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Sozialstaat

Die unsoziale Lage der Jugend im Land

„Deutschland geht es so gut wie nie zuvor“, lässt die Regierung verlauten. Das Land strotze nur so vor Wirtschaftskraft, Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Auftretende Probleme hätten ihre Ursachen daher niemals „im System“, sondern stets in den Betroffenen selbst. Sie lebten einfach bereits zu lange im Überfluss und litten daher an verfehltem Anspruchsdenken, wiesen individuelle „Vermittlungshemmnisse“, „Passungsprobleme“ oder gar grundsätzliche Defizite in Bezug auf ihre „Ausbildungsreife“ sowie „Disziplin, Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft“ auf. Eigentlich sei alles bestens im Land – zumindest, sieht man von dessen furchtbaren Einwohnerinnen und Einwohnern einmal ab. Doch stimmt das auch? Zur sozialen Lage von Jugendlichen jenseits solch würdeverletzend-euphemistischer Verteidigungsrhetorik sprach Jens Wernicke mit Helmut Weick, Mitinitiator verschiedener Bündnisse gegen Ausbildungsplatzmangel und Jugendarbeitslosigkeit sowie der Kampagne für ein Grundrecht auf Ausbildung.

Die Maschmeyer-Connections – Fragen an den SPD-Parteivorsitzenden

Im Dezember letzten Jahres hat unser Leser Klaus Peter Lohest eine Reihe von Fragen an den Parteivorsitzenden der SPD zu den Darstellungen in dem Buch „Geld – Macht – Politik: Das Beziehungskonto von Carsten Maschmeyer, Gerhard Schröder und Christian Wulff“ von Wigbert Löer und Oliver Schröm gestellt. Trotz Erinnerung ist bisher keine Antwort eingegangen. Dieser Brief wirft Fragen an die politische und die demokratische Kultur in Deutschland auf, die nicht unbeantwortet bleiben dürfen, weil sie den konkreten Verdacht aufwerfen, dass bei der Einführung der Privatvorsorge und der Riester-Rente eine neue Spielart „politischer Korruption“ eine Rolle spielte. Weil die Antworten auf diesen Brief von allgemeinem Interesse wären, machen wir mit Erlaubnis von Klaus Peter Lohest seinen Brief an Sigmar Gabriel [PDF – 57 KB] publik.

Sozialer Fortschritt statt globales Wettrüsten

Die NATO probt bereits den Krieg gegen Russland. Ebenfalls sind die NATO-Mitgliedsländer dazu angehalten, ihre Militärausgaben“ in den nächsten Jahren massiv zu erhöhen. Anlässlich des heutigen „Globalen Aktionstages gegen Rüstungsausgaben“ sprach Jens Wernicke mit Lucas Wirl, dem Geschäftsführer der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit e. V. zu diesen Entwicklungen.

Organisationschaos bei der Telekom – Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut

Die Telekom will das bestehende Netz modernisieren. Zur Installation benötige ich technische Hilfe vor Ort. Vier Monate sind seit Auftragsvergabe vergangen, noch immer ist die Installation nicht erfolgt. Seit dieser Zeit haben meine Frau und ich mehrere Stunden in der Warteschleife des Telekom-Services zugebracht, mehr als einem Dutzend Beschäftigten in Callcentern und im Servicebereich der Telekom unser Anliegen vorgetragen, wir wurden von Stelle zu Stelle verwiesen, das Telefon war zwischenzeitlich abgestellt, wir telefonieren seit Wochen an Telefonen, die behelfsmäßig angeschlossen sind. Es ist wie in einer modernen Variante von Kafkas Roman „Das Schloss“: Wir sind in einer undurchschaubaren Welt von Callcenter zu Callcenter geraten, wir treffen auf eine unendliche Zahl von unzuständigen oder im betriebsinternen Chaos nebeneinander her arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – zwar überwachter Weise stets freundlich, aber helfen können sie nicht.
Wir haben es zu tun mit Technikern, die entweder aufgrund von internen Kommunikations- und Organisationsmängeln nichts ausrichten können oder abgemachte Termine nicht einhalten.
Das hat ja nicht nur uns viel Zeit, Kraft und Nerven gekostet. Auch der Apparat der Telekom rotierte sinnlos. Da will die Telekom ständig Kosten sparen und vergeudet die Arbeitszeit der verbliebenen oder ausgelagerten Arbeitskräfte durch ein organisatorisches Chaos. Auch für die Telekom scheint das Internet „Neuland“ zu sein. Protokoll einer Leidensgeschichte im Internetzeitalter von Wolfgang Lieb und Renate Claßen-Lieb.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Renzi macht den Schröder: Zu den aktuellen Arbeitsmarktreformen in Italien

Griechenland hat sich eine Regierung gewählt, die nach Jahren der Austeritäts- und Kürzungspolitik um einen wirtschafts- und sozialpolitischen Kurswechsel streitet. Neben den geradezu dramatischen Ereignissen in Athen und Brüssel vor und nach der Wahl scheint Italien etwas aus dem Blickfeld geraten zu sein. Dabei setzt das größte Land Südeuropas, seit Jahren in der Krise, gerade umfassende neoliberale Reformen am Arbeitsmarkt um. Es bleibt damit bei jener Strategie, die darauf setzt, mit Deregulierung und Deflationsstrategien aus der Krise zu kommen. Aus dem Versagen solcher Rezepte in Griechenland, aber auch in Spanien und Portugal scheint die Regierung unter Ministerpräsident Matteo Renzi ebenso wenig gelernt zu haben wie aus den fatalen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, die diese regelmäßig zeitigen. Von Patrick Schreiner[*].

Medialer Zynismus à la FAZ

Die FAZ macht sich in ihrer Sonntagsausgabe über Leute lustig, die den Kapitalismus für die Ursache psychischer Erkrankungen halten. Schon das Layout der Seite und die reißerische Überschrift Der Kapitalismus ist nicht an allem Schuld erinnern an die BILD-Zeitung, in der man einen derartigen Artikel denn auch eher vermuten würde. Götz Eisenberg hat den Artikel gelesen und kommentiert.

Rezension des Buches „Hartz IV und die Folgen – Auf dem Weg in eine andere Republik?“ von Christoph Butterwegge

Vor kurzem hörte ich in einem Beitrag des Deutschlandfunks, dass sich die sozialistische Regierung Frankreichs bei ihren Reformbemühungen an der deutschen Agenda 2010 zu orientieren sucht und deshalb mit deutschen Sozialdemokraten in Kontakt steht, vor allem auch bezüglich der Frage, was sie heute anders machen würden. Um sich möglichst umfassend zu informieren, was die sozialen und gesellschaftspolitischen Konsequenzen des deutschen Reformwerks sind, dessen Kern die Hartz IV-Gesetzgebung darstellt, sei den französischen Sozialisten die Lektüre des Buches „Hartz IV und die Folgen – Auf dem Weg in eine andere Republik?“ von Christoph Butterwegge empfohlen. Doch nicht nur ihnen. Dieses Buch sollte zur Pflichtlektüre jedes an Sozialpolitik interessierten Bürgers unseres Landes und insbesondere jedes Politikers werden, der unsere Sozialgesetzgebung mit zu verantworten hatte, hat oder haben wird. Von Friederike Spiecker.

Die Hartz-IV-Ideologie

Hartz IV hat Geburtstag, doch zu feiern gibt es nichts. Für die Kritiker ist dieser „Jahrestag“ vor allem Symbol für das zehnjährige Bestehen einer neuen Art von Untertanenstaat, welcher für die gegenwärtige Zunahme autoritärer, rechtsextremer und antidemokratischer Tendenzen maßgeblich mitverantwortlich und zudem per se menschenfeindlich organisiert ist. Doch warum gibt es so wenig Widerstand? Warum lassen sich die Betroffenen „so viel“ gefallen? Wie wirkt und organisiert sich die neoliberale Ideologie, auf dass sie sich als „Denkgift“ in den Köpfen und Herzen der Menschen realisiert? Zu diesen Fragen sprach Jens Wernicke mit Manfred Bartl.

Flexible Arbeitsmärkte senken die Produktivität und verhindern Arbeitsplätze

Angeführt von der deutschen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hat die Eurogruppe auf ihrer Position beharrt, auch die neue griechische Regierung unter Alexis Tsipras (SYRIZA) müsse sich zu “Strukturreformen” bekennen und diese weiterführen. Zu solchen “Reformen” gehört regelmäßig auch die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Die dümmlich-neoliberale Halsstarrigkeit von Schäuble und Co. ist deshalb Anlass genug, auf einen wesentlichen Zusammenhang hinzuweisen: Die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts erhöht nicht die Produktivität (und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit) von Unternehmen und Volkswirtschaften, sondern senkt sie sogar. Und sie verhindert die Schaffung von Arbeitsplätzen. Von Patrick Schreiner.

Der Showdown zwischen Griechenland und der Troika – Schäuble spielt alles oder nichts

Die Verhandlungen zwischen Griechenland und den Finanzministern der Eurozone gehen heute weiter und sollen nach griechischen Vorstellungen am morgigen Freitag ein erfolgreiches Ende finden. Die neue Athener Regierung hat beantragt, das Kreditprogramm mit der Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF um etwa sechs Monate zu verlängern. Mit einer solchen „Übergangslösung“ wäre der zeitliche Spielraum gewonnen, um ein neues Abkommen mit veränderten Bedingungen und verbesserten Parametern für eine Überwindung der griechischen Krise auszuhandeln. Eine Darstellung der (noch)-Differenzen zwischen der neuen griechischen Regierung und den Euro-Partnern von Niels Kadritzke.

Rezension: Agro-Gentechnik: Die Folgen für Landwirtschaft, Mensch und Umwelt

„Wir haben es satt“. Unter diesem Motto haben am 17. Januar in Berlin 50.000 Menschen gegen industrielle Landwirtschaft, Gentechnik und TTIP demonstriert. Im fünften Jahr haben sie damit einen Kontrapunkt zur Eröffnung der „Internationale Grüne Woche“ gesetzt.
Zahlen und Daten, klare Analysen und Argumente zu allen wichtigen Fragen rund um den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft finden alle Interessierten in dem vor wenigen Wochen erschienenen „Handbuch Agro-Gentechnik“ von Dr. Christoph Then. Er ist seit 2008 Geschäftsführer des von ihm mitgegründeten Vereins „Testbiotech“, der sich kritisch mit den Folgen der Agro-Gentechnik für Landwirtschaft, Mensch und Umwelt auseinandersetzt. Eine Rezension von Christoph Habermann

Syrizas Sieg bietet die Chance, endlich wieder offen über gesellschaftspolitische Alternativen nachzudenken und diese umzusetzen

Immer wieder taucht im Zusammenhang mit Griechenland und Staaten in ähnliche kritischer Lage die Vorstellung auf, sie müssten halt Reformen machen und „sparen“. So hieß es penetrant vor der griechischen Wahl und so wird es vermutlich weitergehen. Jene, die diesen Kurs vorgegeben haben, leben in der intellektuell dürftigen Vorstellung, Gesellschaft und Wirtschaft könnten nur nach einem Schema, dem neoliberalen, gestaltet werden, und Sparversuche seien ohne Rücksicht auf die ökonomische Ausgangslage angesagt. Diese Ideologie ist so dumpf und unreflektiert, dass ihre Vertreter sich nicht einmal von Erfolglosigkeit ihrer Empfehlungen in ihrem angelernten Glauben erschüttern lassen. TINA, There Is No Alternativ, haben sie irgendwann gelernt. Mehr nicht. Es gibt aber mehr. Albrecht Müller.

Washington in Winter – Notizen aus Amerika von Norman Birnbaum

Prof. Norman Birnbaum aus Washington gibt in seinem ersten Bericht 2015 einen Ausblick auf die Themen, die aus seiner Sicht die politische Tagesordnung in den verbleibenden zwei Jahren der Präsidentschaft Obamas in den Vereinigten Staaten bestimmen werden, und dies insbesondere vor dem Hintergrund der neuen Machtverhältnisse im Kongress, wo die Republikaner nach den Zwischenwahlen vom vergangenen November jetzt über Mehrheiten sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus verfügen.
Danke vielmals an Carsten Weikamp für die Übersetzung. Hier also der Text des Berichtes von Normen Birnbaum [PDF].

Wie man öffentlich über „Inklusion“ spricht (und was man daraus schließen kann)

Die medienöffentliche Debatte über Inklusion ist nach zaghaften Anfängen in den vergangenen Jahren jetzt wirklich in Gang gekommen. Sie hat die Grenzen der so genannten Qualitätspresse überschritten und Stern und BILD ebenso erreicht wie die Talkshows. Das liegt daran, dass die Sache aus der Sphäre wohlmeinender Absichtserklärungen nunmehr heraustritt und auf die nüchternen Realitäten des öffentlichen Schulwesens trifft. Verstehen wird diese Debatte nur, wer sie als Symptom und Indikator, aber auch als einen zentralen Faktor des Bildungsdiskurses nimmt. Das öffentliche Reden über Bildung und Bildungschancen – so meine These – ist ein Stellvertreterdiskurs. Wo mit Emphase über Bildung, Bildungschancen und „bildungsferne“ Schichten gesprochen wird, da geht es im Kern um etwas anderes: um soziale Gerechtigkeit. Obwohl Bildungsabschlüsse und gesellschaftlich-ökonomische Positionen de facto nur (noch) wenig miteinander zu tun haben, steht Bildung symbolisch für den Teil der gesellschaftlichen Position eines Individuums, für den man (eben durch Bildungsanstrengungen) selbst verantwortlich ist bzw. gemacht werden kann. Die deutschen Mittelschichten, denen Soziologen wie Heinz Bude (2011) eine ausgeprägte „Statuspanik“ bescheinigen, versuchen (oft als eine Art Bildungsmanager ihrer Kinder), den eigenen Statuszugewinn per Bildungsanstrengung präventiv an ihre Kinder weiterzugeben. Dieses Motiv treibt Inklusionsbefürworter wie Inklusionsgegner, die einen öffentlich und die anderen heimlich. Von Clemens Knobloch.

Neoliberalismus und Rassismus – das Beispiel Ayn Rand

Die 1982 verstorbene US-Schriftstellerin und neoliberale Sozialphilosophin Ayn Rand ist in Europa weitgehend unbekannt, in den USA aber umso einflussreicher. Mit Werken wie „The Fountainhead“ und insbesondere „Atlas Shrugged“ gilt sie bis heute als eine der zentralsten und wichtigsten Figuren des Neoliberalismus. Umso interessanter, welchen Rassismus sie gegenüber den Indianern Amerikas an den Tag gelegt hat.
Von Patrick Schreiner.