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Innen- und Gesellschaftspolitik

Die Bundesregierung verursacht „Millionenschäden“

Nachdem die 4-tägigen Streikpläne der GDL am Donnerstag und Freitag letzter Woche durch zwei Instanzen der hessischen Arbeitsgerichtsbarkeit für rechtmäßig erklärt worden waren, hat die GDL ihre Arbeitsniederlegung als Zeichen der Deeskalation vorzeitig beendet. Zum Ende des Streiks erklärte der Vorsitzende der GDL, Claus Weselsky seine Bereitschaft, mit der deutschen Bahn AG und zeit- und ortsgleich wie die EVG, aber eigenständig, über den Abschluss eines Tarifvertrages für das gewerkschaftliche organisierte Betriebspersonal, zu verhandeln. Er warte nun auf eine entsprechende Einladung der Bahn AG. Damit wiederholt Weselsky offenbar einen Vorschlag, den er bereits am vergangenen Donnerstag vor dem Arbeitsgericht Frankfurt unterbreitet hatte, der jedoch von der Bahn AG abgelehnt wurde. Von Erik Jochem.

Leserbriefe zum Lokführerstreik und dem NDS-Eintrag vom 21.10.14

Auf unseren Eintrag kamen viele kritische Leserbriefe und einige zustimmende. Wenn mit dem Eintrag vom 21.10 der Eindruck entstanden ist, die NDS würden am Sinn von Streiks im Allgemeinen und dem Lokführerstreik im Besonderen zweifeln, dann tut mir das leid. Mit Recht weisen einige Leserbriefschreiber/innen darauf hin, dass sich eine solche Einstellung auch nicht mit unserer Dauerwerbung für höhere Löhne vertrüge. Albrecht Müller.

Der Weltpolizist – aggressiv und verlogen. Dazu drei interessante Dokumente.

Die Rede des amerikanischen Präsidenten vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen vom 25. September 2014 ist zu wenig beachtet worden. Sie ist sehr aufschlussreich: Sie offenbart die Strategie der USA. Nach der Methode ‚Haltet den Dieb‘ wird anderen unterstellt, was man selbst tut. Die Welt wird aufgeteilt in Gut und Böse. Böse sind die Russen und die Terroristen des IS. – Die Getriebenheit und Durchtriebenheit des amerikanischen Präsidenten erhellt das zweite Dokument. Es ist ein Beitrag von Robert Parry in Consortium News vom 3. Oktober. Es geht dabei um Syrien, u.a. um den Giftgas-Einsatz vom 21.8.13, den der Autor Rebellen zuschreibt und dies begründet, und um die von langer Hand und von Neocons geplante Destabilisierung Syriens auch mithilfe der Türkei. Das Dritte ist ein Plädoyer des früheren Außenministers und Ministerpräsidenten von Frankreich Dominique de Villepin, nach anderen als kriegerischen Wegen zur Lösung von Konflikten zu suchen. Alle drei Beiträge sind lesenswert. Albrecht Müller

Die Funktion des Feindes

Gespaltene und krisengeschüttelte Gesellschaften bedürfen eines äußeren Feindes, um sich zu einen und ein großes „Wir“ über den inneren Zerreißungen entstehen zu lassen. „Wer keinen Feind mehr hat, begegnet ihm im Spiegel“, hat Heiner Müller sarkastisch bemerkt. Und wer will das schon? Nach dem Untergang des „Ostblocks“ war die Position des Feindes eine Zeit lang vakant. Spätestens seit dem 11. September 2001 hat diese Funktion „der islamistische Terror“ übernommen. Sozialpsychologische Anmerkungen von Götz Eisenberg.

Gefangener des Imperiums – ein neuer Bericht von Professor Norman Birnbaum

Norman Birnbaum geht in diesem Text [PDF – 78 KB] (Original und deutsche Übersetzung) vom Kampf gegen ISIS aus. Mit Recht nennt er das eine „große US-Kampagne“. Sie dient wohl ganz besonders der innenpolitischen Stabilisierung. Norman Birnbaum beschreibt den Druck und die Befangenheit Obamas; besser spräche man von der Gefangenheit, und so hält es der Autor auch: „Obama, der in den Anfängen seiner Karriere in Deutschland und Europa so positiv gesehen wurde, ist Gefangener des Imperiums. In gewisser Weise ist er ein widerwilliger (und zunehmend müder) Gefangener.“ – Normans Mail zum lesenswerten Text und zu seiner Nutzung der Nachdenkseiten: “The main point, Albrecht, is that the President is indeed a prisoner of the apparatus .. and of course no Befreiungsschlag from Berlin or Bruxelles… I look forward to learning from Nachdenkseiten what I cannot learn from the German media, … regards Norman.”

Albrecht Müller.

“Ist Osama dein Onkel?” – Gedanken zum 11. September

Nun liegen die Anschläge vom 11. September 2001 dreizehn Jahre zurück. Abgesehen davon, dass mit diesem Ereignis die Kriege im vergangenen Jahrzehnt gerechtfertigt wurden, hat es auch in den Köpfen vieler Muslime ein Trauma bewirkt, das Außenstehende nur schwer nachvollziehen können. Ein Gastartikel von Emran Feroz.

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Die Bekämpfung des sogenannten „Islamischen Staates“ liegt allein in der Hand der betroffenen Staaten

Das ist ein Beitrag von Mohssen Massarrat. Wie zu erwarten hat dieser deutsch-iranische-Experte für internationale Beziehungen und den mittleren Osten eine andere als allgemein übliche Sicht der Dinge. Als Anstoß zum Nachdenken auf jeden Fall lesenswert. Das würde auch für den deutschen Außenminister, die Kanzlerin und den Innenminister gelten. Die enthaltenen Anmerkungen zu Israel und Palästina könnte man auch „ausgewogener“ formulieren. Dies richtig einzuordnen überlassen wir unseren Leserinnen und Lesern. Albrecht Müller

Wann ist der Mensch ein Mensch?

Der „Fall Mollath“ sorgte im letzten Jahr bundesweit für Aufsehen. Gustl Mollath war jahrelang als „irre“ klassifiziert und zwangspsychiatrisiert worden – bis klar wurde, dass seine angeblichen Wahnvorstellungen bezüglich Schwarzgeldtransfers bei der Hypo-Vereinsbank offenbar doch der Wahrheit entsprachen und das Bundesverfassungsgericht seine Freilassung verfügte. Die Geschehnisse um Mollath zeugen von beängstigenden Zuständen im Kontext der deutschen Psychiatrie.
Jens Wernicke sprach hierüber mit Stefan Baufeld. Der promovierte Jurist und vormalige Referent für Rechtspolitik der Linksfraktion im Hessischen Landtag vertritt als Anwalt Klienten, die dagegen kämpfen, wegen angeblicher psychischer Erkrankungen zwangsweise in eine psychiatrische Klinik eingewiesen oder unter Betreuung gestellt zu werden.

Last Exit Weltkulturerbe?

Sinkende Zuschauerzahlen beim Stadttheater, erfundene Institutionsgeschichte, prekäre Einkommen

Die Zuschauerzahlen der hiesigen Stadttheater sinken trotz anderslautender Erfolgsmeldungen seit Jahren. Das Einkommen der Mehrheit der dort beschäftigten Schauspieler ist prekär. Diskutiert wird darüber im Verborgenen schon länger. Jetzt soll die Musealisierung der „deutschen Theaterlandschaft“ das Theater hierzulande als „Weltkulturerbe“ retten. Von Wolfgang Hippe [*]

MH 17 und die Frage, wie viel ein Menschenleben wert ist

Gestern wurde nahe der ostukrainischen Stadt Donezk eine Boeing 777 der Malaysia Airlines abgeschossen. 295 Menschen fanden den Tod. Noch ist es zu früh, um über Hintergründe zu spekulieren – dafür ist die Nachrichtenlage viel zu unübersichtlich. Es mehren sich jedoch Anhaltspunkte, nach denen die Katastrophe vermeidbar gewesen wäre. Offenbar hat MH 17 das Kriegsgebiet direkt überflogen, um Kosten zu sparen. Und Malaysia Airlines ist dabei weiß Gott kein Einzelfall. Wenige Minuten vor dem Abschuss von MH 17, überflog auch eine Lufthansamaschine auf der Route München-Dehli die Region. Von Jens Berger

Der SPIEGEL des „fröhlichen Biedermeiers“

Die SPIEGEL-Titelgeschichte von dieser Woche „Wir sind wieder…wer?“ ist gleichsam ein Spiegelbild der Befindlichkeit der Spiegel-Redaktionslinie: Man nutzt die schwarz-rot-gold unterlegte nationale Fußballeuphorie, um das eigene Bild einer „entkrampften Nation“ zu malen, in der „fröhliches Biedermeier, kühler Nationalismus, egoistische Schonhaltung“ herrsche.
„Egoistisch“ sei die „Schonhaltung“, die eigenen Soldaten zu schonen. So wird die mangelnde Unterstützung für Gaucks (Steinmeiers und von der Leyens) Forderung nach einem stärkeren (militärischen) Engagement in der Welt durch die Deutschen kritisiert. Innenpolitisch seien die Deutschen „weitgehend saturiert“, sie würden von der Großen Koalition „gepampert“. Nur Außenpolitisch fehle ihnen die Orientierung, hier fehle ein Bundestrainer der eine klare Linie findet.
Der „szenische Essay über Deutschland“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich der SPIEGEL selbst zum „fröhlichen Biedermeier“ degradiert hat. „Wir“ als Fußball-Weltmeister müssten nur noch in der Außenpolitik unsere eigenen Soldaten nicht mehr schonen. Von Wolfgang Lieb.

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Welche Konsequenzen muss die Justiz aus dem Fall Mollath ziehen?

Fehlurteile begleiten die Strafprozesswirklichkeit seit jeher. Für die zu Unrecht Verurteilten sind Fehlurteile der persönliche Super-GAU. Um diese nach Möglichkeit zu vermeiden, sollte der Rechtsstaat Instrumentarien vorhalten, welche geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit solcher Fehlurteile auf ein unvermeidliches Minimum zu reduzieren. Denn gänzlich werden Fehlurteile – solange Menschen mit ihrer Fehlbarkeit in Prozessen richten – nie zu vermeiden sein. Von Jan Bockemühl[*]

Armut und ihre verschiedenen Gesichter

Dass sich Armut auch in Deutschland immer mehr breit macht, können auch konservative Kreise inzwischen nicht mehr länger leugnen. Dennoch wird dieser Fakt immer wieder relativiert und kleingeredet. So wird dann argumentiert, dass in Deutschland ja kein Mensch hungern müsse, nur weil er arm sei. Den Armen ginge es im Vergleich zu anderen Ländern noch sehr gut, denn „unsere“ Armen seien ja nur „relativ arm“. Gelegentlich wird auch ein Vergleich zu früheren Zeiten gezogen: Menschen vor 50 Jahren hätten vor Freude in die Hände geklatscht, wenn sie all das gehabt hätten, was Arme in Deutschland heutzutage trotz ihrer Armut haben. Doch was ist dran an dieser These, dass Arme in Deutschland nur „gefühlt arm“ seien, sie sich quasi nur keinen Luxus leisten könnten? Bedeutet Armut hierzulande, ein bescheidenes, aber immer noch gutes Leben führen zu können? von Lutz Hausstein [*]

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Ein privater Blick auf die Folgen der Privatisierung von Wohnungsbeständen in öffentlichem Eigentum

Kurz nachdem die Wohnungen im Besitz der Stadt Dresden 2006 privatisiert worden waren und bei der Gagfah landeten, hatte ich ein Telefongespräch mit einem SPD-Wohnungspolitiker, den ich früher sehr schätzte und deshalb auf die Privatisierung der großen Wohnungsbestände Dresdens und ähnlich gelagerter Fälle ansprach. Er fand – für mich überraschend – den Verkauf der städtischen Wohnungen richtig, unter anderem weil Unternehmen wie die Gagfah bessere Konditionen bei der Finanzierung auf den Weltfinanzmärkten herausschlagen könnten als die öffentliche Hand. Ich staunte über dieses Argument. Außerdem musste jeder Kundige wissen, dass die neuen privaten Investoren ihre Rentabilität vor allem auf dem Rücken der Mieter erreichen. – Jetzt erreichte uns der Bericht einer Mieterin der Gagfah Group. Er ist anschaulich und typisch für ähnlich gelagerte Fälle. Deshalb geben wir ihn wieder. Albrecht Müller.

Öffentlichkeitsarbeiter als verantwortlicher Politiker – das scheint auf Fehlbesetzung angelegt. Beispiel Albig und seine Sonderabgabe für die Straßensanierung.

Der heutige Ministerpräsident Albig war 1999-2001 Sprecher des damaligen Bundesfinanzministers Eichel und hat dabei mitgeholfen, diesen zum „Sparkommissar“ hoch zu jubeln. In dieser Zeit wurde auch eine milliardenschwere Steuersenkung für hohe Einkommen und Vermögen geplant und umgesetzt. – Später war Albig dann für die Öffentlichkeitsarbeit von Bundesfinanzminister Steinbrück tätig, als dieser eine „harte Schuldenbremse“ forderte und durchsetzte. Albig wirkte mit, die beiden Politiker Eichel und Steinbrück populär zu machen und gleichzeitig die Staatsfinanzen in den Keller zu fahren. Heute haben wir den Salat: Schlaglöcher und auch ansonsten eine marode Infrastruktur. Und wieder fällt dem mit verantwortlichen Albig nicht die sachlich richtige Lösung, sondern ein abstruser Vorschlag ein: die Sonderabgabe für alle Autofahrer. Hier und hier. Albrecht Müller.

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