Widerstand im Herzen des europäischen Krisenregimes

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Blockupy, ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, das die Macht des europäischen Krisenregimes sowie dessen Austeritätspolitik überwinden helfen will sich als Alternative hierzu für mehr Demokratie und Solidarität stark macht, machte zuletzt insbesondere im Juni 2013 bundesweit von sich hören. Damals war eine friedliche Demonstration in Frankfurt zuerst von der Polizei angegriffen und später medial massiv verunglimpft worden. Polizeiprovokateure sollen im Einsatz gewesen und der hessische Innenminister soll gelogen haben. Für den 18. März diesen Jahres mobilisiert das Bündnis nun anlässlich der Neueröffnung der Europäischen Zentralbank (EZB) unter dem Motto „Let’s Take Over The Party!“ erneut nach Frankfurt. Jens Wernicke sprach hierzu mit Hannah Eberle und Thomas Occupy vom Presseteam.

Hallo, Hannah, Hallo, Thomas. In den Medien ist Blockupy im Jahr 2013 zumindest auch als Bündnis gefährlicher Randalierer und Krimineller dargestellt worden, von „linksradikalen Extremisten“ usw. usf. Da ich mit vor Ort war, weiß ich, dass ihr damals tatsächlich eine der buntesten und pluralsten Demonstrationen auf die Beine gestellt habt, die ich je erleben durfte. Aber sagt hierzu doch bitte einmal selbst etwas… Wer ist „Blockupy“ – und worum geht es Euch?

Thomas: Wir sind ein sehr breites Bündnis von politischen Gruppen und einzelnen Aktivistinnen und Aktivisten. Die politische Agenda der Bündnispartnerinnen und -partner und daraus resultierende Forderungen sind in ihrer Gesamtheit viel zu komplex, um sie hier kurz und prägnant darzulegen. Ich glaube, man kann hauptsächlich zwei Elemente kennzeichnen, die aus meiner Sicht von allen Aktiven getragen wird: Uns eint zum einen der Widerstand gegen die Verarmungspolitik der Troika und zum anderen distanzieren wir uns ganz klar von Nazis und Neonazis und verstehen uns als grenzüberschreitende, transnational orientierte Bewegung. Das politische Gedankengut der Occupy-Bewegung ist äußerst vielseitig und sicher nur mit dem eines kleineren Spektrums des Blockupy-Bündnisses deckungsgleich. Als ein wesentliches Element Occupys sehe ich nur den Einfluss ideologische Gräben zwischen Gruppen zuzuschütten, die noch vor einigen Jahren kaum miteinander zu sprechen vermochten. Vielleicht überbewerte ich das aber auch und die sich immer weiter ausbreitende Verarmungspolitik der Troika hat diesen einigenden Einfluss.

Hannah: Alle beteiligten Gruppen und Aktivisten, die Jahr für Jahr nach Frankfurt gefahren sind und es auch wieder tun werden, eint vor allem der politische Wille, für ein anderes, „besseres“ Europa auf die Straße zu gehen. Als bundesweites Bündnis sind wir dabei Teil eines europaweiten Netzwerks und stellen uns bewusst breit auf. In den Blockupy-Plattformen, die es in unterschiedlichen Städten gibt, versammeln sich inzwischen Gewerkschafter, antikapitalistische und andere emanzipatorischen Gruppen, Attac, Mitglieder der Linkspartei und andere… Als breites Bündnis setzen wir den nationalen, rassistischen und antisemitischen Spaltungsversuchen und Verschwörungstheorien, die alle eine rechte und vor allem recht einfache Antwort auf den Alltag der gesellschaftlichen Krise, in der wir leben, darstellen, mit Solidarität und einer transnationalen Bewegung etwas entgegen.

Und worum soll es diesmal in Frankfurt gehen? Was habt ihr vor; was ist das Ziel?

Hannah: Wir sind der Meinung, dass es nichts zu feiern gibt am Krisenregime und an der EZB, denn diese ist Akteur der Krisenpolitik, die zehntausende Menschen in Armut und Verzweiflung treibt. Entgegen aller Beteuerungen der Herrschenden ist die aktuelle Krise auch keineswegs überwunden: Die Arbeitslosigkeit steigt, ebenso die Zahl der prekär Beschäftigten. In einigen Ländern ist die Zeit der „Schock-Strategie“ noch nicht vorbei und neue massive Spar- und Kürzungsprogramme sind bereits in Planung und sollen durchgesetzt werden. In anderen Ländern haben wir es inzwischen mit einer neuen Normalität von Unsicherheit und Armut zu tun. In jedem Fall ist inzwischen klar geworden, dass die Maßnahmen der Krisenpolitik niemals als vorübergehend gedacht waren, sondern fest in den Staaten und EU-Institutionen verankert worden sind. Das hat den Weg bereitet für eine neue Phase des Kapitalismus, ein neues Gesellschaftsmodell sozusagen mit der Prekarität von Menschen auf der einen und sehr eingeschränkten sozialen Rechten auf der anderen Seite. Gleichzeitig werden die Geflohenen aus Kriegs- und Krisenregionen mit immer härteren Maßnahmen von einem Leben in Sicherheit abgehalten und zurück in ihre Herkunftsländer und damit in den überwiegend sicheren Tod geschickt.

Der 18. März ist dabei ein politisches Datum – es ist nicht nur der Tag aller politischen Gefangen, sondern an diesem Tag vor genau 144 Jahren begann auch die Zeit der „Pariser Kommune“. Als Interventionistische Linke, in der ich aktiv bin, kämpfen wir seit Beginn der Blockupy-Bewegung gemeinsam mit vielen anderen für eine andere Gesellschaft, in der nicht der Kapitalismus mit seiner Konkurrenz, seinem Wettbewerb und seiner Privatisierung den Alltag bestimmt. Unser Ziel ist es, diesen Tag diesmal – in Erinnerung an seine historische Tradition – zu einem aktivistischen Tag des Widerstandes zu machen.

Thomas: Auch wenn der formelle Beschluss über die Aktionen zum 18. März erst vom Plenum auf dem Aktiventreffen am 18. Januar in Frankfurt getroffen werden kann, ist eines sicher jetzt schon klar: Eine ungestörte Eröffnungsfeier der EZB wird es nicht geben!

Habt auch ihr die Medienberichte und das politische Handeln im Juni 2013 als gezielte Spaltungs- und Kriminalisierungsversuche erlebt? Wie habt ihr das aufgearbeitet? Gab es Gewalt von Eurer Seite, aufgrund derer die Polizei sozusagen gar nicht anders konnte, als die Demonstration anzugreifen?

Thomas: Diese Frage muss man zweigeteilt beantworteten, da die Antwort zu den Medienberichten und jene zum politischen Handeln staatlicher Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger höchst unterschiedlich ausfällt. Die Medien haben ja in ihrer eigenen Berichterstattung fast durchweg die exzessive Polizeigewalt angeprangert und dadurch sicherlich einen wertvollen Beitrag zur öffentlichen Diskussion geleistet. Leider haben einige Medien die Diffamierungen von Amtsträgern jedoch ohne eigene kritische Betrachtung dazu weiterverbreitet. Außerdem hat dadurch keine öffentliche Diskussion mehr über den eigentlichen Skandal stattgefunden. Ich meine die Verarmungspolitik der Troika und die zunehmende Entdemokratisierung Europas.

Hannah: 2013 haben die Polizei und die Repräsentanten-Politik gezeigt, mit welcher Unverhältnismäßigkeit sie mit politischem Widerstand umgehen. Wir haben konkrete politische Ziele, die es für uns durchzusetzen gilt, und deshalb wird von unserer Seite auch in 2015 keinerlei Eskalation ausgehen.

Wir haben beim Blockupy-Festival im November 2014 und hier praktizierten „Zaunüberquerung“ gesehen, was möglich ist, und werden uns auch am 18. März nicht provozieren lassen! Sehr wohl werden wir den Feiernden ihre Feier jedoch ungenießbar machen – weil es, ich sagte es bereits, schlicht nichts zu feiern gibt. Unsere politischen Auseinandersetzungen finden eben überall statt – also auch auf der Straße und bei Aktionen des zivilen Ungehorsam.

Thomas: Was mir zum Zustand unserer Demokratie allerdings schwer zu denken gibt, ist die Tatsache, dass die Legitimität des damals vorbereiteten Polizeikessels gegen unsere friedliche Demonstration auch vom Verwaltungsgericht Frankfurt in der ersten Instanz noch gedeckt worden ist. Als einzige tatsächliche Begründung dafür wurde dabei Bezug genommen auf eine geheime Polizei-Einschätzung der Gefahrenlage; und der entsprechende Bericht blieb dabei so geheim, dass ihn nicht einmal der Richter am Verwaltungsgericht überhaupt zu lesen bekam. Wenn aufgrund von schwammigen Behauptungen der Polizei in diesem Land nun inzwischen Gerichtsurteile gefällt werden, die die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern grundlegend aushebeln und infrage stellen, dann wirft das die Frage auf, wie groß die juristische Distanz zu den zu Recht immer wieder angeprangerten „totalitären Staaten“ eigentlich ist.


Gewaltsamer Polizeieinsatz bei Blockupy-Demo 2013


Erwartet ihr ähnliches denn nun erneut?

Hannah: Wir haben nicht vor, uns hier in Spekulationen zu ergehen. Unser Ziel ist es, politischen Widerstand nach Frankfurt zu tragen. Die Hausdurchsuchungen, die im Dezember 2014 bezüglich der damaligen M31-Demo im Jahr 2012 stattgefunden haben, geben allerdings Anlass zur Vermutung, dass die Behörden wieder einmal versuchen werden, bereits im Vorfeld antikapitalistische und Krisenproteste zu kriminalisieren und abzuschrecken. Davon lassen wir uns aber nicht beeindrucken und rufen dazu auf, sich an den vielfältigen Aktionen – auch denen des zivilen Ungehorsams – im März zu beteiligen.

Thomas: Bei einer Anhörung vorm Verwaltungsgericht Frankfurt am 12. Mai 2012 zu dem Totalverbot der angemeldeten Blockupy-Aktionen argumentierte Gerhard Bereswill als damals stellvertretender Polizeipräsident von Frankfurt, dass die Demonstration verboten werden müsse, damit friedliebende Bürger davon abgehalten werden, sich dem Protest anzuschließen. Trotz dieser verfassungsfeindlichen, gegen Artikel 8 des Grundgesetzes gerichteten Äußerung wurde er zwei Jahre später dennoch Polizeipräsident der Stadt. Im Polizeipressegespräch am 19. November 2014 zum Blockupy Festival erklärte er dann aber, dass er dass „Mit-Farbe-gefüllte-Damenhandtaschen-über-den–Zaun-Werfen“ für einen legitimen Ausdruck des politischen Protests halte. Ob dieser Wandel vom Saulus zum Paulus bei den nächsten Blockupy-Protesten Bestand haben wird, werden wir sehen…

Gerade hat sich ja ein damals von der Polizei angegriffener Reporter vor Gericht durchzusetzen vermocht … Die Gewalt gegen ihn war illegitim und nicht zu rechtfertigen, titeln die Medien. Das ist natürlich ein schöner Sieg der Rechtsstaatlichkeit – allerdings anderthalb Jahre zu spät und ohne wirkliche Konsequenzen in Bezug auf das, was bereits geschehen und durchgesetzt worden ist …

Thomas: Ja, und die Beweise waren auch erdrückend, deshalb konnte die Polizei schließlich gar nicht anders, als den Rechtsbruch auch zuzugeben. Viel erschreckender ist aber die Tatsache, dass der Richter – derselbe übrigens, der das oben angeführte Urteil zum Blockupy-Kessel gesprochen hat – die Klage des Journalisten in einem wesentlichen Punkt abgewiesen hat. Obwohl der Journalist verletzt auf einer Trage lag, wurde sein Rechtsanwalt von der Polizei nämlich daran gehindert, seinen Mandanten zu sprechen. Warum konnte oder wollte der Richter in dieser Tatsache keinen Rechtsbruch sehen?

Hannah: Das Urteil sehe ich dementsprechend auch nicht als wirklich durchschlagenden Erfolg an, der Richter hat in entscheidenden Punkten der Klage des Journalisten eben nicht stattgegeben – obwohl deren Legitimität offensichtlich war und ist. Ich denke insofern, die letzten Prozesse zeigen allesamt, dass wir uns nicht automatisch auf die „Rechtsstaatlichkeit“ hierzulande verlassen dürfen. Vielmehr sind wir uns der versuchten Repression gegen unsere Politik sehr bewusst. Hiergegen setzen wir ein buntes und durchsetzungsfähiges Bündnis und werden den 18. März auch und vor allem zu unserem Tag und nicht zu dem der politischen Eliten machen. Gegen Repression helfen eben nur … Entschlossenheit und Solidarität!

Ich bedanke mich für das Gespräch.


Hannah Eberle ist Aktivistin in der Interventionistischen Linken. Sie wohnt und lebt in Berlin. Dort hat sie gerade ihr erstes Studium in Kultur & Technik abgeschlossen und widmet sich nun den Vorbereitungen für die Aktionen rund um den 18 März.

Thomas Occupy ist politischer Aktivist und unter diesem Pseudonym seit Ende 2011 aktiv. Er ist bei Blockupy von Anfang an dabei und dort im Koordinierungskreis, der transnationalen Vernetzung sowie als einer der Pressesprecher aktiv. Neben medialen Aktivitäten auf Twitter ist er noch bei der Europäische Occupy Zentralbank (EOZB) und beim European Information-Human Rights Center (EIHRC) aktiv. Neben diversen politischen Publikationen war er auch am Attac-Buch „Blockupy – Europäischer Widerstand in der demokratiefreien Zone“ mit einem Beitrag beteiligt.


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