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Wichtige Debatten

Unter der Decke der neoliberalen Einheitspartei gärt es

So wird von einer Veranstaltung am 9. Mai an der Uni Münster berichtet, bei der Heiner Flassbeck in seinen bekannten Positionen sowohl von einem Vertreter der Deutschen Bank als auch von dem früheren sächsischen Ministerpäsidenten Georg Milbradt (CDU) unterstützt wurde und bei der, zum offensichtlichen Entsetzen der Moderatorin von der FAZ (Heike Göbel) auch Hans Tietmeyer zugestehen musste, dass die Anpassung der Wettbewerbsfähigkeit nicht nur einseitig von Seiten der Defizitländer erfolgen kann. Albrecht Müller.

Verkehrte Welt: Die einzige Partei mit einer vernünftigen Haltung zur Finanz- und Wirtschaftskrise wird gemobbt – Die Linke.

Die politische Entscheidungsfindung ist bei der entscheidenden Frage, was zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise zu tun ist, geprägt von Inkompetenz: Alle sollen sparen, auch wenn dieses in einer wirtschaftlich kritischen Situation als prozyklisches Sparen die Krise verschärft. Das hat am 7. Mai bei einer Expertenbefragung des Haushaltsausschuss zum Rettungsschirm ESM und zum Fiskalpakt auch das Mitglied des Sachverständigenrates Peter Bofinger einmal mehr bestätigt. (Schriftliche Stellungnahme siehe hier [PDF – 400 KB]) Prof. Bofinger sprach davon, mit ihrer bisherigen Strategie, die Krise über prozyklisch wirkende Sparprogramme zu lösen, habe die Bundesregierung „völligen Schiffbruch erlitten“. „Nicht zuletzt die dadurch entstandenen teilweise extrem hohen Arbeitslosenraten von jungen Menschen stellen eine große Gefahr für die politische Stabilität und zugleich für die Zustimmung der Bürger zur Europäischen Union dar“. Albrecht Müller.

Die Zukunft des Fiskalpakts liegt in den Händen der SPD

Angela Merkels Traum von einer Austeritätspolitik mit Ewigkeitsgarantie hat durch den Wahlerfolg François Hollandes erste Risse bekommen. Zwar ließe sich der Fiskalpakt, wenn es hart auf hart kommen sollte, auch ohne die Franzosen umsetzen. Der Widerstand Hollandes hat bereits die Kritiker in anderen Ländern aufhorchen lassen. Egal, ob es der deutschen Kanzlerin gefällt oder nicht – ohne eine Erweiterung des Fiskalpakts durch Wachstumsprogramme wird ihr Traum zerplatzen wie eine Seifenblase. Eine entscheidende Rolle bei den Verhandlungen spielt dabei die SPD. Nun wird sich zeigen, ob sie eine echte, inhaltliche Opposition betreiben oder doch nur der ewige Juniorpartner an Muttis Rockzipfel sein will. Von Jens Berger

Man sollte den Zynismus, die Menschenfeindlichkeit und die Macht der neoliberalen Clique nicht unterschätzen

Der Österreicher Robert Misik hat in seinem Blog über „Die Weisheit der griechischen und französischen Wähler“ hoffnungsvolle Worte von Paul Krugman zitiert und dann angemerkt, „die Protagonisten der neoliberalen Kamikaze-Politik“ würden „natürlich nicht so einfach abrücken von ihren Vodoo-Ideen von der ‚Genesung durch Leiden’, aber ab jetzt führen sie Rückzugsgefechte“. – Wenn man sich die Szene bei uns im Land anschaut einschließlich der Attacken auf die betreffenden Völker und ihre dort bei den Wahlen erfolgreichen Politiker, wenn man sich einige Medienereignisse wie Jauch am vergangenen Sonntag anschaut oder die medialen Orgien zur Feier der angeblichen deutschen Sparpolitik, dann merkt man leider nichts von Rückzugsgefechten. Man muss davon ausgehen, dass die Vertreter der neoliberalen Ideologie – und dazu gehören die maßgeblichen Politiker hierzulande -, zynisch an ihrer Ideologie festhalten und ihnen das Wohl und Wehe der betroffenen Menschen schnurz egal ist. Albrecht Müller.

Warten auf Niveau: Ein Kulturinfarkt und andere Gebrechen

Die Erregung in der Kulturszene steigt derzeit mit jeder Schlagzeile. Die Oper in Duisburg ist gefährdet. In Köln droht „erstmals seit 1943/44 die Absage einer kompletten Theatersaison“, so Kölns Opernintendant Uwe Eric Laufenberg. Die Oberbürgermeister von Düsseldorf und Bonn denken wechselweise über eine Kooperation ihrer Bühnen mit Köln nach und gefährden damit angeblich die „Identität“ ihrer Kulturmetropolen. In Berlin kämpft das Grips-Theater mehr denn je ums Überleben. Mit dem aktuellen Tarifabschluss für den Öffentlichen Dienst drohen eine Steigerung der Personalkosten und weitere Pleiten. Und dann gibt es auch noch dieses heiß diskutierte Buch, das dem subventionierten Kulturbetrieb einen „Infarkt“ voraussagt und das nach Meinung vieler Medien „die Debatte des Frühjahrs“ angestoßen haben soll. Von Wolfgang Hippe*

Interview mit James K. Galbraith 2/3

Die NachDenkSeiten hatten am Rande der INET-Konferenz in Berlin die Chance, mit dem amerikanischen Ökonomen James K. Galbraith zu sprechen. Im zweiten Teil des Gesprächs geht es um die Eurokrise und die Austeritätspolitik der EU. Das Gespräch führten Roger Strassburg (RS) und Jens Berger (JB).

Demographische Folgen der Eurokrise

Im Kielwasser der Eurokrise unterwirft sich die Staatengemeinschaft einer selbstmörderischen Sparpolitik. Bereits heute haben die Arbeitslosenzahlen südeuropäischer Staaten einen Wert erreicht, der an die schlimmsten Wirtschaftskrisen vergangener Zeiten erinnert. Dies wird zwangsläufig zu Migrationsbewegungen von der Peripherie ins Zentrum führen, die Europa zwar enger zusammenwachsen lassen, allerdings vor allem die Peripherie noch weiter schwächen. Wenn die europäische Politik diesem Trend nicht entgegensteuert, sondern ihn weiter verstärkt, könnten ganze Staaten vom gemeinsamen Wohlstand abgehängt werden. Von Jens Berger

EU-Vergleich der Arbeitskosten und Lohnnebenkosten für das Jahr 2011

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßig alle Jahre wieder diesen Vergleich der Arbeitskosten. Einerseits wird zwar damit die häufig von Arbeitgeberseite in Talkshows wiederholte Behauptung widerlegt, dass Deutschland die höchsten Arbeitskosten habe. Andererseits sei immer wieder darauf hingewiesen, dass der Vergleich der Arbeitskosten im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu kurz greift. Diesen Kosten muss vielmehr die Produktivität gegenüber gestellt werden, also die Beziehung des Lohnsatzes in absoluten Zahlen mit der Arbeitsproduktivität, d.h. die Lohnkosten je erbrachter Leistung. Wegen ihrer viel engeren Beziehung zur Preisbildung sind die Lohnstückkosten ein weitaus besserer Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit als das Arbeitskostenniveau.
Lesen Sie hier zunächst die Meldung des Statistischen Bundesamtes und danach einige Anmerkungen von Wolfgang Lieb und unseres Lesers G.K. sowie eine Meldung des IMK.

Funktioniert Politik wie Wikipedia?

Die Piratenpartei unterscheidet sich in ihrem Selbstverständnis von anderen Parteien, dass sie für sich in Anspruch nimmt, das Internet nicht nur als eine neue (Informations- und Kommunikations-) Technik zu verstehen, sondern als eine neue „Kulturtechnik“. Das Netz eröffne „neue Strukturen und Verfahren zur basisdemokratischer Entscheidungsfindung und Problemlösung“. (Joachim Paul) Alleinstellungmerkmal und Kernkompetenz der Piratenpartei sei, bereits bekanntes und verteiltes Wissen schneller als andere zu recherchieren, zu sammeln und zu durchdenken und in geeigneten Verfahren in die innerparteiliche Entscheidungsfindung zu integrieren, also z.B. mit Internetkonferenzen (Mumbles), Stimmenverleih an Experten oder mit neuen basisdemokratischen Abstimmungsverfahren („liquid Democracy“). Kann also Politik künftig gemacht werden, wie die das Erstellen der Enzyklopädie Wikipedia? Von Wolfgang Lieb.

Wellenreiter

DX0BGY war nur ein kleines Rädchen im gigantischen Getriebe der Finanzindustrie. Aber das Tageszertifikat ist gleichzeitig Sinnbild eines abgehobenen Kasinokapitalismus, der mit herkömmlichen Bankgeschäften nicht das Geringste mehr zu tun hat. Von Günter Wierichs.

Irreführende Darstellung der Entwicklung der Nettolöhne und Abzüge in Welt-dpa-Grafik: Absicht oder Irrtum?

Vor einigen Tagen machte eine Meldung und eine Grafik die Runde in den Medien: „Deutsche zahlen so viel an den Staat wie nie zuvor“. Dabei wurde einmal mehr die steigende Abgabenlast der Arbeitnehmer beklagt. Wie selbstverständlich wurden Steuern und Beiträge an die selbstverwalteten Sozialversicherungsträger (Rente, Krankenversicherung etc.) addiert und als Abgaben „an den Staat“ bezeichnet. Immerhin wurde dabei festgestellt, dass die Netto-Reallöhne in dem angeblichen „Boomjahr“ 2010 auf 2011 gesunken sind.
Paul M. Schröder vom „Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe“ (BIAJ) hat genauer hingesehen und herausgefunden, dass hinter der der Welt-dpa-Grafik eine absichtliche oder vielleicht auch nur irrtümliche Irreführung steckt: Es wurden preisbereinigter Löhne und nicht preisbereinigte Abgaben gegenüber gestellt. Daraus ergibt sich dann der stärkere Anstieg der Abgaben im Vergleich zu den Löhnen. Solche Irreführungen eignen sich natürlich trefflich um Stimmung für Steuersenkungen und die Senkung der sog. „Lohnnebenkoste“ zu machen. Wolfgang Lieb.

„Verrückt“ oder „böse“? Zum Prozessauftakt gegen Anders Behring Breivik

Amokläufe enden meist mit dem Tod des Amokläufers, der sich am Ende seines mörderischen Wütens selbst umbringt, von den Sicherheitskräften getötet wird oder sich von der Polizei umbringen lässt. Man hat es oft bedauert, dass man sie deswegen nicht vor Gericht stellen und der irdischen Form der Gerechtigkeit zuführen kann.
Wie schwer sich allerdings eine Gesellschaft mit einem überlebenden Amokläufer und der juristischen Wahrheitsfindung tun kann, ist seit Juli 2011 in Norwegen zu beobachten. Der Prozess gegen Anders Breivik wird am heutigen Montag beginnen und wir können gespannt sein, wie das Gericht in der umstrittenen Frage der Schuldfähigkeit entscheidet und wie es seine von Größen- und Allmachtsphantasien und paranoiden Projektionen durchtränkte Programmatik wertet: böse oder krank, Gefängnis oder Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt? Gespannt aber vor allem auch darauf, was der Prozess an wirklicher Aufklärung über die Hintergründe und Motive der Tat und für die Aufrechterhaltung des Zusammenhalts der norwegischen Gesellschaft leistet. Von Götz Eisenberg

Frank Überall: Wie Deutschland durch Korruption heruntergewirtschaftet wird

„Korruption geht uns alle an. Wir können jeden Tag Opfer solcher kriminellen Machenschaften werden. Bestechung ist nicht nur die abstrakte Bedrohung, die uns bei spektakulären Fällen in den Schlagzeilen begegnet. Dass Schmiergelder erwartet oder gezahlt werden, schadet uns allen: ob nun unser Kaffee teurer wird, ob der Ticketpreis für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Höhe getrieben wird oder ob wir über höhere Steuern überteuerte Bauprojekte mitfinanzieren müssen. Korruption wird in der Öffentlichkeit dennoch nur als vereinzelte Straftat wahrgenommen, ohne die Strukturen zu hinterfragen, die dazu führen.
Man gewinnt den Eindruck, öffentliche Kassen und anonyme Großunternehmen sind hierzulande zum Selbstbedienungsladen einer abgehobenen Klasse verkommen. Die Republik der Raffkes, so scheint es, stößt sich dabei den geschmierten Staat so zurecht, wie sie ihn braucht.“ Das schreibt Frank Überall in seinem neuen Buch mit dem Titel „Abgeschmiert“.
Auf den NachDenkSeiten beschäftigen wir uns regelmäßig mit „politischer Korruption“, Grund genug also, ein Gespräch mit dem Autor zu führen. Von Wolfgang Lieb.

AM’s Wochenrückblick/Anregungen zum Weitersagen betr. Fiskalpakt, Gysi-Rede, Saar- und NRW-Wahl

Heute komme ich mit der Bitte, einige Informationen und Texte weiterzugeben und die Links weiter zu mailen. Die Bitte folgt aus einer gewissen Not. Wir haben bei der Wahl im Saarland wie auch bei der gestrigen Bundestagsdebatte über den Fiskalpakt erlebt, dass die Vernunft hierzulande weit vor der Tür bleibt. Im Saarland wurde von der Union bewiesen, dass man mit dem Wahnsinn „Schuldenbremse“ Wahlen gewinnen kann. Es wurde damit zugleich bewiesen, dass sich die SPD mit der Juniorrolle zufrieden gibt und sich an der Spaltung der Linken abarbeitet. Gregor Gysi hat im Bundestag gestern die einzige inhaltlich vernünftige Rede gehalten. Ich rate dringend dazu, diese Rede über ihre E-Mail-Verteiler zu verbreiten, wenn Sie diese Rede auch für gut und wegweisend halten. Albrecht Müller.