Konsequent asozial

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Vier von fünf Bundesbürgern halten das „Sparpaket“ für sozial unausgewogen und sie haben Recht. Die Ärmsten der Armen und die Arbeitnehmer werden die Hauptlast der Krise bezahlen. Von einem „fairen Ausgleich“ zwischen Sozialkürzungen und Belastungen „der Wirtschaft“, über den Kanzlerin Merkel gesprochen hat, kann keine Rede sein. Die Gewinner der Finanzspekulationen bleiben ungeschoren, die Verluste tragen die Arbeitslosen und die sozial Schwachen. Wolfgang Lieb

Mit dem gestern vom Kabinett beschlossenen „Sparpaket“ hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die Befürchtungen noch übertroffen, die man nach der Kabinett-Klausur Anfang Juni hegen musste.

  • Die Zuschläge beim Übergang vom Arbeitslosengeld I in Hartz IV für Arbeitslose werden gestrichen. Bisher erhielten über 155.000 Haushalte durchschnittlich einen Zuschlag von 110 Euro über 2 Jahre, wenn sie zuvor über lange Zeit erwerbstätig waren.
  • Die monatliche Pauschale von dürftigen 40,80 Euro, die die Bundesagentur für Arbeitslose an die Rentenversicherung bezahlte wird gestrichen. Dadurch erhöhte sich bisher die Rente der Betroffenen zwar nur um den „stolzen“ Betrag von 2,09 Euro, aber damit fehlt der gesetzlichen Rentenkasse insgesamt jährlich ein Betrag von 1,8 Milliarden, die entweder durch Rentenkürzungen oder durch Erhöhung der Beiträge ausgeglichen werden könnten. Für die Grundsicherung, der dadurch in Armut fallenden Rentner dürfen die Kommunen gerade stehen.
  • Der Heizungskostenzuschuss beim Wohngeld für Geringverdiener entfällt.
  • Das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger von 300 Euro im Monat wird gestrichen. Schon bei seiner Einführung ging das Elterngeld zu Lasten der Hartz-IV-Empfänger. Sie bekamen vorher über zwei Jahre hinweg insgesamt 7.200 Euro und danach monatlich 300 Euro für nur noch ein Jahr.
  • Die Arbeitslosenversicherung soll künftig ohne Zuschüsse vom Bund auskommen. Das zwingt die Bundesagentur für Arbeit zu weiteren drastischen Einschränkungen.
  • Bis 2014 sollen bei Hartz-IV-Zahlungen zusätzlich 3 Milliarden „eingespart“ werden.

Über ein Drittel der 11 Milliarden pro Jahr oder knapp 30 Milliarden der insgesamt geplanten über 80 Milliarden werden von denjenigen „ausgepresst“, wo eigentlich ohnehin nichts mehr zu holen ist.

Während der Griff in die leeren Taschen feststeht, bleibt es beim „fairen“ Ausgleich durch Belastungen der „Wirtschaft“ bestenfalls bei vagen Ankündigungen.

  • Die „Luftverkehrssteuer“ zwischen 8 und 45 Euro zum Flugpreis, tragen ohnehin wiederum die Passagiere und zwar alle gleich, ob sie eine Pauschalreise buchen, Economy-Class oder Business- bzw. First-Class fliegen. Frachtflüge werden gar nicht erst besteuert.
  • Die „Brennelementesteuer“ sollte in den nächsten 4 Jahren (also zeitlich begrenzt) in Höhe von 2,3 Milliarden Euro pro Jahr erbringen, ist mangels Energiekonzept verschoben. Ob sie überhaupt kommen wird (da vermutlich der Bundesrat zustimmen müsste) oder welchen „Preis“ die Energiemonopolisten mit der Bundesregierung für die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken „aushandeln“, ist völlig offen.
  • Die „Finanztransaktionssteuer“, die ab 2010 bis 2014 mit jeweils 2 Milliarden Euro (insgesamt also 6 Milliarden Euro) eingeplant ist, ist selbst nach Aussagen Schäubles „wirklich noch nicht in trockenen Tüchern“.
  • Die Kappung der Ausnahmen von der Ökosteuer für stromintensive Betriebe – eigentlich müsste man genauer von einer Kappung der bisherigen Steuersubventionen in einem Volumen von 8 bis 9 Milliarden sprechen -, die zwischen 1,1 bis 1,5 Milliarden erbringen soll, ist schon jetzt verwässert, und der Finanzminister hat noch weitere Kompromissbereitschaft angekündigt: Man könne „sachlich begründete Einwände nicht wegschieben“. (Sachlich begründete Einwände gelten natürlich bei den Sozialkürzungen nicht.)
  • Die Bundeswehr ist die kommenden zwei Jahre von Kürzungen ohnehin ausgenommen. Ob die angekündigten 1 bis 3 Milliarden ab 2013 Einsparungen jemals erzielt werden, steht in den Sternen. Alle bisherigen „Reformvorschläge“ zu Guttenbergs erbringen die angekündigten Summen nicht.

Während also bei Arbeitslosen, Niedrigverdienern und Flugpassagieren sofort zugepackt wird,
bleibt es – wie vorhersehbar – überall sonst bei Luftbuchungen.

Die Steuergeschenke für Hoteliers, die Steuerbefreiung für die Veräußerung von Betrieben oder Betriebsanteilen, die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge (von 42 auf 25 % gesenkt) oder die Spitzensteuersätze bleiben unangetastet. An eine Wiedereinführung einer Vermögensteuer oder einer Anhebung der Erbschaftssteuer wenigstens auf mittleres internationales Niveau wird gar nicht erst gedacht.

Die Krisenverursacher und Krisengewinnler werden erst gar nicht herangezogen.
Über 80 Milliarden soll das „Sparpaket“ bringen, schon bis Ende 2009 sind die staatlichen Kosten für die Stützung der Finanzinstitute laut Bundesbank auf 98 Milliarden aufgelaufen. Den Löwenanteil dieser Schulden bezahlen die sozial Benachteiligten. Das nenne ich konsequent asozial.

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