Die deutsche Russlandpolitik ist an ihrer Realitätsverweigerung zerschellt

Die deutsche Russlandpolitik ist an ihrer Realitätsverweigerung zerschellt

Die deutsche Russlandpolitik ist an ihrer Realitätsverweigerung zerschellt

Ein Artikel von Marcus Klöckner

„Es ist immer gut, wenn über die Beendigung von Kriegen gesprochen wird“, sagte Johann Wadephul im Hinblick auf den Ukraine-Krieg im „heute journal“. Das ist ein Satz, wie ihn jeder Grundschüler hätte formulieren können. Die Aussage dokumentiert den Qualitätsverfall im Auswärtigen Amt und in der Konsequenz: der deutschen Diplomatie. Einer deutschen Russlandpolitik, die an ihrer eigenen Realitätsverweigerung zerschellt ist, bleibt nur noch die Flucht in die Banalität. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Während der Krieg in der Ukraine Opfer im Millionenbereich gefordert hat, führt sich die deutsche Außenpolitik selbst vor – und merkt es nicht einmal. Dampfplauderei anstelle diplomatischer Brillanz? Johann Wadephul zeigt, wie das geht. „Es ist immer gut, wenn über die Beendigung von Kriegen gesprochen wird“, sagte Wadephul und zeigte damit: Diese Außenpolitik der Bundesrepublik in Sachen Ukraine-Krieg hat außer Phrasendrescherei nichts zu bieten. Vom Beginn des Krieges an hat sie sich selbst beschnitten. Das Wissen, das Können, die Reputation, die im Auswärtigen Amt verwurzelt war: mit Ansage herausgerissen und sich einer eiskalten transatlantischen Machtpolitik untergeordnet. Und jetzt, nach über drei Jahren Krieg, wo es – zumindest vordergründig – nach Schritten zum Frieden aussieht, bemüht Wadephul die pure Banalität.

Das Tragische an dem Auftritt ist: Weder Wadephul selbst noch das Auswärtige Amt noch die Bundesregierung scheinen zu erkennen, mit welch minimalistischer Intelligenz die gegenwärtige Russlandpolitik ausgestattet ist. Das Auftreten Wadephuls ähnelt dem eines uralten, unter Realitätsverlust leidenden Boxers, der längst seinen Zenit überschritten hat und nur noch in völliger Selbstüberschätzung durch den Ring torkelt. Die Zuschauer, der Ringrichter, die Gegner – alle wünschen sich: Möge er doch sofort aufhören. Doch Wadephul steht ja nicht im Ring. Er ist kein Boxer und kämpft nicht. Seine Aufgabe besteht lediglich darin, in einer Situation, die doch längst so klar ist, wie es klarer nicht geht, die richtige Politik zu veranschlagen. Die richtige Politik, das wäre: Vollbremsung! So schnell es nur geht einsehen, dass Deutschland sich in einen Stellvertreterkrieg hat verwickeln lassen; dass Deutschland auf Kosten der Steuerzahler US-amerikanische Tiefenpolitik bedient; dass die Politik der Konfrontation zu Russland gescheitert ist; dass Waffenlieferungen falsch sind und echte Diplomatie nötig ist.

Wäre das erkannt worden: Die richtigen Worte, ausgefüllt mit einer inhaltlichen Dichte, die der Reputation des Auswärtigen Amtes gerecht würde, sie kämen von allein über die Lippen. Aber diese Ignoranz, diese Verbohrtheit, dieses Nicht-wissen-Wollen, diese Starrköpfigkeit, diese feste Überzeugung, der Öffentlichkeit den größten politischen Schwachsinn auftischen zu können, sind seit Langem Kennzeichen der deutschen Politik. Der Auftritt Wadephuls zeigt: Die deutsche Außenpolitik ist an ihrem eigenen Realitätsverlust zerrschellt. Er zeigt ferner das traurige Schauspiel, wie es aussieht, wenn versucht wird, Wrackteile aufzupolieren und als neuwertige, hochwertige Ware anzupreisen. So, wie der uneinsichtige Boxer auch nach seiner K.-o.-Niederlage immer noch glaubt, dass er kurz vor dem Sieg war und es beim nächsten Mal schaffen wird, so verquer gibt sich die deutsche Russlandpolitik. Über 40 Milliarden Euro hat sie in die Ukraine gepumpt, die deutsch-russischen Beziehungen auf politischer Ebene hat sie mit dem Vorschlaghammer zerschlagen. Die schier unzähligen toten, verstümmelten und traumatisierten Soldaten: Sie liegen doch vor den Augen der deutschen Regierung. Aber diese Politik zeigt sich außerstande, die Realität anzuerkennen. Was bleibt, sind Aussagen – längst nicht nur von Wadephul –, durchtränkt von inhaltlicher Trivialität.

Es ist immer gut, wenn über die Beendigung von Kriegen gesprochen wird. Es ist immer gut, wenn nicht mehr getötet wird. Es ist immer gut, wenn nicht mehr geschossen wird. Es ist immer gut, wenn Frieden ist.

Für Erkenntnisse und Aussagen dieser Art bedarf es wahrlich keiner hochbezahlten Top-Diplomaten. Die Welt braucht echte Diplomaten, die tragfähige Lösungen ausarbeiten und dann auch für deren Umsetzung sorgen. Das hat die deutsche Außenpolitik nicht vermocht, und daran muss sie sich messen lassen.

Titelbild: paparazzza / Shutterstock

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