Kategorie:
Ökonomie

Armut macht krank – Krankheit macht arm

Es ist weder Zufall noch Wunder, dass hierzulande auf der einen Seite chronisch Kranke häufig in Hartz IV und somit Armut abrutschen und auf der anderen Seite Armut wiederum krank bzw. noch kränker macht und inzwischen bereits über ein Drittel aller Hartz IV-Empfangenden als psychisch krank gilt. Die entsprechenden Zusammenhänge müssen beleuchtet und aufgeklärt und den Ursachen von Armut und chronischer sowie psychischer Erkrankung muss dabei entschieden entgegen getreten werden. Nicht wirklich möglich sein wird dies jedoch vermittels eines Menschenbildes, das davon ausgeht, seelisch-körperliche Probleme seien zu allererst einmal „eigenverantwortet“ und Gesundheit bedeute auch und vor allem in einer faktisch zunehmend angst- und krankmachenden Gesellschaft, eben k-e-i-n-e Symptome und also Verwundbar- sowie Menschlichkeit zu offenbaren, bedeute also eben, n-i-c-h-t gesund zu reagieren, weil nur der noch als gesund gelten darf, der auch im größten Elend noch funktioniert und auf seine Glückseligkeit insistiert. Aus dieser Sicht erfordert chronische wie psychische Krankheit dann eben vor allem eines: mehr individuelle Verantwortungsübernahme, Anpassungsbereitschaft und Therapie. Über die „Ursachen im außen“, den gesellschaftlichen Kontext, wird hingegen kaum überhaupt mehr diskutiert. So etwas endet dann nicht selten in einem Zynismus mit menschenverachtenden Zügen, wie diesen unlängst beispielsweise der Spiegelmit der Frage präsentierte, ob Obdachlosigkeit nicht womöglich „heilbar“ sei. Ein Kommentar von Jens Wernicke

Heiner Flassbeck zu „Wem gehört Deutschland?“

Jens Berger hat wieder ein wichtiges Buch geschrieben. Er klärt auf über “unsere Verhältnisse” und zeigt nicht nur, wem Deutschland gehört, sondern trägt zur Versachlichung der Diskussion bei, indem er die wichtigsten Fakten zur Einkommens- und Vermögensverteilung weit über Deutschland hinaus präsentiert und erläutert. Das ist wichtig, weil die Menschen verstehen müssen, dass Reichtum kein Naturgesetz ist, sondern das Resultat historischer gesellschaftlicher Ereignisse, von Glück und Zufall, aber auch dem Ausnutzen aller legalen und manchmal illegalen Möglichkeiten, anderen das Fell über die Ohren zu ziehen. Von Heiner Flassbeck[*]

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Und der Arme sagte bleich: Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich!“

Heute erscheint mit „Wem gehört Deutschland? Die wahren Machthaber und das Märchen vom Volksvermögen“ Jens Bergers zweites Buch im Westend Verlag. Der NachDenkSeiten-Redakteur bringt darin Licht ins Dunkel der Debatte um „das Vermögen“ der Deutschen, Armut und Reichtum sowie Verteilungsgerechtigkeit. Interviews zum Buch sind mittlerweile beim SR2 und bei Deutschlandradio [Audio – mp3] nachzuhören. Für die NachDenkSeiten sprach Jens Wernicke zum Veröffentlichungsstart mit Jens Berger über das Buch und die Vermögensverteilung in Deutschland.

Rezension: Gerhard Schick – Machtwirtschaft – Nein Danke!

Der promovierte Volkswirt und als ordoliberal oder linksliberal verortete streitbare Finanzpolitiker, der die Partei Die Grünen im Bundestag vertritt und spätestens seit der Finanzkrise durch seine Fachexpertise und Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung besticht, hat ein Buch über die chaotischen Entwicklungen der letzten Jahre und was daraus zu lernen ist geschrieben. Es geht deutlich über das Niveau auf die Öffentlichkeit zielender sonstiger Beiträge hinaus und enthält auf den über 20 Seiten der Anmerkungen auch für den Fachkundigen interessante Literaturhinweise, mag man auch einige passende Titel vermissen (z.B. N. Härings „Markt und Macht“, Schäffer-Poeschel 2010). Es dürfte kaum einen Politiker in Entscheidungspositionen in Deutschland geben, der Schick an Kenntnissen und Engagement das Wasser reichen kann und neben der politischen Tagesarbeit mit einem ähnlich niveauvollen Werk hervortritt. Von Helge Peukert[*].

1. Mai 2014: Gute Arbeit. Soziales Europa – Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Tag der Arbeit

Europas Krise ist längst nicht ausgestanden. Niedrige Wachstumsraten, hohe Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Menschen, und zunehmende Armut – die Folgen der rigorosen Sparpolitik sind verheerend. Diese Politik muss ebenso gestoppt werden wie der Abbau von sozialen Errungenschaften und Arbeitnehmerrechten.

Europa braucht eine Investitionsoffensive. Nur so können die europäischen Volkswirtschaften innovativer werden und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze schaffen. Denn es geht darum, den Menschen eine Lebens- und Arbeitsperspektive und Millionen Europäern Zuversicht zu geben. Wir wollen für die Menschen in Deutschland und Europa gute Arbeit, ein sicheres Auskommen und ein Leben in Würde!

Wir wollen:

  • einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro – Würde kennt keine Ausnahmen
  • eine Rente, die zum Leben reicht und die Lebensleistung würdigt
  • Investitionen in Bildung und Ausbildung
  • Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von Leiharbeitnehmern und der Vergabe von Werkverträgen
  • eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben
  • dass Schluss ist mit der Diskriminierung von Frauen – auch in der Bezahlung
  • ein Investitionsprogramm für ein sozial gerechtes Europa und die Modernisierung der Wirtschaft
  • die bessere Finanzierung eines handlungsfähigen Staates durch die großen Vermögen

Quelle 1: DGB
Quelle 2: Geschichte des 1. Mai: Vom Kampftag zum Feiertag

ver.di gelingt es auch im “Aufschwung” nicht, Verteilungsspielraum auszuschöpfen: Eine Faustregel für kommende Tarifverhandlungen

Gestern früh meldete der Deutschlandfunk unter der Überschrift “Einigung im Tarifstreit: Drucker bekommen mehr Geld”, dass die rund 150.000 Beschäftigten der Druckindustrie mehr Geld erhalten. ver.di und der Bundesverband Druck und Medien hätten sich in der Nacht auf einen neuen Flächentarifvertrag geeinigt. Danach sollen die Löhne ab Mai um drei und im April nächsten Jahres noch einmal um ein Prozent steigen. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 27 Monate. Damit hat Verdi innerhalb kürzester Zeit bereits das zweite Mal in Folge den gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum (Produktivitätsentwicklung plus Inflationsziel der Europäischen Zentralbank) nicht ausgeschöpft. Und das, obwohl sich Deutschland doch im “Aufschwung” befindet, wie der Bundeswirtschaftsminister gleichfalls gestern wieder betont hat: Ein “Aufschwung auf breitem Fundament”, “die Einkommen der privaten Haushalte nehmen kräftig zu“, so Gabriel. Von Thorsten Hild [*]

Der Preis der Freiheit – Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland

Für die meisten deutschen Medien ist die Sache klar: Da die Ukraine sich nun dem Westen in die Arme wirft, droht Russlands Präsident Putin „uns“ nun mit einem Gas-Stopp. So schrieb es beispielsweise die BILD-Zeitung in der letzten Woche wortwörtlich und auch seriösere Medien teilen diese Lesart. Die Wirklichkeit ist – wie so oft – jedoch um einiges komplizierter. Fest steht, dass irgendwer das viele Gas bezahlen muss, das die Ukraine aus Russland bezogen hat und auch noch über lange Zeit beziehen wird. Die europäischen Steuerzahler stehen hierbei auf der Liste der potentiellen Zahlmeister ganz weit oben, wobei sowohl die Bevölkerung als auch die Industrie der Ukraine schon jetzt zu den kommenden Verlierern zählen. Von Jens Berger

Das neue Buch von Heiner Flassbeck ist auf dem Markt

Heute erscheint das neue Buch von Heiner Flassbeck, auf das ich an dieser Stelle gern hinweisen möchte: „66 starke Thesen zum Euro, zur Wirtschaftspolitik und zum deutschen Wesen“. Der Kapitalismus hat einen Wendepunkt erreicht, das deutsche Wesen taugt nicht als Modell, der Arbeitsmarkt ist kein Markt und die ökonomische Theorie versagt, weil die Gläubigen nicht lernen wollen – Heiner Flassbeck hat in seinem neuen Buch 66 starke Thesen versammelt. Wenn Sie für die Osterzeit noch eine lohnende Lektüre über volkswirtschaftliche Fragen suchen, ist Flassbecks jüngstes Buch sicher ein heißer Tipp. In Kürze folgt auf den NachDenkSeiten noch eine ausführliche Rezension des Buches.

Frühjahrsprognose der Konjunkturforschungsinstitute: Eine tibetanische Gebetsmühle für gutes Karma und zur Verteidigung der herrschenden Lehre

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dieser Satz wird dem Physiker Niels Bohr zugeschrieben und er trifft besonders auf die Konjunkturprognosen der Wirtschaftswissenschaftler zu. 1,9 % Wachstum des BIP für dieses und zwischen 1,2 bis 2,6 % für das nächste Jahr, sagt die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnosen unter Federführung von DIW, ifo-Institut, RWI und IWH voraus. 1,6% für 2014 und 2,5% für 2015 hingegen das IMK [PDF].
Die Gemeinschaftsprognose liefert seit Jahren nichts mehr als „teuer bezahlte Falschmeldungen“ und diese Falschmeldungen sind jetzt sogar noch bezahlt von einem sozialdemokratischen Wirtschaftsminister. Von Wolfgang Lieb

Gabriels Energiewende: Nach Lohndumping Stromdumping

“Aber was vor einigen Jahren zu hohe Lohn- und Sozialkosten waren, sind heute die wachsenden Energie- und Rohstoffkosten”, so der Bundesminister für Wirtschaft und Energie und SPD-Vorsitzende, Sigmar Gabriel, am 13. März 2014. Und, so Gabriel weiter: “Die Strompreise in Deutschland sind doppelt so hoch wie in den USA. Wenn wir nicht mindestens unsere Industrie entlasten, droht uns eine Deindustrialisierung.” Das, so Gabriel, sei keine “plumpe Propaganda der Wirtschaft, sondern bittere Realität”. Es ist Gabriels “Realität”. Und es ist die “Realität” der „Energieintensiven Industrien“ [PDF – 65 KB], zu deren Büttel sich Gabriel gemacht hat. Er schadet damit nicht nur der Energiewende und dem sozialen Zusammenhalt in Deutschland und Europa. Er führt damit aller Voraussicht nach die SPD mit wehenden Fahnen in die nächste Etappe ihres Untergangs. Von Thorsten Hild

Flächendeckende Mindestlöhne: Epochenwandel auf den Arbeitsmärkten – Sieg der Vernunft über neoklassisches Marktversagen

Das gesellschaftliche Megaprojekt eines flächendeckend gesetzlich regulierten Mindestlohns ist nicht mehr aufzuhalten. Sicherlich sind gegenüber dem lupenreinen, in sich konsistenten Konzept einer gesetzlich fixierten Lohnuntergrenze unter dem Druck massiver Kritik von Wirtschaftsverbänden und neoklassischen Ökonomieberatern auch problematische Kompromisse durchgesetzt worden. Dazu zählt die Vorgabe, Jugendliche unter achtzehn Jahren müssten vor der Wahl eines kurzfristig günstigen Mindestlohnjobs gegenüber einem Ausbildungsplatz „selbst geschützt“ werden. Auch die geplante Sonderregelung für Langzeitarbeitslose ist problematisch. Allerdings sind im bisherigen Entscheidungsprozess über das Mindestlohngesetz die vielen Versuche, ganze Branchen zur Ausnahmezone zu erklären, verhindert worden. Von Rudolf Hickel.

Vermeintliche Kapitalflucht aus Russland wirft Frage auf: Was für Kapital und welche Gefahren?

Gibt man die drei Worte Flucht, Investitionen, Russland bei Google ein, erhält man am 27.03.2014 gegen 17 Uhr 4.480.000 Ergebnisse. Schränkt man die Suche ein auf “News”, sind es immerhin noch 1.300 Ergebnisse. Ganz oben bei den Suchergebnissen steht: “Investoren ziehen massiv Kapital aus Russland ab”, Quelle: Cash. Das wirft die Frage auf, um was für Kapital es sich denn da handelt? Und inwiefern jener Abzug von Kapital geeignet ist, Russland zu schaden? Von Thorsten Hild.