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Medien und Medienanalyse

Vierte Gewalt: Deutschland verhaftet Al-Jazeera

Am Samstag, 20. Juni, wird Al-Jazeera Starjournalist Ahmed Mansour auf dem Flughafen in Tegel kurz vor seinem Abflug nach Doha verhaftet. Ihm werden Rechtsbrüche in Ägypten vorgeworfen, es liegt ein Auslieferungsantrag für den Moderator der politischen Talk-Sendung im gesamten arabischen Raum schlechthin „Bila Hoodod“ (Ohne Grenzen) vor. Dr. Sabine Schiffer war 2010 in seiner Sendung zu Gast, als sie wegen Interviewäußerungen im Mordfall Marwa El-Sherbiny juristisch verfolgt wurde. Obwohl sie inzwischen Kritik an der Entwicklung des katarischen Staatssenders Al-Jazeera übt, nimmt sie für die Presse- und Meinungsfreiheit Stellung und lobt sogar die deutschen Medien, die in dieser Sache ihre Rolle als Vierte Gewalt wahrnehmen. Von Sabine Schiffer[*].

Es reicht! – Die Grexit-Kampagne der Bild-Zeitung

„Frau Bundeskanzlerin, diese Rede wollen wir von Ihnen hören“ unter dieser Überschrift veröffentlichte die Bild-Zeitung gestern einen Entwurf einer Regierungserklärung für Angela Merkel. Bild schreibt der Kanzlerin darin vor, was sie sagen müsste. Die klare Botschaft an die griechische Regierung lautet: „Es reicht!“. In diesem Beitrag finden sich geballt die Behauptungen, Halbwahrheiten und Lügen mit der die Bild-Zeitung seit Jahren gegen „die Griechen“ und zuletzt vor allem gegen die neue griechische Regierung hetzte. Wir haben Niels Kadritzke gebeten, diese Behauptungen einmal unter die Lupe zu nehmen.

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Journalismus der schlimmsten Sorte – Glenn Greenwald analysiert den Snowden-Bericht der Sunday Times (deutsche Übersetzung)

Wir hatten bereits in den Hinweisen des Tages darauf aufmerksam gemacht, wie aktuell in den Medien angefangen von Sunday Times über Bild bis zu FAZ und Tagesschau ein neuer Anlauf genommen wird, Edward Snowden zu diskreditieren. Warum das ausgerechnet jetzt geschieht und was von den Anschuldigungen zu halten ist, dazu hat Glenn Greenwald in einem Beitrag auf “The Intercept” Stellung genommen. Carsten Weikamp hat den Artikel für uns aus dem Englischen übersetzt. Albrecht Müller.

Die taz und ihre doppelten Standards

Wenn Dominic Johnson, Ressortleiter „Ausland“ bei der taz, sich so richtig aufregt, ahnt man als regelmäßiger Leser der Tageszeitung bereits, dass es nun peinlich wird. So auch gestern, als Johnson in seiner gewohnt arroganten „Weißer-Mann-Überheblichkeit“ scharf gegen Südafrika und den dort regierenden ANC austeilte. Wie meist, wenn Johnson sich echauffiert, geht es dabei um Menschenrechte im Allgemeinen und die Verletzung von Menschenrechten durch Staaten, denen der Westen nicht wohlgesonnen ist, im Speziellen. Dabei vergisst er jedoch, dass die südafrikanische Diplomatie auch in Deutschland zum „guten Ton“ gehört und ein kritisches Hinterfragen der internationalen Strafgerichtsbarkeit sucht man in der taz ohnehin vergebens. Von Jens Berger.

Vortrags- und Diskussionsveranstaltung: Wie und Wo die Medien versagen und ihre „Wächterrolle“ in der Demokratie nicht mehr erfüllen

Referent: Dr. Wolfgang Lieb / Köln
Montag, den 15.Juni 2015, Beginn: 19.00 Uhr
Veranstaltungsort: Auslandsgesellschaft Dortmund, Steinstr. 48 (Nordausgang Hbf., neben Cinestar)

Statt Vielfalt als Voraussetzung vernünftiger politischer Entscheidungsprozesse, ist die Einfalt zur Durchsetzung einseitiger wirtschaftlicher Interessen zur herrschenden Meinung geworden.

Panorama hat die Chance zu einer sachlichen Behandlung der Kritik an Medien und auch die Chance zur Selbstkritik verpasst

Gestern befasste sich Panorama mit der Kritik an den Medien. Titel der Sendung: ‚”Lügenpresse”: Gesprächsversuch mit Kritikern‘. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, differenziert mit dem Thema umzugehen. Das war es nur zum Teil. Leider war auch diese Sendung versehen mit Tricks der Gegenpropaganda und über die Maßen selbstgerecht. Letzteres wurde besonders sichtbar an den mehrmals eingeblendeten Stellungnahmen des Chefredakteurs von ARD aktuell, also auch von Tagesschau, Dr. Kai Gniffke. Dieser Mann besaß die Chuzpe, drei Tage nach der von der Tagesschau verbreiteten ungeprüften Behauptung, die Recherchegruppe Bellingcat habe nachgewiesen, dass die russische Regierung Fotos zur Absturzursache von MH-17 manipuliert habe, jede Kritik an der Tagesschau vom Tisch zu wischen. Wenn Sie also die Qualität der Panorama-Sendung prüfen wollen, dann schauen Sie sich nacheinander die Panorama Sendung und dann den Bericht über MH 17-Absturz vom 1. Juni an. Von Albrecht Müller

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Sanktionen der „Guten“ sind gut, Sanktionen der „Bösen“ sind schlecht. So einfach ist das.

Es soll ja Menschen geben, die nach Belegen dafür suchen, dass die deutschen Medien in ihrer Mehrheit unkritisch und einseitig sind. Ich fände es ja auch rundum schön, wenn die NachDenkSeiten überflüssig wären. Aber die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Medien, die vor einem Jahr an den westlichen Sanktionen nichts auszusetzen hatten, empören sich jetzt über die russische Retourkutsche. Einer unserer NachDenkSeiten-Leser hat zwei Beispiele dafür hintereinander gereiht – zunächst einen Bericht der Augsburger Allgemeinen vom 26. Juli 2014 über die europäischen Sanktionen gegen Russland und dann einen zustimmenden Bericht von Spiegel Online vom 30. Mai 2015 zur westlichen Empörung über die russischen Sanktionen. Die beiden Artikel sind als Anlage am Ende dieses Textes angehängt. – Wie kommt es, dass sogenannte freiheitliche Medien so vergleichsweise gleichgeschaltet reagieren? Wie kommt es, dass sie so einseitig berichten und kommentieren? Albrecht Müller.

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Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Was braucht der Mensch? 1/2

Der Paritätische Wohlfahrtsverband beschrieb und dokumentierte vor wenigen Wochen in seinem neuen Armutsbericht eine Entwicklung, die auch in Deutschland weiter ungebremst voranschreitet: die Zunahme von Armut. Aktuell leben hierzulande 12,5 Mio. Menschen in Armut. Im Bundesländer-“Ranking“ hält Bremen die traurige Spitzenposition – dort ist jeder vierte Einwohner von Armut betroffen. In insgesamt 13 der 16 Bundesländer ist die Armut angestiegen. Armut wird alltäglich in Deutschland. Von Lutz Hausstein [*]

Wer bedroht die Pressefreiheit in Deutschland?

Am 29. April 2015 fand in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt in Berlin ein Podium anlässlich des Tags der Pressefreiheit am 3. Mai statt. Die Veranstalter waren neben Reporter ohne Grenzen auch der Bund Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger sowie die Deutsche Journalistenunion in Ver.di (DJU) und der Deutsche Journalistenverband (DJV). Unter dem suggestiven Titel „Wieviel Medienschelte verträgt die Pressefreiheit?“ versammelten sich auf dem Podium Prof. Bernhard Pörksen (Medienwissenschaftler an der Universität Tübingen), Alice Bota (Redakteurin Die Zeit), Andrea Röpke (Politologin und Fachjournalistin) und der Medienjournalist Stefan Niggemeier unter der Ägide der Moderatorin Dagmar Engel, Chefredakteurin der Deutschen Welle. Ein Kommentar von Sabine Schiffer[*].

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Wie in Hamburger Medien durch fragwürdige Heldenverehrung das Leid von NS-Opfern und deren Nachkommen 70 Jahre nach der Befreiung verdrängt wird.

In der Hamburger Medienwelt wurde des 70. Jahrestages der Befreiung vor allem mit einer Heldengeschichte zur „Kapitulation“ gedacht. Im Mittelpunkt steht ein „Dokumentarspiel“, verantwortet vom öffentlich-rechtlichen Sender NDR: „Unsere Geschichte – Hamburg 1945. Wie die Stadt gerettet wurde“, ausgestrahlt am 23. April 2015 (N3). Grundlage war eine Auftragsarbeit der Hamburger Handelskammer über „Hanseaten unter dem Hakenkreuz“. Im Vorfeld und danach stiegen fast alle regionalen Medien ein, vor allem auf die in Film und Buch ausgebreiteten Heldentaten des damaligen Direktors der Phoenix Gummiwerke, Albert Schäfer. Die Autorin Brigitta Huhnke forscht und unterrichtet seit vielen Jahren über Erinnerung, Gedenken und Leugnen nach der NS-Zeit. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sie sich auch mit Albert Schäfer. Dieser war aktiv in das NS-System verstrickt. Für die kriegswichtige Phoenix befehligte er mehrere Zwangsarbeiterlager. Doch davon ist weder im Film noch in der Hamburger Presse die Rede. Von Brigitta Huhnke

Gianis Weselsky? Ja geht´s noch?

SPIEGEL Online macht seinem Ruf mal wieder alle Ehre. In einem höhnischen Kommentar drischt der Leiter des SPON-Wirtschaftsressorts Sven Böll ordentlich auf die zwei Lieblingsfeinde der deutschen Medien ein – den Gewerkschaftschef Claus Weselsky und den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis; irrlichternde Wahnsinnige seien sie. Besonders dreist ist dabei, dass Böll die Positionen und Forderungen seiner beiden publizistischen Opfer hinterlistig als notwendigen demokratischen Widerstand gegen den politischen Stillstand in Deutschland preist und diesen Widerstand dabei sehr geschickt diskreditiert. Von Jens Berger

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“Newtopia” auf Sat.1: Die neoliberale Normalität ist der Skandal

Die Sat.1-Sendung “Newtopia” will neue Maßstäbe setzen: Fünfzehn Menschen zusammengeworfen, (fast) im Nirgendwo, ohne Regeln, ohne Hierarchien. Die Zuschauer sollen das Entstehen geradezu einer “neuen Gesellschaft” beobachten können. Ein Eingreifen von außen werde es nicht geben. Vor etwa einer Woche aber wurde durch ein peinliches Versehen bekannt, dass die Produktionsfirma und der Sender dieses Versprechen nicht einhalten. Viele Zuschauer und Medien sprechen von einem Skandal – von “Faketopia”. Der eigentliche Skandal aber ist ein anderer: Durch Sendungen wie “Newtopia” wird subtil neoliberale Ideologie als normal und richtig vermittelt, wie Patrick Schreiner[*] im Folgenden beschreibt.

Traue keiner Grafik…

Heute wurde der Bericht des schwedischen Forschungsinstituts SIPRI über die weltweiten Rüstungsausgaben im Jahr 2014 veröffentlicht. Das war Anlass zur Berichterstattung in den Medien. Grafiken sind bekanntlich am besten geeignet, abstrakte Zahlen in ein leicht fassbares Bild zu fassen. Schaut man sich die Auswahl der Grafiken an, dann kann man zeigen, wie mit solchen bildlichen Darstellungen Eindrücke und damit Meinungen beeinflusst oder gar manipuliert werden können.
Von Wolfgang Lieb.

Mangelnde Sachkenntnis und Primitivität des Denkens sind vermutlich wichtige Ursachen für das Versagen der sogenannten Qualitätsmedien

Ein Leser der NachDenkSeiten machte uns auf eine Serie von sonderbaren und hochmanipulativen Beiträgen des WDR aufmerksam. Ein Beispiel von mehreren: Heute früh im Morgenecho kam der CDU Europa-Abgeordnete Elmar Brok zu Wort, unwidersprochen mit dieser Aussage: “Eine wirkliche Perspektive für Griechenland [ist es nur], wenn sie die Reformmaßnahmen machen, die sie wieder wettbewerbsfähig machen, damit sie ein normales westliches Lebensniveau für dieses Land wiederherstellen können.“ Hier wird wie bei einigen 1000 anderen Medienereignissen der Wirkungszusammenhang von Reformen der neokonservativen Art mit wirtschaftlichem Erfolg propagiert. Der angebliche Zusammenhang wird wie eine Blackbox in die Argumentationsketten eingebaut. Und die Medien widersprechen nicht, obwohl es viele Gründe gibt, diesen Wirkungszusammenhang infrage zu stellen. Auf das gleiche Phänomen des Nichtwissens oder Nicht-wissen-wollens und zugleich einer primitiven weil undifferenzierten und monokausalen Betrachtung von Wirkungszusammenhängen treffen wir bei anderen Sachfragen. Albrecht Müller.

Kann „Gegen-Propaganda“ aufklären?

Eines der wichtigen Ziele der NachDenkSeiten ist der Aufbau einer kritischen Gegenöffentlichkeit, als demokratische Gegenmacht zur derzeitigen „Vermachtung der Öffentlichkeit“ (Jürgen Habermas) durch wirtschaftlich mächtige Akteure, durch Regierungen, Parteien und Verbände und vor allem auch durch die wenigen oligopolistischen Medienunternehmen. Heißt das auch, dass wir der allenthalben verbreiteten Propaganda mit Gegen-Propaganda entgegentreten wollen? Von Wolfgang Lieb.