Verflochtene Geschichten. Stepan Bandera, der ukrainische Nationalismus und der transnationale Faschismus

Verflochtene Geschichten. Stepan Bandera, der ukrainische Nationalismus und der transnationale Faschismus

Verflochtene Geschichten. Stepan Bandera, der ukrainische Nationalismus und der transnationale Faschismus

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Am 13.10.2017 erschien dieser historisch interessante Artikel, verfasst von Grzegorz Rossoliński-Liebe. Die Bundeszentrale für Politische Bildung hatte ihn veröffentlicht. Siehe hier: (Anti-)Faschismus Verflochtene Geschichten bpb.de. Albrecht Müller. Und so beginnt der Text…

Deutungen des Ukraine-Konflikts als Kampf um nationale Selbstbestimmung beziehungsweise Faschismus haben auch eine geschichtspolitische Dimension. Die Instrumentalisierung der dafür zentralen Figur Stepan Bandera verdeckt die komplexen Ergebnisse der historischen Forschung.

Stepan Bandera gehörte lange zu jenen Akteuren der Geschichte, die vielen zwar dem Namen nach bekannt sind, von deren Leben und Handeln aber kaum jemand etwas Genaueres weiß. Während des Kalten Kriegs war er in westlichen Ländern bei vielen antisowjetischen Aufmärschen auf Transparenten präsent. Zugleich war er ein wichtiger Bestandteil der antiwestlichen sowjetischen Propaganda. Da seine Vita und die Geschichte seiner Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) nicht erforscht waren, konnte man auf ihn verschiedene Ideen projizieren und ihn als ein Symbol sowohl des nationalen Freiheitskampfes als auch des mörderischen Nationalismus benutzen.

Die ersten kritischen und komplexen Studien, die Bandera im Kontext der transnationalen Faschismusforschung untersuchten, stießen auf aggressive Ablehnung und Kritik. Sie wurden von politischen Aktivisten angegriffen, deren Weltbilder dadurch hinterfragt wurden, und von Historikern abgewiesen, die ihre Publikationen, Positionen oder Interpretationen verteidigen wollten. Dabei ist die Faschismusforschung neben der Geschichte des Holocaust und der Sowjetunion von zentraler Bedeutung, um Banderas Leben, den Kult um ihn sowie die Geschichte der Organisation Ukrainischer Nationalisten zu verstehen. Eine kritische Erforschung der OUN ist wiederum wichtig, um eine komplexe Geschichte der Ukraine schreiben zu können und den Faschismus in Ostmitteleuropa in seiner transnationalen Dimension zu rekonstruieren. Auf der politischen Ebene birgt die Marginalisierung, Ignorierung oder Leugnung einer kritischen Bandera-Forschung Gefahren, wie in den vergangenen Jahren unter anderem an der Radikalisierung und Destabilisierung der Ukraine deutlich wurde.

bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/257664/verflochtene-geschichten/?p=all