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Wertedebatte

„Ramstein liegt auf deutschem Staatsgebiet“ Und: „BK und BMVg plädieren … dafür, Druck aus Parlament und Öffentlichkeit auszusitzen.“

Dieter Deiseroth

Dieter Deiseroth war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2015 Richter am Bundesverwaltungsgericht. Er publizierte immer wieder zu Fragen des Völkerrechts, insbesondere in Zusammenhang mit dem sogenannten „Krieg gegen den Terror“. Deiseroth ist Mitglied der internationalen Juristenvereinigung IALANA, die sich für ein weltweites Verbot von Atomwaffen einsetzt. Im Interview mit Paul Schreyer spricht er über die Verantwortung und die rechtlichen Pflichten der Bundesregierung in Bezug auf das US-Drohnenprogramm, die juristische Seite der US-Truppenstationierung in Deutschland, sowie die aktuellen Bestrebungen in der deutschen Politik, einen Bundeswehreinsatz im Innern als rechtlich unbedenklich zu definieren.

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Vom Schicksal der Verdammten

Laut Europol gelten allein in Europa mindestens 10.000 minderjährige Geflüchtete als vermisst. Diese Schätzung ist weiterhin sehr konservativ. Nach anfänglichen Randmeldungen liest und hört man mittlerweile jedoch nichts mehr davon. Sowohl die Medien als auch die Polit-Elite haben sich dazu entschlossen, dieses tiefgreifende Problem, welches die dunkelsten Seiten unserer Gesellschaft hervorbringt, zu verdrängen. Dabei muss man sich der Frage stellen, was mit all diesen Kindern passiert ist – und welchen kriminellen Machenschaften sie womöglich in die Hände geraten sind. Von Emran Feroz.

Video: Die Alternative

Die NachDenkSeiten sehen einen Schwerpunkt ihrer Arbeit darin, alternative Vorstellungen zu entwickeln. Die Kritik am neoliberalen Modell alleine reicht nicht. Deshalb hier ein Gespräch zwischen Anette Sorg und Albrecht Müller darüber, wie die Alternative zur neoliberalen Prägung unserer Gesellschaft aussehen könnte.


(Alternativ ist das Video auch via YouTube erreichbar.)

Gesinnungsethik. Die Regierenden drücken sich um die Verantwortung für die Gewalt. Und Medien und sogar sogenannte linke Abgeordnete decken sie.

Max Webers Unterscheidung zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik (siehe hier und hier ) hilft beim Versuch, die Debatte um Merkels Flüchtlingspolitik und um die grassierende und schreckliche Gewalt besser zu verstehen. Die Bundeskanzlerin bekannte sich zum „wir schaffen das“ des letzten Jahres; Sahra Wagenknecht hatte genau das kritisiert; daraufhin war eine Heerschar von PolitikernInnen und Medienvertretern über sie hergefallen. (Die NachDenkSeiten haben davon berichtet.) Die Kritiker sind sich vermutlich einig in einer hoch angesiedelten Gesinnung; sie öffnen die Arme für die vielen gepeinigten Menschen. Aber sie fliehen aus der konkreten Verantwortung und Medien betätigen sich als Fluchthelfer. Das bleibt zu erläutern. Albrecht Müller.

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Aus der Hüfte geschossen

Vor wenigen Tagen verletzte ein 17-jähriger, junger Mann mit einer Axt in einem Würzburger Regionalzug fünf mitreisende Passagiere so schwer, dass zwei von ihnen zurzeit noch in Lebensgefahr schweben. Spekulationen über einen IS-Hintergrund, den der Attentäter in einem zuvor selbst aufgenommenen Video herstellt, sind jedoch zunächst einmal mit Vorsicht zu genießen. Auch wenn sie hervorragend in die aktuelle, hochemotional aufgeladene Debatte über den Terrorismus im Allgemeinen und den IS-Terror im Speziellen passen würden. Denn auch die Herkunft des Attentäters ist, nach ersten Verlautbarungen Afghanistan, alles andere als sicher. Das vom Amokläufer gesprochene Paschtu wird zwar in Afghanistan, aber auch in Pakistan verwendet. Sprachexperten ordneten seine Aussprache allerdings dem pakistanischen Paschtu zu. So bleiben derzeit auch die Motive zu dieser Gewalttat im Vagen. Denn neben seinen im Video selbstverkündeten Motiven ist derzeit ebenfalls bekannt, dass vor einigen Tagen ein Freund des Attentäters in Afghanistan getötet worden sein soll. Von Lutz Hausstein[*].

Nizza: Der Gewaltakt eines Terroristen? Die Offiziellen hatten sofort diese Version parat. Und sie verleugnen sich als Quelle der Gewalt.

Sie können oder wollen sich nicht vorstellen, dass unsere von ihnen geprägte Gesellschaft krank machen kann. Oder sie brauchen den Terrorismus als Feind. Dass sie für diesen mitverantwortlich sind, leugnen sie. – Noch wissen wir nicht, ob der Täter von Nizza vom IS gesteuert ist. Aber der französische Präsident und seine Minister halten an dieser Version fest. Merkel und Premierministerin May haben die Version übernommen. Hollande rief zum Kampf gegen die Geißel des Terrorismus auf und meint damit auch Militäreinsätze. Also weiter so wie bisher. Albrecht Müller.

Strategie

Ein Gedicht von Wolfgang Bittner.

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Wer die Welt regiert

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Noam Chomsky

In seinem neuesten Werk findet Noam Chomsky, der zu den bedeutendsten Intellektuellen unseres Zeitalters gehört, deutliche Worte zum politischen Status Quo – zur letzten verbliebenen Weltmacht, den USA. Dabei wird ein weiteres Mal in gewohnt kritischer sowie ausführlicher Manier deutlich, in was für eine Schimäre sich das US-amerikanische Imperium im Laufe der letzten Jahrzehnte verwandelt hat. Von Emran Feroz.

Je suis heuchlerisch … warum zählen für uns nur „unsere“ Toten?

Jens Berger

Wenige Tage nach dem fürchterlichen Anschlag von Orlando, bei dem 49 Clubgänger aus der LGBT-Szene erschossen wurden, ist die Solidaritätswelle in den Medien und sozialen Netzwerken mal wieder auf ihrem Höhepunkt. Der Eiffelturm erstrahlt in den Regenbogenfarben der LGBT-Community, auf Facebook wird man von Profilfotos erschlagen, die von eben diesen Farben überdeckt werden. Vor wenigen Monaten wurde nach den Anschlägen von Paris das One World Trade Center in den französischen Nationalfarben illuminiert, die auch damals „unsere“ Facebook-Profile überdeckten, genau so wie der „Je suis Charlie“-Schriftzug im Jahr zuvor. Nein, was sind wir doch solidarisch! Komischerweise sind wir jedoch immer nur dann solidarisch, wenn die Opfer aus unserem Kulturkreis kommen. Opfer aus Afrika und Asien sind uns offenbar herzlich egal; vor allem dann, wenn ihre Mörder unsere gewählten Politiker sind. Wir sind nicht die Weltmeister der Solidarität, sondern die Weltmeister im Heucheln. Von Jens Berger.

Der Griff zur Notbremse

Alexander Gauland und Björn Höcke haben in den letzten Tagen Sätze und Parolen rausgehauen, an denen man veranschaulichen kann, worin das Erfolgsrezept des Rechtspopulismus besteht. Sie machen sich im Sinne des Psychohistorikers Lloyd deMause zu „Phantasie-Führern“ derer, die an Denk-, Wahrnehmungs- und Affektgewohnheiten und Vorstellungen von ethnischer Homogenität festhalten, über die die gesellschaftliche Entwicklung längst hinweggegangen ist. Merkel, die Gauland als „Kanzler-Diktatorin“ bezeichnet, wolle die deutsche Bevölkerung „ersetzen durch eine aus allen Teilen der Erde herbeigekommene Bevölkerung“. Sie betreibe eine Politik „der menschlichen Überflutung“, gegen die Widerstand geboten sei. Den an traditionelle Werte und Normen fixierten Menschen ist allzuviel fremd geworden in den letzten Jahrzehnten. Sie verstehen die Welt nicht mehr und denken sie sich einfach wieder zurecht. Das Eigene gegen das Fremde – so lautet die schlichte Parole von AfD und Pegida. Und damit gelingt es ihnen, den Unmut von Teilen der Bevölkerung aufzugreifen und zu bündeln. Von Götz Eisenberg[*].

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Deutsche Bank: Eine Parallelgesellschaft

Die Deutsche Bank sorgt mit dem höchsten Verlust ihrer Geschichte für Schlagzeilen. Folge auch eines zutiefst maroden Managementsystems. Während die Deutsche Bank einen historischen Verlust bekannt gibt (6,772 Milliarden Euro) und sich der Aktienkurs innerhalb eines Jahres halbiert, gibt sie gleichzeitig bekannt, dass Schulden im Wert von mehr als vier Milliarden Euro vorzeitig zurückgekauft werden sollen. Derweil setzt die Ratingagentur Standards & Poors die Deutsche Bank auf B+, in Anlegersprache eine “hochspekulative Anlage”. Von Manfred Lieb und Daniel Deimling von Makroskop

Merkel und Erdogan

Kanzlerin Merkel hat den türkischen Despoten Erdoğan zum Türsteher Europas gemacht – und muss jetzt mit ihm auskommen. Der türkische Präsident geht gegen kritische Journalisten und Politiker vor, lässt die Immunität eines Viertels aller Abgeordneten (vor allem Mitglieder der kurdischen HDP) aufheben, um im Parlament freie Bahn zu haben. Er führt Krieg gegen die Kurden und schleift die Unabhängigkeit der Justiz. Von Oskar Lafontaine.

Kollektiver Wahn zu Verspätungen der Bahn: Ein Musterbeispiel für die kuschelige Wirkung einer Vorurteilsgemeinschaft.

Albrecht Müller

Gerade liegen eine Reihe von Bahnfahrten hinter mir, kurze und lange, keine einzige Verspätung von Bedeutung. Als ich davon berichte, bildet sich sofort ein Zirkel von Verspätungsgeschädigten. Vermeintlichen. Ja, Verspätungen gibt es, aber so massiv? Und verglichen mit den Staus auf den Autobahnen? Wahrlich auszuhalten. Unsere Gesellschaft ist durchzogen von Vorurteilen. Ein solches zu pflegen ist ausgesprochen nützlich. Gruppenbildend. Man weiß, worüber man sich unterhalten kann. Man beklagt gemeinsam die Missstände. Oder man freut sich am gemeinsamen Wohlbefinden. Die kuschelige Wirkung einer Vorurteilsgemeinschaft! Das ist ein Phänomen und es ist von gesellschaftspolitischer Bedeutung. Die Verspätungen der Bahn sind nur ein harmloses Musterbeispiel. Albrecht Müller

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