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Demokratie

Merkels „Staatsminister“ als Cheflobbyist von Daimler

Die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaftslobbyismus dreht sich immer schneller. Vorzeitiger wurde ein Übergang vom Regierungsamt zum hochbezahlten Vertreter von wirtschaftlichen Einzelinteressen wohl noch nie verabredet und schon gar nicht öffentlich bekannt. Schon vor seinem Ausscheiden aus dem Amt schließt Kanzleramts-Staatsminister Eckart von Klaeden einen Vertrag mit der Daimler AG und lässt sich als „Leiter Politik und Außenbeziehungen“ des Autobauers, also als Cheflobbyist einkaufen. Das ist ein Skandal, der zeigt, wie weit sich der Klientilismus auch in Deutschland schon in unsere Demokratie hineingefressen hat. Ein gesetzliches Gebot einer dreijährigen Karenzzeit für Regierungsmitglieder vor einem Wechsel in eine Lobbytätigkeit wird immer dringender. Vor allem wäre aber auch ein Austausch der politischen Eliten durch einen Regierungswechsel nötig, um die sich ausbreitende politische Korruption einzudämmen. Von Wolfgang Lieb.

Die Austeritätspolitik gefährdet den europäischen Zusammenhalt und die Demokratie

Was von vielen kritischen Beobachtern seit langem vermutet wurde, lässt sich jetzt belegen: Die Eurokrise hat das Vertrauen vieler Menschen in die Europäische Union zerstört. Der britische „Guardian“ veröffentlichte in der letzten Woche Daten der EU-Meinungsumfrage „Eurobarometer“, die von der unabhängigen Stiftung European Council on Foreign Relations (ECFR) ausgewertet wurden. Das Ergebnis: Ein massiver Vertrauensverlust in die EU in Ländern wie Spanien, Deutschland und Italien, die traditionell eigentlich pro-europäisch eingestellt sind. Ein Gastartikel von Günther Grunert.

Wichtige „Leitplanken“ für linke Politik im Euro-Memo 2013

Ausgewählte Hinweise aus europäischer Sichtweise von „links“.
Die Arbeitsgruppe europäischer Wirtschaftswissenschaftler/innen für eine andere Wirtschaftspolitik hat im Herbst 2012 in Posen (Polen) das „EuroMemorandum 2013“ erarbeitet [PDF – 526 KB].
Die aktuellen Aussagen und Positionen der übernationalen Euro-Memorandum-Gruppe bieten auch dem deutschen Leser wichtige „Leitplanken“ für eine neue gesamteuropäische Politikänderung aus „linker“ Sicht. Sie kann damit die deutsche Debatte über die Euro-Finanzkrise (und ihre staatshaushaltsseitigen Aspekte) bereichern bzw. hierfür wichtige Hinweise eröffnen. Daher sollen nun in stark verkürzter bzw. ausgewählter Sicht einige Grundaussagen fürs „Nachdenken“ zitiert bzw. kommentiert werden. Von Karl Mai.

Wer sind die Nichtwähler?

In einer interessanten Untersuchung geht Armin Schäfer vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung angesichts sinkender Wahlbeteiligungen der Frage nach, wer die Nichtwähler sind, von welchen Faktoren die Wahlbeteiligung abhängt und wie sich das auf die Wahlergebnisse der Parteien auswirkt. Von Wolfgang Lieb.

Die Deutschen zwischen Verfolgungs- und Größenwahn

Wenn man dieser Tage die Verlautbarungen der Politiker und die Kommentare in den Medien verfolgt, dann kann einem nur noch Angst und Bange werden. Es herrscht eine Stimmung, wie man sie in der Literatur oder in der kritischen Geschichtsschreibung vor exakt einhundert Jahren, nämlich vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges beschrieben findet.
Wir Deutschen sind die Erfolgreichsten, wir sind diejenigen die wirtschaftlich am besten dastehen, wir haben die die richtigen wirtschaftspolitischen Konzepte, wir bürgen und zahlen für die anderen, wir sind die Retter Europas, am deutschen Modell soll Europa genesen. So hört und liest man allenthalben. Dieses Selbstlob, ja diese Selbstüberschätzung trägt Züge von Größenwahn.
Auf der anderen Seite beklagt man die Kritik unserer Nachbarn an der maßgeblich von der deutschen Regierung geprägten Austeritätspolitik mit einer Weinerlichkeit, die man nur noch als Verfolgungswahn bezeichnen kann. Von Wolfgang Lieb.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Rezension. Wolfgang Bittner, Hellers allmähliche Heimkehr

Ein Roman, der im Vorfeld des Prozesses gegen die Neonazi-Terrorzelle NSU in die Zeit passt, denn auch hier geht es um eine rechtsradikale Gruppe und deren Wirken in der Provinz. Aber es geht auch um Korruption. Am Beispiel einer norddeutschen Kleinstadt werden deren Mechanismen im Zuge aktueller Privatisierungspolitiken aufgezeigt und mit dem von den Ordnungskräften geduldeten, verharmlosten Agieren der rechtsradikalen Gruppierung in Verbindung gebracht. Der in seine Heimatstadt zurückgekehrte Journalist Heller sorgt als neuer Chefredakteur des Lokalblatts für Aufklärung und lässt einen doppelten Skandal auffliegen – auch wenn es ihn den Posten bei der Zeitung kostet. Von Petra Frerichs.

Bundespräsident a.D. Horst Köhler – Ohne Amt mehr Verstand

„Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand“, so lautet ein Sprichwort, das der große deutsche Geschichtsphilosoph Hegel einen „alten Scherz“ bezeichnet hat. Bei Horst Köhler scheint es umgekehrt zu sein. Ohne Amt zeigt er mehr Verstand als in seinen früheren Ämtern, etwa als Finanzstaatssekretär und Sherpa von Bundeskanzler Kohl auf Wirtschaftsgipfeln, als Direktor des IWF und zuletzt als Bundespräsident. In allen diesen Ämtern war er ein Wegbereiter und eifriger Propagandist der neoliberalen Ideologie.
Gehört Köhler, nun, da er außer Amt ist, zu den Konservativen wie Charles Moore oder Frank Schirrmacher, die zu glauben beginnen, dass die Linke doch Recht hat?
In einer Rede, gar noch vor dem Mitglieder-Forum einer Volksbank schlug er ganz andere Töne an als in seinen früheren Ämtern [PDF der Rede – 113 KB]. Von Wolfgang Lieb

Lagerwahlkampf? Keineswegs, wir haben ein Einparteiensystem mit vier Flügeln, meint Oskar Lafontaine in einer lesenswerten Analyse.

Wenn Sie sich Klarheit über die Komödie des kommenden Bundestagswahlkampf verschaffen und damit eine der großen Manipulationen durchschauen wollen, dann tun sie gut daran, einen Artikel von Oskar Lafontaine zu lesen, der heute in der „jungen Welt“ erschienen ist. Ich jedenfalls habe trotz meiner sonstigen Skepsis noch einiges dazugelernt. Auch Journalistinnen und Journalisten ist die Lektüre dieses Beitrags dringend zu empfehlen, wenn sie im Bundestagswahlkampf den Durchblick behalten wollen. Albrecht Müller.

Können Marktradikale und Nationalchauvinisten eine „Alternative für Deutschland“ sein?

Da die marktradikalen Professoren rund um Hans Olaf Henkel mit dem Plan, die Freien Wähler zu übernehmen, offenbar gescheitert sind, haben sie nun ihre eigene Partei gegründet. Die „Alternative für Deutschland“ stellt sich öffentlich als Anti-Euro-Partei mit Bürgernähe dar. Schaut man sich die neue Partei etwas näher an, stößt man jedoch schnell auf einen Bodensatz aus Marktradikalismus und Nationalchauvinismus. Eine Partei wie die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist eine Novität im deutschen Parteienspektrum und hat große Parallelen zur amerikanischen Tea-Party-Bewegung. Für Wähler, denen die CDU zu links und die FDP nicht marktliberal genug ist, mag sie eine Alternative sein. Für alle Anderen ist sie es jedoch ganz sicher nicht. Von Jens Berger

Ingo Schulze – Dankrede zur Verleihung des Bertolt-Brecht-Preises

Der Schriftsteller Ingo Schulze dürfte einigen Lesern der NachDenkSeiten bekannt sein. Vor rund einem Jahr veröffentlichen wir seine Rede “Unsere schönen neuen Kleider – Gegen die marktkonforme Demokratie – für demokratiekonforme Märkte” auf den NachDenkSeiten und erhielten dafür sehr viel positives Feedback von unseren Lesern. Schulze ist einer der wenigen deutschen Intellektuellen, die auch in politischen Fragen kein Blatt vor den Mund nehmen und sich weigern, “marktkonform” zu denken. Am 8. Februar wurde Schulze von der Stadt Augsburg mit dem Bertolt-Brecht-Preis ausgezeichnet – die NachDenkSeiten gratulieren. Seine Dankrede, die als Brief an Bertolt Brecht aufgebaut ist, ist einmal mehr eine kluge Kritik an der Marktkonformität und der aktuellen Politik. Von Jens Berger.

Frank Schirrmachers neues Buch „Ego“ – Überhaupt nicht marktkonform

In seinem neuen Buch „Ego – Das Spiel Lebens“ wirft FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher einen tiefen Blick in das Betriebssystem des Kapitalismus. Die Software dieses Betriebssystems ist es, die Schirrmacher in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt. Diese Software ist auf dem Modell des egoistischen Menschen aufgebaut und steuert heute nicht nur die vernetzten Märkte des Finanzsystems, sondern ist zudem bereits auf dem besten Weg, die Demokratie abzulösen. Es ist zu wünschen, dass Schirrmachers Buch weitere Diskussion über das Wesen des modernen Kapitalismus auslöst – denn nur, wenn wir das Betriebssystem verstehen, können wir es ändern. Von Jens Berger.

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Wozu Spitzenkandidaten?

Nach dem Grundgesetz werden bei der Bundestagswahl keine Spitzenkandidaten gewählt, sondern die Abgeordneten des Deutschen Bundestags (Art. 38 Abs. 1 GG). Und die Kandidaten werden in der Regel von den Parteien ausgewählt. Warum ziehen aber die meisten Parteien mit Spitzenkandidaten in den Wahlkampf?
Darin spiegelt sich die zunehmende Personalisierung von Politik wider, die seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, vor allem mit dem Aufkommen des Fernsehens zu beobachten ist. Von Wolfgang Lieb

Psychopathen ohne Hitlerbart

Bei aller Pflicht zur historisch genauen Erinnerung an die Bedingungen der Möglichkeit der sogenannten „Machtergreifung“ und zur Beantwortung der Frage: „Wie war das eigentlich?“ (Max von der Grün) darf man sich nicht den Blick auf Gefahren der Gegenwart verstellen. Adorno hat auf die vernebelnden Tendenzen der berühmten „Aufarbeitung der Vergangenheit“ bereits früh hingewiesen, indem er eingangs seines gleichnamigen Vortrags aus dem Jahre 1959 sagte: „Ich betrachte das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie.“ Man ruft mit Blick auf Hitler: „Haltet den Dieb!“ – und lässt die heutigen Diebe entkommen. Von Götz Eisenberg

NPD-Verbotsantrag: Volker und die starken V-Männer

Kommentar von Jörg Wellbrock

Durch alle Parteien zieht sich die Diskussion darüber, ob ein Verbot der NPD durchsetzbar ist und etwas am politischen Klima in Deutschland ändern würde. Wie geheuchelt diese Debatte sein kann, zeigt ein Blick auf die Aktivitäten von Volker Bouffier, dem Ministerpräsidenten Hessens.

Betrieb eines eigenen Geheimdienstes – bei CDU und CSU heiligte der Zweck schon immer alle Mittel

Das Zeit-Magazin berichtete am 29. November unter der Überschrift „Die Verschwörung gegen Brandt“. „Nachdem 1969 erstmals ein SPD-Politiker Bundeskanzler wurde, bauten CDU- und CSU-Anhänger einen eigenen Nachrichtendienst auf. Ein unglaublicher Spionagefall“, so die Autorin und Politikwissenschaftlerin Stefanie Waske. „Das beste Stück aus der Mainstream-Presse seit Jahren“, kommentiert ein Nachdenkseitenleser. Überrascht hat mich dieser Bericht nicht. Es überrascht mich auch nicht, wie wenig dieser Beitrag von anderen Medien aufgenommen wurde. CDU und CSU gelten heute wie damals als Staatspartei, der quasi alles erlaubt ist. Wenn etwas Ähnliches auf der linken Seite des politischen Spektrums passiert wäre, dann hätten sich die Medien von Springer bis zum ZDF wochenlang damit beschäftigt. Ich weise im Folgenden auf bemerkenswerte Elemente des Berichtes von Stephanie Waske hin und versuche, diese einzuordnen. Von Albrecht Müller.