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Agenda 2010

Noch eine Informationskampagne zur Agenda – Sie wird auch nicht darüber hinwegtäuschen können, um was es in Wahrheit geht

„Warum? Machen wir die Agenda 2010“ konnten wir in den letzten Wochen in einer Anzeigenserie der Bundesregierung nachlesen. Die Umfragen und die zunehmenden Proteste beweisen, dass diese Informationskampagne offenbar nicht viel gebracht hat. Jetzt soll eine neue Kampagne her. Das Geld dafür kann man sich sparen. Die Agenda hat kein Vermittlungsproblem, die Leute wissen ziemlich genau, worum es in Wahrheit geht. Die Globalisierungsthese oder die demographische Entwicklung taugen als Begründungen nicht, in Wahrheit geht es um den Einstieg in einen Systemwechsel von der „sozialen Marktwirtschaft“ zur anglo-amerikanischen Form des marktradikalen Kapitalismus; diese Abkehr vom Grundkonsens des sozialen Ausgleichs wollen die Menschen nicht und deshalb hilft die beste Vermittlung der Agenda nichts.

„Respekt im Zeitalter der Ungleichheit“. Eine soziologische Betrachtung von Richard Sennet über die häufig außer Acht gelassenen sozialpsychologischen Wirkungen des „Umbaus des Sozialstaates“

Die Kritik an den langen Fragebögen für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe wird von Vielen nicht verstanden. Schließlich müssten doch auch Sozialhilfeempfänger gegenüber den Sozialämtern Auskunft über ihr Vermögen geben, wird von den Befürwortern der Umstellung von der Arbeitslosenhilfe zum Alg 2 entgegen gehalten.

Wie viel Heuchelei verträgt unsere Demokratie? Hartz IV und die wirklich gefährlichen Kritiker

Die Schlagzeilen dieses Wochenendes lauten: Bundespräsident Köhler mahnt über Bild am Sonntag zu behutsamem Umgang bei der Anwendung der Arbeitsmarktreformen. Die CSU warnt, dass Kinder nicht die Opfer sein dürften, Grünen-Chef Bütikofer räumt im Deutschlandfunk Widersprüche bei Hartz IV ein, FDP-Fraktionschef Gerhard sieht laut Handelsblatt in der raschen Umsetzung der „Reform“ gar eine Gefährdung der Demokratie. Bis vor kurzem gingen ihnen diese „Reformen“ viel zu langsam und vor allem nicht weit genug. Jetzt, wo der Widerstand der Bevölkerung sich immer heftiger artikuliert, schlagen sie sich in die Büsche.

Nachtrag OECD – das Statement auf der Pressekonferenz vom 5.8.

Das Statement lag noch nicht vor, als ich die erste Tagebuchnotiz schrieb. Ich reiche den Text nach, weil daran gut sichtbar ist, wie unbegründet die Forderung nach Strukturreformen erhoben wird und wie platt die Modernisierer argumentieren: Kaskaden der gängigen Behauptungen, mit denen wir seit über 20 Jahren traktiert werden. Siehe Eintrag zum Lambsdorff-Papier. Ich habe begonnen, in ((doppelten Klammern und kursiv)) Fragen anzumerken. Aber ich habe es nicht bis zum Ende ertragen. Vielleicht schaffen es unsere Leser.

Graf Lambsdorff als Stichwortgeber – Das meiste, was heute als modern gilt, ist uralt.

Seit über zwanzig Jahren immer nur dieselben Rezepte und nichts hat sich verbessert. Am 9. September 1982 hat der damalige Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff sein „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ – den „Scheidebrief“ für die damalige sozialliberale Koalition – veröffentlicht. Seit dieser Zeit wird Politik – manchmal mehr, manchmal weniger – nach dieser Rezeptur gemacht. Und dennoch haben sich die Staatsschuld und die Zahl der Arbeitslosen vervielfacht.

„Auf dem Weg in die Unfreiheit“ Toll!

Die öffentliche Debatte in Deutschland wird immer verrückter – und verlogener. So verschickte die Friedrich-Naumann-Stiftung, die politische Stiftung der FDP am 14. Juli eine Presseinformation unter dem Titel „Auf dem Weg in die Unfreiheit – Deutschland fällt immer weiter zurück – Economic Freedom Report 2004 erschienen.“ Da wird behauptet, es ginge uns schlechter, weil wir wirtschaftlich kein richtig freies Land seien. Diese Behauptung ist sachlich abstrus. Fast schon komisch ist, dass die Behauptung von der Stiftung einer Partei kommt, die von Beginn der Bundesrepublik bis 1998 mitregiert hat und von 1974 bis 1998 den Bundeswirtschaftsminister stellte. Absender ist eine mit Steuergeldern finanzierten Stiftung.

Arbeitszeitverlängerung – Eine Gespensterdebatte über eine Gespensterdebatte

Kaum waren die betriebsbezogenen Vereinbarungen zwischen Siemens und der IG-Metall über die Verlängerung der Arbeitszeiten in den Betrieben Kamp-Lintfort und Bocholt unter Dach und Fach kam es in der öffentlichen Debatte zum üblich gewordenen Ritual: Wer bietet mehr? Flächendeckend 40, 42, 45 oder gar 50 Stunden, die Streichung einer Woche Urlaub oder von Feiertagen ohne Lohnausgleich werden nicht nur von den üblichen Verdächtigen BDI, BDA, Ifo, DIW usw. in die Debatte gebracht. Nein, inzwischen haben wir auch noch unseren neuen Bundespräsidenten, der als oberster Stichwortgeber die Arbeitszeitverlängerung als ernsthaften Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit „der“ Wirtschaft erklärt und damit eine Gespensterdebatte über eine Gespensterdebatte anheizt.

Rot-Grün im Bunker

Bundesregierung und Koalitionsspitze trafen sich in den vergangenen Tagen in Neu-Hardenberg zu einer Klausur. Dabei wurde deutlich, dass Bundesregierung und Koalition bei dem, was sie Reformen nennen, „durchzumarschieren“ gedenken: keine Revision vom Hartz IV, keine Entspannung des Verhältnisses zu den Gewerkschaften, keine Zugeständnisse an die ostdeutschen Länder, wenn die ostdeutschen Ministerpräsidenten sich heute Abend mit dem Bundeskanzler treffen. Dabei gäbe es gute Gründe, speziell diese Reform zu überdenken, und viel gute Gründe, mit den Gewerkschaften anders umzugehen. Anders als öffentlich der Eindruck entstanden ist, haben sie bisher viele Affronts von Seiten der rot-grünen Koalition weggesteckt. Vermutlich war das die falsche Strategie.

Weniger Arbeit bei vollem Lohnausgleich – Techniker Kasse kritisiert Ärztevergütung

Da wird gegenwärtig heftig über die Erhöhung der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer auf 41 oder gar 42 Stunden pro Woche diskutiert – ohne Lohnausgleich selbstredend. Bei den Ärzten läuft das offenbar umgekehrt. Weniger Arbeit bei vollem Honorarausgleich. Das sagt jedenfalls Norbert Klusen, der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse laut Süddeutscher Zeitung vom 29. März 2004.

Betriebsverlagerungen ins Ausland und mehr Direktinvestitionen in Deutschland. Wie passt das zusammen?

Der Rat des Präsidenten des DIHK, Ludwig Georg Braun, an die mittelständischen Betriebe „nicht auf eine bessere Politik zu warten“, sondern „die Chancen zu nutzen, die zum Beispiel in der EU-Osterweiterung liegen“, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie der Wirtschaftsstandort Deutschland schlecht geredet wird und damit die Regierung und die Gesellschaft politisch erpresst werden sollen. Die Bilanz der Direktinvestitionen in Deutschland sagt etwas anderes.

Gezielte Manipulation bei den Zahlen zur Abwanderung von Arbeitsplätzen und zum angeblichen Niedergang des Weltmarktanteils der deutschen Volkswirtschaft

Beim Versuch, die Qualitäten unseres Landes und seiner bisherigen Strukturen „herunter zu machen“, wird in den letzten Monaten immer wieder das Phänomen der Abwanderung von Arbeitsplätzen und der angebliche Niedergang des Weltmarktanteils Deutschlands beschworen. Hier ist offenbar eine richtige Kampagne zu Gange. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch beteiligen sich aktiv an dieser Kampagne. Edmund Stoiber mit der Behauptung, monatlich würden 50.000 Arbeitsplätze verlagert. Roland Koch mit der Behauptung, der Weltmarktanteil der USA sei auf 19 Prozent gestiegen und sie hätten uns damit weit überholt.

„Reformchaos“ – die neue Ablenkungsstrategie von einer verfehlten Politik

„Reformchaos“ oder „Chaos in der Regierung“ so oder so ähnlich lauten die Stichworte, die jetzt in Zeitungskommentaren und die Polit-Talkshows geliefert werden, um von den Fehlentwicklungen der angeblich so zwingend notwendigen „Reformen“ abzulenken und gleichzeitig eine Erhöhung der „Reform“- Dosis anzumahnen. Achten Sie mal drauf.