören wie seine mangelnden Kenntnisse der Finanzwelt. Schließlich hatte er nicht Wirtschaft, sondern Philosophie studiert. Dennoch stieg der damals 30-Jährige in der Bank atemberaubend schnell auf. „Er wusste nichts, aber er verstand alles“, zitiert die „FT“ einen ehemaligen Kollegen. Und er hatte offenbar einen mächtigen Förderer: François Henrot, wichtigster Vertrauter von Bankchef David de Rothschild, soll ihn persönlich empfohlen haben.
      2010 wurde Macron mit 32 Jahren zum Partner bei Rothschild, so jung wie er hatte noch niemand zuvor diese höchste Hierarchiestufe erreicht. Zwei Jahre später machte er den Deal seines Lebens, als er den Schweizer Lebensmittelriesen Nestlé davon überzeugte, für knapp zwölf Milliarden Dollar die Babynahrungssparte des US-Rivalen Pfizer zu kaufen. Macron selbst soll dabei Millionen verdient haben. Entscheidend bei dem Deal waren offenbar Macrons exzellente Kontakte zum damaligen Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Macron ist nicht nur (Ex-)Banker, sondern es wäre doch tatsächlich mal interessant herauszufinden, wie er als studierter Philosoph völlig fachfremd nicht nur in der Rothschild-Bank erfolgreich war, sondern innerhalb von lächerlichen zwei Jahren Partner werden konnte. „Er wusste nichts, aber er verstand alles“, zitiert die „FT“ einen ehemaligen Kollegen. Kann man mit diesen Voraussetzungen, aber ohne entsprechende Vorbildung, Ingenieur werden oder eben, in diesem Fall, „Finanzingenieur“? Wie geht das?

  3. Europe’s youth don’t care to vote – but they’re ready to join a mass revolt
    Young Europeans are sick of the status quo in Europe. And they’re ready to take to the streets to bring about change, according to a recent survey.Around 580,000 respondents in 35 countries were asked the question: Would you actively participate in large-scale uprising against the generation in power if it happened in the next days or months? More than half of 18- to 34-year-olds said yes.The question was part of a European Union-sponsored survey, titled “Generation What?” The report went on to focus on respondents from 13 countries to better understand what young people are optimistic and frustrated about in Europe. Among these spotlighted countries, young people in Greece were particularly interested in joining a large-scale uprising against their government, with 67% answering yes to the question. Respondents in Greece were also more likely to believe politicians were corrupt and to have negative perceptions of the country’s financial sector. Young people in Italy and Spain rounded out the top three, with 65% and 63% willing to join a large-scale uprising, respectively. In comparison, young people in Netherlands were least interested in expressing their frustration in the streets, with only 33% agreeing with the statement. Germany (37%) and Austria (39%) were also less eager for revolt.
    Quelle: qz.com

    Anmerkung unseres Lesers A.O.: Das Ergebnis wirft k/ein gutes Licht auf das politische Bewusstsein der 18 bis 34-jährigen in einigen Ländern. In welchen? – Na, Deutschland geht es dank Mutti – zumindest nach regierungsamtlicher Lesart – doch gut. Interessant wäre auch zu wissen, warum sich die Brüsseler EU, die bekanntlich nicht die EU der 99% ist, überhaupt für solche Fragestellungen interessiert. Kalte Füße?

  4. Griechenland einigt sich mit Geldgebern: Bis zu 18 Prozent weniger Rente
    Griechenland hat nach eigenen Angaben den Reformstreit mit den internationalen Gläubigern beendet. Denn das Land braucht frisches Geld. (…) Insgesamt handelt es sich um ein Sparpaket in Höhe von gut 3,6 Milliarden Euro, wie aus dem Finanzministerium in Athen hören war. Wichtigste Einschnitte: Rentenkürzungen von bis zu 18 Prozent vom 1. Januar 2019 an und eine Senkung des jährlichen Steuerfreibetrages von 8636 Euro auf etwa 5681 Euro. Die Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB), des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) sollen nun ihren Bericht – das sogenannte Staff Level Agreement – der Eurogruppe vorlegen.Erst dann kann weiteres Geld aus dem bis zu 86 Milliarden Euro schweren Hilfspaket ausgezahlt werden. Zudem muss noch der IWF seine Beteiligung zusagen. Dringend benötigt wird das frische Geld im Juli, denn dann muss Griechenland Kredite von mehr als sieben Milliarden Euro zurückzahlen.
    Quelle: taz.de

    Anmerkung unserer Leserin A.F.: Es ist wirklich unglaublich. Die griechischen Bürger werden systematisch ins Elend gestürzt, ohne dass dieses Programm zu irgendeinem Erfolg führt. Die Konten der Reichen in den Steueroasen, die in Investitionen angelegten entzogenen Steuern, bleiben unangetastet. Bei den Russen kann man Konten einfrieren, hier, bei den griechischen Geschäftskumpels bleibt man großzügig. Nur die Kleinen sollen den Gürtel enger schnallen bis aufs Skelett.

    dazu: Syriza »führt das Land aus den Sparprogrammen« (A. Tsipras)
    Der Großteil der linken KritikerInnen des Euro-Regimes hat in den letzten zwei Jahren immer wieder den bevorstehenden Untergang Griechenlands prognostiziert. Die unnachgiebige Haltung der Gläubiger-Staaten zeige, »dass es ohne eine Wiederherstellung der Souveränität Griechenlands keine Aussichten auf eine wirtschaftliche Erholung geben wird«.[1] Daher – so die Schlussfolgerung – liebäugeln immer mehr GriechInnen mit einem Austritt aus der Währungsunion.
    Auf der Seite des politischen Mainstreams hält sich dagegen die andere Seite der Argumentation: Nicht die harte Austeritätspolitik der EU-Gremien mache Griechenland kaputt, sondern in Griechenland »besteht keine grundsätzliche Bereitschaft, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, klientelistische Strukturen abzubauen, Staat und Gesellschaft zu modernisieren und effektiver zu gestalten. Entweder wird auf dringend notwendige umfassende Reformen ganz verzichtet oder diese werden nach der Verabschiedung einfach nicht umgesetzt oder nach Regierungswechseln wieder rückgängig gemacht.«[2]
    Quelle: Sozialismus aktuell

  5. Memorandum 2017
    Die Europäische Union steht am Scheideweg. Die Ursache liegt an der langjährigen, durch und durch neoliberalen Umverteilungspolitik zugunsten der Kapitaleinkünfte. “Die Massenarbeitslosigkeit wurde in Europa nicht beseitigt, sondern verschärft und die die Arbeit haben, sind in Europa millionenfach nur in prekären Beschäftigungsverhältnissen”, stellt Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup fest. Die Armutsquoten steigen und die Rentensysteme sind nicht mehr sicher. Dafür zocken die Reichen an den Kapitalmärkten weiter, als hätte es nie eine Finanz- und Bankenkrise gegeben. Jetzt zeigt sich die regierende Politikklasse in Europa über den Zuwachs der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien erstaunt, die die Existenz der EU in Frage stellen.
    Quelle: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

    Anmerkung Christian Reimann: Die Kurzfassung (auf 20 Seiten) des Memorandum 2017 können Sie hier nachlesen.

  6. Der Schein am Arbeitsmarkt trügt
    Die hohe Beschäftigtenzahl verbirgt den Mangel an guter, auskömmlicher Arbeit. Die Jobs, die in den vergangenen Jahren geschaffen wurden, waren zum Großteil Teilzeitstellen, von denen man nicht leben kann. Leiharbeit boomt, und auch der Mindestlohn hat kaum zu einer Reduzierung der Zahl der Minijobs beigetragen. Ein Fünftel aller Beschäftigten arbeitet mittlerweile zu Niedriglöhnen, 2,6 Millionen Beschäftigte brauchen neben ihrer Hauptbeschäftigung noch einen Nebenjob – und die Bundesregierung schaut tatenlos zu“, erklärt Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zum aktuellen Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit. Zimmermann weiter:
    „Die offizielle Arbeitslosenzahl von 2,6 Millionen ist zudem nur die Spitze des Eisbergs. Hinzu kommen eine Million Menschen, die zwar erwerbslos sind, in der Statistik aber nicht mehr vorkommen, weil sie an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, älter als 58 Jahre sind oder aufgrund anderer Tricksereien aus der Statistik fallen. Rechnet man diese Personen mit ein, liegt die Arbeitslosigkeit bei fast 3,6 Millionen Menschen, darunter über 900.000 Langzeiterwerbslose. Das sind die Fakten, an denen sich die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung messen lassen muss.
    Die Beschäftigungsentwicklung taugt nicht als Entschuldigung für den weitgehenden Rückzug der großen Koalition aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Gerade für Langzeiterwerbslose muss deutlich mehr getan werden. Wir brauchen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Leiharbeit öffnet Niedriglöhnen Tür und Tor und verhindert, dass die Betroffenen ihre Interessen über Gewerkschaften oder Betriebsräte vertreten können. Damit muss endlich Schluss sein. Grund zum Feiern gibt es erst, wenn Armut trotz Arbeit endlich der Vergangenheit angehört und alle Beschäftigten von ihrer Hände Arbeit leben können.“

    Quelle: Die Linke. im Bundestag

    dazu: Arbeitsuchende, Arbeitslose, erwerbsfähige Leistungsberechtigte: Ländervergleich April 2017
    April 2017: 175.000 weniger registrierte Arbeitslose, 95.000 mehr erwerbsfähige Leistungsberechtigte (Arbeitslosengeld II) als im April 2016. 4,743 Millionen Arbeitsuchende im April 2017: davon 2,569 Millionen als Arbeitslose registrierte Arbeitsuchende und 2,174 Millionen gemäß amtlicher Statistik nichtarbeitslose Arbeitsuchende.
    4,422 Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB: Arbeitslosengeld II) im April 2017. (Zum ELB-Ländervergleich siehe im Download Seite 8)
    Zum Länder- und Rechtskreisvergleich im April 2017 siehe die BIAJ-Kurzmitteilung vom 03. Mai 2017:
    Quelle: BIAJ

    dazu auch: 7,24 Millionen Menschen leben von Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen
    2,76 Millionen Arbeitslose gab es im Februar 2017. Doch mit über 7,24 Millionen lebten mehr als zweieinhalbmal so viele Menschen in Deutschland von Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen, darunter rund zwei Millionen Kinder und Jugendliche. Denn nur ein Teil derer, die staatliche Unterstützung benötigen, gilt auch als arbeitslos im Sinne der Statistik.
    Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt

    und: 5,8 % Arbeitslose – eine “Zahl für Dumme”
    Auf den ersten Blick erscheinen die neuen Arbeitslosenzahlen überaus positiv. Wirtschaftsprofessor Heinz-Josef Bontrup plädiert jedoch für einen ehrlicheren Umgang mit den Statistiken. […]
    Angesichts von fast 44 Millionen Erwerbstätigen muss man trotzdem fragen: Sind diese Zahlen nicht doch so niedrig, dass man schon nicht mehr von Massenarbeitslosigkeit sprechen kann? Weit gefehlt: Zieht man die Selbständigen (und Scheinselbständigen) ab, bleiben noch gut 39 Millionen abhängig Beschäftigte. Und das Besondere: gut ein Drittel dieser 39 Millionen arbeitet nur Teilzeit! Im Durchschnitt nicht mehr als 15 Stunden die Woche! Übrigens weit überwiegend Frauen. Wird diejenige, die so wenig arbeitet, zu Recht noch statistisch als Arbeitende erfasst? Die Antwort ist differenziert, und doch einfach: Manche wollen nicht mehr als Teilzeit arbeiten; andere können nicht Vollzeit arbeiten, weil sie keinen entsprechenden Job finden. Gehörten die letztgenannten nicht auch in die Arbeitslosenstatistik? Aber auch ohne sie: insgesamt muss man schon sehr deutlich von über vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland ausgehen. Zeit, die Statistik auf neue Beine zu stellen und sich ehrlicher zu machen.
    Quelle: ARD Hauptstadtstudio

  7. So will die Koalition die Autohersteller reinwaschen
    Die Große Koalition will nach SPIEGEL-Informationen im Abschlussbericht zum Abgasskandal alle entlasten: Hersteller, Aufsichtsbehörden und vor allem sich selbst. Sogar die Gesundheitsgefahr durch Stickoxide wird relativiert. […]
    In den Zeilen findet sich kein Funken Selbstkritik, nirgends. Ganz im Gegenteil: Deutsche Behörden und Ministerien seien in Sachen Abgasemissionen gar treibende Kraft auf europäischer Ebene gewesen. Die deutsche Autolobby hätte sich kaum einen gründlicheren Persilschein zusammenschreiben können.
    Dass die zahlreichen vorliegenden Hinweise auf Manipulationen und teils grotesk überhöhte Emissionen im realen Fahrbetrieb für US-Behörden ausreichten, um VW zum Geständnis zu zwingen, taucht sicherheitshalber in dem vorliegenden Berichtsentwurf deshalb gar nicht auf. Die US-Umweltbehörde EPA wird mit keinem Wort erwähnt.
    Aus Sicht der Großen Koalition gibt es neben VW eigentlich nur einen Hauptschuldigen – nämlich die EU. Deren bisheriger Abgas-Prüfzyklus (NEFZ) sei zu lasch gewesen – ein Befund, den niemand bestreiten wird, der aber auch sehr bequem ist – denn die Nachfolger sind längst beschlossene Sache. […]
    Geradezu verwegen ist auch jene Passage des Berichts, in dem die Autoren über die Gesundheitsgefährdung durch Stickoxide für die Bevölkerung urteilen. Da findet sich der bemerkenswerte Satz, es gäbe keine gesicherte „Wirkbeziehung“ zwischen Stickoxidemissionen und Erkrankungen oder Erhöhung der Sterblichkeit“ – ein Widerspruch zu den Aussagen der Europäischen Umweltbehörde, die genau diesen Zusammenhang herstellt.
    Die Regierungskoalition befindet: „In Deutschland bestehen keine toxikologisch bedenklichen NO2-Werte in öffentlich zugänglichen Bereichen.“ Wäre das tatsächlich so, gäbe es sicher keine Debatte um Einfahrverbote in Innenstädte bei Stickoxid-Grenzwertüberschreitungen, so wie sie Gerichte und selbst das SPD-geführte Bundesumweltministerium fordern.
    Quelle: Spiegel Online

    dazu: „Dieses Dokument der Koalition ist eine Lachnummer“
    Die Opposition ist empört: Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum Diesel-Skandal entlastet Hersteller, Aufsichtsbehörden und die Große Koalition. Dem Verkehrsministerium sei kein Vorwurf zu machen, heißt es in dem Papier, von dem knapp hundert Seiten vorab in Umlauf gekommen sind.
    Quelle: Deutschlandfunk

    dazu noch einmal Die Anstalt

    • Dieselgate I: Worin liegen eigentlich die Hauptgründe der Feinstaubbelastung und war der Abgasskandal von VW ein Ausnahmefall?
      Quelle: ZDF Mediathek
    • Dieselgate II: „Was nicht passt, wird …“
      Nach dem Abgasskandal werden Politik und Automobilbranche in Zukunft einiges ändern und anpassen. Ob die Luft durch diese Änderungen besser wird, klären die Protagonisten der „Anstalt“.
      Quelle: ZDF Mediathek
  8. Wie die syrische Zivilbevölkerung unter den EU-Sanktionen leidet
    Nur sechs Jahre ist das Interview alt und dennoch wirkt es wie aus einer anderen Zeit. Nicht nur weil der Interviewpartner damals noch Bundesaußenminister Guido Westerwelle hieß. Von „Gewalttaten gegen friedliche Demonstrationen“, sprach Westerwelle damals. Davon, dass die „syrische Führung vor einer Wegscheide“ stünde. Und zum ersten Mal drohte ein Mitglied der Bundesregierung damals mit etwas, was heute selbstverständlicher Teil der EU-Politik gegenüber Syrien ist: Sanktionen.
    Sechs Jahre nachdem Guido Westerwelle am 29. April 2011 im Tagesspiegel-Interview erstmals Vermögenseinfrierungen und Reisebeschränkungen gegenüber den Mächtigen in Damaskus ins Gespräch brachte, ist die Hoffnung auf ein schnelles Ende der Gewalt im Land längst vergangen. Mindestens 310.000 Menschen haben seit Beginn des Krieges ihr Leben verloren, schätzen die Vereinten Nationen.
    Mehr als die Hälfte der 20 Millionen Bewohner des Landes musste ihr Zuhause verlassen. Die durchschnittliche Lebenserwartung sank seit den ersten Unruhen im März 2011 von 75,9 Jahren auf 55,7 Jahre. Syrien ist zum Synonym für unvorstellbare Verbrechen und Not geworden. Und nach wie vor debattieren Politiker, Journalisten und die Öffentlichkeit über die Antwort auf die Frage, wer Schuld trägt an der Zerstörung eines ganzes Landes: Die Bomben des Regimes? Der Terror der Islamisten? Die Machtpolitik regionaler Staaten? Die Tatenlosigkeit des Westens?
    Vielleicht ist ein Teil des syrischen Niedergangs aber auch mit Entscheidungen wie denen von Guido Westerwelle zu erklären. Vielleicht spielt sich in Syrien heute die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit ab, nicht weil die EU wegschaute, sondern weil sie eingriff. Jahre nachdem die EU-Strafmaßnahmen gegen Syriens Machthaber in einem Tagesspiegel-Interview ihren Anfang nahmen, treffen mehr und mehr Experten ein vernichtendes Urteil über die Folgen der Sanktionen für die Zivilbevölkerung des Landes.
    Quelle: Telepolis
  9. Tiefer Staat? Gedanken zum Fall Franco A
    Gibt der Fall des Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als Asylbewerber ausgegeben hat, Einblick in eine tiefenstaatliche Struktur, die mit Todeslisten operiert? Wer die Geschichte von Gladio, den Stay-behind-Strukturen der Nato, kennt, kommt zumindest auf diesen Gedanken. (…) Ist es zu weit gedacht, wenn man grundsätzlich bei Terroranschlägen oder Anschlagsplanungen, die bekannt werden, auch die Dimension einer tiefenstaatlichen Steuerung – ähnlich der zu Zeiten Gladios – bei der Analyse berücksichtigt? Im Fall Franco A. drängt sich der Gedanke auf. Aus welchem Grund sollte sich ein immerhin hochrangiger Soldat, der über ein passables Einkommen und eine gesicherte Existenz verfügt, zu einer Unternehmung hinreißen lassen, die jederzeit an vielen Stellen hätte auffallen können und sowohl das Karriereende als auch schwere strafrechtliche Konsequenzen nach sich gezogen hätte? (…) Viel näher liegt der Verdacht, dass hier eine Aktion in Planung war, die weitreichend sein würde und die ohne Unterstützung, ohne ein Netzwerk, kaum hätte in Angriff genommen werden können.
    Quelle: Marcus Klöckner bei Telepolis

    Dazu: Hinweise auf Neonazi-Netzwerk in der Bundeswehr
    Der Skandal um den rechtsradikalen Offizier Franco A. zieht immer weitere Kreise. Nach Informationen des »Redaktionsnetzwerks Deutschland« hat das Verteidigungsministerium Hinweise auf ein kleines, rechtsextremistisches Netzwerk in der Bundeswehr mit bis zu fünf Mitgliedern gefunden. Entsprechende Informationen sollen die Obleute des Verteidigungsausschusses im Bundestag vom Ministerium im Rahmen einer umfangreichen Informationssammlung erhalten haben. Am Donnerstag trifft sich deswegen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Berlin mit 100 hohen militärischen Führungskräften. Das Treffen diene der Aufklärung und dem Ausloten von Konsequenzen aus den angehäuften Fällen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Dienstag in Berlin. An diesem Mittwoch wolle von der Leyen zudem mit Generalinspekteur Volker Wieker das französische Illkirch besuchen, wo der terrorverdächtige Bundeswehroffizier Franco A. stationiert war. Deswegen habe die Ministerin eine für diesen Mittwoch geplante Reise in die USA kurzfristig abgesagt. »Für die Ministerin steht die Aufklärung der aktuellen Vorgänge um den Oberleutnant A. aus Illkirch im Vordergrund«, teilte das Verteidigungsministerium mit.
    Quelle: Neues Deutschland

    Und: Kritik an der Bundeswehr: “Die Ursache liegt im Verteidigungsministerium”
    Rechtsextreme Tendenzen, Mobbing, Misshandlungen: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wirft der Bundeswehr Führungsversagen vor. Florian Kling von der kritischen Soldatenvereinigung “Darmstädter Signal” sieht die Ursache der Probleme bei der Ministerin selbst: In der Truppe traue sich niemand, die Probleme anzugehen – aus Angst, von ihr “geschasst” zu werden, sagte er im DLF.
    Kling: „Wir haben insgesamt in der Führungsetage der Bundeswehr ein Absicherungsproblem, eine Absicherungsmentalität, weil sich niemand mehr traut, überhaupt noch verantwortlich zu agieren, Entscheidungen zu treffen und auch mal einfach Rückgrat zu haben. Weil genau dann passiert das, was sonst auch passiert für Beamte: Sie werden vielleicht rausgeworfen. Genau das ist das Problem. Ein Beamter, der nichts tut, der wird nach oben befördert und der steigt auf.“
    Quelle: Deutschlandfunk

  10. Die Tagesschau und ihre „Faktenfinder“
    Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell, hat sich zum ersten Mal in diesem Jahr auf dem Redaktionsblog der Tagesschau zu Wort gemeldet. Der Anlass: „Ein Monat Faktenfinder bei der Tagesschau“. (…) Das Problem dabei: Offenbar sind vom Russen und anderen finsteren Mächten lancierte „Fake News“ doch weitaus seltener als gedacht. Womit nun also die neue Seite füllen? Ganz einfach: Mit allem, was aktuell im Netz kursiert und von der Mainstreamlinie abweicht. Natürlich lassen sich Abweichungen oder andere Perspektiven nicht automatisch als „Fake“ einstufen. Und genau da gerät der Faktenfinder denn auch ins Stolpern und wird eher zu einer grotesken Konformismusmaschine: „Störende“ Abweichler werden benannt und ausgesondert. Während die Kritik an den Leitmedien nicht abreißt, schließt der Mainstream seine Reihen nur noch enger und feuert aus der eigenen Wagenburg auf alles, was sich nähert.
    Quelle: Paul Schreyer