Hinweise des Tages (2)

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Unter anderem zu folgenden Themen: Gremien waren bei Hypo-Kauf eingebunden; 7 Gebote gegen den Wahn; gigantische Bad Bank; Wege aus der Krise; Bild-Leser für Arbeitszwang; nur jeder Zehnte schafft`s bis 65; FDP will Hartz IV kürzen; Ärger um Swift; Hamburger Schulkampf; journalistische Qualität im Sinkflug; Amerikas Widersprüche; Cayman Islands locken; Lesetipp. (WL)

  1. BayernLB: Gremien waren bei Hypo-Kauf eingebunden
  2. Sieben Gebote gegen den Wahn
  3. Krisenbank HRE beantragt gigantische Bad Bank
  4. Ökonomenstreit um Wege aus der Krise
  5. 70 Prozent wollen Mindestlohn – Arm wie Reich für zehn Euro
  6. BILD: 62 Prozent für Arbeitszwang
  7. Nur jeder Zehnte schafft’s bis 65
  8. Privatisierung der Universitätsklinika Gießen und Marburg – Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
  9. Wasserkonzerne verlieren “Heimspiel”
  10. FDP-Haushaltspläne widersprechen eigenen Sparzielen –Wirtschaftsweiser Wiegard: “Viel versprochen, nichts gehalten”
  11. FDP will 2011 bei Hartz IV kürzen
  12. Streit um Streiks in Europa
  13. Wieder Ärger um das Swift-Abkommen
  14. Nachzählung in Schleswig-Holstein Schwarz-Gelb zittert
  15. Hamburger Schulkampf
  16. Qualität im Sinkflug
  17. USA: Firmen dürfen Wahlkampf unbegrenzt finanzieren
  18. Verblüffte Demokraten in Amerika
  19. Lange Rede ohne Sinn
  20. Obama will den Banken den Risikoappetit verderben
  21. Willkommen im Steuerparadies. Cayman Islands locken frustrierte Banker und Heuschrecken
  22. Der chilenische Berlusconi? Der modernisierte Pinochet?
  23. Tipp: Werkausgabe zum 65. Geburtstag von Matthias Beltz

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. BayernLB: Gremien waren bei Hypo-Kauf eingebunden
    Offenbar ist es im internationalen Finanzgeschäft ganz normal, dass man für Summen in einer Größenordnung von 1,6 Milliarden Euro die Katze im Sack kauft: In ihrer Replik auf einen – der “Wiener Zeitung” vorliegenden – Prüfbericht zum Erwerb der Mehrheit an der Kärntner Hypo Group Alpe Adria im Jahr 2007 verweist die BayernLB diesbezüglich auf Aussagen des mit der Hypo-Prüfung beauftragten Wirtschaftsprüfers. Letzterer habe gemeint, dass “in nahezu allen Fällen Unsicherheiten” bleiben würden, heißt es lapidar.
    Quelle: Wiener Zeitung
  2. Sieben Gebote gegen den Wahn
    Der Staat braucht die Geschäftsbanken, weil sonst die Versorgung von Konsumenten und Produzenten mit Zahlungsmitteln nicht funktionieren würde. Aber die Banken brauchen auch den Staat – nicht zuletzt als jene Institution, die Vertrauen schafft, indem sie den Bürgern garantiert, dass sie das der Bank anvertraute Geld jederzeit zurückerhalten. Nicht de jure, aber de facto; spätestens seit der Großen Depression Anfang der dreißiger Jahre ist das so …
    Der “Sozialkontrakt” von Staat und Banken – das ist ein Geflecht von wechselseitigen Verpflichtungen und Privilegien. Er schafft ein besonderes Verhältnis zwischen beiden Institutionen, in seiner engen Bindung nicht vergleichbar mit der Beziehung des Staats zu irgendeiner anderen Branche.
    In den USA ließ sich, fast zeitgleich, nach Obamas Wahlsieg dessen Stabschef Rahm Emanuel so vernehmen: “Regel Nummer eins: Verschwende nie eine Krise; sie gibt uns Gelegenheit, große Dinge zu tun”.
    Noch warten wir auf die großen Dinge.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Sollte der ehemalige Chefredakteur des Manager-Magazins, Wolfgang Kaden, der bislang einer der härtesten Verfechter des neoliberalen Wirtschaftskurses war, dazu gelernt haben?

  3. Krisenbank HRE beantragt gigantische Bad Bank
    Die angeschlagene Hypo Real Estate versucht die Radikalkur: Die Skandalbank will bis zu 210 Milliarden Euro an Vermögenswerten in eine Bad Bank auslagern. Sicherheitshalber wies das Finanzministerium Zweifel an der Lebensfähigkeit des Instituts zurück.
    Die EU-Kommission hatte sich per Amtsblatt am Mittwoch kritisch zu den Fortführungsplänen für die HRE geäußert und “Zweifel an der Lebensfähigkeit der HRE” auch unter Berücksichtigung des aktualisierten Umstrukturierungsplans angemeldet.
    Quelle: Spiegel Online
  4. Ökonomenstreit um Wege aus der Krise
    Mit einer gleichmäßigeren Einkommensverteilung – insbesondere auch in Deutschland – ließe sich die latente Nachfrageschwäche überwinden, so die IMK-Forscher. Das bedeutet:
    Deutschland braucht eine neue Lohn- und Verteilungspolitik.
    „Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die künftige Stabilität der globalen Wirtschaft.“ Die Ökonomen empfehlen daher, die Position der Gewerkschaften bei Lohnverhandlungen zu stärken. Dazu gehörten ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifabschlüssen. Leiharbeit dürfe nicht mehr reguläre
    Beschäftigung ersetzen.
    Quelle: Böckler Impuls 01/2010 [PDF – 395 KB]
  5. 70 Prozent wollen Mindestlohn – Arm wie Reich für zehn Euro
    Egal, welche soziale Gruppe man betrachtet, ob Arbeitslose, abhängig Beschäftige, Selbstständige, hoch oder niedrig Gebildete: immer ist deutlich mehr als die Hälfte der Befragten für einen gesetzlichen Mindestlohn.
    Insgesamt 70 Prozent sprechen sich für eine allgemeine Lohnuntergrenze aus, 30 Prozent sind dagegen.
    Die Selbstständigen finden vergleichsweise wenig Gefallen an der Lohnuntergrenze. Überraschend allerdings, dass selbst in dieser Gruppe noch eine Mehrheit von 61 Prozent für den Mindestlohn ist.
    Mindestlöhne sind in der Wahrnehmung der Bevölkerung eng mit dem Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit verbunden. Selbst eher skeptische Gruppen wie Besserverdienende und Selbstständige halten den Mindestlohn für eine sozial gerechte Maßnahme.
    Quelle: Böckler Impuls 01/2010 [PDF – 79 KB]
  6. BILD: 62 Prozent für Arbeitszwang
    Deutschlands schnellste Meinung in der Bild-Zeitung ist weder repräsentativ noch in der Methodik sauber. Aber immerhin ist es erschreckend, dass 62 Prozent derjenigen, die sich da eingeklickt haben, der Meinung sind, dass Arbeitszwang richtig ist.
    Quelle: BILD

    Die Gehirnwäsche von Bild funktioniert – jedenfalls bei den Leserinnen und Lesern. Siehe als Beleg für die Bild-Kampagne:

    Für viele lohnt sich Arbeiten kaum noch!
    Quelle: BILD

    Aber nicht nur die Bild-Zeitung beteiligt sich an der Ausgrenzung:

    Bei Verweigerung: Leistungskürzungen: Wie arbeitsunwillige Hartz-IV-Empfänger schon heute sanktioniert werden können
    Hessens Ministerpräsident Roland Koch fordert eine allgemeine Arbeitspflicht für alle Hartz-IV-Empfänger. Wer Leistungen vom Staat kassiere, müsse dafür auch etwas tun. Für Kochs Vorschlag hagelte es Kritik – sogar aus den eigenen Reihen. Doch schon heute werden Hartz-IV-Empfänger zu Arbeitsmaßnahmen verpflichtet.
    Quelle 1: ZDF.Reporter (Einleitungstext)
    Quelle 2: ZDF.Reporter (Video, ca. 9 Minuten)

    Anmerkung unserer Leserin C.W.: Die Protagonisten sind genau so, wie man sie sich beim Thema „Arbeitspflicht für Hartz4 Empfänger“ vorstellt:

    • ein engagierter Mitarbeiter der Bundesagentur
    • zwei Härtefälle, einer davon dick, schlechtes Gebiss, Mitte 30 (?), 15 Jahre lang auf Stütze und glücklich damit, er will laut Interpretation von reporter 2000€ netto, der andere ungefähr gleich alt, Typ Drückeberger und Stubenhocker, der 2 Vorstellungsgespräche (vorsätzlich?) vermasselt hat, eine 4000€ Weiterbildung zum Altenpflegehelfer genossen hat aber nichts draus macht
    • eine alleinerziehende, gepflegte, attraktive Mutter mit zwei süßen Kindern, die nichts geschenkt haben möchte, sondern lieber heute als morgen wieder arbeiten möchte. Bis vor kurzem war sie Qualitätsprüferin in der Textilbranche
    • eine ältere anständige Frau, die jetzt bei der Bürgerarbeit arbeitet und daher nun 200 Euros mehr als Hartz4 Empfänger bekommt

    Alles Weitere ergibt sich aus der Konstellation der Protagonisten:

    • der engagierte Mitarbeiter bietet den zwei Härtefällen eine Stelle an als Baustellenwächter, von denen es gleich mehrere gibt, die schon wochenlang unbesetzt sind. Die Begeisterung der zwei Härtefälle hält sich in den von der Regie erwünschten Grenzen. Die Reaktion von Nr. 2 war so vorhersehbar, dass ich mir vorstelle, dass er nur ein Schauspieler ist, ein Student, der sich ein bisschen Taschengeld dazu verdient („Lebensmittel? Aber nicht in einer Fleischfabrik!!!!!“) . Bei Nr. 1 hatte ich das Gefühl, dass er einen Witz machen wollte, der aber vom Zuschauer missverstanden werden soll. Vielleicht auch ein Laiendarsteller. Ansonsten haben die Produzenten bestimmt lange gebraucht um eine solche Klischeebesetzung zu casten.
    • Die alleinerziehende Mutter spielt ihre Rolle hervorragend. Jeder wünscht ihr von Herzen eine gute Kita und einen guten Job! Vor allem lässt sie sich äußerlich nicht so gehen wie die zwei Männer!
    • Die Härtefälle dürfen ihren zukünftigen Arbeitsplatz besichtigen. Die Begeisterung hält sich drehbuchgemäß in Grenzen. Es wird etwas von einem Praktikum angedeutet, das sie probeweise absolvieren dürfen.
    • Und jetzt: Auftritt der anständigen älteren Frau, die in einer Kurklinik Kofferträger und Einkaufshelfer ist, ein Job, den es sonst nicht gegeben hätte.

    Aber wo bleiben die Antworten auf die entscheidenden Fragen? Die da wären:

    • der Job als Baustellenwärter wird nach Tarif bezahlt. Welcher Tarif? Wie groß ist denn nun der Bruttolohn? Was hat es mit dem Praktikum auf sich?
    • Wie hoch ist der Lohn der Kofferträgerin? Wie genau läuft die Bezahlung, wenn sie nicht der Arbeitgeber bezahlt?
    • Ist es Zynismus, dass der Job der Kofferträgerin die Gemeinschaft auch nicht (viel) mehr kostet als Hartz 4???
    • Welche Kurse außer Altenhilfepfleger für 4000€ hat die BA dem Härtefall 2 bezahlt?
    • Warum dieser merkwürdige Dialog mit „Aber nicht in einer Fleischfabrik!“ „Das ist kein Ablehnungsgrund … Sanktionen….“, der nichts zur Sache tut, außer zu zeigen, wie renitent diese Hartz4 Empfänger doch sind!
    • Was verbirgt sich hinter dem bedrohlichen Wunsch, dass es den Hartz4 Empfängern erschwert werden soll, sich mit Attest von der Arbeit zu befreien? Wie viele Arbeitslose in dem besagten Bezirk haben sich denn mit einem Attest von der Arbeit befreit? Haben die wirklich so viele freie Stellen, dass sie nicht mehr nachkommen mit vermitteln?
    • Warum greift diese eine BA härter durch als die meisten anderen? Und warum schafft sie es trotz harten Durchgreifens nicht die offenbar vielen offenen Stellen dauerhaft zu besetzen?
    • Sind diese Stellen auch für nicht-BA-Kunden ausgeschrieben?
  7. Nur jeder Zehnte schafft’s bis 65
    Die Analyse des IAQ-Forschers Martin Brussig zeigt: Schon die aktuelle Altersgrenze von 65
    ist für viele eine ferne Marke, selbst für gut etablierte Arbeitskräfte. Gerade einmal jeder zehnte neue Rentner ging 2007 direkt aus dem Beruf und mit 65 in den Ruhestand. Nur jeder dritte Neurentner des Jahres 2007 – dabei wurden auch die mitgezählt, die vor 65 gehen – schaffte es, ohne große Unterbrechung bis zum Ruhestand im Job zu bleiben.
    Seit der Einführung der Rentenabschläge gehen die Menschen im Schnitt später in Ruhestand. Der Anteil derer, die aus einer stabilen Beschäftigung in die Rente wechseln, hat sich von 2004 bis 2007 aber nur im Osten erhöht. Im Westen blieb die Quote konstant; hier lag das tatsächliche Rentenalter schon zuvor höher. Brussig folgert: Nur wenn der Arbeitsmarkt zusätzliche Beschäftigungschancen bietet, können die von den Abschlägen ausgehenden Anreize zu einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit wie gewünscht wirken.
    Quelle: Böckler Impuls 01/2010 [PDF – 168 KB]
  8. Privatisierung der Universitätsklinika Gießen und Marburg – Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
    Ein Leserbrief in der Gießener Allgemeinen, der mehr sagt als viele Statistiken und jedenfalls mehr als die offiziellen Schönfärbereien.
    Quelle: Leserbrief [PDF – 176 KB]
  9. Wasserkonzerne verlieren “Heimspiel”
    Veolia (ehemals Générale des Eaux) und Suez (ehemals Lyonnaise des Eaux) sind nicht nur die beiden größten französischen Wasserhändler – sie sind auch wichtige “Global Players”. Jetzt haben sie ihr “Heimspiel” verloren – die Stadt Paris, die sie sich bisher entlang der Seine aufgeteilt hatten, nimmt die “Delegation” der Wasserversorgung zurück. Für 25 Jahre hatte der damalige Bürgermeister Chirac den Vertrag abgeschlossen, für beide Gesellschaften bedeutete das eine Umsatzrendite von 38% schreibt in “»Delegierung« war falscher Weg” Ralf Klingsieck im Neuen Deutschland vom 20. Januar 2010.
    Quelle: Neues Deutschland
  10. FDP-Haushaltspläne widersprechen eigenen Sparzielen –Wirtschaftsweiser Wiegard: “Viel versprochen, nichts gehalten”
    Die Pläne der FDP-geführten Ministerien für den Bundeshaushalt 2010 widersprechen nach Einschätzung von Prof. Wolfgang Wiegard, Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung, weitgehend den von der FDP vor der Bundestagswahl angekündigten Sparzielen. Diese hatten die Liberalen im “Liberalen Sparbuch” festgelegt. Darin sind nach Haushaltstiteln aufgeschlüsselte Sparvorschläge enthalten.
    Quelle: NDR Panorama

    Anmerkung WL: Einmal davon abgesehen, ob man die Sparvorschläge der FDP für sinnvoll hält, Tatsache ist, dass die FDP an ihren Steuersenkungsvorschlägen festhält, als handle es sich dabei um die 10 Gebote. Beim Sparen drückt sie sich – jedenfalls bis zum Mai.

  11. FDP will 2011 bei Hartz IV kürzen
    Der Bundesagentur für Arbeit droht ein harter Sparkurs: Die FDP will 2011 auch Hartz IV an den Kragen.
    Das Ministerium mit dem größten Einzeletat müsse 2011 zum Sparvorhaben der Regierung einen “erheblichen Beitrag erbringen”, sagte Claudia Winterstein, Fraktionsgeschäftsführerin, am Donnerstag in der Bundestagsdebatte zum Haushaltsentwurf. Als Ansatzpunkt nannte sie die Vielzahl der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der BA, die deutlich reduziert werden könnten.
    Im Koalitionsvertrag ist bereits vereinbart, dass die Instrumente überprüft werden sollen. Von einem ausdrücklichen Sparen ist dort allerdings nicht die Rede. Die vorherige Große Koalition hatte die rund 80 Instrumente bereits zusammengefasst, ohne dass es zu Einsparungen kam. Das wollen vor allem die Liberalen ändern.
    Der Etat des Arbeitsministeriums beträgt insgesamt 147 Mrd. Euro. Darin ist aber auch der Rentenzuschuss von 80 Mrd. Euro enthalten und der diesjährige Zuschuss von 16 Mrd. Euro für die BA, um deren Defizit zu decken. Für die steuerfinanzierte – und damit grundsätzlich kürzbare – Leistung Hartz IV sind dieses Jahr im Kern 24,3 Mrd. Euro für das Arbeitslosengeld II eingeplant und 6,6 Mrd. Euro für Hilfsmaßnahmen. Daran soll mitten in der Krise auch nicht gerüttelt werden. Für 2011 forderte Winterstein aber eine “klare Trendwende”.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Vielleicht sollten die 6 Millionen Hartz-IV-Bezieher je einen Euro an die FDP spenden, dann würden vermutlich solche Pläne sofort zurückgezogen.

  12. Streit um Streiks in Europa
    Seit 2007 hat der Europäische Gerichtshof mit einigen Urteilen kollektive Arbeitnehmerrechte beschränkt – und damit seine Kompetenzen überschritten. Professorin Eva Kocher plädiert dafür, die Rechte der Beschäftigten wieder zu stärken.

    Strittige EuGH-Urteile

    In jüngster Zeit hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Entscheidungen zu grenzüberschreitenden Arbeitskämpfen heftigen politischen Protest hervorgerufen.
    Zum Beispiel im Fall „Viking“: Geklagt hatte die finnische Reederei Viking gegen die finnische Seearbeitergewerkschaft FSU und die Internationale Transportarbeiter-Föderation ITF. Gegenstand waren Streiks der FSU gegen die Ausflaggung einer Fähre nach Estland. Außerdem hatte die ITF im Rahmen ihrer Billigflaggenpolitik ihren anderen Mitgliedsgewerkschaften untersagt, mit der Reederei zu verhandeln – auch den estnischen Seearbeitergewerkschaften.
    In seinem Urteil verlangte der EuGH von den zuständigen Gerichten, diese Mittel des Arbeitskampfes einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen.
    Einige Experten setzen nun auf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das EuGH-Urteile auf ihre Übereinstimmung mit den Grundrechten überprüfen könnte.

    Der Fall „Mangold“: Die Karlsruher Richter haben in Kürze über eine solche Verfassungsbeschwerde zu entscheiden – allerdings in ganz anderer Sache. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einem Urteil zur Befristung von Arbeitsverträgen auf eine Entscheidung des EuGH bezogen. Dieser hatte die Befristung eines Arbeitsvertrags allein aufgrund des Alters des Arbeitnehmers als nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung eingestuft. Dagegen erhob der Arbeitgeber Honeywell Beschwerde vor dem BVerfG.

    Quelle: Böckler Impuls 01/2010 [PDF – 69 KB]

  13. Wieder Ärger um das Swift-Abkommen
     Im Europäischen Parlament wachsen die Vorbehalte gegen den Transfer sensibler Personen- und Bankdaten mit den USA. Noch immer sind Texte des Abkommens den Abgeordneten nicht bekannt. Der CSU-Abgeordnete Manfred Weber sagte: “Wir wollen die Zusammenarbeit mit den USA. Europäische Abkommen sind uns lieber als unter Druck geschlossene bilaterale Verträge. Ich bitte Rat und Kommission, nicht auf Zeit zu spielen, sondern schnell den Text zu schicken.” Die Innenminister müssten aber nachweisen, dass derartige Daten für den Antiterrorkampf hilfreich seien. Der sozialistische Fraktionschef Martin Schulz sagte, das Abkommen bedeute einen weitreichenden Eingriff in die bürgerlichen Grundfreiheiten. Der Rat müsse erklären, worin sein Mehrwert bestehe. Der Zeitdruck sei sachlich nicht gerechtfertigt, da zum 1. Februar ein Rechtshilfeabkommen mit den USA in Kraft trete, nach dem Bankdaten in berechtigten Verdachtsfällen übermittelt werden könnten. Der liberale Fraktionsvorsitzende Guy Verhofstadt erklärte, es sei nur dann denkbar, dass das EU-Parlament in einer Sondersitzung noch vor dem 1. Februar dem bis Ende Oktober geltenden Übergangsabkommen zustimme, wenn das EU-Parlament von Anfang an den Verhandlungen zu einem Swift-Folgeabkommen beteiligt werde.
    Quelle: taz
  14. Nachzählung in Schleswig-Holstein Schwarz-Gelb zittert
    Falls der Linkspartei als Folge der Neuzählung tatsächlich ein weiteres Mandat zugesprochen wird, müsste die FDP möglicherweise einen Parlamentssitz abgeben. Damit würde die schwarz-gelbe Koalition von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) nur noch eine Mehrheit von einer Stimme im Parlament haben.
    Schon die aktuelle Sitzverteilung im Kieler Landtag ist umstritten. Grüne und Südschleswigscher Wählerverband (SSW) haben Klage beim Landesverfassungsgericht eingereicht, weil sich das Zweistimmenergebnis nicht in der Sitzverteilung widerspiegele.
    Quelle: SZ
  15. Hamburger Schulkampf
    Schwarz-Grün will Hamburgs Schulsystem reformieren und im Grunde einlösen, was Fachleute seit Ewigkeiten predigen: kleinere Klassen und längeres gemeinsames Lernen. Mehr tun für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern, mehr tun für Migrantenkinder, mehr tun, um die steigende Zahl der Schulabgänger ohne jeden Abschluss zu senken. Mehr tun, um das Anwachsen einer beruflich chancenlosen Unterschicht zu stoppen. In einer Primarschule sollen fortan alle Hamburger Kinder sechs Jahre gemeinsam unterrichtet werden. Das Sortieren nach Klasse vier hört auf. Wie es nach Klasse sechs weitergeht, entscheiden die Lehrer, nicht die Eltern. Entweder geht es aufs Gymnasium mit Abitur nach zwölf Schuljahren. Oder in die Stadtteilschule, wo alle Abschlüsse und ein Abi nach 13 Jahren gemacht werden können. So weit, so vernünftig.
     Die Bürgerinitiative “Wir wollen lernen”, angeführt zumeist von redegewandten Rechtsanwälten und bürgerlichen Hanseaten, setzt Ole von Beust und seine grüne Schulsenatorin Christa Goetsch mächtig unter Druck. Sie halten die Reform für einen Ausdruck sozialistischer Gleichmacherei, sprechen vom “Zwangsmodell” Primarschule und haben in einem Volksbegehren 184000 Unterschriften gesammelt. Das ist mehr als genug für den von ihnen angestrebten Volksentscheid. Käme es dazu, das Ergebnis wäre bindend für den Senat. Für Schwarz-Grün wäre das eine politische Katastrophe. Es wäre das Scheitern an dem zentralen Punkt der gemeinsamen Regierung. Vor allem die Grünen kämen in größte Not, ihrer Basis und ihren Wählern zu begründen, warum sie überhaupt noch weiterregieren sollten. Ole von Beust weiß das. Er steht klar hinter dem Projekt und hat den Unternehmer und Mäzen Michael Otto gebeten, zwischen Eltern und Senat zu vermitteln und die unbewegliche Schraube zu lösen. Am heutigen Freitag startet Ottos zweiter Versuch: Die Bürgerinitiative gibt sich aber unerbittlich. Der Senat, der Kompromisse bei der Elternbeteiligung anbot und bereit ist, die Reform zeitlich zu strecken, verliert langsam die Lust und will es womöglich auf einen Bürgerentscheid ankommen lassen.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: 184000 Unterschriften liest sich beeindruckend, aber dazu wäre doch Einiges anzumerken. Die Zahlen stammen von der Anti-Reform-Initiative, das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat nur bis zum erforderlichen Quorum von 61.834 gültigen Unterschriften gezählt. Falls es im Sommer zum Volksentscheid kommen sollte, muss die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, mindestens aber ein Fünftel der Wahlberechtigten mit “Ja” stimmen, das sind rund 249 000 Hamburger. Diese Zahl in den Sommerferien und unter ganz anderen Bedingungen zu erreichen, dürfte sich etwas schwieriger gestalten. Die anscheinend  finanziell gut ausgestattete Anti-Reformbewegung  brachte rund 2000 Leute auf, die vor allem in Einkaufszentren und Läden für die Aktionen warben, was schon an sich einige Frage aufwirft. Im Allgemeinen bilden Läden keinen öffentlich-demokratischen Raum, in dem Unterschriftsammlungen veranstaltet werden können. Bei ähnlichen Aktionen sind die Sammler im hohen Bogen rausflogen. Den unter den Unterschriftensammler beschäftigten Studenten wurde ein Euro pro Unterschrift versprochen. Da liegt der Fraktionschef der Hamburger Grünen nicht falsch, wenn von “Drückerkolonnen-Manier” sprach. In den Kundenzentren der Bezirksverwaltung wurden dagegen nur 1.467 Unterschriften geleistet und 911 Unterschriften per Brief eingereicht.
    Die Kampagne wurde von der Firma “Frank Solms Nebelung Consulting” gesteuert, ihres Zeichens „Gesellschaft für Krisen- und Veränderungskommunikation“. Mir ist nicht bekannt, inwiefern diese Firma für die Argumentation der Sammler verantwortlich war, aber insgesamt war die Kampagne von einer Mischung aus Panikmache und völlig haltlosen Behauptungen geprägt. Aussagen wie die Klassen oder die Klassenlehrer würden abgeschafft, sehr viele Kinder mehr  müssten regelmäßig pendeln, das entfallene Elternwahlrecht verhindere Abiturabschlüsse von Kindern, sind nachweislich falsch. – Auch wenn es zum Teil gegen die eigenen Klientel geht, sollte Ole von Beust, wenn er es mit der Reform ernst meint, etwas weniger soft auftreten, die weißen Samthandschuhe ausziehen und Tacheles reden. Auch die SPD sollte nicht mehr auf Verhandlungen bestehen, sondern die Reform vorbehaltlos öffentlich unterstützen, ebenso die Linke. Olaf Scholz sollte sich nicht zu schade sein etwas Klassenkampfrhetorik einzubringen. Die in Hamburg beschlossene Schulreform mag ein halbherziger Kompromiss sein, ist aber ein Schritt in eine pädagogisch sinnvolle Richtung. Nicht nur im  Bericht des UN-Sonderberichterstatters für das Menschenrecht, sondern in etliche Studien ist darauf hingewiesen worden, dass das deutsche Schulsystem wegen seiner Mehrgliedrigkeit sozial selektiv wirkt.

  16. Qualität im Sinkflug
    Journalismus ist nicht länger ein Handwerk, das ein ausreichendes Einkommen garantiert. In großem Ausmaß werden Stellen gestrichen, werden die Honorare für freie Journalisten gekürzt. Weniger Personal bedeutet aber meist auch: weniger Qualität. Denn Journalismus ist arbeitsintensiv.
    Quelle: DLF
  17. USA: Firmen dürfen Wahlkampf unbegrenzt finanzieren
    Unternehmen und auch Gewerkschaften können Kandidaten für den US-Kongress oder die Präsidentschaft künftig unbegrenzt unterstützen. Das hat das Oberste Gericht am Donnerstag entschieden.
    Quelle: DiePresse.com

    Anmerkung WL: Das ist die konsequente Umsetzung der Public Choice Theorie, d.h. der Theorie des politischen Marktes. Politik bestimmt sich nach dem Geld, das jemand für eine bestimmte Politik zu zahlen bereit ist. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Das konnte man auch schon bei den Wahlen in Massachusetts beobachten, wo die Gegner der Gesundheitsreform dem Republikaner Brown Millionen für seinen Wahlkampf gespendet haben. Nach seinem Sieg stiegen prompt die Pharmaaktien.

  18. Verblüffte Demokraten in Amerika
    Der amerikanische Präsident Obama und seine Partei suchen nach einem Weg, wie sie trotz der Wahlschlappe in Massachusetts ihre Gesundheitsreform verwirklichen können. Noch herrscht Verblüffung über das unerwartete Verdikt der Wähler. Nun überlegen sich Obamas Strategen, ob es möglich wäre, die derzeit allumfassende Gesundheitsreform auf Kernelemente zu reduzieren, die Rückhalt aus der republikanischen Partei erhalten könnten, so unwahrscheinlich dies zurzeit auch wirkt. Demnach würde sich eine neue Vorlage darauf beschränken, Missbräuche der Krankenkassen zu unterbinden, zu gewährleisten, dass jemand, der bereits krank ist, trotzdem eine erschwingliche Police erhält, sowie darauf, die Kosten des gesamten Systems für die öffentliche Hand und für die Versicherten zu senken. Letzte Hoffnungen von Demokraten, einen der beiden vorliegenden Gesetzesentwürfe retten zu können, zerschlugen sich am Donnerstag. Die demokratische Chefin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, stellte fest, es fehlten die Stimmen, um die Senatsvorlage in der grossen Kammer zu verabschieden. Dies hätte es ermöglicht, den vom Senat an Weihnachten gebilligten Entwurf dem Präsidenten zur Unterschrift vorzulegen und eine weitere Abstimmung in der kleinen Kammer zu umgehen. Denn diese würden die Demokraten wegen der Wahl Browns nun verlieren.
    Quelle: NZZ
  19. Lange Rede ohne Sinn
    Präsident Obama hat im US-Senat eine satte Mehrheit, seine Reformen können trotzdem scheitern – an störenden Dauerreden der Opposition. Demokratisch ist das nicht.
    Quelle: SZ
  20. Obama will den Banken den Risikoappetit verderben
    US-Präsident Barack Obama will den Banken Zügel anlegen, um eine Wiederholung der Finanzkrise zu verhindern. In einer Rede kündigte er an, die Grösse der Banken ebenso zu begrenzen wie das Ausmass ihrer risikoreichen Geschäfte.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Während in Deutschland immer wieder mit dem Hinweis auf eine internationale Abstimmung Maßnahmen verschoben werden, möchte der US-Präsident Fakten schaffen. Natürlich werden die Banken jetzt wieder höheren Kosten für die Kunden und geringerer Liquidität an den Märkten argumentieren. Auch stellt sich die Frage wie vor allem der Senat auf die Vorschläge reagiert. Allerdings wissen auch die Republikaner, dass die Wut der Bevölkerung auf die Banker groß ist, da haben es auch Lobbyisten schwer. Die Reaktion der Börse zeigt, dass Obamas Vorhaben ernst genommen wird. Auch die europäischen Börsen gingen bis heute mittag in das Minus, Barack Obama und seine Regulierungspläne werden für die Verluste verantwortlich gemacht. Leider hat er seine Rede nicht vor den Wahlen in  Massachusetts gehalten. Ein riesiger taktischer Fehler! Hier seine Rede.

  21. Willkommen im Steuerparadies. Cayman Islands locken frustrierte Banker und Heuschrecken
    Die Inselgruppe in der Karibik will ihren maroden Staatshaushalt unter anderem mit lascheren Einwanderungsregeln sanieren – neue Anreize sollen Reiche und Geldjongleure aller Art ins Land locken und den Weggang der Finanzindustrie stoppen. Denn Hedge-Fonds und Banken begründen ihre Abwanderung offiziell mit Einsparungen, die der Krise geschuldet seien. Hinter vorgehaltener Hand beklagen sich die Manager allerdings über die rigide Einwanderungsbehörde der Inselgruppe. Um seinen Ruf als Steuerparadies muss der Inselstaat vorerst jedenfalls nicht bangen: Der britische Außenamtsminister Chris Bryant, der noch vor wenigen Monaten neue Steuern gefordert hatte, schwärmte kürzlich in seinem Blog von der Faszination der Cayman Islands. Und er versprach, dass sich die britische Regierung künftig nur noch einmischen werde, wenn es absolut notwendig sei.
    Quelle: FTD
  22. Der chilenische Berlusconi? Der modernisierte Pinochet?
    Nun haben sie gewählt: Rechts. P – nicht wie Pinochet, sondern wie Pinera. Dessen erste “Amtshandlung”: Haßtiraden gegen Venezuela. Wie kam es dazu und welche Perspektiven enstehen – damit befasst sich unsere aktuelle Materialsammlung “Pineras Wahlsieg” vom 22. Januar 2010.
    Quelle: LabourNet.de
  23. Tipp: Werkausgabe zum 65. Geburtstag von Matthias Beltz
    Aus Anlass des 65. Geburtstages von Matthias Beltz ist im Verlag Zweitausendeins eine Werkausgabe mit dem Titel: „Gut und Böse. Gesammelte Untertreibungen“ erschienen.
    Matthias Beltz, der 2002 überraschend starb, war einer der geistreichsten, aber auch scharfzüngigsten und respektlosesten Kabarettisten.
    Textprobe gefällig? „Es gibt ja Leute, die sagen, unsere Politiker, das sind alles Verbrecher. Das ist natürlich Unsinn. Das wirklich organisierte Verbrechen, das arbeitet auf höherem Niveau. Da werden Menschen auch mal zur Verantwortung gezogen.“
    Aussagen wie diese erinnern an Brecht (Was ist der Einbruch in eine Bank gegen den Besitz einer Bank) – Aufklärung durch dialektisches Denken.
    Volker Kühn, der gelegentlich als „graue Eminenz der deutschen Kabarettszene“ bezeichnet wird, fungiert als Herausgeber der Werkausgabe. Für die vorliegende, 975 Seiten umfassende Ausgabe, hat Kühn Auszüge aus Veröffentlichungen und Programmen von Beltz zusammengestellt; aber auch unveröffentlichte Notizen oder irgendwo abgelegte Verse oder Gedankensplitter. Auf diese Weise entstand , wie es im Vorwort von Volker Kühn heißt, eine bunte Mischung aus halsbrecherisch anmutenden Sprech- und Sprachübungen, grundsätzlichen Einmischungen, Anklagen, Ein-, Wider- und Freisprüchen, Polemiken, Kalauern, dadaähnlichen Nonsens-Gedichten sowie reflektierenden Fußnoten zum Lauf der Weltgeschichte.
    In einem lesenswerten Nachwort gibt Heinrich Pachl, der langjährige Mitstreiter von Matthias Beltz, Einblicke in dessen Arbeitsweise. Er bezeichnet Beltz als einen „Deutungssatiriker“ und den „Gesellschaftsphilosophen unter den Kabarettisten.“ Das mag hochtrabend klingen, trifft aber den Kern.
    Matthias Beltz wäre am 31. Januar 2010 65 Jahre alt geworden. Die ihm gewidmete Werkausgabe enthält jede Menge anregender Texte auch für die politische Auseinandersetzung dieser Tage. Die Werkausgabe besteht aus zwei Bänden mit ausführlichen biographischen Angaben, einer Übersicht der Werke und Texte von Beltz sowie einem umfassenden Personenregister. Von Joke Frerichs.
    Quelle: Zweitausendeins

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