Bundesregierung „ausdrücklich“ dagegen, die ukrainische OUN-B und Bandera als „antisemitisch“ zu bezeichnen

Bundesregierung „ausdrücklich“ dagegen, die ukrainische OUN-B und Bandera als „antisemitisch“ zu bezeichnen

Bundesregierung „ausdrücklich“ dagegen, die ukrainische OUN-B und Bandera als „antisemitisch“ zu bezeichnen

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

In der Bundesregierung greift ein haarsträubender Geschichtsrevisionismus um sich. Diesen Eindruck erweckt jedenfalls die aktuelle Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion zum Thema „Rechtsextreme Ausprägungen der ukrainischen Geschichtspolitik“. Das Auswärtige Amt erklärt dort, man mache sich die Bewertung „bestimmter historischer Gruppierungen“ als rechtsextrem oder antisemitisch „ausdrücklich nicht zu eigen.“ Dies erfolgt in Reaktion auf Zitate aus dem Jahrbuch für Antisemitismusforschung sowie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur geschichtswissenschaftlichen Bewertung der mit dem NS-Regime kollaborierenden und für die Ermordung abertausender Juden, Polen und Roma verantwortlichen ukrainischen Gruppierungen wie OUN-B und UPA. Die NDS wollten auf der Bundespressekonferenz wissen, auf welchen neuen Erkenntnissen diese regierungsamtlichen Aussagen beruhen. Von Florian Warweg.

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„Die Bundesregierung macht sich die in der Vorbemerkung und den Fragestellungen enthaltenen rechtlichen Wertungen und Tatsachenbehauptungen, insbesondere hinsichtlich der pauschalen Einordnung bestimmter (historischer) Gruppierungen oder Personen als rechtsextrem, antisemitisch, antiziganistisch oder sonst rassistisch, ausdrücklich nicht zu eigen.“

So lautet im gesamten Wortlaut die Darlegung der Bundesregierung bereits in ihrer Vorbemerkung zur Beantwortung der zitierten Kleinen Anfrage (Bundesdrucksache 20/8177), initiiert von der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen.

Diese Antwort der Bundesregierung hinsichtlich der historischen Einschätzung von Organisationen wie der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B) unter der Führung des fanatischen Antisemiten Stepan Bandera muss man sich in seiner Gesamtimplikation wirklich bewusst machen. Die OUN-B-Milizen waren unter anderem maßgeblich an den anti-jüdischen Pogromen ab Juli 1941 beteiligt, mit Abertausenden von bestialisch Ermordeten, und pflegten ebenso nachweislich einen offen antisemitischen und faschistischen Diskurs. Und die Bundesregierung erklärt vor diesem Hintergrund, nun ja, die Bezeichnung als „antisemitisch“ oder „rassistisch“ für so ein Agieren will man sich „ausdrücklich nicht zu eigen“ machen.

Um das mal konkret zu machen: In der Anfrage heißt es unter anderem mit Bezugnahme auf das Jahrbuch für Antisemitismusforschung:

„Bei der OUN handelt es sich um eine autoritäre, faschistische Bewegung, die sich an deutschen, kroatischen und italienischen Faschisten orientierte. „Die Führer der OUN sahen ihre Organisation auf gleicher Ebene mit solchen europäischen faschistischen Bewegungen wie den Nationalsozialisten, den italienischen Faschisten oder der Ustaša (vgl. Jahrbuch für Antisemitismusforschung 2014).“

Weiter heißt es dann in der Anfrage mit Verweis auf eine Zusammenstellung zum aktuellen Forschungsstand der Wissenschaftliche Dienste des Bundestages:

„So fassen die Wissenschaftlichen Dienste zusammen, es sei im Allgemeinen unbestritten, „dass Angehörige der OUN und UPA mit den deutschen Besatzern zusammengearbeitet haben und einen Beitrag zur Vernichtung der Juden und der Ermordung von Polen und Roma geleistet haben.“

Auf solche Vorbemerkungen und Quellenverweise (wohlgemerkt Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages und Jahrbuch für Antisemitismusforschung) reagiert dann das Auswärtige Amt, welches im Namen der Bundesregierung entsprechend in der „Vorbemerkung“ antwortet und auf diese dann bei ihren weiteren Antworten immer wieder Bezug nimmt. Exemplarisch zeigt sich das dann so:

Frage:

„Ist sich die Bundesregierung des Umstandes bewusst, dass die OUN unter Führung Banderas einen „Säuberungsauftrag“ an ihre militärischen Einheiten erteilte, in dem die „Liquidierung unerwünschter polnischer, moskowitischer und jüdischer Aktivisten“ erlaubt wurde und zudem vorgesehen war, Juden „beim kleinsten Verschulden“ zu liquidieren und wenn ja, inwiefern hält es die Bundesregierung für geboten, affirmative Darstellungen der OUN oder ihrer Protagonisten aktiv entgegenzutreten, weil antisemitische Bestrebungen als Lehre aus der deutschen Geschichte nirgends unwidersprochen hingenommen werden dürfen, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?“

Und was antwortet die Bundesregierung darauf?

„Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen.“

Die gleiche Antwort gibt es auch auf die Frage:

„Welche Position vertritt die Bundesregierung im Dialog mit der ukrainischen Regierung hinsichtlich des Umgangs mit OUN, UPA und der Waffen-SS-Division Galizien?“

Angesichts dieses offen kommunizierten Geschichtsrevisionismus wollten die NachDenkSeiten auf der Bundespressekonferenz von der Vertreterin des Auswärtigen Amtes, Kathrin Deschauer, wissen, auf welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen sich das Ministerium in seiner Antwort „ausdrücklich“ gegen die Einschätzung des Jahrbuchs für Antisemitismusforschung, der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages sowie auch zahlreiche Veröffentlichungen der Bundeszentrale für politische Bildung wendet, die die OUN-B unter Bandera und deren militärischen Flügel mit Verweis auf die historische Forschung als eindeutig antisemitisch und rassistisch bewerten:

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