31 getötete Journalisten – wo bleibt der Protest gegen Israels Kriegsführung?

31 getötete Journalisten – wo bleibt der Protest gegen Israels Kriegsführung?

31 getötete Journalisten – wo bleibt der Protest gegen Israels Kriegsführung?

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Tag für Tag muss das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten CPJ neue Todesfälle vermelden. Aktuell sind es 31. 31 Journalisten, die seit Beginn der Kampfhandlungen zwischen Hamas und der israelischen Armee getötet wurden – vier davon durch die Hamas, der Rest durch israelische Bomben und israelischen Beschuss. Teils handelt es sich dabei um „normale“ Opfer, die oft zusammen mit ihrer Familie Ziel der Bombardierungen von Wohngebäuden wurden. So etwas nennt man heute Kollateralschäden. Teils handelt es sich aber auch um gezielte Angriffe auf Journalisten, wie die NGO Reporter ohne Grenzen anklagt. Wo bleibt der Aufschrei der deutschen Medien? Wo bleibt der Aufschrei des Westens? In anderen Konflikten gibt man sich da weniger zurückhaltend. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Obgleich der Dauerkonflikt in Nahost sich erst seit wenigen Wochen zu einem offenen Krieg entwickelt hat, sind in diesen wenigen Wochen bereits mehr als doppelt so viele Journalisten im Einsatz getötet wurden wie in jedem kompletten Jahr zuvor seit Beginn der Dokumentation durch das CPJ. Unter den 31 getöteten Journalisten sind ein Libanese, vier Israelis und ganze 26 Palästinenser – die meisten von ihnen wurden Opfer von Bombenangriffen der israelischen Armee, die von den Israelis euphemistisch als gezielte Schläge gegen die Infrastruktur der Hamas bezeichnet werden.

Eines der Opfer ist der Reuters-Fotojournalist Isaam Abdallah. Zusammen mit anderen Journalisten von AFP und Al Jazeera war er am 13. Oktober in der Nähe der südlibanesischen Stadt Alma al Chaab im Einsatz, um Zusammenstöße zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee zu dokumentieren. Obgleich die Journalisten klar und deutlich als solche gekennzeichnet waren, nahmen die Israelis sie unter Feuer. Abdallah starb bereits beim ersten Einschlag, sechs seiner Kollegen von AFP, Al Jazeera und Reuters wurden bei Folgeeinschlägen teils schwer verletzt. Die NGO Reporter ohne Grenzen untersuchte den Vorfall und kam zum klaren Ergebnis, dass die Journalisten gezielt beschossen wurden. Die UNESCO hat mittlerweile eine Untersuchung des Vorfalls gefordert. Im Westen hält man sich bedeckt, obgleich Mitarbeiter der französischen AFP und der britischen Agentur Opfer wurden.

Publik wurde dieser Vorfall wohl vor allem, weil er sich nicht in Gaza, sondern im Libanon ereignet hat und die Opfer Mitarbeiter bekannter westlicher Medien waren. Der Großteil der Opfer sind Palästinenser, arbeiten bei arabischen Medien und wurden Opfer der Bombardierung des Gazastreifens. Schlagzeilen machte dabei bislang „nur“ die Tötung der Familie des bekannten Al-Jazeera-Korrespondenten Wael Al-Dahdouh, der zu den wenigen Journalisten gehört, die aus dem Gazastreifen auch ein internationales Publikum erreichen. Am 13. Oktober wurden seine Frau, sein Sohn, seine Tochter und ein Enkel Opfer israelischer Bomben. Sie hatten den Warnungen der Israelis Folge geleistet und waren zum Schutz vor Bomben von Gaza Stadt in das Flüchtlingslager Nuseirat geflohen. Tragischerweise war dies ein Fehler, da die Israelis das Flüchtlingslager bombardierten und Al-Dahoudhs Familie zusammen mit 21 weiteren Zivilisten dabei zu Tode kam. Al Jazeera und der Auslandspresseverband FPA zeigten sich schockiert. Al-Dahoudh geht von einem gezielten Schlag aus.

Während des gesamten Ukraine-Krieges wurden laut CPJ seit 2014 sechs Journalisten bei Kriegshandlungen getötet. Das sind sechs zu viel und jeder Einzelfall ist tragisch. In Gaza sind es in drei Wochen jedoch bereits fünfmal so viele. Nach dem Tod des AFP-Journalisten Arman Soldin in der Nähe von Bachmut kündigte Frankreich an, dieses Kriegsverbrechen zu untersuchen und zur Anklage zu bringen. Gut so. Für die in Gaza getöteten Journalisten scheint sich im Westen jedoch niemand öffentlich starkzumachen und eine Aufklärung israelischer Kriegsverbrechen zu fordern.

Und es sind ja nicht „nur“ die Todesfälle. Die Beschwerdeliste des CPJ ist lang und reicht von gezielten Angriffen, Bedrohungen und Behinderungen über Verhaftungen von Journalisten bis zu gezielten Cyberattacken, mit denen eine Berichterstattung vor allem aus Gaza unterbunden werden soll. Das mag einer der Gründe sein, warum wir in den Nachrichten mit Bildern aus Israel überflutet werden, von den Folgen des grauenhaften israelischen Bombenkriegs gegen Gaza aber nur wenig mitbekommen. So zynisch es klingen mag – der israelische Krieg gegen Journalisten scheint durchaus erfolgreich zu verlaufen.

Titelbild: Isaam Abdallah