Nachtrag zu Koalitionsplanungen der Grünen

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Der Beitrag vom 9. März „Koalitionsplanungen zeichnen sich ab – Spitzenkandidaten der Grünen favorisieren eine Koalition mit der FDP“ hat ein Echo ausgelöst, über das zu berichten sich lohnt. In der Anlage finden Sie die Mail des Landtagsabgeordneten der Bündnis 90/DieGrünen Horst Becker einschließlich des Links auf einen Antrag für die nordrhein-westfälische Landesdelegiertenkonferenz der GRÜNEN vom 20. bis 23. März. Weil es zu wissen wichtig ist, welche Optionen uns für den Herbst bleiben, dokumentieren und kommentieren wir. Albrecht Müller

Von Horst Becker wie auch im Antrag seiner Gruppe wird auf die Verantwortung der SPD für die Missachtung einer Koalition auf der linken Seite des Spektrums und die Spekulation der herrschenden SPD-Führung auf die Fortsetzung der großen Koalition hingewiesen. Diese Analyse ist richtig. Ich hatte im Beitrag vom 9. März die Analyse der obskuren SPD-Position („im Bund nicht mit der Linken“) unterlassen. Das war im Sinne der Ausgewogenheit sicher nicht richtig, im Kontext der seltsamen Diskussion bei den Grünen aber angemessen.

Interessant ist, dass selbst im Antrag der Gruppe nordrhein-westfälischer Abgeordneten und grünen Funktionäre um den Landtagsabgeordneten Horst Becker, die anders als Trittin und seine Gruppe offen sind für eine Zusammenarbeit mit der Linken, die inzwischen übliche Popanz-Aufbau-und-Draufschlag-Methode gegenüber der Linken betrieben wird: „regierungsunwillig und regierungsunfähig“, Lafontaine sei „aus dem Amt geflohen“, „populistische Forderungen“ – das übliche. Schade, dass auch diese Grünen die strategisch geplante Meinungsmache mitmachen.

Ausgesprochen positiv fällt die klare Analyse der Verantwortung der FDP, „des parlamentarischen Arms der Heuschrecken“, wie es im zitierten Antrag heißt, aus. Es wird von den Antragstellern auch klar gesehen, dass Trittin mit seinen Avancen gegenüber der FDP die Westerwelles, Brüderles, Niebels usw. „stark redet“. Das trifft sich mit unserer Analyse und Sorge.

Das Büro Trittin meint in seiner Mail gegenüber dem erwähnten NachDenkSeiten Leser, der sich mit Hinweis auf unseren Artikel vom 9. März an Jürgen Trittin gewandt hatte, der Artikel (gemeint sind die NachDenkSeiten) spiegele keinesfalls die Diskussion in der Parteispitze oder die Überlegungen der Spitzenkandidaten wieder. Es gehe keinesfalls darum, für eine Koalition mit der FDP zu trommeln, oder sich an die FDP anzubiedern. Es gehe allein darum, eine Entscheidung zu treffen, mit welcher “Machtoption” man bei der Bundestagswahl antritt. Und dann wird auf einen Brief von Renate Künast und Jürgen Trittin hingewiesen, den man
unter www.trittin.de finde.

Ich hatte in meinem Beitrag vom 9.3. nichts weiter getan, als Äußerungen Jürgen Trittins in verschiedenen Medien wiederzugeben und den Vorspann des Interviews Jürgen Trittins mit der Süddeutschen Zeitung zu zitieren. Dort heißt es unter der Überschrift “Es geht nur mit der FDP”:

Der Grüne Jürgen Trittin will mit SPD und Liberalen regieren, keinesfalls mit der Union. Die Grünen präsentieren an diesem Freitag den Entwurf ihres Wahlprogramms. Eine Koalitionsaussage enthält er nicht, obwohl die Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin für eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen trommeln. Um ein Bekenntnis zu dieser Option dürfe sich die Partei nicht drücken, fordert Trittin im SZ-Interview.

Ich habe nicht den Eindruck, Jürgen Trittin falsch interpretiert zu haben. Ich habe auch nicht den Eindruck erweckt, dass ihm die Koalition mit der FDP ein besonderes Anliegen ist. Meine Kritik setzt vor allem daran an, dass Trittin und Künast nach der SPD nun auch das Projekt einer Mehrheit links der rechts-konservativen Gruppen aufgeben und dass sie mit ihren Avancen den Westerwelles sinnloser Weise die Wahlchancen verbessern.

Es folgen die erwähnte Mail und der Antrag zur Koalitionsaussage der Grünen:

Anlage:

Lieber Herr Müller, lieber Herr Lieb,

als treuer Leser Ihrer Seiten ist mir gestern der Artikel mit dem Thema “Koalitionsplanungen zeichnen sich ab – Spitzenkandidaten der Grünen favorisieren eine Koalition mit der FDP” aufgefallen. Selbstverständlich gibt es auch in unserer Partei eine breite Diskussion über die Einschätzung eines Teiles unserer Bundestagsfraktion, nur eine “Ampel” sei eine realistische Machtoption. Diese Einschätzung wird von vielen von uns, unter anderem von mir selber, nicht geteilt. Maßgeblich dafür ist, dass die FDP inhaltlich in vielen wichtigen Fragen weit von unseren Positionen entfernt ist. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch ich bin der Auffassung, dass möglicherweise auch eine Koalition aus SPD, FDP und GRÜNEN nicht auszuschließen ist, wenn nur so eine schwarz-gelbe Bundesregierung verhinderbar ist. Ich betone jedoch ausdrücklich, dass dies inhaltlich ein weites Entgegenkommen der FDP voraussetzen würde. Eine solche Konstellation wäre im Zweifelsfall auch dem Umstand geschuldet, dass sich zur Zeit eine Option für eine rot-grün-rote Mehrheit nur schwer denken lässt. Dies ist jedoch am wenigsten den GRÜNEN zuzurechnen, sondern vielmehr der fast schon neurotisch anmutenden gegenseitigen Abneigung einiger Exponenten von SPD und Linken. Gerade aber vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise erscheint mir ein solches Verhalten jedoch kindisch und gefährlich zu sein. Deswegen sollten sich die GRÜNEN auch nicht auf dieses Spiel der SPD einlassen, sondern ihrerseits der Linken entlang inhaltlich definierter Punkte offensiv eine Zusammenarbeit nach der Bundestagswahl anbieten. Die Linke ihrerseits könnte sich dann nicht weiter mit dem Verweis auf alle ihre Maximalforderungen einer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen. Wenn sie es dennoch täte, würden auch die Wählerinnen und Wähler wissen, dass sich aus einer Stimme für die Linke jedenfalls keine gesellschaftliche Änderung ergibt.
Zur Verbreiterung der Debatte auch auf Ihren Nachdenkseiten füge ich Ihnen den letzte Woche Dienstag gestellten Antrag [PDF – 32 KB] für die nordrhein-westfälische Landesdelegiertenkonferenz der GRÜNEN vom 20. bis 23. März bei.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Horst Becker MdL

Bündnis 90 / DIE GRÜNEN im Landtag NRW
Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf

10.3.2009